Verfügung vom 20. Juli 2021 - Entscheidsuche.ch
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Kantonsgericht von Graubünden Dretgira chantunala dal Grischun Tribunale cantonale dei Grigioni Verfügung vom 20. Juli 2021 Referenz ZK2 21 15 Instanz II. Zivilkammer Besetzung Hubert, Vorsitzender Guetg, Aktuar Parteien A._____ Gesuchsteller vertreten durch Rechtsanwältin lic. iur. LL.M. Martina Zarn SwissLegal Lardi & Partner AG, Reichsgasse 65, 7000 Chur gegen B._____ Gesuchsgegner vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Stefan Thalhammer Schmiedgasse 28, Postfach 546, 9004 St. Gallen Gegenstand Sicherheit für die Parteientschädigung Mitteilung 26. Juli 2021
Sachverhalt A. Mit Zwischenentscheid vom 21. Januar 2021 bejahte das Regionalgericht Surselva seine örtliche Zuständigkeit hinsichtlich eines von A._____ gegen B._____ anhängig gemachten Forderungsprozesses und trat auf die Klage ein (Proz. Nr. 115-2020-7). B. Gegen diesen Entscheid liess B._____ am 25. Februar 2021 Berufung an das Kantonsgericht von Graubünden erheben (ZK2 21 6). C. Mit Eingabe vom 14. April 2021 ersuchten A._____ (nachfolgend Gesuchsteller) das Kantonsgericht von Graubünden, B._____ (nachfolgend Gesuchsgegner) zu verpflichten, für ihre Parteientschädigung im Berufungsverfahren eine Sicherheit in Höhe von CHF 18'900.00, eventualiter nach richterlichem Ermessen zu leisten (Begehren Ziffer 1). Zudem beantragten sie, die Frist zur Einreichung der Berufungsantwort im Verfahren ZK2 21 6 sei abzunehmen und nach dem Entscheid betreffend Sicherstellung neu anzusetzen (Begehren Ziffer 2). D. Mit Verfügung des Vorsitzenden der II. Zivilkammer vom 16. April 2021 wurde das Gesuch um Abnahme der Frist zur Einreichung der Berufungsantwort abgewiesen. Gleichzeitig wurde dem Gesuchsgegner für die Einreichung einer Stellungnahme Frist angesetzt. Die Kosten der Verfügung wurden bei der Prozedur belassen. E. Der Gesuchsgegner liess in seiner Stellungnahme vom 20. Mai 2021 die Abweisung des Gesuchs beantragen. Erwägungen 1. Die Bestimmungen von Art. 99 ff. ZPO finden auch im Rechtsmittelverfahren Anwendung. Somit ist es grundsätzlich möglich, dass auch die ein Rechtsmittel einlegende Partei zu einer Sicherheitsleistung verpflichtet werden kann (vgl. BGE 141 III 554 E. 2.5.1). Der Entscheid über die Anordnung einer Sicherheitsleistung in einem vor Kantonsgericht hängigen Berufungsverfahren stellt eine prozessleitende Verfügung dar und fällt in die Kompetenz des zuständigen Kammervorsitzenden (Art. 9 Abs. 1 GOG [BR 173.000] i.V.m. Art. 11 Abs. 1 und Art. 15 lit. b KGV [BR 173.100]. Die weiteren formellen Voraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf das Gesuch ist einzutreten. 2/7
2.1. Gemäss Art. 99 Abs. 1 ZPO hat die klagende Partei auf Antrag der beklagten Partei für deren Parteientschädigung u.a. dann Sicherheit zu leisten, wenn sie zahlungsunfähig erscheint, namentlich wenn gegen sie der Konkurs eröffnet oder ein Nachlassverfahren im Gang ist oder Verlustscheine bestehen (lit. b) oder wenn andere Gründe für eine erhebliche Gefährdung der Parteientschädigung bestehen (lit. d). 2.2. Wer als klagende Partei generell als zahlungsunfähig erscheint (lit. b), kann auf Antrag zur Sicherheitsleistung verpflichtet werden. Das allgemein umschriebene Erfordernis der Zahlungsunfähigkeit wird im Gesetz durch drei qualifizierte Tatbestände konkretisiert: die Konkurseröffnung, ein Nachlassverfahren oder den Bestand von Verlustscheinen gegen die klagende Partei (Viktor Rüegg/Michael Rüegg, in: Spühler/Tenchio/Infanger [Hrsg.], Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 3. Aufl., Basel 2017, N 12 zu Art. 99 ZPO). Mit der beispielhaften Aufzählung verdeutlicht das Gesetz, dass für die Annahme einer Zahlungsunfähigkeit im Sinne der Bestimmung gewichtige und stichhaltig belegte Anhaltspunkte vorliegen müssen (OGer ZH LB120033-O v. 27.9.2012 E. 2). Der bloss glaubhaft zu machende Anschein der Zahlungsunfähigkeit der klagenden Partei kann durch entsprechende Indizien erweckt werden, die sich meistens auf Akten des Betreibungsrechts stützen. Anhaltpunkte für eine Zahlungsunfähigkeit sind etwa: Wiederholte Konkursbegehren, die nicht zur Konkurseröffnung führten; ein zeitlich nicht weit zurückliegender Konkurs oder eine nicht weit zurückliegende Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven; eine leere Pfändungsurkunde bei provisorischer Pfändung; eine längerdauernde Lohnpfändung; sehr häufige und zahlreiche Betreibungen, sofern sie in ihrer Gesamtheit nicht bloss ein Bild schleppender (also: schlechter) Zahlungsmoral belegen (Rüegg/Rüegg, a.a.O., N 12 zu Art. 99 ZPO), OGer ZH LB120033-O v. 12.9.2012 E. 2 [5 Betreibungen innerhalb von 41 Monaten]; vgl. auch BGE 111 II 206 E. 2, wobei in jenem Urteil der Nachweis der Zahlungsunfähigkeit verlangt wurde). Die Beweislast der Zahlungsunfähigkeit liegt bei der um Sicherstellung der Parteientschädigung ersuchenden Partei (vgl. Jean-Daniel Schmid/Alexander Schmid, Der Kautionsgrund bei der zivilprozessualen Sicherstellung der Parteientschädigung, in: AJP/2016, S. 674). 2.3. Nach dem Auffangtatbestand von Art. 99 Abs. 1 lit. d ZPO hat der (Rechtsmittel-)Kläger Sicherheit zu leisten, wenn andere Gründe für eine erhebliche Gefährdung der Parteientschädigung bestehen. Ob eine solche vorliegt, hat das Gericht nach Ermessen zu prüfen. Die Leistungsfähigkeit der 3/7
klagenden Partei kann ohne betreibungsrechtliche Vorgänge auch dann erheblich gefährdet sein, wenn sie nachweislich einer gesetzlichen, vertraglichen oder ausservertraglichen Verpflichtung gegenübersteht, die ihre Aktiven bei weitem übersteigt (vgl. Rüegg/Rüegg, a.a.O., N 17 zu Art. 99 ZPO). Eine erhebliche Gefährdung kann selbst dann vorliegen, wenn die tatsächliche Vermögenssituation des Klägers keinen Grund für die Verpflichtung zur Sicherheitsleistung darstellt. Anwendungsfälle sind insbesondere Zahlungsflucht, betrügerische Handlungen zum Nachteil der Gläubiger oder Verheimlichung von Vermögenswerten, wobei es nicht nur um die Frage der Zahlungsfähigkeit geht, sondern auch um den Zahlungswillen (OGer ZH RB150044-O/U v. 10.2.2016 E. 4.3.3). Der Auffangtatbestand nach der genannten Bestimmung ist zurückhaltend anzuwenden. Er ist vom normalen Prozessrisiko abzugrenzen, das grundsätzlich jeder Beklagte tragen muss, der unfreiwillig in einen Prozess verwickelt wird (BGer 5A_221/2014 v. 10.9.2014 E. 3). 2.4.1. Die Gesuchsteller tragen vor, der Gesuchsgegner erscheine zahlungsunfähig i.S.v. Art. 99 Abs. 1 lit. b ZPO und es bestehe eine erhebliche Gefährdung ihrer Parteientschädigung gemäss Art. 99 Abs. 1 lit. d ZPO. 2.4.2. Soweit sich die Gesuchsteller dabei auf die ausgewiesenen drei hängigen Betreibungen gegen den Gesuchgegner berufen (vgl. act. B.1), kann ihnen nicht gefolgt werden. Von den Betreibungen stammen zwei von den Gesuchstellern selbst, wobei diese wiederum Gegenstand des hängigen Hauptverfahrens bilden. Der Gesuchsgegner weist demnach zu Recht darauf hin, dass es sich bei der Argumentation der Gesuchsteller um einen Zirkelschluss handle. Diese Betreibungen können nicht als Indizien für den Anschein einer Zahlungsunfähigkeit beigezogen werden. Ausserdem wurde in sämtlichen Betreibungen Rechtsvorschlag erhoben, ohne dass diese bis dato beseitigt worden wären. Verlustscheine aus Pfändungen der letzten 20 Jahre sind keine registriert. Durch die hängigen Betreibungen wird mithin weder der Anschein der Zahlungsunfähigkeit glaubhaft gemacht noch eine erhebliche Gefährdung der Parteientschädigung belegt. 2.4.3. Die Gesuchsteller weisen sodann auf die mutmasslich ungünstigen finanziellen Verhältnisse des Gesuchgegners hin und schliessen daraus auf eine Zahlungsunfähigkeit des Gesuchgegners gemäss Art. 99 Abs. 1 lit. b ZPO allenfalls auf eine erhebliche Gefährdung ihrer Parteientschädigung nach lit. d dieser Bestimmung. Dabei gilt es zu konstatieren, dass die von den Gesuchstellern eingereichten Unterlagen bereits mehrere Jahre alt sind und folglich nur die finanziellen Verhältnisse des Gesuchsgegners zu einem früheren 4/7
Zeitpunkt belegen können. Für den Entscheid über die Sicherheitsleistung sind jedoch diejenigen Verhältnisse massgebend, welche zum Zeitpunkt des Entscheides ausgewiesen sind (vgl. BGer 5A_733/2012 v. 16.11.2012). Die definitive Steuerveranlagung 2017 (im Gesuch fälschlicherweise als definitive Steuerveranlagung 2019 bezeichnet, vgl. act. A.1, Ziffer 12), die Steuererklärung 2017, der Kontoauszug der UBS vom 1. Januar 2018 bis 31. Dezember 2019, die Steuererklärung 2017 betreffend E.________ GmbH bzw. deren Bilanz und Erfolgsrechnung 2016 und 2017, der Steuereinschätzungsentscheid betr. F.________ GmbH von 2018, der Kontoauszug avera 1. Januar 2018 bis 31. August 2019, der Kontoauszug der UBS vom 1. Januar 2019 bis 31. August 2019 von dessen Ehefrau lassen keinen genügend klaren und eindeutigen Schluss auf die aktuelle finanzielle Situation des Gesuchgegners zu (vgl. dazu act. A.1, S. 6, Ziff. 12). Daran ändert auch der pauschale und vom Gesuchsgegner bestrittene Hinweis der Gesuchsteller, wonach sich an der finanziellen Situation des Gesuchgegners zwischenzeitlich nichts geändert habe, nichts. Folglich ist weder der Anschein der Zahlungsunfähigkeit genügend glaubhaft gemacht noch eine erhebliche Gefährdung der Parteientschädigung nachgewiesen. 2.4.4. Die Gesuchsteller sehen schliesslich eine erhebliche Gefährdung ihrer Parteientschädigung im Sinne von Art. 99 Abs. 1 lit. d ZPO darin, dass der Gesuchsteller seinen hälftigen Miteigentumsanteil an der Wohnung in C._____ an seine Ehefrau verschenkt habe. Der entsprechende Schenkungsvertrag datiert indessen unbestrittenermassen vom 25. Juli 2018. Damit wurde dieser Monate vor Einleitung der Betreibungen gegen den Gesuchsgegner durch die Konkursmasse der D._____ (Betreibung vom 29. November 2018) und die Gesuchsteller (Betreibungen vom 27. Februar 2019 und 24. Juli 2019) abgeschlossen (vgl. act. B.1). Einzig aufgrund des Schenkungsvertrages darauf zu schliessen, die Schenkung sei zur Umgehung seiner Zahlungsverpflichtungen bzw. zur Schädigung von Gläubigern erfolgt, ginge, gerade mit Blick auf die zeitliche Diskrepanz zwischen der Schenkung und den Betreibungen, zu weit. Kommt hinzu, dass der Gesuchsgegner mit seinem Einwand, die Schenkung entspräche der güterrechtlichen Ausgleichzahlung an seine Ehefrau, weitere Zweifel begründet. Die Schenkung stellt mithin kein genügendes Indiz für eine erhebliche Gefährdung der Parteientschädigung gemäss Art. 99 Abs. 1 lit. d ZPO dar. Weitere Indizien, welche eine solche Gefährdung begründen könnten, werden nicht vorgetragen. 2.4.5. Die Gesuchsteller begründen ihr Gesuch um Sicherstellung der Parteientschädigung einzig mit Blick auf Art. 99 Abs. 1 lit. b und d ZPO. Nicht zu 5/7
prüfen ist folglich, ob allenfalls die Tatbestände von Art. 99 Abs. 1 lit. a und c ZPO erfüllt wären. 2.5. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Voraussetzungen von Art. 99 Abs. 1 lit b und d ZPO nicht erfüllt sind. Das Gesuch um Sicherstellung der Parteientschädigung für das Berufungsverfahren ZK2 21 6 ist demnach abzuweisen. 3. Der Antrag der Gesuchsteller, ihnen sei die Frist zur Einreichung einer Berufungsantwort im Verfahren ZK2 21 6 abzunehmen, wurde bereits mit Verfügung des Vorsitzenden der II. Zivilkammer des Kantonsgerichts von Graubünden vom 16. April 2021 abgewiesen (act. D.2; siehe auch vorne Sachverhalt, lit. D). Darauf kann verwiesen werden. 4. Bei diesem Verfahrensausgang gehen die Kosten für die vorliegende Verfügung sowie für die Verfügung vom 16. April 2021 – die in Anwendung von Art. 13a VGZ (BR 320.210) auf insgesamt CHF 1'000.00 festgesetzt werden – unter solidarischer Haftbarkeit zulasten der Gesuchsteller (vgl. Art. 106 ZPO). Sie sind mit dem von den Gesuchstellern geleisteten Kostenvorschuss zu verrechnen. 5. Die Gesuchsteller haben den Gesuchsgegner überdies für das vorliegende Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 106 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. 95 Abs. 1 ZPO). Da keine Honorarnote von Rechtsanwalt lic. iur. Stefan Thalhammer im Recht liegt, wird die Entschädigung nach Ermessen auf pauschal CHF 1'000.00 (inkl. Spesen und MwSt.) festgesetzt. Die Gesuchsteller haften hierfür unter solidarischer Haftbarkeit (Art. 106 Abs. 3 ZPO). 6/7
Demnach wird erkannt: 1. Das Gesuch um Sicherheitsleistung wird abgewiesen. 2. Die Kosten der vorliegenden Verfügung und der Verfügung vom 16. April 2021 in Höhe von CHF 1'000.00 gehen unter solidarischer Haftbarkeit zulasten von A._____. Die Kosten werden mit dem von den Gesuchstellern erbrachten Kostenvorschuss verrechnet. 3. A._____ haben B._____ unter solidarischer Haftbarkeit für das vorliegende Verfahren mit CHF 1'000.00 (inkl. Spesen und MwSt.) zu entschädigen. 4. Gegen diese, einen Streitwert von mindestens CHF 30'000.00 betreffende Entscheidung kann gemäss Art. 72, Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG Beschwerde in Zivilsachen an das Schweizerische Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, geführt werden. Die Beschwerde ist dem Bundesgericht schriftlich, innert 30 Tagen seit Eröffnung der vollständigen Ausfertigung der Entscheidung in der gemäss Art. 42 f. BGG vorgeschriebenen Weise einzureichen. Für die Zulässigkeit, die Beschwerdelegitimation, die weiteren Voraussetzungen und das Verfahren der Beschwerde gelten die Art. 29 ff., 72 ff. und Art. 90 ff. BGG. 5. Mitteilung an: 7/7
Sie können auch lesen