Tot geglaubte Treibhausgase - Forschung Frankfurt
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Tot geglaubte Treibhausgase 1 Udias volese laccus moluptatus, cum dolorat eos nus aut ea et de delibuscit, quosapi endellab invera doluptur? Cabor aut mintore Spurensuche in der Atmosphäre scimiliquos autent aperror ecatemquae dolorerro corro et quibus aspis es et officides et harchil et iscil inctet plab incia von Jan Schwenkenbecher cullam inihic tore velite Der Atmosphärenforscher Kieran Stanley er das an der Universität Bristol, wo er heute untersucht im Taunus die Luft der ganzen noch Visiting Fellow ist. Zu Beginn seiner For- Welt. Seine Arbeit entlarvt ganze Regionen scherlaufbahn interessierte sich Stanley für Moore, in seiner Promotion untersuchte er den dabei, wenn sie längst geächtete Treibhaus- Kohlenstoff- und Nitrat-Zyklus der Feuchtge- gase ausstoßen. biete. Schon immer habe er ein recht ausgepräg- tes Interesse an der Umwelt gehabt, sagt der E inmal in der Woche steigt Kieran Stanley gebürtige Brite, und als er mit der Doktorarbeit ins Auto und schlängelt sich die Kurven der fertig gewesen sei, da habe er gewusst, dass er Hochtaunusstraße empor, erst an Buchen etwas machen wolle, wobei er Gasproben ana- vorbei, dann an Fichten, bis er auf 825 Höhen- lysiere. So kam er nach Bristol, und sein Spe metern über dem Meeresspiegel auf dem Klei- zialgebiet wurden die Treibhausgase. Ein Glück nen Feldberg schließlich sein Ziel erreicht: das für die Atomsphärenforschung und möglicher- Taunus Observatorium der Goethe-Universität. weise auch den Planeten Erde, denn Anfang Eine gute Sicht hat er von hier. Zum einen sieht 2020 gelang ihm auf diesem Gebiet ein Coup: Stanley das halbe Rhein-Main-Gebiet zu Fuße In einer Studie, Stanley war der Erstautor, zeigte des Taunus. Zum anderen sieht der Atmo er mit einem internationalen Forscherteam, sphärenforscher, wie es dem Planeten Erde so dass irgendwo auf der Welt das Treibhausgas geht. HFC-23, Fluoroform, stärker ausgestoßen wird, Zu Letzterem sind allerdings noch ein paar als es eigentlich der Fall sein sollte. Die zwei Zwischenschritte nötig. Deswegen entnimmt Hauptverdächtigen der Wissenschaftler: China Stanley die Proben aus den Instrumenten, über- und Indien. prüft die Technik und bringt das Eingesammelte zurück an seinen Arbeitsplatz, das 695 Höhen- Stärkere Wirkung als CO2 meter tiefer gelegene Institut für Atmosphäre HFC-23 ist ein Treibhausgas, ein sehr potentes und Umwelt der Goethe-Universität auf dem noch dazu. »Wenn man auf einen Zeitraum Campus Riedberg. Seit Mai 2019 erforscht der von 100 Jahren schaut, entspricht eine Tonne 32-Jährige hier die Luft des Planeten, vorher tat emittiertes HFC-23 etwa 12 000 Tonnen CO2«, Forschung Frankfurt | 2.2020 15
Kieran Stanley auf dem Dach des Taunus-Observatoriums der Goethe-Universität auf dem kleinen Feldberg.
Was die Atmosphäre beeinflusst erklärt Kieran Stanley. »Denn es ist recht lang So konnte die Weltgemeinschaft in kurzer lebig. Die allgemeine Lebensdauer des Gases in Zeit den HFC-23-Ausstoß beträchtlich senken. der Atmosphäre beträgt etwa 228 Jahre.« Wofür »Doch dann erkannten einige Produktionsfir- die Menschheit es braucht? Eigentlich gar nicht. men, dass sich durch den Mechanismus einiges Hier und da werde es als Kühlmittel eingesetzt, Geld verdienen ließ«, so Stanley. 2010 rechnete so Stanley, aber eigentlich gebe es effizientere die Nichtregierungsorganisation »CDM-Watch« Gase. Trotzdem kommt HFC-23 in der Welt vor. mal durch, dass Nutznießer des Programms das Es entsteht in der Regel als unerwünschtes Nebenprodukt bei der Produktion eines anderen Gases: HCFC-22, Chlordifluormethan, ebenfalls Zur Person ein Kältemittel, eines der effizienteren. Obwohl HFC-23 ein viel stärkeres Treib Dr. Kieran Stanley, Jahrgang 1987, studierte hausgas als CO2 ist: Absolut gesehen sind seine an der britischen Keele University Physische Effekte wohl kleiner, einfach weil die Mensch- Geographie und Französisch und an der heit so viel CO2 ausstößt. »Trotzdem spielen University of Oxford »Water Science, Policy diese und weitere Halogenkohlenwasserstoff- and Management«. Seine Dissertation an der Gase eine Rolle«, sagt der Atmosphärenchemi- Queen Mary University of London fertigte er über die Biogeochemie von Mooren an. Nach ker. »Und wenn es so ist, dass wir einen Unter- einer Zeit als Postdoc an der University of schied machen können, indem wir diese Gase Bristol im Bereich Atmosphärenchemie forscht nicht emittieren, dann ergibt es für mich irgend- er seit 2019 am Institut für Atmosphäre und wie Sinn, dass wir uns darum bemühen sollten, Umwelt der Goethe-Universität. das auch zu tun.« stanley@iau.uni-frankfurt.de Profit mit Treibhausgasen Deswegen hatten Stanley und seine Ex-Kollegen 65- bis 75-Fache dessen erhalten, was die Besei- aus Bristol schon länger ein Auge auf HFC-23 tigung tatsächlich kostet. Als Folge produzierten geworfen. »Viele Umweltschützer und Klima- die Firmen mehr und mehr HCFC-22 – mehr als wissenschaftler sehen es als eine Art leichte eigentlich nötig gewesen wäre –, um dabei wie- Beute, weil man die Emissionen recht leicht derum HFC-23 einzusparen, das sonst nie hätte verhindern kann«, sagt Stanley. »Bei der Her- eingespart werden müssen. »Die Emissionen stellung von HCFC-22 kann man die beiden stiegen wieder an und in 2013, 2014 wurde der Gase trennen und das HFC-23 durch thermische CDM für HFC-23 beendet.« Oxidation entfernen oder auffangen, damit es nicht mehr in die Atmosphäre gelangt.« Tat- Scheinbarer Stopp der HFC-23-Produktion sächlich ist der globale Ausstoß in den vergan- 2016 einigten sich zahlreiche Länder im »Kigali genen Jahren zurückgegangen. Insbesondere Amendment« darauf, innerhalb der nächsten nach 2005, als den Produktionsfirmen im Rah- Jahre die Verwendung aller HFC-Verbindungen men des durch das Kyoto-Protokoll geschaffenen mit hohem Treibhausgaspotenzial nach und Clean Development Mechanism (CDM) finanzi- nach zu reduzieren und schließlich zu stoppen. elle Anreize für die saubere HCFC-22-Produk- Die beiden Haupt-Emittenten, China und tion geboten wurden. Indien, haben es allerdings bis heute nicht rati- fiziert. Beide Staaten hatten jedoch bereits kurz nach dem Ende des CDM eigene Programme angekündigt, um die Emissionen in ihren Fabri- AUF DEN PUNKT GEBRACHT ken binnen kürzester Zeit zu stoppen. 2017 gaben sie an, den HFC-23-Ausstoß nahezu voll- • Weltweit wurde die Reduktion des ständig eingestellt zu haben – China hatte potenten Treibhausgases HFC-23 gegenüber der Weltbank berichtet, 2015 schon gemeldet. Doch es wird noch weiter 45 Prozent fachgerecht entsorgt zu haben, 2016 emittiert. dann 93 Prozent und 2017 schließlich 98 Pro- • Mithilfe von Messdaten eines welt zent. Die Welt war zufrieden. Und Forscher weiten Netzwerks, zu dem auch das rechneten damit, dass die globalen Emissionen Taunus Observatorium der Goethe- zwischen 2015 und 2017 um etwa 90 Prozent Universität gehört, konnten Wissen- zurückgegangen sein müssten. Doch dann maß AGAGE: Seit 1978 schaftler dies nachweisen. misst das Advanced Kieran Stanley nach. Global Atmospheric • Regional ausgerichtete Studien sollen Nur, wie kann man eigentlich messen, wie Gases E xperiment die künftig zeigen, wo HFC-23 entsteht, viel Gramm eines bestimmten Gases in der Erd- Zusammensetzung der damit die Emission gestoppt werden atmosphäre herumschwirren? Dazu brauchte Atmosphäre. https://agage.mit.edu kann. Stanley nicht nur eine Messstation, sondern ein ganzes Netzwerk von Stationen – eines wie das Forschung Frankfurt | 2.2020 17
Was die Atmosphäre beeinflusst Beitrag zum Treibhauseffekt durch Kohlendioxid und langlebige Treibhausgase 2020 Kohlendioxid (CO2) 66,1 % Methan (CH4) 16,4 % Lachgas (N2O) 6,4 % Gesamter Effekt Treibhausgase: Dichlordifluormethan (CFC -12) 5,1 % 3,141 W/m2 Trichlorfluormethan (CFC -11) 1,8 % 15 weitere Treibhausgase 4,1 % Quelle: Umweltbundesamt/NOAA Earth System Research Laboratory, The NOAA annual greenhouse gas index (AGGI) https://www.esrl.noaa.gov/gmd/aggi/aggi.html. Advanced Global Atmospheric Gases Experi- Höchststand angewachsen. Die Forscher vermu- ment (AGAGE). Das AGAGE-Netzwerk ist ein ten, dass die Emissionen aus China oder Indien Zusammenschluss von 15 Messstationen, von kommen müssen – auch wenn sie das mit ihrer Irland über Ruanda und Südkorea bis Amerika- Methode gar nicht direkt nachweisen konnten. nisch-Samoa über die ganze Welt verteilt. Dazu »Aber wenn man bedenkt, dass im Jahr 2017 kommen noch zahlreiche assoziierte Messzent- China und Indien zusammen für etwa drei Vier- ren, zu denen mittlerweile auch das Taunus tel der weltweiten HCFC-22-Produktion verant- Observatorium der Goethe-Universität zählt. So wortlich waren, sind sie sehr wahrscheinlich die kamen Stanley und seine Kollegen an die ent- Quelle dieser Emissionen«, sagt Stanley. sprechenden Luftdaten. Anfang 2020 veröffentlichte Stanley die Ergebnisse der Untersuchungen mit seinen Kol- Verdächtige: China und Indien legen im Forschungsmagazin Nature Communi- Um nun Unterschiede in der Verteilung des cations. Die Medien berichteten – öffentlich Gases zu berechnen, teilten sie die Atmosphäre zumindest reagierte die Politik nicht. Dass sol- in zwölf Boxen auf: Die Erdoberfläche unter che Forschung zum Klimaschutz und dem teilten sie in vier Sektoren, in die Höhe unter- Nicht-Einhalten von Klimaschutzmaßnahmen schieden sie nochmal drei Ebenen. »Damit aber durchaus zu Konsequenzen führen kann, konnten wir Unterschiede sehen und mit einigen zeigt ein ganz ähnlicher Fall mit einem anderen klimatischen, physikalischen und chemischen Halogenkohlenwasserstoff, der sich zwei Jahre Variablen untersuchen, wann welche Emissio- zuvor ereignete. nen aufgetreten sein müssten und woher sie aus Der Autor globaler Sicht kommen – von der Nordhalbkugel Suche nach Klimasündern oder der Südhalbkugel«, sagt Stanley. »Eigent- Im Mai 2018 entdeckte eine Forschergruppe Jan Schwenkenbecher, Jahrgang 1989, ist freier lich gibt es immer ein Nord-Süd-Gefälle, das von der US-amerikanischen National Oceanic Wissenschaftsjournalist und liegt daran, wie die Bevölkerung verteilt ist, und and Atmospheric Administration (NOAA), der lebt im Rhein-Main-Gebiet. anhand dessen erkennen wir die globalen Emis- nationalen Wetter- und Ozeanografiebehörde, Er hat in Gießen und Mainz sionen.« dass der Ausstoß einer bestimmten chemischen Psychologie studiert und danach im Volontariat bei der Als Stanley und seine Kollegen die Daten Verbindung deutlich langsamer zurückging, als Süddeutschen Zeitung das schließlich analysierten, sahen sie, dass der eigentlich zu erwarten gewesen war. Es handelte journalistische Handwerk globale HFC-23-Ausstoß nicht – wie eigentlich sich dabei um CFC -11, Trichlorfluormethan, ein gelernt. angenommen – um bis zu 90 Prozent zurück die Ozonschicht schädigendes Treibhausgas, das jan.schwenkenbecher@ gegangen war. Er war nicht mal ein bisschen zur Gruppe der Fluorchlorkohlenwasserstoffe posteo.de zurückgegangen. Stattdessen war die Konzen gehört, die man besser unter ihrer Abkürzung tration im Jahr 2018 auf einen neuen bisherigen kennt: FCKW. 18 2.2020 | Forschung Frankfurt
Einst als Wunder-Verbindungen gefeiert Abbau von CFC-11 zu verlangsamen. Scheinbar wurden FCKW im 20. Jahrhundert zu zahl wurde irgendwo auf der Welt das Gas wieder reichen Zwecken eingesetzt: als Kühlmittel, emittiert. Zwar vermuteten die NOAA-Forscher, etwa in Kühlschränken, dazu aber auch dass das Gas vermutlich aus China in die Atmo- als Treibgas in Sprühdosen, als Treibmittel in sphäre gelange. Mit Sicherheit sagen konnten Schaumstoffen und als Reinigungs-, als Lösungs- sie das aber nicht. oder als Löschmittel. In den 1970er Jahren Dann berichtete im Sommer 2018 zunächst kamen dann erste Hinweise auf die umwelt- die New York Times über einige kleinere chinesi- schädliche Wirkung der FCKW-Verbindungen sche Unternehmen, die die Journalisten mit Zurück im Labor: auf, im Mai 1985 wiesen britische Forscher in unabhängigen Ermittlern in der Küstenprovinz Kieran Stanley verbindet die elektropolierten Edelstahl der Zeitschrift Nature auf ein recht großes Loch Shandong ausfindig gemacht hatten. Die Firmen kolben mit den Luftproben in jener Ozonschicht hin, die die Erde umgibt emittierten CFC-11, weil sie damit Kunststoffe vom Taunus-Observatorium und sie vor einem Großteil der von der Sonne aufschäumten. Doch die richtige Evidenz kam mit dem Analysesystem. kommenden UV-Strahlen schützt. Zwei Jahre im Frühjahr 2019, und auch hier war Bristol Das System erlaubt ihm die Bestimmung von rund später, 1987, einigte sich die Welt im Montreal- beteiligt. Unter Federführung der ehemaligen 50 halogenierten Kohlen Protokoll darauf, erst weniger und schließlich Arbeitsgruppe von Kieran Stanley veröffent- wasserstoffen. gar keine FCKW-Verbindungen mehr zu lichte ein Team zahlreicher internationaler verwenden. CFC -11 sollte der Vereinbarung Wissenschaftler eine Analyse, in der sie recht zufolge von Menschen seit 2010 gar nicht mehr klar nachweisen konnten, dass der globale ausgestoßen werden. Anstieg des CFC-11-Ausstoßes vom östlichen Rand Chinas stammte. Im Frühjahr 2020 wurde Tatort: Osten Chinas chinesischen Medienberichten zufolge der erste Aber wie die NOAA-Wissenschaftler zeigten, Fabrikleiter zu einer zehnmonatigen Gefängnis- schien irgendwer die Abmachung zu brechen. strafe verurteilt. Die Forscher hatten erwartet, in den Ergebnis- Ob sich diese Geschichte gerade wiederholt? sen ihrer Messungen zu sehen, dass der CFC- Noch habe seine Studie zu keinerlei Konse- 11-Gehalt in der Atmosphäre seit Mitte der quenzen geführt, sagt Stanley. Aber er sagt 1990er Jahre stetig abfällt, weil immer weniger auch: »Es gibt Wissenschaftler aus dem AGAGE- ausgestoßen werden sollte und sich die Reste Netzwerk, die an einer regional ausgerichteten des langlebigen Gases nach einigen Jahrzehnten Studie arbeiten, um abzuschätzen, ob die Emis- dann doch zersetzen. Grafisch konnten sie dies sionen wirklich aus China kommen und wenn tatsächlich als abfallende Linie darstellen. Doch ja, von wo in China sie kommen.« ungefähr auf der Höhe des Jahres 2012 machte die Linie einen Knick. Ab da schien sich der Forschung Frankfurt | 2.2020 19
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