Tschad - Migration Control

Die Seite wird erstellt Caroline Unger
 
WEITER LESEN
Tschad - Migration Control
Tschad
von Helga Dickow mit Unterstützung von Magdalena Maier und Malte Jursch,
veröffentlicht im Mai 2021

Basisdaten und kurze Charakterisierung
Das Binnenland Tschad hat gemeinsame Grenzen mit Libyen, Niger, Nigeria,
Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) und dem Sudan. Der Tschad
unterhält enge Beziehungen mit der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich
(Unabhängigkeit am 11. August 1960). Die 2019 auf knapp 16 Millionen
geschätzten Einwohner*innen leben mehrheitlich in den südlichen Regionen des
Landes und in der Hauptstadt N’Djamena. Die Bevölkerung unterteilt sich in circa
200 ethnische Gruppen mit verschiedenen Sprachen und mit traditionell
unterschiedlichen Lebensweisen (Pastoralismus/Transhumanz, Ackerbau,
Handwerk). Amtssprachen sind Französisch und Tschad-Arabisch. Der Tschad ist
gemäß seiner Verfassung ein laizistischer Staat. Ungefähr 60% der Bevölkerung
bekennen sich zum Islam und 40% zum Christentum.

Ökonomie und Regierung
Im Tschad fand noch nie ein friedlicher Machtwechsel statt. Präsident Idriss Déby
Itno (im August 2020 ließ er sich noch den Zusatz Marschall verleihen) stürzte
1990 seinen ehemaligen Armeechef und damaligen Präsidenten Hissène Habré
und hielt sich seitdem an der Macht. Habré wurde 2017 im Senegal wegen der
Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen während seiner Herrschaft zu
lebenslanger Haft verurteilt, seine Opfer bislang aber noch nicht entschädigt. Zu
Beginn richteten sich große Hoffnungen auf Déby: Er versprach
Demokratisierung und eine Öffnung des Landes, ließ politische Parteien zu, die
ersten Wahlen fanden 1996 statt. Wie alle nachfolgenden Wahlen wurden sie von
Déby – die Parlamentswahlen von seiner aus der Rebellenbewegung
hervorgegangenen Partei Mouvement Patriotique du Salut (MPS) – gewonnen.
Fälschungsvorwürfe begleiteten allerdings alle Wahlen. Inzwischen saß Déby so
fest im Sattel, dass die Manipulation der Wahlbehörden und die Unterdrückung
der Opposition im Vorfeld schon zum Gewinn der Stimmen am Wahltag
ausreichten.[1] Mehrere Verfassungsänderungen (2005 und 2018) hätten ihm nun
Tschad - Migration Control
mit seiner Wiederwahl am 11. April 2021 ein sechstes Mandat ermöglicht und
eine mögliche Amtszeit bis 2034. Aber am 20. April 2021 gab ein von seinem Sohn
Mahamat Idriss Déby angeführter militärischer Übergangsrat (Conseil militaire
de transition, CMT) völlig überraschend den Tod von Idriss Déby bekannt.[2] Er
sei bei einem Angriff einer tschadischen Rebellenallianz (Front pour l’alternance
et la concorde au Tchad), die sich unter der Leitung von Mahamat Mahadi Ali seit
dem Wahltag in Richtung N’Djamena vorwärtsbewegte, ums Leben gekommen.
Der Übergangsrat baut auf die Militär- und Machtstrukturen der Regierung Déby
auf. Trotz Versprechen auf demokratische Wahlen nach einer Übergangsperiode
von 18 Monaten (einmal verlängerbar), scheint ein demokratischer Wandel nicht
das vorrangige Ziel des Übergangsrats zu sein, sondern die Kontinuität der
Herrschaft des Zaghawa-Clans um den alten und neuen Déby. Nach den
Trauerfeierlichkeiten fanden seit Ende April 2021 wiederholt in allen Städten des
Tschad Demonstrationen gegen die neuen Machthaber und die Kontinuität der
Zaghawa statt. Militär und Polizei schoss auf die Zivilist*innen, es gab viele
Tote.[3]

Seit 2003 wird im Tschad Erdöl gefördert. Die damit einhergehende Hoffnung der
Bevölkerung auf eine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen erfüllte sich
allerdings nicht. Nur die Machtelite um den Präsidenten profitierte von den
Öleinnahmen und steckte viel in die eigenen Taschen, in Immobilien und auf
Konten im Ausland. Déby nutzte die Einnahmen aber auch zur Machtsicherung,
indem er den Sicherheitsapparat ausbaute und politische Gegner durch
finanzielle Anreize einband. Der Tschad gehört laut Transparency International zu
den korruptesten Staaten weltweit.[4] Nennenswerte Industrie ist nicht
vorhanden, der Großteil der Bevölkerung lebt von der Subsistenzlandwirtschaft
und von Viehzucht. Baumwolle und Lebendvieh sind nach Öl die wichtigsten
Exportgüter des Tschad. Neben den bald erschöpften Erdölvorkommen im Süden
des Landes befinden sich im Norden Goldvorkommen, die bisher nicht
professionell exploriert werden.

Der Tschad wird bei allen Indizes – von politischen Freiheiten,
Rechtsstaatlichkeit, Korruption bis hin zu Armut – auf den untersten Rängen
aufgeführt. Der Freedom House Report 2020 bezeichnet den Tschad als „not free“
und listet ihn auf den 17. Platz[5], der Human Development Index 2020[6] auf den
drittletzten Rang. Die Mehrheit der Bevölkerung lebt unterhalb der
Armutsgrenze.
Tschad - Migration Control
Das Vorrücken islamistisch-terroristischer Gruppierungen in der Region und im
Sahel nutzte Déby, sich mittels seiner gut gerüsteten Armee als unerlässlicher
Verbündeter im Kampf gegen den islamistischen Terror zu etablieren. Dafür
erhielt er internationale und regionale Anerkennung insbesondere von Frankreich
und den Staatschefs der restlichen G5 Staaten Burkina Faso, Mali, Mauretanien
und Niger. Tschadische Militärs stellen in der MINUSMA und der Gemeinsamen
Eingreiftruppe der G5 Sahel jeweils das größte Kontingent.

Der Tschad hat die UN Migrant Workers Convention 2012 unterzeichnet, aber
noch nicht ratifiziert.[7] Das erste Asylgesetz des Tschad wurde im Dezember
2020 verabschiedet.[8]

Migrationsbewegungen
Unterschiedliche Formen von Migration existieren im Tschad:
Wanderbewegungen (Transhumanz) im Inneren sowie über Staatsgrenzen
hinweg. Das Land ist Zielland für Flüchtlinge und Flüchtende aus den
Nachbarstaaten. Tschader*innen wiederum fliehen und migrieren in
Nachbarländer und in geringerer Zahl in Richtung Europa und Kanada.

Migration von Tschader*innen
Transhumanz als Form der Binnenmigration hat eine Jahrhunderte lange
Tradition im gesamten Sahel und somit auch im Tschad. In der Vergangenheit
zogen nomadisch geprägte ethnische Gruppen auf festen Routen während der
Trockenheit vom Norden in den Süden. Die Wanderwege waren auf die
Bedürfnisse ihrer Tiere nach Wasser und bestimmten Pflanzen sowie auf die
Ernte- und Saatzeiten der vom Ackerbau lebenden Bevölkerung abgestimmt.
Unterschiedliche Ethnien folgten unterschiedlichen Routen, je nachdem ob sie
Kamele, Rinder oder Schafe und Ziegen besaßen. Bürgerkriege, Klimawandel und
Reichtum der neuen Machtelite brachten das fragile Gleichgewicht zwischen
Pastoralist*innen und der Bevölkerung in den Dörfern, die von der Landwirtschaft
lebt, ins Wanken. Viehherden ziehen nun immer früher – häufig vor der Ernte – in
den Süden. Mitglieder des Machtzirkels investieren in Rinderherden, die nun
gedungene Viehhirten begleiten. Regelmäßig werden noch nicht abgeerntete
Felder von den Herden abgeweidet und damit Lebensgrundlagen ganzer Dörfer
für das Folgejahr zerstört. Dies führt immer häufiger zu tödlichen
Auseinandersetzungen zwischen Ackerbauern und Viehhirten und -züchtern.
Gerichtliche Auseinandersetzungen verlieren die Dorfbewohner*innen, da ihnen
die politische Unterstützung fehlt.

Transhumanz. Foto: Helga Dickow, 2013

Im Vergleich zu anderen Staaten, wie etwa Burkina Faso, wo saisonale
Arbeitsmigration seit jeher ökonomisch und kulturell wichtig ist, spielt traditionell
Migration vom Tschad in die Nachbarstaaten keine wirtschaftlich bedeutende
Rolle mit der Ausnahme Libyens. Libyen war bis zum Sturz Gaddafis das Zielland
für tschadische Arbeitsmigrant*innen. Die Präsenz von Tschader*innen in den
Nachbarländern spiegelt vielmehr verschiedene Wellen politischer Unruhen und
Rebellionen im Tschad wider, vor denen die Menschen zu verschiedenen
Zeitpunkten geflohen sind. Nicht alle kehrten im Anschluss zurück. Laut Angaben
der Internationalen Organisation für Migration (IOM) lebten im August 2019[9]
circa 337.000 Tschader*innen in den Nachbarstaaten, davon knapp 200.000 im
Sudan, 1.000 in Libyen, 1.500 im Niger, 12.000 in Nigeria, 96.000 in Kamerun
und 10.000 in der Zentralafrikanischen Republik. Wegen der engen
wirtschaftlichen, kulturellen (Bildungsbereich) sowie familiären Beziehungen zur
ehemaligen Kolonialmacht ist Frankreich ebenfalls ein Zielland. Viele Mitglieder
der politischen und wirtschaftlichen Elite haben neben der tschadischen auch die
französische Staatsangehörigkeit, wie zum Beispiel die Frau von Präsident Déby,
Hinda Déby, und einige Kinder des Präsidenten. Auch wohlhabende
Geschäftsleute und Intellektuelle pendeln zwischen beiden Ländern. Frankreich
gewährte in der Vergangenheit einigen Oppositionellen und Regimekritiker*innen
des Déby-Regimes Asyl.[10] Die Zahl der in Frankreich lebenden Tschader*innen
ist nach Angaben der französischen Volkszählung von 2020[11] von 2.400 im Jahr
2007 auf 4.300 im Jahr 2017 gestiegen. (Zum Vergleich: 6.900 Nigrer*innen und
56.800 Kameruner*innen waren 2017 in Frankreich gemeldet.)

Umfragen der IOM bestätigen diesen Trend zu geringen Migrationszahlen im
Vergleich zu den Nachbarländern in der Region. Unter den Menschen, die derzeit
versuchen, nach Europa zu gelangen, sind tschadische Migrant*innen bei weitem
in der Minderzahl.

Migrant*innen unterwegs in Nordtschad. Foto: Helga Dickow, 2020
Zielland
Seit der Darfur-Krise zu Beginn der 2000er Jahre beherbergt der Tschad alle
Kategorien von Flüchtlingen. Im Osten entlang der Grenze zum Sudan leben in
Lagern Flüchtlinge aus dem Sudan. Menschen auf der Flucht vor Boko Haram
leben in Lagern in der Tschadseeregion. Sie kommen zum Großteil aus Nigeria,
Niger und Kamerun. In beiden Fällen sind aber auch Internally Displaced
Persons, also Tschader*innen, in Lagern in Osten und im Westen angesiedelt, die
vor der Gewalt und Terrorismus fliehen mussten. Allen gemein ist die große
Armut und Not. Beachtlich ist aber auch die Solidarität der tschadischen lokalen
Bevölkerung, die ja selbst von der Subsistenzwirtschaft lebt. Im Westen und
Süden des Landes sind immer wieder Dorfgemeinschaften anzutreffen, die einen
Teil ihrer Felder Flüchtlingen zum Anbau von Nahrungsmitteln zeitweise
überlassen haben. Anders sieht es in der Region des Tschadsees auf tschadischer
Seite aus, wo die lokale Bevölkerung selbst unter Klimawandel und Vertreibung
durch Boko Haram oder dem tschadischen Militär leidet, da in der Region der
Ausnahmezustand verhängt wurde.

Flüchtlingslager, internationale Unterstützung
Mit dem Ausbruch des Bürgerkriegs 2013 in der Zentralafrikanischen Republik
(ZAR) suchten immer mehr Menschen Schutz im Süden des Tschad. Die ersten
waren Nachfahren von seit Generationen in der ZAR ansässigen Tschader*innen,
oft Händler*innen oder Nomad*innen. In der Regel sind sie muslimischen
Glaubens. Zu Beginn des Bürgerkrieges wurde ein Teil von ihnen vom
tschadischen Militär „heimgeholt“. Ungefähr 100.000 Personen konnten mit
Unterstützung der lokalen Bevölkerung in den Herkunftsregionen ihrer Vorfahren
integriert werden. Andere haben gar keinen Bezug zur Heimat ihrer Vorfahren,
sie sprechen nur Sango und leben in Lagern, für die der Tschad zuständig ist.
Schließlich gelten sie als Tschader*innen und erhalten keinen Status als
Flüchtlinge. Unterstützung im vom UNHCR und anderen internationalen
Organisationen verwalteten Lagern erhalten nur die Menschen aus der ZAR, die
keine tschadischen Vorfahren haben. Unter ihnen sind viele Peul. Ausbrüche von
Gewalt in der ZAR sind seitdem von Fluchtbewegungen in den Tschad und die
Nachbarländer begleitet.
Nahrungsmittelausgabe für Geflüchtete. Foto: Helga Dickow, 2011

Projekte der EU
Im Rahmen der Entwicklungskooperation mit dem Tschad liegt der Schwerpunkt
der EU in den Bereichen Verbesserung der Governance, Infrastruktur und
nachhaltiger Entwicklung. Im Rahmen des Europäischen Entwicklungsfonds
(2014 – 2020) belief sich die Unterstützung auf 552 Millionen Euro.[12]
Migrationskontrolle bildet nicht den Schwerpunkt der Zusammenarbeit, er lag auf
dem Ausbau der Infrastruktur. Verschiedene Fördertöpfe berühren dennoch die
Themen Migration im Sahel und in der grenzübergreifenden Region des
Tschadseebeckens sowie Unterstützung von Flüchtlingen und Rückkehrer*innen
aus den Nachbarstaaten des Tschad. Hier sind die wichtigsten:

Der nach dem Gipfeltreffen zu Migrationsfragen in Valetta 2015 geschaffene EU
Emergency Trust Fund (EUTF)[13] sieht für den Tschad ein Budget von 170,7
Millionen Euro vor.[14] Der Schwerpunkt liegt auf der Stärkung der Flüchtlinge,
Rückkehrer*innen und der Gemeinden der Aufnahmeregionen in der
Tschadseeregion, im Osten und Süden des Landes – das heißt in den
Grenzregionen zum Sudan und der ZAR. Sieben nationale Projekte werden in
Zusammenarbeit mit Oxfam, der GIZ, UNHCR und anderen gefördert.[15] Bei den
meisten von ihnen geht es um die Stärkung der Resilienz, was sich auch in der
finanziellen Verteilung zeigt: 2020 wurden 80 Millionen Euro zur Stärkung der
Resilienz, 20 Millionen Euro im Bereich Governance und 10 Millionen Euro im
Bereich Beschäftigung zur Verfügung gestellt.[16] Das von Macron 2017 dem
Tschad zugesagte vorgelagerte Asylzentrum für Migrant*innen, die in Frankreich
Asyl beantragen wollen, wurde nie realisiert.

Im Rahmen der regionalen Projekte des EUTF wurde der Tschad ebenfalls
gefördert – allerdings nur mit kleineren Budgets. Projekte wurden von IOM[17] zu
Migrationsgovernance und Integration von Rückkehrer*innen bis hin zur
Stärkung der Nationalen Sicherheitseinheiten zur Kontrolle des staatlichen
Territoriums und der Grenzen[18] durch die EU-Delegation im Tschad
durchgeführt.

Von denen im November 2020 im Rahmen des EUTF fünf neu angekündigten
Programmen[19] wird der Tschad nur im Projekt „Radio Jeunesse Sahel“ erwähnt,
das das zweitniedrigste Budget erhält.

Im Bereich der humanitären Hilfe (ECHO) hat die EU 2020 30,6 Millionen Euro
für Geflüchtete, Binnenvertriebene und Aufnahmegemeinden sowie zur
Integration von Flüchtlingen zur Verfügung gestellt.[20]

Der Tschad gehört zu den Empfängerländern im Rahmen der Frontex Africa
Intelligence Community. Für 31 Länder beträgt das Budget (2017-2020)
allerdings nur 4 Millionen Euro.[21]

Im Rahmen der EU Partnerschaft mit den G5 Sahel-Staaten, die politische
Partnerschaft, Zusammenarbeit in den Bereichen Sicherheit und Stabilität sowie
Entwicklungskooperation vorsieht, wurden dem Tschad 2018 66,7 Millionen Euro
für humanitäre Hilfe für forced displacement bereitgestellt.[22] Die im
Zusammenhang mit der G5 im Juli 2017 ins Leben gerufene Sahel Alliance[23]
soll der Instabilität im Sahel durch nachhaltige Entwicklung entgegen wirken. Die
für den Tschad unter der Sahel Allianz aufgelisteten relevanten Projekte sind die
des EUFT.[24]

Der Tschad ist gemeinsam mit Algerien, Burkina Faso, Kamerun, Libyen, Mali,
Mauretanien, Marokko, Niger, Nigeria, Senegal, und Tunesien Teil der US-
amerikanischen Partnerschaft Trans-Sahara Counterterrorism Partnership[25]
zur Terrorismusbekämpfung. Ausrüstungshilfen und jährliche gemeinsame
Manöver[26] der Partnerstaaten sind Bestandteil der Partnerschaft. Die
Summierung der US-Gelder für den Tschad belief sich im Jahr 2019 auf ungefähr
48 Millionen US-Dollar.[27]

Projekte im Bereich der Transhumanz werden von verschiedensten Gebern
finanziert. Dabei geht es auch um das Thema Konfliktvermeidung zwischen
sesshafter und nomadischer Bevölkerung und Verbesserung der
Lebensbedingungen. Derzeit führt die französische Entwicklungskooperation im
Auftrag der EU das Projekt PASTOR im Umfang von 28 Millionen Euro durch.[28]

Die GIZ führte im Auftrag des Auswärtigen Amtes von 2013 bis 2019 ein Projekt
zur Unterstützung der Polizeireform im Tschad durch, bei dem die Kapazitäten
der tschadischen Polizei in den Bereichen Grenzsicherung und
Kriminalitätsbekämpfung gestärkt werden sollten.[29]

Es besteht kein Rücknahmeabkommen zwischen Deutschland und dem
Tschad.[30]

Welche Rolle spielen (welche) NGOs?
Wie überall spielt IOM[31] eine zentrale Rolle im Migrationsbereich. Neben
Projekten im Auftrag verschiedener Geberorganisationen führt IOM auch
Monitoring über die Zahl der Migrant*innen in entlegenen Durchgangsregionen,
wie dem Tibesti, und an Grenzübergängen durch.[32] Des Weiteren sind
UNHCR[33] und andere humanitäre Organisationen (z.B. CARE) sowie christliche
und islamische Hilfsorganisationen (Caritas, Catholic Refugee Service, Islamic
Relief Worldwide etc.) in Lagern in den Grenzregionen aktiv. Tschadische NGOs
spielen eine geringe Rolle. Vereinzelt leisten islamische NGOs in den Lagern an
der Grenze zur ZAR humanitäre Unterstützung.

Auf tschadischer Seite sind Menschenrechtsorganisationen in den Themenfeldern
Konfliktmediation zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen
(intercommunautaires) und der Rechtsaufklärung (auch für Migrant*innen) aktiv.
Hier sind zu erwähnen: Association pour la Promotion des Libertés
Fondamentales (APLFT), Associations des Femmes Juristes du Tchad (AFJT),
Cellule de Liaison et d’Information sur e les Activités des Associations Féminines
(CELIAF), Association Tchadienne pour la Promotion des Droits de l’Homme
(ATPDH) und Ligue Tchadienne des Droits de l’Homme (LTDH).

Wirtschaftliche                          Interessen?                     Wer
profitiert?
Ziel des langjährigen Präsidenten Idriss Déby Itno war die Sicherung seiner
Herrschaft. Mit Hilfe der Einnahmen aus der Erdölförderung konnte er seit
Anfang der 2000er Jahre die dazu notwendige militärische Aufrüstung erfolgreich
vorantreiben. Unterstützung und Training im Rahmen der oben genannten
Projekte spielten daher eine geringere Rolle, wohl aber die logistische
Unterstützung durch die französische Militärpräsenz im Rahmen verschiedener
Missionen. Frankreich unterhält permanente Basen in N’Djamena, Faya und
Abéché.

Wer verliert?
Konflikte um Land, Wasser und andere Ressourcen führen regelmäßig zu
tödlichen Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen.
Die lokale Bevölkerung des Südens ist hierbei die Verliererin, da Viehherden oft
die Ernten eines ganzen Jahres abweiden und ihnen ihre Lebensgrundlage
entziehen. Nicht nur der Klimawandel treibt die Herden vor der Ernte in den
Süden. Inzwischen sind große Herden in Besitz der politischen Elite in
N’Djamena. Die Bäuerinnen und Bauern haben daher auch so gut wie keinen
Erfolg bei gerichtlichen Auseinandersetzungen.

Welchen Widerstand gibt es?
Die Tschader*innen sind mit dem täglichen Überlebenskampf beschäftigt. Es gibt
keinen nennenswerten Widerstand mit Ausnahme von einigen NGOs, die in
Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung die Konflikte zwischen den
verschiedenen Bevölkerungsgruppen bearbeiten.[34]
Migrationsstatistik
                                               403.900
                                    Top Zielländer 2013: Kamerun,
                                     Sudan, ZAR, Nigeria, Saudi-
   Zahl der tschadischen
                             2013      Arabien, Republik Kongo,
  Migrant*innen weltweit
                                        Frankreich, Vereinigte
                                    Arabische Emirate, Südsudan,
                                             Gabun[35]
                                               206.400
                                       Sudan (91.890); Nigeria
                             2019    (30.568); Kamerun (24.318);
                                    CAR (11.141); Republik Kongo
                                            (10.889)[36]
                             2020           222.300[37]
   Internally Displaced               176.000 (davon 58.000 in
                             2019
 Persons (IDPs) im Tschad                    2019)[38]
                                      512.230 (Herkunftsländer:
                                    Sudan (354.817); ZAR (96.813);
 Migrant*innen im Tschad     2019
                                       Kamerun (33.936); Niger
                                      (3.416); Nigeria (3.265)[39]
                             2020           547.500[40]
    Tschader*innen in
                             2019              784[41]
       Deutschland
  Asylbewerber*innen aus
                             2018               1.115
   dem Tschad in der EU
                             2019               1.420
                                    1.125 (davon 965 in Frankreich
                             2020
                                      und 50 in Deutschland)[42]
Das Beitragsbild wurde 2013 von Helga Dickow aufgenommen.
Materialien und Quellen
Brachet, Julien und Scheele, Judith (2019): The Value of Disorder. Autonomy,
Prosperity, and Plunder in the Chadian Sahara, Cambridge: Cambridge University
Press

Chapelle, Jean (1986): Peuple tchadien, ses racines et sa vie quotidienne, Paris:
L’Harmattan

Chapelle, Jean (1982): Nomades noirs du Sahara. Les Toubous, Neuauflage von
1957, Paris: L’Harmattan

Debos, Marielle (2013): Le métier des armes au Tchad. Le gouvernement de
l’entre-guerres, Paris: Karthala

Dickow, Helga (2005): Democrats without Democracy? Attitudes and opinions on
society, religion and politics in Chad. Byblos: Centre Internationale des Sciences
de l’Homme

International Crisis Group: https://www.crisisgroup.org/africa/central-africa/chad

Gatta, Gali Ngothé (1985): Tchad. Guerre civile et désagrégation de l’Etat. Paris:
Présence Africaine

Ligue Tchadien des Droits de l’Homme (LTDH) (2021): La migration au Tchad,
enjeux et défis pour la protection des droits de l’homme, N’Djamena, i.E.

Magrin Géraud (2001): Le sud du Tchad en mutation, des champs de coton aux
sirènes de l’or noir, Saint-Maur-des-Fossées: Cirad et Sépia

Tubiana, Jérôme und Debos, Marielle (2017): Déby’s Chad. Political Manipulation
at Home, Military Intervention Abroad, Challenging Times Ahead. Institute for
Security Studies, United States Institute of Peace: Washington

Wiese, Martin (2004): Health-vulnerability in a complex crisis situation.
Implications for providing health care to monadic people in Chad, Verlag für
Entwicklungspolitik: Saarbrücken
Fußnoten
[1]
https://theconversation.com/how-a-popular-movement-could-threaten-idriss-deby-i
tnos-30-years-in-power-157162.

[2]
https://theconversation.com/idriss-deby-itno-offered-chadians-great-hope-but-ende
d-up-leaving-a-terrible-legacy-159443.

[3]
https://www.rfi.fr/fr/afrique/20210427-manifestations-au-tchad-retour-sur-une-jou
rn%C3%A9e-de-contestation-et-de-r%C3%A9pression.

[4] https://www.transparency.de/cpi/.

[5] https://freedomhouse.org/country/chad/freedom-world/2019.

[6] http://hdr.undp.org/en/countries/profiles/TCD.

[7]
https://tbinternet.ohchr.org/_layouts/15/TreatyBodyExternal/Treaty.aspx?CountryI
D=34&Lang=EN.

[8]
https://www.alwihdainfo.com/Tchad-la-Loi-sur-l-asile-adoptee-par-l-Assemblee-nati
onale_a98724.html.

[9]
https://displacement.iom.int/system/tdf/reports/Mobility%20Chad_27-08-2019_EN
G_publication_0.pdf?file=1&type=node&id=7069.

[10]
https://www.infomigrants.net/fr/post/17985/demandeur-d-asile-tchadien-en-france
-abdelhaq-reve-d-apiculture.

[11] https://www.insee.fr/fr/statistiques/4510522?sommaire=4510556.

[12]
https://eeas.europa.eu/sites/default/files/20150116_programme-indicatif-national-
11eme-fed_fr.pdf.

[13] https://ec.europa.eu/trustfundforafrica/content/about_en.

[14] https://eeas.europa.eu/sites/default/files/factsheet_eu_g5_sahel_july-2019.pdf.

[15] https://ec.europa.eu/trustfundforafrica/region/sahel-lake-chad/tchad_en.

[16]https://ec.europa.eu/trustfundforafrica/sites/default/files/2020_rapport_de_sui
vi_premier_semestre_pour_le_ffu_region_sahel_et_lac_tchad_-
_rapport_complet.pdf.

[17] https://eutf.akvoapp.org/en/project/5913/#summary.

[18] https://eutf.akvoapp.org/en/project/8668/#summary.

[19]
https://ec.europa.eu/international-partnerships/news/eu-trust-fund-africa-mobilise
s-another-eu226-million-foster-stability-and-security-sahel-and_de.

[20] https://ec.europa.eu/echo/where/africa/chad_en.

[21]
https://frontex.europa.eu/we-build/other-partners-and-projects/non-eu-countries/.

[22] https://eeas.europa.eu/sites/default/files/factsheet_eu_g5_sahel_july-2019.pdf.

[23] https://www.alliance-sahel.org/.

[24] https://www.alliance-sahel.org/les-projets/.

[25] https://www.state.gov/trans-sahara-counterterrorism-partnership/.

[26]
https://www.defense.gov/Explore/News/Article/Article/2100743/africoms-exercise-
flintlock-2020-strengthens-partnerships-security/.

[27] https://responsiblestatecraft.org/2021/05/04/an-alternative-us-policy-on-
chad/.

[28]
https://www.afd.fr/fr/carte-des-projets/projet-pastor-structurer-le-developpement-
pastoral.

[29] https://www.giz.de/de/downloads/giz2017-factsheet-tschad-d.pdf.

[30] http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/063/1906372.pdf.

[31] https://www.iom.int/countries/chad.

[32]
https://displacement.iom.int/system/tdf/reports/TCD_FMR_FMS_Q3_2020_CHAD_
en_0.pdf?file=1&type=node&id=10306.

[33] https://www.unhcr.org/chad.html.

[34]
https://www.peaceinsight.org/ar/organisations/association-ngaoubourandi/?locatio
n=chad&theme.

[35] World Bank: Migration and Remittances Factbook 2016 Third Edition, 94.

[36] United Nations Population Division, Department of Economic and Social
Affairs: Workbook: UN Migrant Stock by Origin and Destination 2019.
https://www.un.org/en/development/desa/population/migration/data/estimates2/es
timates19.asp.

[37]             IOM            Migration              Data            Portal.
https://migrationdataportal.org/?i=stock_abs_origin&t=2020&cm49=148 und
United Nations Population Division. International Migrant Stock.
https://www.un.org/development/desa/pd/content/international-migrant-stock.

[38] Internal Displacement Monitoring Centre: Chad – Displacement associated
with Conflict and Violence Figure Analysis – GRID 2020, 1.

[39] United Nations Population Division, Department of Economic and Social
Affairs: Workbook: UN Migrant Stock by Origin and Destination 2019.
https://www.un.org/en/development/desa/population/migration/data/estimates2/es
timates19.asp.

[40]            IOM             Migration            Data        Portal.
https://migrationdataportal.org/?i=stock_abs_origin&t=2020&cm49=148 und
United Nations Population Division. International Migrant Stock.
https://www.un.org/development/desa/pd/content/international-migrant-stock.

[41]                                                    EUROSTAT:
https://appsso.eurostat.ec.europa.eu/nui/submitViewTableAction.do.

[42]                                                    EUROSTAT:
https://appsso.eurostat.ec.europa.eu/nui/submitViewTableAction.do.
Sie können auch lesen