VERWALTUNGSGERICHT NEUSTADT AN DER WEINSTRASSE - BESCHLUSS - in Rheinland-Pfalz

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Veröffentlichungsfassung
3 L 413/19.NW

    VERWALTUNGSGERICHT
 NEUSTADT AN DER WEINSTRASSE

                               BESCHLUSS

In dem Verwaltungsrechtsstreit
des Herrn A.,
                                                                 - Antragsteller -

                                    gegen

die Stadt Ludwigshafen am Rhein, vertreten durch die Oberbürgermeisterin,
Rathausplatz 20, 67059 Ludwigshafen,
                                                             - Antragsgegnerin -

wegen           Beanstandung des Tagesordnungspunkt 8 der Tagesordnung der
                Stadtratssitzung am 15.4.2019
                hier: Antrag nach § 123 VwGO

hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße aufgrund
der Beratung vom 11. April 2019, an der teilgenommen haben

       Vizepräsidentin des Verwaltungsgerichts Seiler-Dürr
       Richter am Verwaltungsgericht Bender
       Richterin am Verwaltungsgericht Dr. Ritter

beschlossen:

       Der Antrag wird abgelehnt.

       Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

       Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
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                                     Gründe

Der Antragsteller begehrt, die Antragsgegnerin im Wege des Erlasses einer einst-
weiligen Anordnung zu verpflichten, den Tagesordnungspunkt 8 von der Tagesord-
nung der Stadtratssitzung am 15. April 2019 zu nehmen.

Die Verwaltungsvorlage zu Tagesordnungspunkt 8 schlägt dem Stadtrat vor, einer
geplanten Änderung der Satzung des Zweckverbandes Sparkasse Vorderpfalz für
die Sparkasse Vorderpfalz zuzustimmen; die geplante Änderung der Zweckver-
bandssatzung sieht die Verkleinerung des Verwaltungsrates des Zweckverbandes
von 27 auf 21 Mitglieder vor. Des Weiteren soll unter dem Tagesordnungspunkt 8
der Stadtrat der Stadt Ludwigshafen am Rhein die Vertreterinnen und Vertreter der
Stadt gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes über die kommunale Zusammenarbeit
(KomZG) anweisen, in der öffentlichen Sitzung der Verbandsversammlung am 6.
Mai 2019 der Satzungsänderung des Zweckverbandes Sparkasse Vorderpfalz zu-
zustimmen.

Im Hinblick darauf, dass der Antragsteller erklärt hat, den unterschriebenen Antrag
am 10. April 2019 auf den Postweg gebracht zu haben, und die Stadtratssitzung am
15. April 2019 stattfindet, stellt die Kammer die Bedenken an der ordnungsgemäßen
Antragstellung zurück.

Der Antrag nach § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) hat keinen Erfolg.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag schon vor Klageer-
hebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen,
wenn die Gefahr besteht, dass die Veränderung eines bestehenden Zustands die
Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereiteln oder wesentlich erschwe-
ren könnte. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist eine einstweilige Anordnung dar-
über hinaus zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges
Rechtsverhältnis zulässig, wenn die Regelung nötig erscheint, um wesentliche
Nachteile abzuwenden oder um drohende Gefahren zu verhindern oder wenn sie
aus anderen Gründen erforderlich ist.

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Dabei darf grundsätzlich die Hauptsache nicht vorweggenommen werden. Eine
Ausnahme von diesem Grundsatz gilt nach der in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz
(GG) gewährleisteten Rechtsschutzgarantie dann, wenn der in der Hauptsache gel-
tend gemachte Anspruch hinreichend wahrscheinlich ist und wegen des Nichterfül-
lens dieses Anspruchs schwere, unzumutbare oder nicht anders abwendbare Nach-
teile drohen. Ob eine Anordnung i.S.d. § 123 VwGO erforderlich ist, beurteilt sich
somit vorrangig nach den Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Danach kommt eine
Anordnung nur in Betracht, wenn nach summarischer Prüfung der Sach- und
Rechtslage ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit zu erwarten und ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung
nicht zumutbar ist. Eine umfassendere rechtliche Prüfung des im Hauptsachever-
fahren in Rede stehenden materiellen Anspruchs bereits im Eilverfahren kann aber
von Verfassungs wegen geboten sein, wenn das einstweilige Rechtsschutzverfah-
ren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt sowie eine
endgültige Verletzung der Rechte eines Beteiligten droht und auch Grundrechtspo-
sitionen von Gewicht betroffen sind (BVerfG, Beschluss vom 28. September 2009
- 1 BvR 1702/09 -, NVwZ-RR 2009, 945).

Die Voraussetzungen einer hier allein in Betracht kommenden Sicherungsanord-
nung hat der Antragsteller nicht hinreichend glaubhaft gemacht (§ 920 Zivilprozess-
ordnung - ZPO - i. V. m. § 123 Abs. 3 VwGO).

Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf die Änderung der Tagesordnung der
Stadtratssitzung am 15. April 2019, d. h. auf Absetzung des Tagesordnungspunktes
8. Ein solches Recht auf Änderung der Tagesordnung einer Stadtratssitzung steht
dem Antragsteller als Mitglied des Stadtrates nach der rheinland-pfälzischen Ge-
meindeordnung (GemO) nicht zu.

Nach § 34 Abs. 2 Satz 1 GemO lädt der Vorsitzende, d. h. hier der Oberbürgermeis-
ter, die Ratsmitglieder und Beigeordneten schriftlich oder elektronisch unter Mittei-
lung der Tagesordnung zur Ratssitzung ein. Die Tagesordnung setzt der Bürger-
meister im Benehmen mit den Beigeordneten fest (§ 34 Abs. 5 Satz 1 GemO). Auf
Antrag eines Viertels der gesetzlichen Zahl der Ratsmitglieder oder einer Fraktion
ist eine Angelegenheit, die zu den Aufgaben des Gemeinderats gehört, aber auch
auf die Tagesordnung zu setzen.

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Die Absetzung einer von dem Bürgermeister auf die Tagesordnung einer Ratssit-
zung gesetzten Angelegenheit sieht diese Vorschrift nicht vor. Die Möglichkeit der
Absetzung eines einzelnen Beratungsgegenstandes von der Tagesordnung besteht
nach § 34 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 GemO in einer Ratssitzung, wenn der Gemeinderat
dies mit Zweidrittelmehrheit beschließt. Ein entsprechendes Antragsrecht steht
nach § 30 Abs. 4 GemO jedem Ratsmitglied zu. Der Antragsteller kann demnach in
der Stadtratssitzung nach dieser Vorschrift den Antrag stellen, den Tagesordnungs-
punkt 8 abzusetzen; über diesen Antrag hat dann der Stadtrat zu entscheiden.

Für den Fall einer als rechtswidrig erachteten Beschlussfassung des Gemeinderats
enthält die Gemeindeordnung in § 42 GemO und § 121 GemO klare Regelungen.

Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 GemO setzt der Bürgermeister die Ausführung eines Be-
schlusses aus, der nach seiner Ansicht die Befugnisse des Gemeinderats über-
schreitet, gesetz- oder rechtswidrig ist oder die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit
verletzt, oder eine Aufwendung oder Auszahlung beschlossen wurde, für die keine
Deckung im Haushaltsplan vorhanden ist. Der Gemeinderat kann dann den Be-
schluss ändern. Geschieht dies nicht, hat der Bürgermeister die Entscheidung der
Aufsichtsbehörde einzuholen (§ 42 Abs. 2 GemO). Gegen diese Entscheidung der
Aufsichtsbehörde steht nach § 42 Abs. 2 Satz 2 GemO dem Gemeinderat, nicht
dem einzelnen Ratsmitglied, ein Klagerecht zu (vgl. Stamm in Gabler/Höhlein u.a.,
Kommunalverfassungsrecht Rheinland-Pfalz, November 2018, § 42 GemO, Anm.
3.4.4).

Des Weiteren kann die Kommunalaufsicht nach §§ 117 ff. GemO Beschlüsse des
Gemeinderats beanstanden. Nach § 121 GemO kann die Aufsichtsbehörde Be-
schlüsse des Gemeinderats und seiner Ausschüsse sowie Maßnahmen der Ge-
meindeverwaltung, die das bestehende Recht verletzen, beanstanden und verlan-
gen, dass sie innerhalb einer von ihr bestimmten Frist aufgehoben werden. Sie kann
ferner verlangen, dass das auf Grund derartiger Beschlüsse oder Maßnahmen Ver-
anlasste rückgängig gemacht wird. Die beanstandeten Beschlüsse und Maßnah-
men dürfen nicht ausgeführt werden. Die Kommunalaufsicht wird ausschließlich zu
dem Zweck ausgeübt, das allgemeine staatliche Interesse an einer gesetzmäßigen
Verwaltung im gemeindlichen Bereich durchzusetzen. Ein Anspruch in Richtung auf

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aufsichtsbehördliches Einschreiten scheidet deshalb sowohl für einzelne Gemein-
debürger und ihre Vereinigungen als auch für die Gemeinde, ihre Organe und deren
Teile, soweit nicht gesetzlich ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, in der Regel
aus (so OVG RP, Beschluss vom 29. Mai 1985 – 7 B 11/85 –, DÖV 1986, 152).

Darüber hinausgehende Beanstandungsrechte in Bezug auf Gemeinderatsbe-
schlüsse sieht die Gemeindeordnung nicht vor, insbesondere steht den einzelnen
Ratsmitgliedern kein Beanstandungsrecht von Beschlüssen des Gemeinderates zu.

Im kommunalverfassungsrechtlichen Streit um Rechtspositionen innerhalb der Ge-
meinde ist zwar anerkannt, dass den Gemeinderatsmitgliedern subjektive Rechte
dort zustehen, wo sie ihnen gesetzlich eingeräumt werden. Ein Ratsmitglied kann
einen Gemeinderatsbeschluss danach dann gerichtlich angreifen, wenn er die Ver-
letzung eigener organschaftlicher Mitgliedschaftsrechte, welche ihm durch das
Kommunalverfassungsrecht eingeräumt sind, geltend macht. Hierzu zählen insbe-
sondere das Teilnahmerecht an Sitzungen, das Beratungs-/Rederecht, das An-
tragsrecht und das Stimmrecht. Die formelle und materielle Rechtmäßigkeit eines
Ratsbeschlusses im Übrigen kann ein Ratsmitglied aber nicht gerichtlich überprüfen
lassen (vgl. VGH BW, Urteil vom 25. März 1999 - 1 S 2059/98 -, juris Rn. 32; OVG
RP, Beschluss vom 4. September 2013 - 10 A 10525/13.OVG -, n.v.; Stamm in
Gabler/Höhlein u.a., a.a.O., § 42 GemO, Anm. 3.2, 4. Abs.).

Kann ein Ratsmitglied die formelle und materielle Rechtmäßigkeit eines Ratsbe-
schlusses nicht gerichtlich überprüfen lassen, so kann er auch nicht im Wege einer
einstweiligen Anordnung die Absetzung eines Tagesordnungspunktes begehren,
um die Beschlussfassung des von ihm erwarteten rechtswidrigen Ratsbeschlusses
zu diesem Tagesordnungspunkt zu verhindern.

Aus der Stellung als Mitglied des Verwaltungsrates der Sparkasse Vorderpfalz kann
der Antragsteller nach den obigen Ausführungen ebenfalls kein Recht herleiten, Ein-
fluss auf die Tagesordnung des Stadtrates Ludwigshafen auszuüben. Mitglied des
Zweckverbandes der Sparkasse Vorderpfalz ist nicht der Antragsteller, sondern die
Stadt Ludwigshafen am Rhein (s. § 1 der Verbandsordnung des Zweckverbandes
Sparkasse Vorderpfalz), so dass er sich nicht, wie in der Antragsschrift geschehen,
auf eine Mitgliedschaft im Zweckverband berufen kann.

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Der Antrag war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs.1 VwGO abzulehnen.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG des Streit-
wertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 18. Juli 2013
(NVwZ 2013, Beilage 58). Da der Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung
mit einer Vorwegnahme der Hauptsache verbunden wäre, war der Streitwert nicht
gemäß der Empfehlung in Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs zu reduzieren.

Rechtsmittelbelehrung….

gez. Seiler-Dürr                  gez. Bender                     gez. Dr. Ritter
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