VERWALTUNGSGERICHT TRIER - BESCHLUSS

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6 L 1219/21.TR

          VERWALTUNGSGERICHT
                TRIER
                               BESCHLUSS

In dem Verwaltungsrechtsstreit
1.   der Frau Petra Streit, Berliner Straße 13 a, 54634 Bitburg,
2.   des Herrn Dr. Joachim Streit, Berliner Straße 13 a, 54634 Bitburg,
                                                                     - Antragsteller -

Prozessbevollmächtigte        zu 1-2: Rechtsanwälte Dr. Haubrich, Blesius, Eifel,
                              Keusch & Hager, Bedaplatz 3, 54634 Bitburg,

                                     gegen

den Eifelkreis Bitburg-Prüm, vertreten durch den Landrat, Trierer Straße 1,
54634 Bitburg,
                                                                   - Antragsgegner -

wegen        Streitigkeiten nach dem Infektionsschutzgesetz
             hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

hat die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Trier aufgrund der Beratung vom
9. April 2021, an der teilgenommen haben

        Richterin am Verwaltungsgericht Weber
        Richterin am Verwaltungsgericht Wagner
        Richter Dr. Schulz
-2-

beschlossen:

        Der Antrag wird abgelehnt.

        Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller.

        Der Wert des Streitgegensandes wird auf 2.500,00 € festgesetzt.

                                     Gründe

Der zulässige Antrag der Antragsteller, gemäß § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 der
Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – die aufschiebende Wirkung ihres
Widerspruchs gegen die unter Ziffern 12 und 13 der Allgemeinverfügung der
Antragsgegnerin vom 8. April 2021 für das Kreisgebiet getroffenen und nach § 80
Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. §§ 28 Abs. 3, 16 Abs. 8 des Infektionsschutzgesetzes
– IfSG – sofort vollziehbaren Ausgangsbeschränkung für den Zeitraum zwischen
21.00 Uhr und 5.00 Uhr an den Tagen vom 9. bis 11. April 2021 anzuordnen, hat
keinen Erfolg.

Bei der gemäß § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung, bei
welcher die Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu berücksichtigen sind, überwiegt
vorliegend das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen
Regelung das Interesse der Antragsteller, von einer Vollziehung einstweilen
verschont zu bleiben. Nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung
der Sach- und Rechtslage sind die Erfolgsaussichten derzeit offen. Die daher
vorzunehmende,      von   den    Erfolgsaussichten     unabhängige     umfassende
Folgenabwägung fällt zulasten der Antragsteller aus.

Aufgrund der Kürze der für die Prüfung der Sach- und Rechtslage zur Verfügung
stehenden Zeit vermag die Kammer weder die offensichtliche Rechtmäßigkeit noch
die offensichtliche Rechtswidrigkeit der auf der Grundlage der §§ 28 Abs. 1, 28a
Abs. 1, 2 und 3 IfSG i.V.m. § 2 der Landesverordnung zur Durchführung des
Infektionsschutzgesetzes – IfSGDV RP – i.V.m. § 23 Abs. 4 der Achtzehnten
Corona-Bekämpfungsverordnung Rheinland-Pfalz vom 20. März 2021 in der
Fassung der Ersten Änderungsverordnung vom 31. März 2021 – 18. CoBeLVO – in
der      vorgenannten       Allgemeinverfügung         getroffenen      nächtlichen
Ausgangsbeschränkung festzustellen.

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Insoweit ist hinsichtlich der Allgemeinverfügung insbesondere fraglich, ob
vorliegend eine Einzelfallregelung gegeben ist (vgl. VG Koblenz, Beschluss vom 3.
Februar 2021 – 3 L 84/21.KO – m.w.N.). Diesbezüglich wird es in der
verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zum Teil mangels Vorliegens einer
Einzelfallregelung als unzulässig erachtet, eine für zahlreiche Sachverhalte
geltende Maßnahme nicht im Wege einer Rechtsnorm zu treffen, sondern in der
Handlungsform einer Allgemeinverfügung (vgl. VG Greifswald, Beschluss vom 29.
Januar 2021 – 4 B 134/21 HGW –; VG Karlsruhe, Beschluss vom 10. Dezember
2020 – 2 K 5102/20 –, juris).

Weiterhin ist die Anordnung einer Ausgangsbeschränkung nach §§ 28 Abs. 1, 28a
Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 IfSG, nach der das Verlassen des privaten Wohnbereichs
nur zu bestimmten Zeiten oder zu bestimmten Zwecken erlaubt ist, nur zulässig,
soweit   auch    bei   Berücksichtigung      aller   bisher   getroffenen   anderen
Schutzmaßnahmen eine wirksame Eindämmung der Verbreitung von COVID-19
erheblich gefährdet wäre. In diesem Zusammenhang ist insbesondere fraglich, ob
eine nächtliche Ausgangssperre für das gesamte, zum Teil nicht dicht besiedelte
Kreisgebiet gerechtfertigt ist, wenn – so der Vortrag der Antragsteller – das
Ausbruchgeschehen sich in erster Linie in einem mittelständischen Betrieb der Stadt
Speicher und damit lokal ereignet hat (vgl. VG Koblenz, Beschluss vom 3. Februar
2021 – 3 L 84/21.KO –).

Ob die betreffende Ausgangssperre trotz der vorstehenden Fragen rechtmäßig und
vor allem verhältnismäßig ist, bedarf einer vertieften Prüfung und kann aufgrund der
Komplexität der hiermit verbundenen Fragen sowie der Kürze der für das
vorliegende Eilverfahren zur Verfügung stehenden Zeit abschließend erst im
Hauptsacheverfahren geklärt werden.

Die demnach vorzunehmende Folgenabwägung fällt zum Nachteil der Antragsteller
aus. Falls der Vollzug der Ziffern 12 und 13 der Allgemeinverfügung ausgesetzt
würde, sich diese in einem späteren Hauptsacheverfahren aber als rechtmäßig
erwiesen, könnte dies in der Zwischenzeit durch eine weitere Zunahme der
Infektionszahlen, insbesondere auch im Hinblick auf den Anstieg der neuartigen
Virusstämme und der eingeschränkten Rückverfolgbarkeit von Infektionen,
schwerwiegende und erhebliche Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit der

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Gesundheitsversorgung sowie Schädigungen der überragenden Schutzgüter von
Leib und Leben (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz – GG –) zur Folge haben. Bliebe
die Anordnung hingegen sofort vollziehbar, erwiese sich im Hauptsacheverfahren
jedoch als rechtswidrig, entstünden bei den Antragstellern keine tiefgreifenden oder
dauerhaften Beeinträchtigungen ihrer Rechte aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 11 Abs. 1
GG.    Die   Antragsteller   haben   nicht   substantiiert   dargelegt,   durch   die
Ausgangssperre in erheblichem Umfang in ihren Rechten betroffen zu sein. Sie
haben im Wesentlichen lediglich geltend gemacht, dass sie sich sportlich draußen
betätigen wollen und dass ihnen dies aufgrund ihrer langen Arbeitstage am
Wochenende jeweils erst ab 21.00 Uhr möglich sei. Hinzu kommt, dass die
nächtliche Ausgangssperre zeitlich begrenzt ist und derzeit lediglich für drei Tage
gilt, so dass die von ihr ausgehenden Einschränkungen unter Berücksichtigung der
zeitlichen Komponente als äußerst gering anzusehen sind. Diesen Belangen stehen
gegebenenfalls gravierende Gesundheitsschädigungen einzelner Personen und
damit irreversible Grundrechtseinbußen sowie möglicherweise eine Überlastung
des Gesundheitssystems gegenüber. Darüber hinaus ist zu sehen, dass in Ziffer 13
der betreffenden Allgemeinverfügung eine umfassende Ausnahmeregelung in
Bezug auf die nächtliche Ausgangsbeschränkung getroffen wurde, bei der
berufliche, gesundheitliche und auch sonstige private Interessen Berücksichtigung
finden. Insbesondere sind die in Ziffer 13 der Allgemeinverfügung genannten
triftigen Gründe auch nicht abschließend geregelt, so dass Raum für
Einzelfallentscheidungen besteht. Bei einer Abwägung der vorliegend betroffenen
Interessen haben der Gesundheitsschutz und damit das öffentliche Interesse an der
Vollziehung der in Streit stehenden Regelungen Vorrang vor den Interessen der
Antragsteller.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Festsetzung des
Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und Abs. 2 des
Gerichtskostengesetzes – GKG – i.V.m. der Ziffer 1.5 des von Richtern der
Verwaltungsgerichtsbarkeit erarbeiteten Streitwertkatalogs 2013 (LKRZ 2014, 169).

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                                 Rechtsmittelbelehrung

  Gegen die Entscheidung über den vorläufigen Rechtsschutzantrag steht den
  Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das
  Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zu.

  Die Beschwerde ist bei dem Verwaltungsgericht Trier, Egbertstraße 20a, 54295 Trier,
  schriftlich, nach Maßgabe des § 55a VwGO als elektronisches Dokument oder zur
  Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle innerhalb von zwei Wochen nach
  Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn
  die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder nach Maßgabe des § 55a VwGO als
  elektronisches Dokument bei dem Beschwerdegericht eingeht.

  Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu
  begründen. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt
  worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Deinhardpassage 1,
  56068 Koblenz, schriftlich oder nach Maßgabe des § 55a VwGO als elektronisches
  Dokument einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe
  darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der
  angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur
  die dargelegten Gründe.

  Die Einlegung und die Begründung der Beschwerde müssen durch einen Rechtsanwalt
  oder eine sonstige nach Maßgabe des § 67 VwGO vertretungsbefugte Person oder
  Organisation erfolgen.

  Gegen die Festsetzung des Streitwertes steht den Beteiligten und den sonst von der
  Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-
  Pfalz zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 € übersteigt.

  Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten, nachdem die
  Entscheidung zur Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig
  erledigt hat, eingelegt wird.

  Die Beschwerde ist bei dem Verwaltungsgericht Trier, Egbertstraße 20a, 54295 Trier,
  schriftlich, nach Maßgabe des § 55a VwGO als elektronisches Dokument oder zu Protokoll
  der Geschäftsstelle einzulegen.

   Weber                                  Wagner                              Dr. Schulz

Unterzeichner: Weber, Beatrice     Unterzeichner: Wagner, Janina       Unterzeichner: Schulz, Florian
Datum: 09.04.2021 18:14 Uhr        Datum: 09.04.2021 18:16 Uhr         Datum: 09.04.2021 18:19 Uhr
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