Hausandacht Pfingsten (23. Mai 2021) - Der Turmbau zu Babel
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Vorbereitung Räumen Sie beiseite, was die Gedanken abschweifen lässt. Nehmen Sie sich bewusst Zeit. Nehmen sie für die Lieder ein Gesangbuch zur Hand. Wenn es möglich ist, singen Sie die die Lieder. Vielleicht haben Sie sogar ein Begleitinstrument. Wenn Sie nicht singen können oder wollen, sprechen Sie die Strophen laut. Das gilt übrigens für alle Texte: sprechen und lesen Sie laut, auch wenn Sie alleine sind. So nehmen Sie die Texte viel bewusster wahr und sie entfalten ihre ganze Kraft. Wenn alle Mitfeiernden Platz genommen haben, zünden Sie eine Kerze an. Kerze anzünden Eröffnung Einer: Wir feiern diese Andacht in der Gegenwart des dreieinigen Gottes und sprechen: Alle: Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Hei- ligen Geistes. Amen. Einer: Schon der Prophet Sacharja kündigt Gottes Geist an, der die Welt kraftvoll verändern wird: Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht der Herr Zebaoth. (Sacharja 4,6) Lied: Der Geist des Herrn erfüllt das All (EG 554) 2
Psalmgebet und Ehr sei dem Vater (Psalm 111 Halleluja! Ich danke dem Herrn von ganzem Herzen im Rate der Frommen und in der Gemeinde. Groß sind die Werke des Herrn; wer sie erforscht, der hat Freude daran. Was er tut, das ist herrlich und prächtig, und seine Gerechtigkeit bleibt ewiglich. Er hat ein Gedächtnis gestiftet seiner Wunder, der gnädige und barmherzige Herr. Er gibt Speise denen, die ihn fürchten; er gedenkt ewig an seinen Bund. Er lässt verkündigen seine gewaltigen Taten seinem Volk, dass er ihnen gebe das Erbe der Heiden. Die Werke seiner Hände sind Wahrheit und Recht; alle seine Ordnungen sind beständig. Sie stehen fest für immer und ewig; sie sind recht und verlässlich. Er sendet eine Erlösung seinem Volk; er verheißt, dass sein Bund ewig bleiben soll. Heilig und hehr ist sein Name. Die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang. Klug sind alle, die danach tun. Sein Lob bleibet ewiglich. Psalm 111 Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen. 3
Eingangsgebet Komm, Heiliger Geist, entzünde in uns das Feuer deiner göttlichen Liebe. Wo du bist, da ist Leben: Tote werden lebendig, Schuldige werden frei, Schwache ge- stärkt, Traurige getröstet. Und wenn wir des Lebens und im Glauben müde sind, dann richtest du uns auf. Komm, Heiliger Geist, mach uns bereit, auf dich zu hören. Führe uns vom Irrtum zur Klarheit, aus dem Nichtigen zum Wesentlichen. Lehre uns unterscheiden, was für unser Leben wirklich wichtig ist. Komm, Heiliger Geist, schließe uns zu deiner Gemeinde zusammen, die dich in der Wahrheit anbetet und erfüllt ist mit lebendiger Hoff- nung, heute und allezeit. In der Stille rufen wir Dich an: (Stille) Abschluss der Stille mit: Einer: Herr, tue meine Lippen auf Alle: dass mein Mund deinen Ruhm verkündige. Einer: Gott, gedenke mein nach deiner Gnade. Alle: Herr, erhöre mich mit deiner treuen Hilfe. Liedvers: Meine Hoffnung und meine Freude – EG 576 Meine Hoffnung und meine Freude, / meine Stärke, mein Licht: / Christus, meine Zuversicht, / auf dich vertrau ich und fürcht mich nicht, / auf dich vertrau ich und fürcht mich nicht. 4
Predigt zu 1. Mose 11,1-9 Liebe Gemeinde, sieben Wochen sind seit dem Passahfest vergangen. Wieder ist Jeru- salem voller Pilger. In den Gassen von Jerusalem hört man ein baby- lonisches Sprachgewirr. Menschen aus aller Herren feiern miteinan- der „schawuot“, das Wochenfest, ein Dankfest zum Beginn der Som- merernte. Mitten unter den vielen Menschen sind auch die Jünger Jesu. Plötz- lich geschieht etwas Unerwartetes. Ein Brausen und Tosen, das vom Himmel herkommt, umgibt die Jünger. In diesem Moment be- schenkt Gott die Jünger mit seinem Heiligen Geist. Erfüllt vom Geist sind sie in der Lage, den Menschen von Jesus zu erzählen. Mit einem Mal sind alle Barrieren, die sie bisher daran gehindert hatten, gefal- len. Und als ob das nicht schon genug wäre: alle verstehen, was die Jünger sagen. In dem bunten Sprachgewirr hört jeder seine eigene Sprache. Dieses pfingstliche Sprachwunder ist die Umkehrung dessen, was uns im ersten Buch Mose aus Babel berichtet wird. Wir hören den Predigttext aus 1. Mose 11,1-9 1 Es hatte aber alle Welt einerlei Zunge und Sprache. 2 Als sie nun von Osten aufbrachen, fanden sie eine Ebene im Lande Schinar und wohnten daselbst. 3 Und sie sprachen untereinander: Wohlauf, lasst uns Ziegel streichen und brennen! - und nahmen Ziegel als Stein und Erdharz als Mörtel 4 und sprachen: Wohlauf, lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reiche, dass wir uns einen Namen machen; denn wir werden sonst zerstreut über die ganze Erde. 5 Dafuhr der HERR hernieder, dass er sähe die Stadt und den Turm, die die Menschenkinder bauten. 6 Und der HERR sprach: Siehe, es ist einerlei Volk und einerlei Sprache unter ihnen allen und dies ist der Anfang ihres Tuns; nun wird ihnen nichts mehr verwehrt werden 5
können von allem, was sie sich vorgenommen haben zu tun. 7 Wohlauf, lasst uns herniederfahren und dort ihre Sprache verwirren, dass keiner des andern Sprache verstehe! 8 Sozerstreute sie der HERR von dort über die ganze Erde, dass sie aufhören mussten, die Stadt zu bauen. 9 Daher heißt ihr Name Babel, weil der HERR daselbst verwirrt hat aller Welt Sprache und sie von dort zerstreut hat über die ganze Erde. Liebe Gemeinde, es ist eine besondere Geschichte, die da erzählt wird. In der biblischen Zeitrechnung befinden wir uns in den Jahr- hunderten nach der Sintflut. Die gesamte Menschheit ist in Bewe- gung. Es findet eine Art Völkerwanderung statt. Sie ziehen ostwärts. Sind sie auf der Suche nach dem verloren gegangenen Paradies? Doch die Menschen – sie brauchen ja gar keinen Gott. Sie sind ja sel- ber groß und stark und klug. In der fruchtbaren Ebene zwischen Euphrat und Tigris lassen sie sich nieder. Hier entsteht eines der ers- ten kulturellen Zentren der Geschichte. Babylon, eine sagenhafte, riesengroße Stadtanlage. Es klingt wie eine Sage, was uns in unserem Text überliefert wird. Doch jede Sage hat einen historischen Kern. Vielleicht ist es auch bei der Geschichte vom Turmbau zu Babel so, dass sich historische Erin- nerung und religiöse Deutung vermischen. Wir wissen: es gab sie, diese riesige Stadt Babylon. Ihre hängenden Gärten wurden in der Antike zu den sieben Weltwundern gezählt. Vor gut hundert Jahren wurden Reste der Stadtmauern von Archäo- logen ausgegraben. Es war die größte Stadtbefestigung, die die Welt je gesehen hat. Wer schon einmal im Pergamon-Museum im Berlin war, konnte dort eine Nachbildung eines der Tore, das Ischtar-Tor, bewundern. Inmitten dieser großen, befestigten Stadt lag der Tempelbezirk, aus dem heraus sich der Turm zu Babel in die Höhe streckte. Für heutige Verhältnisse war das alles andere als ein Wolkenkratzer. Damals 6
waren die 90 Meter Turmhöhe aber eine überwältigende Größe. „Haus, das das Fundament von Himmel und Erde ist“, hieß dieser Turm in der Landessprache. So bewundernswert dieser Turm auch sein mag – seine Geschichte ist gleichzeitig eine Geschichte von menschlichem Übermut und grenzenloser Selbstüberschätzung. Vor dieser Selbstüberschätzung möchte Gott die Menschen bewahren. Darum greift er ein. Mit der Sprachverwirrung entzieht er dem menschlichen Größenwahn die wichtigste Grundlage: wenn die Menschen sich nicht mehr verstän- digen können, können sie auch nicht mehr zusammenarbeiten und müssen ihre hochfliegenden Pläne begraben. Fast 90 Prozent der Deutschen glauben: „Der Fortschritt lässt sich nicht aufhalten“. Wir setzen große Erwartungen in den technischen Fortschritt und verbinden ihn mit der Hoffnung auf eine bessere Zu- kunft. Doch die Kehrseite der Medaille ist, dass wir dabei auch blind werden für Gefahren und Risiken des Neuen – und dass wir bei aller Selbstsicherheit Gott vergessen. Unser Bibeltext hilft uns, die Relationen wieder zurecht zu rücken. Und er tut das voll verstecktem Humor. Da wird berichtet, wie die Menschen aus Ziegeln und Asphalt das größte Bauwerk der Menschheitsgeschichte errichten wollen. Und dann heißt es: „Da fuhr der Herr hernieder, dass er sähe die Stadt und den Turm, die die Menschenkinder bauten.“ Die Menschen glau- ben, sie könnten bis zum Himmel bauen. Doch Gott kann vom Him- mel aus gar nichts erkennen. Er muss herunterkommen, muss sich wie ein Riese zu den Zwergen niederbücken, um überhaupt etwas sehen zu können von diesem ach so mächtigen Bauwerk. Anschauli- cher kann man menschlichen Größenwahn nicht beschreiben. Was aus menschlicher Sicht ein Großbauwerk ist, ist vom Universum her gesehen nicht mehr als ein Fliegenschiss. „Wohlauf“ hatten die Menschen gesagt, als sie sich ans Werk mach- ten. „Wohlauf“, sagt auch Gott – und bringt die Sprachen und alle Pläne durcheinander. 7
Diese Geschichte hält auch uns den Spiegel vor. Denn auch im 21. Jahrhundert steht die Menschheit in der Gefahr, Grenzen zu über- schreiten. Der technische Fortschritt hat ungeahnte Ausmaße ange- nommen. Längst ist die Menschheit nicht mehr an das Land und das Meer gebunden. Mit Flugzeugen fliegen wir durch die Luft. Immer begieriger greifen wir nach den Sternen. Neue Weltraummissionen zum Mond und vielleicht auch zum Mars werden geplant. Heute schon fahren menschengemachte Roboter auf dem Mars. Wir erfor- schen unsere Welt bis ins kleinste Detail, spalten Atome und se- quenzieren Genome. Wir forschen an Quantencomputern und künstlicher Intelligenz. Manche träumen davon, in naher Zukunft den Alterungsprozess der menschlichen Zellen aufhalten zu können, um auf Erden ewig leben zu können. Bis es so weit ist, kommunizie- ren und kaufen wir im grenzenlosen World-Wide-Web. Eine neue Welt-Einheits-Kultur entsteht. Wir sind schon wieder dabei, den Turm zu bauen, um uns einen Namen zu machen. Die Frage ist nur, ob sich dieser Turmbau am Ende als „Tor zum Him- mel“ oder als „Tor zur Hölle“ entpuppt. Denn der Geist von Babel, die globale Zusammenarbeit hat zwar großen Teilen der Menschheit viel Fortschritt und Wohlstand gebracht. Dieser Fortschritt geht aber andererseits mit einer gigantischen Zerstörung der Erde und unseres Lebensraumes einher. Gerade die technischen Errungenschaften der letzten 150 Jahre ha- ben bei allem Nutzen auch den größten Schaden an der Umwelt an- gerichtet. Nun setzen wir große Hoffnung in neue Lösungen, erneu- erbare Energien und sogenannte „grüne“ Ingenieurkunst. Daran führt aktuell kein Weg vorbei - aber niemand kann sagen, ob wir da- mit nicht auch neue unerwünschte Wirkungen hervorrufen. Die Bekämpfung der Corona-Pandemie ist sicher ein Beispiel dafür, dass wir Menschen durch internationale Zusammenarbeit Großes leisten können. Aber wie viele Segnungen des technologischen Fort- schritts haben auch einen ganz langen Rattenschwanz? Das Internet bringt nicht nur Segen, sondern ist leider auch ein Fluch. 8
Müsste Gott angesichts dieser Entwicklung nicht bald wieder herab- kommen und unserem Treiben Grenzen setzen? Müsste er nicht die Menschheit mit ihrer neuen Einheitskultur und mit der neuen Welt- sprache wieder zerstreuen? Gott hat sich für einen anderen Weg entschieden. Er ist tatsächlich noch einmal heruntergekommen. Nicht in seiner Allmacht, um über uns Stümper zu lachen, sondern aus Liebe, um sich über uns zu er- barmen. Nicht um zu zerstreuen, sondern um Frieden zu stiften. Gott ist gekommen, um neue Einigkeit über kulturelle Grenzen hin- weg zu schaffen. Gott überlässt uns nicht dem falschen Geist von Babel. An Pfingsten hat er seinen Geist über die Menschen ausgegossen. Wo wir diesen Geist in uns wirken lassen, da führt er zusammen, was die Hybris, die Ruhmsucht und der Machttrieb von Menschen in der Weltge- schichte immer wieder auseinandergetrieben hat. Wir müssen keine Türme mehr bauen, um unseren Zusammenhalt zu sichern. Gott hat uns ein neues Zeichen gegeben, um das sich alle Menschen sammeln können. An die Stelle des Tempelturms stellt er das Kreuz Jesu. Dieses Kreuz ist das Zeichen der Einheit, die Gott haben will. Hier, unter dem Kreuz, lernen die Menschen die Ursprache Gottes, die Sprache des Glaubens und die Sprache der Nächstenliebe. Christus ist der Eine, der ganz darauf verzichtet hat, sich einen Namen zu machen. Deshalb hat Gott ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist. Wer diesen Namen anruft, wird gerettet. Vertreter aus allen Völkern und gesellschaftlichen Schichten gehö- ren durch den Heiligen Geist in einer Glaubensgemeinschaft zusam- men. Der Geist Gottes wirkt durch die Vielfalt der Sprachen und Kul- turen hindurch und schafft doch Einheit. Die Geschichte des Turmbaus zu Babel mahnt uns, die Folgen unse- res Handelns genau zu überdenken. Sie erinnert uns daran, dass uns Menschen Grenzen gesetzt sind. Es ist richtig, dass wir alles daran setzen, diese Erde lebenswert zu erhalten. Wir können nicht anders, 9
als mit aller Kraft zu versuchen, die Folgen unserer Fehler aus der Vergangenheit zu mildern. Nur eines sollten wir uns nicht einbilden: wir können diese Welt nicht retten, und wir brauchen uns keinen Namen machen. Denn die Rettung gibt es nur, wenn wir dem Willen Gottes folgen – und wenn wir uns an diesen einen Namen halten: Jesus Christus. Lied: Die Kirche steht gegründet (EG 264) Gebet und Vaterunser Heilig bist Du, Du unvergänglicher und unsichtbarer Gott, Ursprung des Lebens, Erlöser der Welt, Geist der Wahrheit. Wir bitten Dich um: Weisheit für die Mächtigen, Beistand für die Bedrohten, Schutz für die Verfolgten, Trost für die Traurigen, Versöhnung für die Ver- feindeten, Heilung für die Kranken, Hoffnung für die Verzweifelten, Gerechtigkeit für die Welt und Frieden allen Menschen. Gemeinsam beten wir: Vater unser im Himmel! Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Ver- suchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen. Lied: Schmückt das Fest mit Maien (EG 135,4.5.7) Segen Wenn Sie möchten, falten Sie die Hände zu einem „Segenskörb- chen“. Gott segne uns und behüte uns Gott lasse sein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig Gott erhebe sein Angesicht auf uns und schenke uns Frieden. Amen. 10
Stille Kerze auspusten Quellen: Titel: Pieter Bruegel der Ältere - Der Turmbau zu Babel, Kunsthistorisches Museum Wien Rückseite: Gemeindebrief.de Diese Liturgie ist online abrufbar unter www.kirche-heuchlingen-heldenfingen.de 11
Hinweis: Am kommenden Wochenende (30. Mai) erscheint keine Hausandacht, da Pfr. Rolf Wachter in der kommenden Woche im Urlaub ist. 12
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