Versuchungen Der Ernst der Lage und die Güte Gottes - Predigtstudie für den Sonntag Invokavit 2016 Hebräer 4,14-16
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Versuchungen Der Ernst der Lage und die Güte Gottes Axel Noack Predigtstudie für den Sonntag Invokavit 2016 Hebräer 4,14-16 1
Editorial ...................................................... Invokavit als erster Fasten- Die Autoren sonntag der Passionszeit markiert den Wechsel Predigtstudie: zwischen den beiden großen Pfarrer Prof. Dr. Axel Noack Festzyklen im Kirchenjahr. bis 2009 Bischof der Evangelischen Kirche in Mittel- Während sich das Osterfest deutschland gemäß der jüdischen Pessach-Tradition mit wechseln- den Daten am Mondkalender ausrichtet, wurde das Liturgie: Weihnachtsfest im römischen Sonnenkalender mit Pfarrerin Dr. Alwine Slenczka einem festen Datum versehen. Dadurch begann das Geschäftsführerin für die Liturgische Kammer der Kirchenjahr zu „atmen“ mit mal längeren mal kürze- Evangelischen Kirche Kurhessen-Waldeck, Hofgeismar ren Phasen zwischen den beiden Hauptfesten. Bildtext: Invokavit am Beginn der Fastenzeit bildet dabei das Dr. Markus Zink Scharnier zwischen beiden Traditionen – nicht nur Referat Kunst und Kirche hinsichtlich der Festtagsberechnung sondern auch der Zentrum Verkündigung der EKHN, Frankfurt unterschiedlichen Deutungskonzepte für das Kommen des Gottessohnes im Rahmen des Geburtsgeschichte Die Reihe der Predigtstudien zum Sonntag Invokavit oder der Passions- und Osterereignisse. ist ein Beitrag zum Reformationsjubiläum Das Thema „Versuchung“, mit dem der Sonntag verbunden ist, betont diese Spannung zusätzlich. Der Herausgegeben von diesjährige Predigttext (Hebr 4, 14-16) mit der Deu- Evangelischer Bund Hessen tung Jesu als des mitleidenden Hohepriesters bedeutet in diesem Zusammenhang eine besondere theologische Kontakt: Herausforderung. Ernst-Ludwig-Str. 7 Wir freuen uns, mit Prof. Dr. Axel Noack, dem ehe- 64625 Bensheim maligen Bischof der Kirchenprovinz Sachsen, wieder Tel. 06251.8433-13 einen kompetenten und inspirierenden Autor für die Fax 06251.8433-28 Predigtstudie gefunden zu haben, ebenso wie die Mit- E-Mail: hessen@evangelischer-bund.de autoren Dr. Markus Zink für die Bildmeditation und Internet: eb-hessen.de Dr. Alwine Slenczka für die Liturgie. verantwortlich: Matthias Ullrich Zum vierten Mal bereits gibt der Evangelische Bund Satz: flyer@genthe.info Hessen diese Predigtstudie zu Invokavit heraus. Wir Druck: flyeralarm.com hoffen, sie wird Ihnen wieder zu einer Inspiration und Bildnachweis: Günther Uecker, Anregung für Ihr eigenes theologisches Arbeiten und Das Nagelboot „Chichicastenango“ die Gottesdienstvorbereitung. © VG Bild-Kunst Bonn Ihr Fotos: Thomas Lammertz Matthias Ullrich Die Predigtstudie als Download Vorsitzender des Evangelischen Bundes Hessen www.eb-hessen.de 2
Predigtstudie Sonntag Invokavit 2016 ................................................................................................................. Überlegungen zur Predigt am Sonntag Invokavit 2016 gemahnt. Eins der Argumente besteht nun darin zu Predigttext: Hebräer 4,14-16 zeigen, dass wir, die Christen, in Jesus Christus einen „Hohepriester“ besonderer Art haben. An ihm wird das Christusgeschehen dann erläutert. I. Wer heute bestimmte Abschnitte des Hebräerbriefes Predigten über den Hebräerbrief lassen zur Grundlage für eine Predigt wählt, muss oft „um sich gut und gern mit den historischen die Ecke“ denken. Das gilt auch für die drei Verse des Erläuterungen und der Erklärung religi- Predigttextes. onsgeschichtlicher Besonderheiten fül- len und gehen damit an ihrem eigentli- Auch wenn die meisten Deutungen über den mögli- chen Auftrag vorbei. chen „Verfasser“, die möglichen „Adressaten“, ja so- gar über den Charakter des „Briefes“ immer noch sehr Vermutlich hätten Christen jüdischer Herkunft so- unterschiedlich sind, ist doch deutlich, dass der Ver- fort eingewendet, dass Jesus, der ja nicht aus dem fasser sich gut in den Gepflogenheiten der jüdischen Geschlecht der Leviten stammt, gar nicht hat Priester Glaubenspraxis auskannte und sehr geläufig das Altes werden können. Deshalb wird nun – was es für uns Testament in der Ausgabe der Septuaginta zu zitieren ungeübte und zumeist unkundige Leser von heute weiß. nicht leichter macht! – dargestellt, dass dieser Hohe- Um wesentliches über den christlichen Glauben aus- priester ein Priester nach der „Ordnung des Melchi- sagen und erläutern zu können, verwendet er Ver- sedek“, also eine Art „Seiteneinsteiger“, gewesen sei. weise, ja geradezu Beispiele aus dem jüdischen Leben Auch das bedarf wieder der Erklärung. und der Praxis im jüdischen Gottesdienst.Beispiele Hier wird schon eine „Fußangel“ für heutige Predi- und Bilder sollen dem Leser zu besserem Verständnis gerinnen und Prediger deutlich: Predigten über den helfen und so den Zugang zu sperrigen Gedanken er- Hebräerbrief lassen sich gut und gern mit den histo- leichtern. Aber gerade hier liegen die Schwierigkeiten rischen Erläuterungen und der Erklärung religionsge- für unser heutiges Verstehen: Die Beispiele des He- schichtlicher Besonderheiten füllen und gehen damit bräerbriefes, besonders die „Vergleiche“ der Person an ihrem eigentlichen Auftrag vorbei. Jesu mit dem Amt des Hohepriesters helfen uns un- geübten und in der jüdischen Glaubenspraxis uner- fahrenen in der Regel nicht wirklich. Im Gegenteil, III. sie machen die Aussagen zu Jesus Christus eigentlich Die spannende Frage wird sein: Lassen sich der Sinn noch komplizierter. und die Zielrichtung der mahnenden Worte des He- bräerbriefes für heutige Predigthörer von den erläu- ternden Beispielen lösen und gewissermaßen „rein“ II. darstellen und predigen? Man gebe nicht vorschnell Etliche Exegeten sehen in dem Text mehr eine „Mahn- eine Antwort. Der Text, so wie er „steht und liegt“, ist rede“, die nur durch eine kurze Passage am Schluss uns zur Predigt aufgegeben. Dem müssen wir uns aus- (13, 22-25) als „Brief“ kenntlich gemacht wird. An- setzen und – durchaus unter Anrufung des heiligen sonsten fällt es – trotz der hin und wieder eingefloch- Geistes – darum ringen, ihn unseren Hörerinnen und tenen persönlichen Anrede „ihr Lieben“ – schwer, den Hörern als Gottes Wort so zu predigen, dass sie hören Text als einen Brief zu charakterisieren. „wie Gott zu ihnen redet“ (Martin Luther). Wem gilt diese Ermahnung? Möglicherweise müde Einen Schlüssel zur Hilfe kann der Sonntag Invokavit gewordenen Christen, die einen judenchristlichen sein. Nicht nur, dass er seit den berühmten Invokavit Hintergrund haben. Sie werden zum „Dranbleiben“ Predigten Luthers (1522) einen besonderen Charak- 3
Predigtstudie Sonntag Invokavit 2015 ................................................................................................................. ter hat, sondern auch durch das biblische Proprium IV. dieses Sonntags. Wo die „Versuchungen“ für die jeweiligen Hörer unse- Die Auswahl des Episteltextes gründet ganz sicher in rer Predigten bzw. für unsere heutigen Bibelleser sind, der Verknüpfung mit dem Sonntagsevangelium (Mt. ist nicht ein für alle Mal auszumachen, sie variieren. 4). Hier wird die Versuchung Jesu durch den Teufel In der DDR z.B. standen die Christen vor anderen in der Wüste beschrieben. Der Vergleichspunkt ist: In Versuchungen, als das heute der Fall ist. „Invokavit“ der Geschichte von der Versuchung Jesu sehen wir, lenkt den Blick seit 1522 gewissermaßen auf Kirche dass unser Hohepriester alle Versuchungen kennt, ja und Gesellschaft, bzw. auf den Platz der Kirche in der selbst versucht worden ist. Er hat also ein Gespür für Gesellschaft. Was ist heute zu sehen? unsere Schwachheit. Ich sehe heute z.B. eine verbreitete Scheu, unsere Dass nun konsequenterweise gesagt wird, Jesu selbst Wirklichkeit nüchtern und ohne Angst wahrzuneh- sei ohne Sünde gewesen, macht ein ganz neues „theo- men. Wenn die Kirche kleiner wird, was zur Zeit logisches Fass“ auf: die Debatte um die Sündlosigkeit durchaus der Fall ist, reagieren wir sehr ängstlich oder versus den theologischen Topos, dass Jesus „wahrer mit frommen Sprüchen: „Wachsen gegen den Trend!“. Mensch“ gewesen sei. Wir sehen nicht, wie es wirklich um uns steht. In der Geschichte von der Versuchung Karl Barth: Jesu sehen wir, dass unser Hohepriester „Gerade aus der Gewissheit des Glaubens muss der Mut alle Versuchungen kennt, ja selbst ver- folgen, einer Situation in ihrer nackten, unverhüllten sucht worden ist. Er hat also ein Gespür Wirklichkeit ins Auge zu sehen. Möglicherweise ergibt für unsere Schwachheit. die Analyse, dass einige Befürchtungen übertrieben, aber auch angeblich sicherer Hoffnungen vergeblich sind. … Hier, im Hebräerbrief, liegt die Betonung darauf, Der Glaube erleuchtet, erklärt und leitet alles. Er hilft das Jesus unsere Schwachheit und unsere Versuch- die Wirklichkeit wahrzunehmen und sei sie eine Meer lichkeiten kennt, ja selbst durchlitten hat. Nicht als von feindlichem Erfolg und eignem Misserfolg. … Der Gottes Sohn ist er per definitionem „sündlos“, son- Glaube schenkt die Kraft zu moralischen Handeln auch dern weil er den Versuchungen wiederstanden hat, in auswegloser Situation. Wer nicht glaubt wird inmit- ganz konkret. Als zu einem solchen ruft der Schreiber ten der heutigen Weltlage vor dem was zu sehen ist gewiss des Hebräerbriefes seine Adressaten, zu Jesus als eine lieber beide Augen verschließen und wird gewiss auch Anlaufstelle für Schwache und Versuchte, oder müde alles Moralische für schöne, aber unausführbare Ideen Gewordene: „Darum lasst uns hinzutreten mit Zu- halten. Es braucht aber nicht irgendeinen, sondern den versicht zu dem Thron der Gnade, damit wir Barm- rechten Glauben dazu, um heute klar zu sehen und das herzigkeit empfangen und Gnade finden zu der Zeit, Rechte zu wollen und auch zu tun.“ 1) wenn wir Hilfe nötig haben.“ Nötig ist die nüchterne Analyse: Wer das Kreuz Chris- Daran, dass er dabei den sogenannten „Adhortativ“ ti (oder den Hohepriester Jesus) vor Augen hat, schaut („Auf denn, lasst uns..“) verwendet, wird deutlich, nicht weg, wenn es schwierig wird. Die Versuchung dass der Ruf zum „Thron der Gnade“ auch dem Rufer ist: Nicht zu sehen oder sehen zu wollen, „was uns selbst gilt bzw. dass auch dieser es nötig hat, sich rufen geschenkt ist“. Lieber sagen wir – auch im Blick auf zu lassen. unsere Kirche – „So schlimm wie heute war es noch nie!“, was ja nun wahrlich nicht stimmt. Aus dieser Fehleinschätzung resultieren Resignation und Müdig- keit: Das hat ja alles doch keinen Zweck! 4
V. nicht! („Obwohl wir aber so reden, ihr Lieben, sind Nun aber ist Jesus gekommen, „die Werke des Teufels wir doch überzeugt, dass es besser mit euch steht und zu zerstören“ (= Wochenspruch 1.Johannes 3,8). An- ihr gerettet werdet.“ 6,9) gewendet auf die Hebräer-Passage könnte das bedeu- Wichtig für heutige Leser und Predigthörer daran ist, ten, dass die „Müdigkeit“ im Glauben zu den Werken dass klar wird, wie ernst es steht. des Teufels zu zählen ist. Gerade wer von der Güte und Barmherzigkeit Got- Luther kann in einer Tischrede sagen: tes reden und predigen will, steht immer wieder in „Zwei Dinge sind dem Satan eigen: das erste, dass der Gefahr, den Ernst zu verschweigen und über den er uns sicher macht und daß wir Gott zur Zeit des tröstlichen Worten die Notwendigkeit der Verände- Wohlergehens nicht fürchten; das zweite, dass er uns rung der Person zu vergessen bzw. ins Kleingedruckte zur Zeit der Trübsal verzweifeln und vor Gott fliehen zu verweisen. lehrt.“ Luther schreibt gegen diese Prediger: » ….denn sie meinen, man solle die Leute nicht erschre- Gerade wer von der Güte und Barmher- cken noch betrüben, sondern immer tröstlich predigen zigkeit Gottes reden und predigen will, von der Gnade und Vergebung der Sünden in Christo steht immer wieder in der Gefahr, den und beileibe ja meiden diese Worte: „Hörest du, du willst Ernst zu verschweigen und über den ein Christ sein und gleichwohl ein Hurenjäger, volle tröstlichen Worten die Notwendigkeit der Veränderung der Person zu verges- Sau, hoffährtig, geizig, Wucherer, neidisch, rachgierig, sen. boshaft bleiben?“ Sondern so sagen sie: „Hörest du, bist du ein Ehebrecher, ein Hurer, ein Geizhals oder sonst ein Ja, der Verfasser vermutet, dass seine Hörer bzw. Brie- Sünder, glaubest du nur, so bist du selig, darfst dich vor fempfänger früher schon besser gewesen seien, man dem Gesetz nicht fürchten, Christus hat alles erfüllet“. nun aber wieder zum Unterricht über die Anfangs- Ja, es heißt eben in demselben (= in einem Atemzug) gründe des Glaubens zurückkehren müsste. (5,11) Ei- Christum wegnehmen und zunichte machen, wenn gentlich vertragen sie noch keine feste Speise sondern er am höchsten gepredigt wird. Sie sind wohl feine bräuchten noch Milch: „Denn wem man noch Milch Osterprediger, aber schändliche Pfingstprediger, denn geben muss, der ist unerfahren in dem Wort der Ge- sie predigen nicht´s von der Heiligung des Heiligen rechtigkeit, denn er ist ein kleines Kind.“ (5,13) Geistes, sondern allein von der Erlösung Christi, so doch Christus... Erlösung von Sünden und Tod er- Dann wird – man muss wieder um die Ecke den- worben hat, dass uns der Heilige Geist soll zu neu- ken – gesagt: „Darum wollen wir jetzt lassen, was en Menschen machen aus dem alten Adam. …dass am Anfang über Christus zu lehren ist, und uns zum wir nicht allein Vergebung der Sünden, sondern auch Vollkommenen wenden.“ (6,1) Ja, die Belehrung in Aufhören von den Sünden hätten..« (Martin Luther den Anfangsgründen (von der Umkehr von den toten an die Antinomer, 1539) Werken, von dem Glauben an Gott, von der Lehre von der Taufe, vom Händeauflegen, von der Aufer- stehung der Toten und vom ewigen Gericht) soll ‒ so VI. Gott will und wir leben ‒ später einmal erfolgen. (6,3) Auf diesem ernsten Hintergrund will der Schrei- Warum das? Weil es eigentlich nicht geht, („es ist un- ber nun die müde und „harthörig“ gewordenen, die möglich“) schon Belehrte und Erleuchtete, die wieder ehemals schon Glaubenskräftigen, ermahnen. Nach- „abgefallen“ sind, wieder zur Buße zu erneuern. Gott lassen und müde werden sind typische menschliche sei Dank, schränkte der Verfasser dann doch wieder Eigenschaften. Denen kommt man in der Regel nicht etwas ein: So ganz schlimm steht es um Euch ja doch durch Belehrung bei. Deshalb besteht der Modus 5
Predigtstudie Sonntag Invokavit 2016 ................................................................................................................. der Mahnrede vor allem im „Erinnern“, im sich des Freilich wissen wir auch, dass solches „Erinnern“ an Grundes versichern bzw. sich des Grundes neu be- das, was uns geschenkt ist, mehr als eine intellektuelle wusst werden. Belehrung sein muss. Erinnern geht nicht nur über Erinnern war und ist auch eine wichtige Funktion den Kopf. Es ist eher ein ganzheitliches Geschehen, unserer Predigt. Ein bekannter Kindervers fasst das dass wir in unsere Kirchensprache mit „Vergewisse- in aller Klarheit und Kürze zusammen und gibt prak- rung“ übersetzen können. Solches Bewusstmachen tische Orientierung: „Das will ich mir schreiben in und Gewisswerden ist dann die Basis, dafür, dass – so Herz und in Sinn, dass ich nicht für mich auf Erden wünschte es der Schreiber des Hebräerbriefes – „dass bin, dass ich die Liebe von der ich leb, liebend an an- jeder von euch denselben Eifer beweise, die Hoffnung dere weitergeb´.“ festzuhalten bis ans Ende.“ (6,11) Es geht darum, sich neu des Grundes zu versichern auf dem wir stehen. Das Erinnern an Gottes Liebe geschieht – nicht nur Wer fest steht, kann auch Visionen entfalten und Zie- im Hebräerbrief – im Verweis auf Jesus Christus. le definieren. Hier, im Hebräerbrief, in dem Vergleich mit der so wichtigen Person des Hohepriesters. Wir müssen möglicherweise andere Bilder gebrauchen, aber der VII. Grund ist derselbe: Daran erinnern, was Gott für uns Ein Thema für unser Predigen ist es, sich dieses Grun- getan hat. Dieses Wissen („in Herz und in Sinn“) wird des zu versichern. Das trifft bei uns Heutigen, die wir dann zur Grundlage und zur Orientierung für unser so gern „zielführend“ sein wollen, nicht unbedingt Leben und Handeln. auf erste Priorität. Warum sollten wir zurück schauen, wenn wir so wichtige Ziele vor Augen haben? Ja, wir „Das will ich mir schreiben in Herz und in sind heute vor allem zielführend, wir stecken Leitlini- Sinn, dass ich nicht für mich auf Erden en ab und zünden zur Orientierung Leuchtfeuer an. bin, dass ich die Liebe von der ich leb, Wir führen Mitarbeiterjahresgespräche und wenn wir liebend an andere weitergeb´.“ wissen wollen, wie es mit unserer Kirche weitergeht, dann kaufen wir eine Beratungsfirma ein, die mit uns Dieses „Wissen, was dir geschenkt ist!“ macht z.B. „Unternehmensziele“ absteckt. Ich will das alles nicht Dietrich Bonhoeffer zur Basis für einen Katechismus, nur kritisieren. Viel Wichtiges ist daran. den er für seine Konfirmanden im Berliner Wedding geschrieben hat. Titel: „Glaubst Du, so hast Du!“. Wer fest steht, kann auch Visionen ent- Darin solche Sätze wie: „Evangelisch ist, wer sich der falten und Ziele definieren. Gnade Gottes freut.“ Bonhoeffer bezieht sich auf eine Bekenntnisformulierung Luthers: Nur: Wir dürfen darüber nicht vergessen, dass der Glaube und die Theologie nicht so argumentieren. „Ich glaube an Gott, daß er mein Schöpfer sei, an Jesum Der Glaube argumentiert nicht auf ein Ziel hin (fi- Christum, daß er mein Herr sei, an den Heiligen Geist, nal) sondern von einen Grunde her (konsekutiv). Im dass er mein Heiligmacher sei. Gott hat mich geschaf- Glauben und in der Nachfolge Jesu geht es nicht um fen und mir Leben, Seele, Leib und alle Güter gegeben; ein „um zu“ sondern um ein „weil“. Christus hat mich gebracht in seine Herrschaft durch sei- nen Leib, und der Heilige Geist heiligt mich durch sein Jesus sagt nicht: „Gehet hin und machet zu Jüngern Wort und die Sakramente, die in der Kirche sind, und alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und wird uns völlig am jüngsten Tage heiligen. Das aber ist des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie be- der Christliche Glaube: wissen was Du tun sollst und halten alles was ich euch befohlen habe“ (Mt 28,20), was dir geschenkt ist.“ (WA 11, 229) damit die Leute fromm werden und die Kirchen sich füllen. 6
Sondern er sagt: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Martin Luther sagt dazu in einer Predigt zur Leipziger Himmel und auf Erden. Darum gehet hin… Disputation 1519 (WA 2, 241ff.): Also „weil“ nicht „um zu“. „Man muss wissen, wie man bei Gott dran sei, soll an- (Wir könnten z.B. einmal kritisch fragen wie viele der ders das Gewissen fröhlich sein. Wenn Du fühlst, dass Tagesordnungspunkte unserer unendlichen Sitzungen Dein Herz wankt und du zweifelst du seiest nicht in unter der Ausrichtung auf ein „um zu“ stehen und wie Gnaden vor Gottes Augen: dann ist es hohe Zeit, dass du viele unserer Beschlüsse geschehen „weil“ wir „nicht zum Priester gehest und begehrest Absolution über deine mehr schweigen können über das was wir gesehen Sünde. Wenn nun der Priester dich absolviert, so heisst und gehört haben?“) es: „deine Sünden sind dir vergeben, du hast einen gnä- digen Gott!“ Im Glauben und in der Nachfolge Jesu Kannst du das glauben, so muss dein Herz vor Freu- geht es nicht um ein „um zu“ sondern den lachen, und Gsott danken, dass er durch Men- um ein „weil“. schen also dein Gewissen tröstet. Kannst du aber nicht glauben, so bitte Gott um den Glauben, dass Der Hebräerbrief meint: dein Herz zufrieden und guter Zuversicht gegen Gott „Lasst uns ablegen alles, was uns beschwert, und die werde. Daraus folget denn, dass alles Leben und Lei- Sünde, die uns ständig umstrickt, und lasst uns lau- den leicht wird, und der Mensch mit Freuden seinem fen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist, gnädigen Gott dienen kann. Das heißt dann die süße und aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender Bürde unseres Herrn Jesus Christi.“ des Glaubens.“ (12,1+2) Wenn man so will: Bei „Ablegen“ der Sünde, bei Lossprechen von Sünde sind wir durchaus bei einem priesterlichen Amt. __________ 1) Barth, Karl: Unsere Kirche und die Schweiz in der heutigen Zeit (1940) in Eine Schweizer Stimme, S. 157-178, zitiert nach: Cornu, Daniel: Karl Barth und die Politik - Widerspruch und Freiheit, Wuppertal, 1969, S. 84+86. 7
Predigtstudie Sonntag Invokavit 2016 ................................................................................................................. 8
Bildmeditation ................................................................................................................. Markus Zink re Ironie der Geschichte: Ausgerechnet das Volk der Maya, das nach Columbus mit dem Schwert missi- Das Nagelboot „Chichicastenango“ oniert wurde, musste nun für das Evangelium von von Günther Uecker der Liebe Gottes und seiner Gerechtigkeit erneut bluten. Dieses Volk hat sein Kreuz zweimal getragen. „Wir sitzen alle in einem Boot!“ Mit diesem Ge- Christus wurde in Versuchung geführt wie wir, danken schaue ich das Nagelboot von Günther heißt es im Hebräerbrief (4,15). Der Verfasser dach- Uecker an. Mit den ganzen Nägeln kann es si- te wohl nicht an die Geschichte über Jesus in der cher nicht lange über Wasser bleiben. Und schon Wüste, sondern an seinen Leidensweg, ans Kreuz. der Anblick tut weh. Wer will darin sitzen? Es äh- Geschrieben wurde der Brief in einer Zeit, in der nelt eher einem mittelalterlichen Folterinstrument. Christinnen und Christen bedroht wurden. Sie soll- Dieses Boot mit Nägeln wurde im Jahr 1980 für ei- ten trotz Bedrängnis festhalten am Bekenntnis (Hebr nen Kunstwettbewerb zum Thema Kreuz geschaffen. 4,14 und 10,23) – festhalten auch an der Überzeu- Nun steht es als Dauerleihgabe in der katholischen gung, dass Gott liebt und dass Versöhnung die Welt Kirche Pax Christi in Krefeld. Es sieht nicht wie ein verändern kann. Wie schwer ist das durchzuhal- herkömmliches Kreuz aus. Die Verfremdung bringt ten, wenn die Unmenschlichkeit überhandnimmt! zum Nachdenken. Aber zwei Holzbalken gehören Für Außenstehende ist eine andere Versuchung doch dazu. Sie liegen mit zahllosen Nägeln bestückt groß: einfach wegschauen! Allein, sich in dieses neben dem Boot. An der Wand darüber hängt das Boot hineinzudenken, ist ja schon unangenehm. „Tuch der Barmherzigkeit“. Ein normales Kreuz wäre Und doch: „Wir sitzen alle in einem Boot!“ Die einfach zu dekorativ oder zu sehr ein Kirchenzeichen. Welt ist kleiner geworden, und das Leiden Unschul- Es geht um etwas Tieferes. „Wir sitzen alle in einem diger nicht weniger. Wegschauen geht nicht mehr. Boot!“ Das bedeutet: Mitleiden können, Mitleiden Das Kunstwerk „Chichicastenango“ wurde im wagen, der Barmherzigkeit trauen. Wie Christus, Frühjahr 2015 auf einer großen Retrospektive zu der Mitleid hat und mit gelitten hat (Hebr 4,15). Ueckers Lebenswerk in Düsseldorf gezeigt. Dabei Von alters her symbolisiert das Boot den Kurs des bewies das Nagelboot seine Aktualität. Denn vie- menschlichen Lebens, der von vielen Unwägbarkeiten le Besuchende der Kunsthalle K 20 mussten an die abhängt. Es ist auch ein Symbol für die Gesellschaft, Flüchtlinge denken, die über das Mittelmeer nach die gemeinsam irgendwohin unterwegs ist, wie das Europa fliehen. So viele sterben dabei! Die Boo- Schiff, das sich Gemeinde nennt. In diesem Fall hat te von Schlepperbanden werden ihnen zum Kreuz. der Künstler speziell an die Menschen in Mittelame- Bis November wurden allein vor der griechischen rika gedacht. Die heutigen Maya sehen das Boot als Insel Lesbos über hundert tote Kinder angespült. Zeichen ihres Volkes an. Unter ihnen hat der Künstler „Wir sitzen alle in einem Boot!“ Das tut weh. Das selbst geraume Zeit gelebt. Ihnen hat er auch den Ti- sucht sich niemand freiwillig aus. Die Versuchung tel des Kunstwerkes gewidmet: Chichicastenango. So ist groß, das Herz hart zu machen oder wegzu- heißt eine Stadt in Guatemala. Im jahrzehntelangen schauen. Und für die, welche hinsehen, ist die Ver- Bürgerkrieg wurde Chichicastenango zum Synonym suchung groß, daran zu verzweifeln. Es braucht für die Schrecken von Diktatur und Völkermord. Un- einen neuen Blick und ein neues Herz (Hebr gezählt sind die unschuldigen Toten bis heute. Vor 10,22f. Vgl. Ez 36,26 und Jer 31,33) – einen Blick, allem traf es die indigene Bevölkerung. Unter ihnen der gestärkt wird vom Mitleiden Christi und ein auch viele Geistliche sowie Mönche und Nonnen, Herz, das sich füllen lässt vom Geist seiner Liebe. die sich für Gerechtigkeit einsetzten. Welch bitte- 9
Liturgiebausteine Invokavit 2016 ................................................................................................................. Psalm 91, 1-6.10-12 (im Wechsel) 1) Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt vor den Pfeilen, die des Tages fliegen, und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt, vor der Pest, die im Finstern schleicht, der spricht zu dem HERRN: vor der Seuche, die am Mittag Verderben bringt. Meine Zuversicht und meine Burg, Es wird dir kein Übel begegnen, mein Gott, auf den ich hoffe. und keine Plage wird sich deinem Hause nahen. Denn er errettet dich vom Strick des Jägers Denn er hat seinen Engeln befohlen, und von der verderblichen Pest. dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen, Er wird dich mit seinen Fittichen decken, dass sie dich auf den Händen tragen und Zuflucht wirst du haben unter seinen Flü- und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest. geln. Seine Wahrheit ist Schirm und Schild, Gem.: Amen. dass du nicht erschrecken musst vor dem Grauen der [Das Gloria Patri entfällt in der Passionszeit] Nacht, ODER: I. II. Aufforderung zum Bittruf (Kyrie): Aufforderung zum Bittruf (Kyrie) Wir stehen am Anfang der Passionszeit Es spricht sich so leicht: und sehen auf den Weg, „Meine Zuversicht und meine Burg, den Jesus Christus gegangen ist: mein Gott, auf den ich hoffe.“ durch Versuchungen, Aber wie oft vergessen wir, mit diesem Grundver- durch die Anfechtungen des Bösen, trauen zu leben: durch das, Verzagen, wo man Glauben haben könnte. was Menschen ihm entgegengesetzt haben. Ist ängstlich, wo Vertrauen möglich wäre. Wir sehen auf uns, - Gott, erbarme dich! auf Wege, mit denen wir ringen, - Gem.: Herre Gott, erbarme dich … auf alles, was wir tragen müssen, wo unsere Not groß ist und unser Glauben klein. Wir halten Stille und bitten Gott um Erbarmen: Stille - Gem.: Herre Gott erbarme dich. - EG 178.5 oder ein anderes Kyrie Tagesgebet Tagesgebet Sieh gnädig auf uns, Gott, Lass uns sicher sein „unter deinem Schatten“, Gott, Stärke unseren Glauben, dass wir immer wissen, dass wir nicht unsicher werden und straucheln, wohin wir gehören sondern uns allezeit zu dir bekennen: und worauf wir vertrauen. „Meine Zuversicht und meine Burg, Amen. mein Gott, auf den ich hoffe.“ - Gem.: Amen. ______________________ 1) [Neue Abgrenzung vorgeschlagen im Entwurf zur Erprobung der Neuordnung der gottesdienstlichen Lesungen und Predigttexte] 10
Verkündigung und Bekenntnis Lieder Schriftlesung: Mk 4, 1-11 Bitte um den Heiligen Geist Gem.: Amen. [Halleluja entfällt in der Passionszeit] EG 124,1 Nun bitten wir den Heiligen Geist Spruch nach der Schriftlesung: Du aber, Herr, erbar- Eingangslied me dich über uns. Amen. EG 443,1-5 Aus meines Herzens Grunde Wochenlied: EG 347 Ach bleib mit deiner Gnade oder EG 362 Ein feste Burg ist unser Gott Lied nach der Predigt EG 587 Gott ruft dich, priesterliche Schar oder EG 82 Wenn meine Sünd mich kränken Lied EG 443, 6-7 Gott will ich lassen raten oder EG 590 Herr, wir bitten: Komm und segne uns Fürbitten * Gott, Wir beten für Menschen, dem Schwerem bist du nicht ausgewichen, die andere zum Bösen verführen, Jesus Christus hat für uns das Böse überwunden. indem sie beibringen, wie man Waffen gebraucht, Er ist uns vorangegangen indem sie lehren, sich zu verkaufen, und hat uns den Weg indem sie vormachen, sich zu bereichern. frei gemacht Gib ihnen eine Chance auf ein neues Leben. zu neuem Leben. * Wir singen: „Meine Hoffnung und meine Freude“ Wir beten für Menschen, (Taizé) die sich den Versuchungen des Lebens gar nicht erst Wir beten für Menschen, aussetzen: die Verantwortung tragen in der Politik, in der Wirt- die sich ängstlich zurück halten, schaft, in der Kirche. die sich abgeschottet haben. Dass sie Kraft haben, * Widerständigem ins Auge zu sehen, Wir beten für Menschen, Unbequemes auszusprechen die gerade mit dem Tod wie mit einer bösen Macht und die Geduld die Folgen auszuhalten. ringen, * mit dem eigenen, Wir beten für Menschen, mit dem ihrer Angehörigen. die Versuchungen erlegen sind Wir beten in der Stille und süchtig nach Geld, - (Stille) nach Drogen, nach Spielen. Gott, wir halten uns fest daran, Gib ihnen Menschen zur Seite, dass Du aus dem Tod zum Leben führst die ihre Hoffnung nicht aufgeben. und beten mit Jesu Worten weiter… 11
Aktuelle Veröffentlichungen und Veranstaltungen .................................................................................... Evangelische Orientierung 4/2015 Materialdienst des Konfessionskund- Paul Metzger „Pfarrhaus zu verkaufen“ lichen Instituts Brennpunkt Ökumene Das Pfarrerbild im Wandel erscheint 6mal im Jahr Möglichkeiten am Ort Mitgliederzeitschrift zu aktuellen ökumenischen Themen 1. Auflage 2014 Mitgliedschaft pro Jahr 25,- Euro Jahres-Abonnement 27,- Euro 96 Seiten 9,99 Euro Auf Luthers Spuren unterwegs Studientagung „Heimat“ Grundkurs Konfessionskunde Eine Reise durch Deutschland, Italien verloren - verklärt - verfremdet 25. bis 28. Januar 2016 und die Schweiz Hessen || Österreich Kloster Höchst (Odenwald) Hans-A. Genthe (Hg.) 10.-13. März 2016 Eisenstadt (A) mit Zertifikat Bensheimer Heft 110 14,99 Euro Information: www.eb-hessen.de „Berater/in für Konfessionskunde“ Alle Informationen bei: konfessionskundliches-institut.de/publikationen zusammen mit 12
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