UND JETZT ALLE ZUSAMMEN! - WORLD MUSIC - Beat Curti
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WOR L D M US IC U N D J ETZ T A LLE Z USA MMEN! Beyond Music: Musiker aus der ganzen Welt vernetzen sich miteinander.
Wie die Schweizerin Regula Curti einen digitalen Szenetreff für Musiker aus aller Welt erschuf. Text Michael Hugentobler Die Idee kam an einem Wintermorgen Song Contest anstupst, Ingrid White, im Jahr 2007. Sie hatte aber noch keine die in Yaoundé/Kamerun lebt, und zu- Form, war eher eine Art Keimling. Re- sammen komponieren sie ein Lied, gula Curti sass in einem Kellerraum das sich stilistisch irgendwo zwischen und sang ein Mantra. Während der Grossstadt-Elektro und klassischem Meditation kam ihr der Gedanke, Mu- afrikanischem Gesang bewegt. Oder sik sei doch eine Form von Energie und da gibt es den Neffen des unangefoch- man könne heutzutage in Erlenbach in tenen Meisters auf dem Gebiet des ar- der Schweiz verankert sein und diese menischen Flötenspiels, des Duduks, Energie in alle Welt transportieren. der eine Kollaboration eingeht mit Was damals ein abstrakter Gedan- einem Sänger aus Ägypten und einem ke im Kopf einer Frau am Ufer des Zü- Bassisten aus Bolligen im Kanton Bern. richsees war, ist heute eine digitale Sie alle spielen Lieder ein, ohne auch Plattform namens Beyond Music. Mu- nur ein einziges Mal gemeinsam einen siker aus der ganzen Welt können sich Raum zu betreten. Musikalisch prallen miteinander vernetzen. Da gibt es etwa dabei Kulturen aufeinander, aber die den siebzehnjährigen Gymnasiasten Energie entlädt sich nicht in Form von Max Keller aus Zürich, der in seiner Konflikten, sondern in Form von Me- Freizeit auf dem Computer Beats und lodien, und diese Melodien sind schön. Rhythmen programmiert und dann im Vor einigen Monaten wurden die bes- Internet die Gewinnerin des Afrimusic ten dieser Lieder ausgewählt und in A L L E BI L DE R : M A RC C OM E S/C H BP.C OM DA S M AG A Z I N N ° 1/2 — 2020 DA S M AG A Z I N N ° 1/2 — 2020 Regula Curti mit Ehemann Beat. Ins Studio in Südfrankreich kamen einige der besten Musiker der Welt: die Gitarristen von Madonna und Elton John, der Schlagzeuger von Sting, der Keyboarder von Patti Smith.
Zu diesem Zeitpunkt hatte sie ihren hen», sagt Curti. Sie seien auf die Man- Wir steigen eine Wendeltreppe hoch in Ehemann kennen gelernt, den Unter- tras zu sprechen gekommen, die sie einen anderen Raum. Es gibt Aufnah- nehmer Beat Curti. Was die beiden beide seit Jahren singen; in Turners men des Schweizer Fernsehens von unter anderem verband, war ihr Inter- Fall buddhistische Mantras aus der ja- einer Sendung, die hier gedreht wurde. esse für Kunst, für Buddhismus und panischen Nichiren-Tradition, dank Es ging um die Erbschaftssteuer, und Yoga. Regula Curti kündigte ihren Job denen es ihr gelungen sei, traumati- Beat Curti sprach darüber, was er mit und besuchte den Lehrgang Kunst- sche Erlebnisse mit ihrem ersten Ehe- dem vielen Geld zu tun gedenke, das er und ausdrucksorientierte Physiothe- mann zu transformieren. «Zwischen in seinem Leben verdient hat. Er rapie der Europäischen Gesellschaft uns hat es an diesem Abend klick ge- sprach dabei von seiner Verantwor- für interdisziplinäre Studien in Zürich, macht», sagt Curti. tung, etwas an die Gesellschaft zu- den sie mit dem Master abschloss. Bei der ersten CD der drei Frauen, rückzugeben. Ein Teil dieses Geldes Ausserdem liess sie sich zum Yogi aus- die den Namen «Beyond» trug, ging es fliesst in die Stiftung, die auch Beyond bilden, ihr Interesse galt besonders darum, Buddhismus und Christentum Music finanziert. dem Kundalini-Yoga, einer Version zu verknüpfen. Die Frauen sangen zu- Von den vier Musikalben der Frau- von Yoga, bei der das Singen eine sehr sammen, die CD erschien im Jahr en war jede folgende CD ein etwas wichtige Rolle einnimmt, das repetiti- 2009. Das Besondere an der Musik grösseres Projekt als das vorangegan- ve Singen von Mantras. war, dass sie nicht allzu asiatisch klang, gene. Allein die Covers bezeugten dies: Regula Curti zeigt den Instrumen- aber auch nicht allzu europäisch oder Waren auf der ersten CD noch drei tenraum, da stehen unter anderem amerikanisch, sondern etwas dazwi- Frauengesichter zu sehen, so waren es eine tibetische Klangmühle mit Saiten, schen, und dass das in der Kombina- auf der letzten CD nun deren sechs. eine Anthroposophen-Harfe, mehrere tion sehr gut funktionierte. Die CD Und Regula Curti wollte noch weiter Der siebzehnjährige Gymnasiast Max Keller aus Zürich Didgeridoos aus Australien, eine ja- verkaufte sich 300 000 Mal. gehen. Sie fand, ihr Projekt müsse komponiert mit … maikanische Steeldrum, Djembé- Die nächste CD war als rein loka- mehr umfassen, alles umfassen, alle Trommeln aus Westafrika, eine Pow- les Projekt geplant, bei dem dreissig Religionen, alle Kulturen, alle Natio- Wow-Trommel eines indigenen Stam- Zürcher Kinder aus verschiedenen Re- nalitäten, alle Stilrichtungen und alle … Ingrid White, der Gewinnerin des Afrimusic mes aus Nordamerika und etwas, das ligionen und Nationen zusammen san- Geschlechter. Sie selber hatte das Ge- Song Contest, ein Lied zwischen Grossstadt-Elektro aussieht wie ein umgedrehter Wäsche- gen. Die Plattenfirma Universal, die fühl, durch die Zusammenarbeit mit und klassischem afrikanischem Gesang. korb, und von dem Curti sagt, das nen- bereits die erste CD vertrieben hatte, den verschiedenen Kulturen inspiriert ne sich Schlitztrommel. Die tibetische wollte sich nun auch um die Kinder- worden zu sein, und wollte anderen Klangmühle schubst Curti dann zur CD kümmern, die ebenfalls ein Erfolg Musikern die Möglichkeit geben, sich Demonstration an, sie lässt einen Fin- wurde. inspirieren zu lassen und dadurch in- einem professionellen Studio in Süd- sen. Aber dann war die Musik allmäh- ger über die Saiten gleiten und sagt, Die dritte CD folgte dem Konzept novative Musik zu komponieren. frankreich erneut aufgenommen. Noch lich in den Hintergrund getreten, mehr zu sich selber: «Unfassbar, die- der ersten, zu Klängen aus Buddhis- Schon bei den jüngsten beiden Al- vor seinem Erscheinen wurde das Al- zwanzig Jahre lang war Curti als Unter- ser Klang!» mus und Christentum kam nun noch ben hatten die Frauen moderne Kom- bum in den USA für einen Grammy nehmerin tätig, später in der Unter- Kurz nach ihrer Idee, an jenem der Hinduismus hinzu; und auch die- munikationsmittel genutzt, um die vorgeschlagen. Kurz nach Erscheinen nehmensberatung – Executive Search Wintermorgen im Jahr 2007, machte ses Album war erfolgreich, noch vor Musik zu entwickeln. Tonspuren wur- war es in den USA die Nummer eins genannt oder umgangssprachlich: als sich Curti an die Arbeit, Musik in die der offiziellen Veröffentlichung wurde den etwa über Whatsapp verschickt, der iTunes-Charts im Genre World Headhunter. Nebenbei spielte sie zwar Welt hinauszutragen und so Kulturen eines der Lieder auf Youtube online ge- denn die Musiker waren in der ganzen Music. noch ab und zu Geige und Bratsche, zu verbinden. Sie tat sich mit einer stellt und eine Million Mal angeklickt. Welt verstreut, sie sassen in Indien, in An einem Frühsommertag führt hauptsächlich aber suchte sie Tag für Freundin zusammen, der tibetischen Bei der vierten CD wurde das Konzept den USA oder in Nepal. Es wäre viel zu Regula Curti in den Kellerraum eines Tag nach Managern für Spitzenposi- Sängerin Dechen Shak-Dagsay, die in abermals erweitert, auf den Islam und teuer gewesen, all diese Menschen Hauses, das früher eine Trotte war. tionen. Am Ende dieser Zeitspanne der Nähe wohnte, in Samstagern. Die das Judentum – die neuen Sängerinnen mitsamt ihren Instrumenten an den- Auf dem Boden aus Eichenholz liegen war sie für die amerikanische Firma dritte Frau im Bunde war Tina Turner. waren eine sephardische Jüdin und selben Ort zu fliegen und dort in lang- Sitzkissen im Kreis. Vor der gegen- Korn Ferry in der Schweiz stationiert, Ein etwas skurriler Zufall hatte dazu eine tschetschenische Muslimin. Die- wieriger Arbeit die Musik entwickeln überliegenden Wand steht ein indi- ihr Büro lag im Quartier Enge, gleich geführt, dass Regula Curti und Tina se letzte CD wurde vom syrischen zu lassen, zudem wäre das unnötig ge- sches Harmonium. In den Ecken des gegenüber der Montessori-Schule. Turner sich einige Jahre zuvor kennen Komponisten Kareem Roustom pro- wesen, da es ja eben diese neuen tech- Raums stehen zwei asiatisch anmu- «Dort habe ich einen Schlüssel- gelernt hatten. Tina Turner hatte das duziert. Seine Mitarbeit hatte Curti nischen Möglichkeiten gibt. Während Die dritte Frau im tende Gongs. «Früher kümmerte man moment erlebt», sagt Curti heute. Ehepaar Curti zu sich nach Hause ein- ebenfalls einem Zufall zu verdanken. das vierte Album also in Entwicklung Bund war Tina Turner. sich hier um die Traube, heute um den Denn wenn sie damals in ihrem Büro geladen. Sie war gerade erst nach Küs- Roustom hatte drei Jahre früher in Lu- war, wurde Curti schon bewusst, dass Menschen», sagt Curti. das Fenster öffnete, hörte sie die Kin- nacht gezogen und wollte wissen, wel- zern einen Auftritt mit dem West-Eas- das alles doch viel einfacher wäre, Ein skurriler Zufall Zum Zeitpunkt der Idee war Regu- der gegenüber in der Schule singen, che Leute früher in ihrem Haus ge- tern Divan Orchestra gehabt, einem wenn es eine Plattform gäbe, einen vir- DA S M AG A Z I N N ° 1/2 — 2020 DA S M AG A Z I N N ° 1/2 — 2020 hatte dazu geführt, la Curti 52 Jahre alt, und zehn Jahre während sie selber in der ganzen Welt wohnt und was sie dort erlebt hatten. Symphonieorchester, das zu gleichen tuellen Raum, in dem sich alle Musiker dass Regula und war es her, seit sie ihr Leben umge- herumtelefonierte. «Irgendwann sag- Sie wollte die Geschichte des Hauses Teilen aus israelischen und arabischen frei bewegen könnten; eine Plattform, krempelt hatte. Die musikalische Be- te ich mir: Jetzt bin ich im falschen hören, und zwar aus dem Mund der Musikern besteht und sich als Beweis die man natürlich gratis benützen Tina sich einige Jahre gabung war ihr zwar in die Wiege ge- Film. Ich merkte, dass meine Leiden- Menschen, die es bewohnt hatten. dafür sieht, dass die Völker im Nahen könnte und die selber keinerlei kom- zuvor kennen gelernt legt worden, mit acht Jahren hatte sie schaft nicht hier im Büro war, sondern Beat Curti hatte das Haus einst gemie- Osten friedlich zusammenleben kön- merziellen Absichten hegt, deren ein- hatten. angefangen, Geige zu spielen, und nach da draussen bei diesen Kindern, bei tet. An diesem Abend wurden bis spät nen. Nach dem Konzert hatte Curti ziger Zweck es sei, dass möglichst vie- dem Gymnasium, in ihrem ersten Be- ihrer Musik. Ich wusste: Das da drüben in die Nacht Geschichten erzählt. den Komponisten durch ein Hotel le Musiker interessante neue Musik ruf als Lehrerin, war Musik ebenfalls ist der richtige Weg, dorthin muss ich «An diesem Abend merkten wir schlendern sehen und ihn sogleich an- 26 ein wichtiger Teil ihres Lebens gewe- zurück.» sehr schnell, dass wir einander verste- gesprochen. 27
machen könnten. Über eine Empfeh- – insgesamt stimmten bis zu achtzig- Distanzen zwischen den Musikern lung kam Curti an eine Firma in Mün- tausend Menschen für die Lieder ab. eine menschliche Komponente behal- chen, die für den Autohersteller BMW Als es darum ging, die besten Kol- te, dass sie selber den Kontakt zu den oder die Fluggesellschaft Lufthansa laborationen auszuwählen und diese Musikern pflegen könne. «Und da ist grosse Systeme programmiert und das Musiker zur Belohnung in ein Studio in die Frage: Wie lange kann ich das? Bei nötige Wissen für die Konstruktion Frankreich einzuladen, wo die Kom- vierhundert Musikern geht es noch. einer solchen Plattform besitzt. positionen frisch aufgenommen wur- Wie ist es bei viertausend?» Anderer- «Aber am Ende war es dann alles den, brauchte es einen Profi, der die seits nehme die Plattform auch eine andere als einfach», sagt Curti, «vom Sache koordinieren konnte, einen Pro- Eigendynamik an, die ihr sehr gefalle. technischen Aspekt gesehen ist so et- duzenten. Curti kontaktierte abermals Früher etwa habe sie sich um jedes De- was auch heute noch schwierig.» Kareem Roustom, mit dem sie auf tail selber kümmern müssen, etwa um Allzu oft habe die Seite nicht funk- ihrer jüngsten CD zusammengearbei- den Titel eines Albums. Heute würden tioniert. Zudem kamen oft neue Über- tet hatte, und Roustom meinte, er ken- das die Musiker lösen, sie seien ein raschungen hinzu. Zum Beispiel ging ne in den USA einen gewissen Larry Team, den Namen «Same Sky» für die während längerer Zeit die Tatsache Klein, der selbst auf Alben von Bob Dy- im August erschienene CD hätten sie vergessen, dass die Seite eine Art Such- lan, Peter Gabriel oder Bryan Adams selber bestimmt. system benötigt, aber die Frage war gespielt hatte. «Ich hatte aber wohl immer auch dann, ob man nach Instrumenten, Klein war begeistert: Zu den Auf- ein wenig Glück», sagt Curti, «etwa nach Kulturkreisen oder nach Musik- nahmen brachte er noch ein paar dass eine Frau wie Tina Turner von stilen suchen können müsse, und die Freunde mit, etwa den Gitarristen von Anfang an mithalf.» Zudem sei sie Antwort war, dass alles nötig sei. Dann Madonna und Elton John; den Schlag- ihrer Zeit vermutlich stets ein bisschen war noch ein internes Chatsystem es- zeuger von Sting und den Dire Straits; voraus gewesen. Die vier CDs hätten senziell. Und alles musste auch recht- den Keyboarder von Patti Smith und den Zeitgeist getroffen, da viele sich lich abgesichert sein: Der Trommler Marianne Faithfull. Und so also kam mit neuen Glaubenssystemen zu be- im Kongo musste genau gleich ge- der siebzehnjährige Gymnasiast Max schäftigen begannen. Abermals macht schützt sein wie die Flötistin in den Keller aus Zürich, der in seiner Freizeit sie eine Pause. Und sagt dann: «Es USA. Curti sagt: «Allzu oft habe ich auf dem Computer Beats und Rhyth- heisst ja immer, man müsse die Dinge mich gefragt, ob das jetzt plötzlich men programmiert, in die erlauchte nur sehen. Man müsse die Augen öff- nicht alles zu gross geworden ist – ob Gesellschaft der wichtigsten Musiker nen, sonst laufe man an seinen Chan- sich dieser Aufwand noch lohnt.» der Welt – mittlerweile steht auch sein cen vorbei.» Er lohnte sich dann doch. Die Web- Berufswunsch fest: Musiker. Und dann legt sie ihren Kugel- site ging online, und täglich erstellten Regula Curti sitzt nun im oberen schreiber zur Seite, faltet ihre Hände Künstler auf der ganzen Welt neue Stock der Trotte. Alles in ihrer Umge- und schweigt. Profile. Curti bekam Unterstützung bung ist perfekt arrangiert, so als würde von Musikgrössen wie Herbert Gröne- sie nichts dem Zufall überlassen, was meyer, die als ambassadors auftreten seltsam ist, denn der Zufall spielte und begabte Musiker zum Mitmachen doch in ihrem Leben eine wichtige Rol- animieren. Innert kürzester Zeit ent- le. Es fragt sich somit, wie es sich mit standen die ersten Kollaborationen, ihrem märchenhaften Erfolg verhält: die dann auf der Seite geteilt wurden Ist das Zufall, Glück oder Planung? und denen man Punkte geben konnte. «Ich bin überrumpelt worden», Die Lieder wurden auch ausserhalb der sagt sie, «ich frage mich auch: Kann ich M ICH A EL H UGEN TOBL ER ist Website geteilt, sodass Aussenstehen- das halten?» Denn ihr Ziel sei, dass Journalist und Buchautor. de ebenfalls Punkte vergeben konnten diese Plattform trotz der immensen redaktion@dasmagazin.ch Höchstes Wintersportvergnügen Exklusiver 5-Sterne-Komfort Atemberaubende Aussichten suvrettahouse.ch Suvretta February Special vom 1. bis 8. Februar 2020 7 Übernachtungen inkl. Halbpension und Packageleistungen ab CHF 2 880.–
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