Unsicherheiten bei der Abflussvorhersage
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Unsicherheiten bei der Abflussvorhersage Alfons Vogelbacher Kurzfassung Mittlerweile sind in Bayern nahezu flächendeckend Hochwasservorhersagemodelle im Einsatz. Um die Nutzung der Vorhersagen zu verbessern, wird künftig auch die Unsicherheit der Vorhersagen herausgegeben. Die Unsicherheiten entstehen durch Fehler in den Eingangsdaten, durch die vereinfachende Modellstruktur, durch nicht optimal geschätzte Modellparameter und bei der Bedienung der Modelle im aktuellen Betrieb. Sie werden im ersten Schritt pegelbezogen durch die statistische Analyse bisheriger Vorhersagen und im zweiten Schritt durch Einbeziehung von Ensembles der Niederschlagsprognosen ermittelt. Ausgegeben wird eine Schätzung des 90%- und des 10%-Quantils der erwarteten Abfluss- und Wasserstandswerte am Vorhersagepegel. Abstract Meanwhile flood forecast models are operated for all major river basins in Bavaria. To improve the use of these forecasts, a method for quantifying the uncerainty associated with a flood forecast is developed and incorporated in the flood warning routine. Sources of errors are the uncertainty and the errors in input data, the simplification of the natural rainfall-runoff processes performed by the hydrological model, non-optimal model parameters and the handling in operating of the models. In a first step the uncertainty is estimated by a statistical analysis of observed errors in the forecasts. In the second step ensemble forecast of precipitation will be incorporated in the estimation procedure. Estimation of the 10% and 90% quantile are published for each time step in the forecast of discharge and water level. Wasserstands- und Abflussvorhersage in Bayern Ausgelöst durch das Pfingsthochwasser 1999 wurde ein Innovationsprogramm „Quantitative Hydrologie“ im gewässerkundlichen Dienst Bayerns aufgelegt (VOGELBACHER 2002). Neben der Entwicklung von Vorhersagemodellen umfasst es den Aufbau eines neuen automatischen Online-Niederschlagsmessnetzes und die Optimierung des bestehenden Pegelnetzes. Es ist Teil des Aktionsprogramms 2020 zum nachhaltigen Hochwasserschutz in Bayern, in dem Investitionen zum vorbeugenden, technischen und weitergehenden Hochwasserschutz erfolgen (StMUGV). Im Rahmen dieses Entwicklungsvorhabens wurden für ganz Bayern Hochwasservorhersagemodelle entwickelt und zur Einsatzreife gebracht. Außerdem wurde die Informationsbereitstellung mit modernen Kommunikationsmitteln verbessert und die Zuverlässigkeit der Datenübermittlung und –bereitstellung im Hochwassernachrichtendienst erhöht. Bis zum Jahre 2000 wurden im Hochwassernachrichtendienst nur empirische und empirisch - synoptische Verfahren eingesetzt. Die gebräuchlichsten Methoden waren Pegelbezugslinien für Wasserstände bzw. für Abflüsse (SCHILLER 1984). Heute sind in Bayern nahezu flächendeckend Vorhersagemodelle aufgebaut worden (VOGELBACHER 2006).
Tab. 1 Übersicht über die Flussgebietsmodelle (LARSIM) im bayerischen Donaugebiet (VOGELBACHER, 2006) Bezeichnung Flussgebiete Teilgebiete Anschluss Abschlusspegel Donau bis Donau 11268 Donau bis Iller Donauwörth/ Lech oberhalb Iller Raster (Baden-Württ.) Donau 177 Lech Lech Augsburg / Lech Teilgebiete Altmühl Altmühl 2638 Raster Beilngries / Altmühl Heitzenhofen/ Naab Naab 6362 Raster Naab Regen Regen 3091 Raster Marienthal/ Regen Donau ab Donauwörth Donauwörth/Donau bis Augsburg/Lech Regensburg Donau mit Regensburg 7228 Raster Beilngries/Altmühl Schwabelweis/ Paar ohne Lech, Heitzenhofen/Naab Donau Altmühl, Marienthal/Regen Naab, Regen 1055 Isar Isar Plattling/Isar Teilgebiete Chiemsee mit 7195 Seebruck/Alz Chiemsee (Ausfluss Tiroler Achen Teilgebiete Chiemsee) Alz ab 77 Burgkirchen/Alz Traun Seebruck/Alz Chiemsee Teilgebiete Guffham/Alzkanal 97 Rosenheim/ Mangfall Mangfall Teilgebiete Mangfall 62 Rott Rott Ruhstorf/Rott Teilgebiete Oberaudorf/Inn Inn ab Rosenheim/Mangfall Oberaudorf 2682 Burgkichen/Alz Passau Ingling Inn ohne Teilgebiete Guffham/Alzkanal KW/Inn Mangfall, Alz, Burghausen/Salzach Salzach, Rott Ruhstorf/Rott Donau ab Donau ab Plattling/Isar Passau Passau Regensburg Regensburg 7931 Raster Ingling KW/ Inn Ilzstadt/Donau Isar ohne Isar
Hydrodynamische Modelle Für die Modellierung des Wellenablaufs an Main und Donau wird das hydrodynamische Modell WAVOS (WILKE/RADEMACHER, 2002) eingesetzt. Am Lech und am Inn wird mit dem hydrodynamischen Modell FLORIS-2000 gerechnet (PELLEGRINI/REICHEL, 2006). Für den Kraftwerksbetrieb wurden für alle Kraftwerke Standard-Betriebsvorschriften implementiert. Niederschlag-Abfluss-Modelle An die hydrodynamischen Modelle angeschlossen sind Zuflussvorhersagen für die Nebenflüsse auf der Basis von Niederschlag-Abfluss-Modellen (N-A-Modelle). Als N-A- Modell wird vorwiegend das Flussgebietsmodell LARSIM eingesetzt (BREMICKER, 2000). An der Isar wurde das Modell bereits seit 1990 erfolgreich für die Speicherbewirtschaftung des Sylvensteinsees und die operationelle Vorhersage bis zum Pegel München genutzt (OVERHOFF/WINNER, 2000). Eine Übersicht über die Modelle im Donaugebiet ist in Tab. 1 wiedergegeben. N-A-Modelle sind deterministische Modelle. Sie berechnen Abflüsse als Reaktion auf Niederschläge. Im einfachsten Fall wird ein abflusswirksamer Gebietsniederschlag als prozentualer Anteil am Gesamtniederschlag in Abhängigkeit der Vorfeuchte des Gebietes angenommen und über eine feste lineare Beziehung (Einheitsganglinie) zwischen Niederschlag und Abflussreaktion durch Superposition überlagert. Beim Flussgebietsmodell LARSIM gehen als Eingangsdaten stündliche Niederschlagsdaten, Abflussdaten, Niederschlagsvorhersagen, Schneeschmelzberechnungen und –vorhersagen in die Modellberechnung ein. Die Gebietsdaten können auf Rasterbasis oder Teilgebietsbasis vorliegen. Jedes Teilgebiet oder Raster wird durch Lage- und Höheninformation, Vorfluterlänge und schematischem Querprofil mit Rauhigkeiten beschrieben. Das Rastermodell Donau bis zur Lechmündung beruht z.B. auf einem 1 km x 1 km Raster mit 10.000 Modellelementen und ca. 30 Pegeln. Das Gewässernetz wird aus dem Digitalen Höhenmodell automatisch erstellt und nach Kartengrundlagen ergänzt und korrigiert. Durchführung und Herausgabe der Vorhersagen Die Vorhersageerstellung erfolgt flussgebietsbezogen durch 5 regional zuständige Hochwasservorhersagezentralen (HVZ), die an Wasserwirtschaftsämtern (WWA) bzw. dem Landesamt für Umwelt (LfU) angesiedelt sind. Die Berechnung der Vorhersagen erfolgt in einem bedienten Betrieb. Hierbei müssen zunächst die Zubringermodelle bis zu den Anschlusspegeln durchlaufen werden. Neben den Zuflussvorhersagen aus eigenen Modellen werden externe Vorhersagen von Baden- Württemberg für die Donau oberhalb der Illermündung, von Tirol für den Inn bei Kufstein und von Salzburg für die Salzach bei Burghausen benötigt. Sind diese Vorhersagen nicht zeitgerecht vorhanden, dann muss der Verlauf über die nächsten 48 Stunden geschätzt werden. Der Vorhersagezeitraum ist bei den N-A-Modellen durch den Zeitraum der Niederschlagsvorhersage beschränkt. In Anpassung an das LME-Modell des DWD werden zur Zeit standardmäßig 72-Stunden-Vorhersagen berechnet. Bei den hydrodynamischen
Modellen wird zur Zeit über einen Vorhersagezeitraum von 48h-Stunden gerechnet. Publiziert werden allerdings kürzere Vorhersagen. Sie betragen zwischen 6 und 24 Stunden, abhängig von der am jeweiligen Pegel zu erreichenden Genauigkeit. Die Vorhersagen wurden bisher in Form einer farblich unterschiedenen Ganglinie publiziert. Der Nutzer dieser Vorhersagen hatte keine Information über die Genauigkeit dieser Vorhersagen. Künftig werden nach und nach die Vorhersagen für die einzelnen Pegel mit Angabe von Ungenauigkeitsbereichen versehen. Abb. 1: Flussgebietsaufteilung der Vorhersagezentralen Unsicherheit der Wasserstands- und Abflussprognose Der Unsicherheitsbereich bzw. Ungenauigkeitsbereich der Vorhersagen wird mit wachsendem Vorhersagezeitraum größer. Die größte Genauigkeit erreichen Abflussvorhersagen, die aufgrund gemessener Abflüsse oder Wasserstände an Oberliegern innerhalb der Laufzeiten der Hochwasserwelle liegen. Deutlich größer wird die Ungenauigkeit, wenn die Vorhersage sich bei wachsendem Vorhersagezeitraum auf die gemessenen Niederschläge stützt und noch größer wird die Unsicherheit bei Einbeziehung der Niederschlagsvorhersagen. Die Übergänge hierbei müssen nicht kontinuierlich erfolgen, sondern können sich auch sprunghaft verändern. Da Laufzeiten mit der Größe des Flussgebietes ebenfalls größer werden, können dort auch die genaueren Vorhersagen erzielt werden, während in den kleinen Einzugsgebieten brauchbare Vorhersagezeiten nur durch Einbeziehung der Niederschlagsvorhersagen zu erzielen sind und damit aber auch unsicherer werden.
Ursachen der Unsicherheit Unsicherheiten und Fehler in den Modellen entstehen durch: • Vereinfachende Modellstruktur (z.B. dominante Prozesse werden nicht abgebildet) • Nicht optimale Schätzung der Parameter (z.B. zu wenig Daten zur Eichung, Änderungen im Einzugsgebiet, numerische Prozedur erreicht lokales Minima,...) • Fehlerhafte Inputdaten (z.B. Messfehler, Übertragungsfehler, Kalibrierungsfehler, Vorhersagefehler) • Betrieb der Modelle (z.B. Einschätzung der Gebietsfeuchte zu Beginn eines Ereignisses, Wahl des Optimierungszeitraumes, Vorgaben von Speicherabgaben u.a.) Abb. 2: 72h-Vorhersagen für den Pegel Oberndorf/Donau Vereinfachende Modellstruktur Liegt der Vorhersagezeitraum innerhalb der Wellenlaufzeiten so ist zu erwarten, dass die Genauigkeit der Wasserstands- und Abflussvorhersagen deutlich besser ist. Dies ist zwar generell der Fall, es gibt aber auch innerhalb dieser kürzeren Vorhersagezeiträume bei Hochwasser teilweise sehr große Unsicherheiten. Diese sind vor allem darauf zurückzuführen, dass die hydrologischen Prozesse im N-A-Modell nicht adäquat abgebildet werden. So kommt es z.B. bei Ausuferungen in mäandrierenden Flussläufen zu einer Laufverkürzung des Stromstriches, der in LARSIM nicht nachvollzogen wird. Des Weiteren ist die
Wechselwirkung zwischen Grundwasserbegleitstrom und Vorflut im Modell nicht berücksichtigt, die bei einigen Flüssen im südlichen Donauvorland zu deutlichen Scheitelabminderungen führt. Auffallend waren beim Hochwasser im August 2005 Abweichungen der Vorhersagen an der Donau. Dort kam es bei den Prognosen vor allem für die Pegel Donauwörth, Ingolstadt, Kelheim und Regensburg zu größeren Unter- wie Überschätzungen der Scheitelhöhen des Hochwassers und des zugehörigen Zeitpunkts. Die Unsicherheiten in den Prognosen entstanden u.a. infolge der Hochwasser-Ausleitungen in die Vorländer im Flussabschnitt Ulm bis Donauwörth und zwischen der Lechmündung und Neuburg. Es lagen zuwenig Informationen über die beabsichtigten bzw. vorgenommenen Ausleitungsmengen und Zeitpunkte vor, und das Modell war zusätzlich nicht in der Lage, die Auswirkungen von Ausleitungen auf die Hochwasserwelle richtig nachzubilden. Für das Ereignis an Pfingsten 1999, bei dem ähnlich hohe Abflüsse auftraten und an dem das Modell unter anderem angeeicht wurde, konnten der Scheitel und das Volumen der Hochwasserganglinie am Pegel Ingolstadt vom Modell nachvollzogen werden. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Retentionseffekte auch bei vergleichbar hohen Ereignissen auf dieser Flussstrecke sehr unterschiedlich sein können. Diese Unterschiede werden zurückgeführt auf unterschiedliche Steuerung der Stauanlage und auf einen unterschiedlichen Ausgangszustand der Retentionsräume, z.B. infolge teilweiser Vorfüllung durch vorangegangene Hochwasser und Wasserverluste durch Füllung des Grund- und Bodenwasserspeichers im Vorland. Das entsprechende Modell für die Donau (LARSIM) wird zur Zeit überarbeitet und neu kalibriert, um die beobachteten Effekte künftig besser nachzubilden. 6 Nicht optimale Schätzung der Parameter Die gebietsspezifische Eichung der Modellparameter der N-A-Modelle erfolgt anhand von ca. drei bis fünf historischen Hochwasserereignissen. Hierbei können die extremsten Ereignisse der Vergangenheit nicht genutzt werden, da die entsprechende Datendichte der Eingangsdaten nicht vorhanden ist. In vielen Fällen mussten z.B. Niederschlagsdaten durch Tageswerte, deren stündlicher Verlauf an benachbarte Niederschlagsschreiberaufzeichungen angepasst wurde, ergänzt werden. Hierdurch ergeben sich nicht optimal angeeichte Modelle, die mit aktuellen Ereignissen verbessert und nachgeeicht werden müssen. Fehlerhafte Inputdaten Abfluss Da nicht der Wasserstand, sondern der Abfluss die zentrale Größe für die Vorhersagemodelle ist, kommt der Abflussermittlung eine besondere Bedeutung zu. Bei nahezu allen Pegeln wird der Abfluss lediglich von Zeit zu Zeit bei möglichst auch extremen Wasserständen gemessen und daraus eine Wasserstands-Abfluss-Beziehung, die Abflusskurve, erstellt. Diese ist vor allem im Extrembereich oft zu wenig durch Messungen gesichert und meist ungenau. Auch auf diesem Gebiet werden in einem Pilotprojekt Alternativen und Verbesserungsmöglichkeiten gesucht (z.B. Ultraschallmessung, ADCP- Messung, Tracermessung, Radarmessung). Bis Ende 2007 sollen hydraulische
Berechnungen an allen Messstellen durchgeführt werden, um die Abflusskurven vor allem im Extrapolationsbereich zu verbessern. Dennoch kann der Wasserstand nicht immer ohne weiteres vom vorhergesagten Abfluss abgeleitet werden, da er von Eis, Treibgut, Eintiefung bzw. Auflandung und anderen Umständen (Brückeneinsturz, Dammbruch) beeinflusst sein kann. Beim Hochwasser im August 2005 wurden unter anderen folgende Fehlerquellen beobachtet: • Der Schwimmer der Wasserstands- Messeinrichtung erreichte die obere Grenze der Wasserstands- Messeinrichtung, wie am Pegel Kraiburg/ Inn. • Während des Hochwassers kam es zu Veränderungen der Gewässersohle im Pegelbereich. Durch diese Veränderungen des Fließquerschnitts kann die bisherige Wasserstands- Abflussbeziehung nicht mehr verwendet werden, beziehungsweise liefert falsche Abflusswerte wie z. B. an Pegeln der Oberläufe von Iller, Lech und Loisach. • Beim redundant ausgestatteten Pegel Oberaudorf / Inn zeigten die zwei nur wenig auseinander liegenden Messeinrichtungen im Scheitelbereich einen Unterschied im Wasserstand von über einem Meter. Mögliche Ursachen sind ebenfalls Querschnittsveränderungen durch Geschiebetrieb. Auch mit dem Ausfall einiger Pegel bei der Übertragung oder Messung der Wasserstände ist bei extremem Hochwasser zu rechnen. Infolge der Verbesserungen im Pegelwesen, die nach den Erfahrungen des Hochwassers 1999 vorgenommen worden waren, kam es beim Hochwasser 2005 zu keinen Totalausfällen. Niederschlagsvorhersage Die Niederschlagsvorhersagen sind Produkte numerischer Vorhersagen der Wetterdienste. Für die Abflussvorhersage werden vorrangig die Niederschlagsvorhersagen aus dem LME- Modell und dem GME-Modell des Deutschen Wetterdienstes verwendet (DWD, 2003). Das GME (Global-Modell Europa) überdeckt ganz Europa mit einem Gitter der Kantenlänge 40 km. Es wird täglich zu den Vorhersagezeiten 00 UTC, 12 UTC und 18 UTC mit Vorhersagezeiten von 7 Tagen gerechnet. Die Vorhersagen stehen circa 4 Stunden nach dem Vorhersagezeitpunkt zur Verfügung. Das LME (Lokal-Modell Europa) überdeckt ganz Europa mit einem quadratischen Gitter der Kantenlänge 7 km. Die mittlere Größe der Flächenelemente ist im LME also nur 49 km², während sie im GME 1300 km² beträgt. Deshalb kann das LME viele Details der Landschaft, die einen prägenden Einfluss auf das Wetter haben, explizit erfassen. Das Modell wird täglich zu den Vorhersagezeitpunkten 00 UTC, 12 UTC und 18 UTC mit Vorhersagezeiten von 78 Stunden bzw. 48 Stunden um 18 UTC gerechnet. Die Vorhersagen stehen ca. 6 Stunden nach dem Vorhersagezeitpunkt dem Hochwassernachrichtendienst zur Verfügung. Weitere Vorhersageprodukte, wie das amerikanische GFS (Global Forecast System) - Modell oder Vorhersageprodukte des ECWMF (European Centre for Medium-Range Weather Forecasts) in Reading (England) werden zeitweise zum Vergleich mit herangezogen. In Südbayern stehen zusätzlich die Vorhersagen der ZAMG (Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, Wien) berechnet mit dem ALADIN-Modell zur Verfügung (HAIDEN, 2006).
Bei den verschiedenen Vorhersagemodellen und verschiedenen Vorhersageläufen des gleichen Modells zu unterschiedlichen Vorhersagezeitpunkten gibt es meist große Unterschiede in den vorhergesagten Niederschlagsmengen. Beispielsweise lieferte das LME - Modell für das Einzugsgebiet des Lechs bis Füssen (Forggensee) am Vormittag des 21.08.2005 für den Zeitraum bis zum Ende des Niederschlagsereignisses eine Niederschlagssumme von 215 mm, das GME- Modell 93 mm (beide DWD), das GFS- Modell 164 mm (Amerikanischer Wetterdienst). Gemessen wurden 169 mm. Am Morgen des 22.08.2005 lagen die vorhergesagten Niederschlagssummen der verschiedenen Modelle bis zum Ende des Ereignisses zwischen 90 mm und 190 mm, gemessen wurden 160 mm. Neben Fehlern der vorhergesagten Niederschlagsmengen führen auch Niederschläge, die in einem anderen Einzugsgebiet fallen als vorhergesagt, oder einige Stunden zu früh/ zu spät vorhergesagt wurden, zu weiteren Fehlern bei der Modellierung der Abflussganglinien. Entsprechend ist die Unsicherheit in der Abflussvorhersage bei kleineren Einzugsgebieten recht hoch. Dennoch bringen diese Vorhersagen eine deutliche Verbesserung bei der Abschätzung der zu erwartenden Abflüsse und Wasserstände. Durch die Einbeziehung von Ensemble-Vorhersagen wird künftig auch eine Aussage über den Unsicherheitsbereich möglich sein. Methoden zur Bestimmung der Unsicherheit Die beobachteten Unsicherheiten in der Vorhersage führten zu der Forderung, diese in den herausgegebenen Vorhersagen zu verdeutlichen. Da die Unsicherheit für jeden Vorhersagepegel unterschiedlich sein kann, ist eine generelle Angabe nicht möglich. Die Unsicherheitsbereiche können für jeden Vorhersagepegel und für jede Vorhersage unterschiedlich sein. Generell sind folgende Vorgehensweisen zur quantitativen Bestimmung der Unsicherheit möglich: • Pegelbezogene Analyse und Auswertung der Kalibrierung und der Vorhersagetests bei der Modellerstellung zur Erfassung des „Modellfehlers". • Pegelbezogene Analyse und Auswertung der bisherigen Abweichungen zwischen Messwert und Vorhersage zur summarischen Erfassung aller Fehlerursachen • Ensemble-Vorhersageberechnung mit Variation der Eingangsdaten und/oder Anfangs- und Randwerte des Modells zur Erfassung der Fehlerursache „Eingangsdaten“ • Ensemble Vorhersage mit Variation der Modellparameter zur Erfassung des „Modellfehlers“
Abb. 3: Analyse der Abweichungen (MEYER, 2007) Modell Abweichungen Abb. 4: Nachträgliche Zugabe analysierter Abweichungen (MEYER, 2007) Modell Abb. 5: Anwendung von Ensemble-Niederschlagsvorhersagen (MEYER, 2007) In all diesen Fällen erhält man eine Stichprobe möglicher Vorhersagewerte, die für jeden Vorhersagezeitraum statistisch untersucht und dargestellt werden kann. Aus dem Vertrauensbereich der Stichprobe kann der Prognosefehler abgeschätzt werden (KOMMA et al., 2006). Als zweckmäßig hat sich hierbei die Angaben des 10%-Quantils und des 90%- Quantils erwiesen, d.h. in 9 von 10 Fällen wird die obere Schranke unter- bzw. die untere Schranke überschritten.
Zur Schätzung des Fehlers, der durch die Unsicherheit in der Niederschlagsvorhersage verursacht ist, können Ensembleprognosen der Niederschlagsvorhersage verwendet werden. Analyse und Auswertung bisheriger Vorhersagen Die zurzeit praktizierte Angabe von Unsicherheitsbereichen erfolg auf Basis der Analyse bisheriger beobachteter Abweichungen in den Vorhersagen an den einzelnen Pegeln. Sie dient zur Abschätzung der Summe aller Fehlerursachen. Ziel ist die Angabe des 10%- und 90%- Quantils der Vorhersage. Darüber hinaus bringt die Analyse wertvolle Erkenntnisse z.B. über systematische Abweichungen, die zur Modellverbesserung oder zur nachträglichen Korrektur der Vorhersagen verwendet werden können. Die Vorgehensweise besteht aus folgenden Schritten: • Zusammenstellung einer Stichprobe möglichst vieler konsistenter Abfluss- Vorhersagen für den jeweiligen Pegel. • Analyse und Darstellung der prozentualen Abweichungen zwischen Messwert und Vorhersage für jede Vorhersagestunde, Boxplot für jede Vorhersagestunde, 10% und 90% Quantil zu jeder Vorhersagestunde über einen Vorhersagezeitraum von maximal 72, mindestens aber 48 Stunden. Die Sichtung der Vorhersageabweichungen legte nahe, mindestens zwei unterschiedliche Situationen getrennt zu betrachten: Vorhersagen ohne Niederschlagsereignis und Vorhersagen mit Niederschlagsereignis im Vorhersagezeitraum. Beide Fälle weisen deutlich unterschiedliche Unsicherheitsbereiche auf. In einigen Fällen wurde auch ein dritter Fall, nämlich Vorhersagen bei laufendem Hochwasser, unterschieden. Bei der aktuellen Vorhersage wird zunächst die Situation eingeschätzt und dann die obere und untere Grenze aus den vorgegebenen Prozentangaben der Abweichung am Pegel berechnet. Danach wird die obere und untere Grenze über die Wasserstands- Abflussbeziehung auf den Wasserstand übertragen. Die Ergebnisse werden plausibilisiert und für die Herausgabe freigegeben. Die Vorgehensweise weist einige Schwächen auf, die künftig noch schrittweise zu beseitigen sind. So wird u.a. bei der Analyse nicht zwischen Zeit- und Wertefehler unterschieden. Ist z.B. der Abflussscheitel in der Höhe richtig vorhergesagt aber der Zeitpunkt stimmt nicht, so geht das Ereignis mit relativ hohen Abweichungen in die Analyse ein. Eine mögliche Abhilfe könnte die Betrachtung des minimalen Abstandes des Messwertes von der Vorhersage als vektorielles Abweichungsmaß bringen. Des Weiteren fehlt die Berücksichtigung ereignisspezifischer Unsicherheiten. Da insbesondere die numerische Wettervorhersage je nach Situation unterschiedlich stabil sein kann und deshalb auch die Niederschlagsvorhersage von Fall zu Fall spezifische Vertrauensbereiche aufweist, ist die Berücksichtigung von Ensemblevorhersagen zwingend erforderlich.
Abb. 6: Analyse von Hochwasservorhersagen am Pegel Kelheim Abweichungen Donau: Hochwasserereignisse 0,5 90 % Quantil 0,4 0,3 Donauwörth /Donau Relative Abweichung 0,2 Ingolstadt /Donau 0,1 0 Kelheim /Donau 0 5 10 15 20 -0,1 Oberndorf /Donau -0,2 Schwabelweis -0,3 /Donau -0,4 10 % Quantil -0,5 Vorhersagedauer (h) Abb. 7: 10%- und 90%-Quantil an einigen Donaupegeln
Abb. 8: Wasserstand am Pegel Kelheim/Donau mit Darstellung des Unsicherheitsbereich Steuerung von Retention mit Hilfe von Vorhersagen Im Hochwasserfall wird der gesteuerte Retentionsraum zur Kappung des Hochwasserscheitels eingesetzt. Optimal wäre eine „horizontale Kappung“ der Ganglinie, wobei das gekappte Volumen den vorhandenen Retentionsraum füllt. Dieses Ziel könnte mit einer rechtzeitigen exakten Vorhersage der Zuflusswelle erreicht werden. Unter diesen Prämissen wurden die Vorhersagemodelle an der Donau zur Simulation potentiell möglicher Scheitelreduzierung bei Nutzung vorhandener und geplanter Retentionsräume eingesetzt. Die Ergebnisse sind allerdings nicht realistisch, da - wie oben gezeigt - eine exakte Vorhersage nie möglich sein wird. Erst durch die Einbeziehung der Unsicherheit in der Vorhersage können realistischere, potentiell mögliche Scheitelreduzierungen ermittelt und Steuerungsstrategien entwickelt werden. Zurzeit werden geplante bzw. fertig gestellte regelbare Rückhalteräume mit den beeinflussbaren Gewässerabschnitten in die vorhandenen Vorhersagemodelle eingebaut. Für die regelbaren Gewässerabschnitte sind Grenzdurchflüsse und Schadensfunktionen vorzugeben. Durch Simulationsrechnungen mit den Vorhersagemodellen kann der regelbare Spielraum und der potentielle Nutzen unter Berücksichtigung der Unsicherheit in der Prognose analysiert werden. Aus der Analyse dieser Simulationen sind Steuerungsstrategien für die Rückhalteräume abzuleiten, mit dem Ziel, ein Steuerungssystem für das Hochwassermanagement im Flussgebiet zu erstellen. Schlussfolgerungen Die Ermittlung und Angabe der Unsicherheitsbereiche in der Vorhersage kann den Nutzen dieser Vorhersagen für das Hochwassermanagement wesentlich verbessern. Bis zum Ende dieses Jahres sollen deshalb auch die Ensembleprognosen eingeführt werden, um
insbesondere die Unsicherheit der Niederschlagsprognose in den Vorhersagen besser zu berücksichtigen. Die Analyse der bisherigen Vorhersagen zeigt auch, dass die bisher erreichte Genauigkeit in vielen Fällen verbesserungsfähig ist. Es bleibt deshalb das erste Ziel, bestehende Ungenauigkeiten in den Modellen möglichst zu reduzieren und damit den Unsicherheitsbereich weiter einzuschränken. Entsprechende Arbeiten und Projekte werden zurzeit für die Modelle im Donaugebiet durchgeführt. Literatur Bremicker, M. (2000): Das Wasserhaushaltsmodell LARSIM – Modellgrundlagen und Anwendungsbeispiele. Freiburger Schriften zur Hydrologie, Band 11, 119 S., 2000. DWD (Deutscher Wetterdienst (2003): Numerische Wettervorhersage. http://www.dwd.de/de/FundE/Analyse/Modellierung/Modellierung.htm HAIDEN, T. (2006): Niederschlagsprognosen mit hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung: Fortschritte und Probleme. Wiener Mitteilungen Wasser, Abwasser, Gewässer, Band 199, S. 199-207, Wien. KOMMA J., RESZLER C., BLÖSCHL G., HAIDEN T. (2006): Ensembleprognosen von Hochwasserabflüssen. Wiener Mitteilungen Wasser, Abwasser, Gewässer, Band 199, S. 199-207, Wien. MEYER, I. (2007): Ermittlung und Darstellung von Vorhersageunsicherheiten. Unveröffentlichter Vortrag bei der Dienstbesprechung Hochwassernachrichtendienst 2007. Overhoff, G. / Winner, E.(2000): Das Jahrhunderthochwasser im Griff. Wasser und Boden 52(2000)6, S. 49-54. Pellegrini, M. / Reichel, G. / Senfter, S. [2006]: Bayerischer Inn – Entwicklung eines hydrodynamischen Modells. Unveröffentlichter Ergebnisbericht der Phase II des Projektes. StMUGV (Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz): Hochwasserschutz – Aktionsprogramm 2020. http://www.stmugv.bayern.de/umwelt/wasserwirtschaft/hochwasser/index.htm VOGELBACHER, A. (2006): Hochwasservorhersage an Donau und Inn in Bayern. Wiener Mitteilungen Wasser, Abwasser, Gewässer, Band 199, S. 175-189, Wien. Vogelbacher, A. / Daamen, K. / Holle, F.-K. / Cohen, I. (2002): Modellgestützte Hochwasservorhersage in Bayern. 21st Conference of the Danube Countries On the Hydrological Forecasting and Hydrological Bases of Water Management, 2-6 September 2002, Bucharest, Romania Wilke, K. / Rademacher, S. (2002): Operationelle Wasserstands- und Durchflussvorhersagen im Rheingebiet. Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft, Nr. 54/ 9-10, 2002.
Verfasser Dr. Alfons Vogelbacher Bayerisches Landesamt für Umwelt Dienstort München Lazarettstr. 67 80636 München alfons.vogelbacher@lfu.bayern.de
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