Vorabklärung zu möglichen Auswirkungen eines Wind-parkprojekts am Standort Stierenberg bei Rickenbach (LU) auf die Vögel - Stefan Werner Janine ...

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Vorabklärung zu möglichen Auswirkungen eines Wind-
parkprojekts am Standort Stierenberg bei Rickenbach
(LU) auf die Vögel

              Stefan Werner
         Janine Aschwanden
               Hans Schmid

                              Bericht zuhanden Herrn Wismer, Rickenbach
Vorabklärung Windpark Stierenberg (LU)                                                                    1

Impressum

Vorabklärung zu möglichen Auswirkungen eines Windparkprojekts am Standort Stierenberg
bei Rickenbach (LU) auf die Vögel
Bericht zuhanden Herrn Wismer, Rickenbach

Autoren
Dr. Stefan Werner, Dr. Janine Aschwanden, Hans Schmid

Fotos Titelseite
Oben: Alpensegler Apus melba, Rudolf Aeschlimann; unten: Mäusebussard Buteo buteo. Daniele Occhiato

Zitiervorschlag
Werner, S., J. Aschwanden & H. Schmid (2017): Vorabklärung zu möglichen Auswirkungen eines Windparkpro-
jekts am Standort Stierenberg bei Rickenbach (LU) auf die Vögel. Schweizerische Vogelwarte, Sempach.

Kontakt
Dr. Stefan Werner, Schweizerische Vogelwarte, CH–6204 Sempach
Tel.: 041 462 97 00, 041 462 97 27 (direkt), Fax: 041 462 97 10, stefan.werner@vogelwarte.ch

© 2017, Schweizerische Vogelwarte Sempach

Dieser Bericht darf ohne Rücksprache mit Herrn Wismer, Rickenbach, und der Schweizerischen Vogelwarte
Sempach weder als Ganzes noch auszugsweise publiziert werden.

Schweizerische Vogelwarte Sempach, 2017
Vorabklärung Windpark Stierenberg (LU)                                                       2

Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung                                                                             3
1. Allgemeine Bemerkungen                                                                   4
     1.1   Auswirkungen von Windkraftanlagen auf Vögel                                       4
     1.2   Brut- und Nahrungsgebiet                                                          4
     1.3   Vogelzug                                                                          4
     1.4   Interpretation des vorliegenden Gutachtens                                        5
                  1.4.1 Bezug zu den Konfliktpotenzialkarten Windenergie Vögel Schweiz       5
                  1.4.2 Empfehlungscharakter der Ergebnisse                                  5
     1.5 Verwendung des vorliegenden Gutachtens                                              5
                  1.5.1 Voruntersuchung bei UVP-pflichtigen Projekten                        5
                  1.5.2 Umweltverträglichkeitsbericht (UVB) bei UVP-pflichtigen Projekten    6
                  1.5.3 Nicht UVP-pflichtige Projekte                                        6
2.   Beurteilung des Stierenbergs bei Rickenbach                                            6
     2.1 Perimeter Windenergiegebiet                                                         6
     2.2 WEA im Wald                                                                         6
     2.3 Beurteilungsgrundlagen und Datenbankauszug                                          7
                  2.3.1 Beurteilungsgrundlagen Brut- und Zugvögel                            7
                  2.3.2 Konfliktpotenzialkarte Windenergie – Vögel Schweiz: Teilbereich
                       Brutvögel, Gastvögel und Vogelschutzgebiete gemäss WZVV
                       (Stand 2013)                                                          8
                  2.3.3 Konfliktpotenzialkarte Windenergie – Vögel Schweiz: Teilbereich
                       Vogelzug                                                              9
                  2.3.4 Datenbankauszug                                                      9
     2.4 Einschätzung der möglichen Auswirkungen auf die Brutvögel                          13
     2.5 Einschätzung der möglichen Auswirkungen auf Zugvögel                               14
     2.6 Fazit möglicher Auswirkungen des geplanten Windparks auf Vögel                     15
3.   Empfehlungen zum weiteren Vorgehen aus ornithologischer
     Sicht                                                                                  16
     3.1 Brutvögel                                                                          16
     3.2 Vogelzug                                                                           17
     3.3 Weitere Massnahmen                                                                 18
4.   Literatur                                                                              18

Schweizerische Vogelwarte Sempach, 2017
Vorabklärung Windpark Stierenberg (LU)                                                               3

Zusammenfassung
Auf dem Stierenberg nördlich von Rickenbach (LU) soll mit drei Windenergieanlagen (WEA) Wind-
energie erzeugt werden. Die Schweizerische Vogelwarte Sempach wurde von Herrn Wismer, Ricken-
bach, beauftragt, die möglichen Auswirkungen des Windenergieprojektes auf die Brut- und Zugvögel
in einer Vorabklärung einzuschätzen. Die Einschätzungen basieren auf den beiden nationalen Kon-
fliktpotenzialkarten Windenergie – Vögel Schweiz, vorhandenen Daten der Schweizerischen Vogel-
warte und auf Expertenwissen. Teilweise beruhen sie auch auf dem Vorsorgeprinzip, da speziell für
Waldarten noch nicht bekannt ist, welchen Einfluss WEA auf diese haben. Das für die Beurteilung
berücksichtigte Gebiet umfasst die Kilometerquadrate, auf denen sich der Perimeter befindet sowie je
nach Vogelart die Kilometerquadrate im Umkreis von etwa 1 km, 3 km und 5 km um diesen Perimeter.
Laut der Konfliktpotenzialkarte Windenergie – Vögel Schweiz: Teilbereich Brutvögel, Gastvögel und
Vogelschutzgebiete gemäss WZVV liegt der Perimeter in einem Gebiet, in dem das Konfliktpotenzial
für Brut- und Gastvögel „klein“ (Stufe grün) bis „vorhanden“ (Stufe gelb) ist (Stand 2013). Der Perime-
ter befindet sich in der Nähe zu Brutplätzen des Alpenseglers. Da zwei der drei WEA-Standorte auch
Waldgebiete umfassen, müssen zusätzliche Waldvogelarten in die Beurteilung miteinbezogen werden.
Zur Zeit der Erarbeitung der Konfliktpotenzialkarte war Wald für die Planung von WEA noch nicht ak-
tuell. Die Datenbankanalyse (Gelegenheitsbeobachtungen) ergab, dass im Gebiet bis anhin zusätzlich
58 Schweizer Brutvogelarten nachgewiesen worden sind. Zwölf dieser Arten (inkl. Waldarten) gelten
gegenüber von WEA als kollisionsgefährdet oder störungssensibel. Das Vorkommen weiterer Brutvo-
gelarten, die bis jetzt noch nicht nachgewiesen worden sind, ist wahrscheinlich, jedoch dürften sich
darunter keine windkraftsensiblen Arten mehr befinden. Die Nutzung von Waldstandorten führt in
Kombination mit diversen im Wald brütenden Vogelarten dazu, dass die Einstufung für den Perimeter
flächendeckend auf „vorhanden“ (Stufe gelb) gesetzt wird. Bei der Beurteilung des Windenergiepro-
jekts ist zu berücksichtigen, dass gegen die Kollisionsgefahr und den möglichen Habitatverlust für
Brutvögel keine wirksamen Minderungsmassnahmen bekannt sind. Sollte das Projekt weiterverfolgt
werden, empfehlen wir eine gezielte Nachsuche nach Rotmilan-Schlafplätzen in 5 km Umkreis.
Auf dem Durchzug sind sämtliche Vogelarten an WEA kollisionsgefährdet. Die Konfliktpotenzialkarte
Windenergie – Vögel Schweiz: Teilbereich Zugvögel besagt, dass das Konfliktpotenzial für in breiter
Front ziehende Zugvögel „vorhanden“ ist (Stufe gelb). Unter Berücksichtigung der lokalen Gegeben-
heiten gehen wir für tagziehende Thermiksegler und Kleinvögel von einem Konfliktpotenzial aus, das
mit Felderhebungen verifiziert werden sollte, vor allem da der Zug der Thermiksegler räumlich deutlich
variieren kann. Nach Realisierung eines Windparks kann die Anzahl der Kollisionen von durchziehen-
den Kleinvögeln nur mit einem automatischen Abstellsystem reduziert werden. Zum Schutz der ther-
miksegelnden Grossvögel ist zurzeit kein funktionierendes System bekannt.
Das Gutachten erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, da anhand der vorhandenen Datengrund-
lagen keine abschliessende Beurteilung der möglichen Auswirkungen auf die Avifauna möglich ist.
Das vorliegende Gutachten ersetzt daher keine detaillierte Analyse des Einflusses auf Vögel für einen
Umweltverträglichkeitsbericht (UVB) gemäss UVPV oder für einen Bericht im Rahmen von Bewilli-
gungsverfahren nicht UVP-pflichtiger Projekte.

Schweizerische Vogelwarte Sempach, 2017
Vorabklärung Windpark Stierenberg (LU)                                                                    4

1.        Allgemeine Bemerkungen

1.1       Auswirkungen von Windkraftanlagen auf Vögel
Bei der Auswahl von Standorten gilt der Grundsatz der Schweizerische Vogelwarte: „1. Meiden von
Konflikten, 2. Minimieren der Auswirkungen auf Vögel, 3. Falls möglich, Kompensation durch Ersatz-
massnahmen“ (Horch & Keller 2005, Standpunkt der Schweizerischen Vogelwarte 2016). Auswirkun-
gen von Windkraftanlagen und ihrer zugehörigen Infrastrukturen auf Vögel müssen gründlich abge-
klärt werden. Für den Vogelschutz bedeutsame Gebiete sind von Windenergieanlagen (WEA) frei zu
halten.
Insbesondere sind Konflikte zu erwarten in
      •   Gebieten mit Konzentrationen von ziehenden, rastenden oder nächtigenden Vögeln (Gebiet
          mit hoher Zugintensität, Zugvogelkonzentrationen, Rast- und Ruheplätze),
      •   Brut- und Nahrungsgebieten bedrohter und/oder besonders kollisionsgefährdeter Grossvögel
          (z.B. Steinadler, Weissstorch, Bartgeier, Uhu, Rotmilan),
      •   Brut- und Nahrungsgebieten prioritärer Arten für Artenförderungsprojekte (z.B. Kiebitz, Wald-
          schnepfe, Auerhuhn) und
      •   Brut- und Nahrungsgebieten sowie an bekannten Schlafplätzen von Arten, für welche die
          Schweiz eine besondere Verantwortung trägt (z.B. Rotmilan).
Generell ist zu betonen, dass die Errichtung weniger grosser Windparks der Errichtung vieler einzel-
ner, verteilt platzierter WEA vorzuziehen ist. So ergab eine Simulation der Populationsentwicklung des
Rotmilans bezüglich der Verteilung von WEA in einem Gebiet, dass die Wachstumsrate der Populati-
on abnahm und sogar negativ wurde, je vereinzelter eine festgelegte Anzahl Windkraftanlagen in ei-
nem Gebiet verteilt ist. Je konzentrierter die WEA in Windparks waren, umso geringer war der negati-
ve Einfluss auf die simulierte Populationsentwicklung des Rotmilans (Schaub 2012).

1.2       Brut- und Nahrungsgebiet
Brutvögel aus der näheren Umgebung und nahrungssuchende Vögel können mit Rotorblättern und
Masten von Windkraftanlagen kollidieren. Tagsüber sind vor allem grosse Vögel mit geringer Manöv-
rierfähigkeit betroffen, die auf ausgedehnten Nahrungsflügen grosse Gebiete absuchen. Dies betrifft
insbesondere Segelflieger wie viele Greifvogelarten und Störche. Die Geschwindigkeit an der Rotor-
spitze einer WEA erreicht über 200 km/h. Besonders thermiksegelnde Grossvögel scheinen diese
Gefahr nicht richtig einschätzen zu können. So ist beispielsweise der Rotmilan, für den die Schweiz
internationale Verantwortung trägt (Keller et al. 2010a), an Windkraftanlagen besonders gefährdet
(Dürr & Langgemach 2006, Dürr 2016). Der Bau von Windkraftanlagen kann für die Vögel auch zu
Habitatveränderungen im Gebiet des Windparks oder sogar zum Habitatverlust führen, z.B. für Arten
der offenen Landschaft, die Räume mit vertikalen Strukturen meiden bzw. für Arten der Wälder, deren
Lebensräume durch Rodungen verloren gehen.

1.3       Vogelzug
Der herbstliche Vogelzug über Mitteleuropa erfolgt generell auf breiter Front Richtung Südwesten
(Bruderer 1996). Im Schweizerischen Mittelland fliegen durchschnittlich 50 % der Vögel auf dem Tag-
zug in der bodennahen Luftschicht bis 400 m über Boden. Bei Gegenwind und tief hängenden Wolken
ist der Zug insgesamt schwächer als bei geeigneteren Wetterbedingungen, doch fliegen viele Vögel
tagsüber sogar in den untersten 50 m über Boden. Unter solchen Bedingungen können auf Kuppen
und Bergrücken starke Zugvogelkonzentrationen entstehen. Während der Nacht fliegen durchschnitt-
lich 50 % der Vögel unter 600 m (Bruderer & Liechti 2004), wobei sie in der Regel die untersten 30 m
meiden, um Zusammenstösse mit Hindernissen zu vermeiden (Liechti & Bruderer 1986). Bei Gegen-
wind in höheren Lagen weichen auch nachtziehende Vogelarten in bodennähere Luftschichten aus.
Windkraftanlagen an Stellen mit Zugkonzentrationen (Hunderte bis Tausende Vögel pro Tag bzw.
Schweizerische Vogelwarte Sempach, 2017
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Zugnacht) können sich fatal auf die ziehenden Vögel auswirken, vor allem wenn die Anlagen als Bar-
riere in Reihen quer zur Zugrichtung stehen.
Grundsätzlich können Vögel gut sichtbare Hindernisse tags und nachts erkennen und ihnen auswei-
chen (Aschwanden und Liechti 2016). Bei schlechten Sichtbedingungen (Dunst, Nebellagen) und be-
sonders wenn Hindernisse beleuchtet werden (bei solchen Wetterbedingungen zieht Licht Vögel an)
oder in einer Tarnfarbe gestrichen sind, können hohe Verluste durch Vogelschlag entstehen. Da der
Vogelzug jedes Jahr ähnlich abläuft und es immer wieder an denselben Orten zu Konzentrationen
kommt, stellt sich die Konfliktsituation jedes Jahr.

1.4       Interpretation des vorliegenden Gutachtens

1.4.1 Bezug zu den Konfliktpotenzialkarten Windenergie Vögel Schweiz
Die beiden Konfliktpotenzialkarten Windenergie Vögel Schweiz sind für eine grobe und grossflächige
Einschätzung des Konfliktpotenzials für wenige aus gesamtschweizerischer Sicht wichtige Vogelarten
ohne Berücksichtigung lokaler Gegebenheiten konzipiert. Sie ist eine wichtige Grundlage für eine ers-
te Beurteilung in der frühen Projektierungsphase, die für Aussagen auf lokalem Niveau aber verfeinert
werden muss. Für die Einschätzungen des Konfliktpotenzials in der Vorabklärung werden daher zu-
sätzlich alle vor Ort nachgewiesenen Vogelarten betrachtet und lokale Gegebenheiten wie z.B. die
Topografie berücksichtigt. Nach Einbezug solcher Faktoren können die Einschätzungen der Vorabklä-
rung von den gesamtschweizerischen Konfliktpotenzialkarten abweichen und die Risiken entweder als
höher oder tiefer eingestuft werden. Die Waldvogelarten sind in der Konfliktpotenzialkarte Brutvögel
bis auf die beiden Arten Auerhuhn und Waldschnepfe nicht berücksichtigt, da der Wald bei der Erstel-
lung dieser Karten noch nicht für Windenergienutzung vorgesehen war. Nach den Abklärungen von
De Gasparo et al. (2012) sind gemäss Bund WEA in Wäldern grundsätzlich zulässig. Dementspre-
chend müssen auch Waldvogelarten bei der Beurteilung von WEA-Standorten im Wald berücksichtigt
werden.

1.4.2 Empfehlungscharakter der Ergebnisse
Die Vorabklärung empfiehlt als Ergebnis eine Auswahl der Vogelarten, auf welche im Rahmen einer
näheren Untersuchung (z.B. UVP) der Fokus gelegt werden sollte. Je nach Ergebnis einer näheren
systematischen Vorortuntersuchung kann das Konfliktpotenzial im Vergleich zur Einschätzung dieser
Vorabklärung abweichen.

1.5       Verwendung des vorliegenden Gutachtens

1.5.1 Voruntersuchung bei UVP-pflichtigen Projekten
Falls das Projekt weiterverfolgt und das vorliegende Gutachten als Teil eines Berichts zur Voruntersu-
chung gemäss Art. 8, UVPV verwendet werden soll, ist das Gutachten dem Bericht unverändert als
Ganzes beizulegen, entweder direkt in den Bericht unter dem entsprechenden Kapitel oder, falls das
aus organisatorischen oder administrativen Gründen nicht geht, in dessen Anhang. Falls das Gutach-
ten in den Anhang kommt, möchten wir darauf hinweisen, dass
      •   sowohl vorne im entsprechenden Kapitel des Berichts Flora und Fauna klar auf das Original-
          gutachten im Anhang hingewiesen wird,
      •   für das entsprechende Kapitel des Berichts vorne mindestens unsere Zusammenfassung oh-
          ne Veränderung übernommen wird,
      •   und, falls zur Zusammenfassung noch zusätzliche Textpassagen verfasst werden, die sich auf
          unser Gutachten beziehen, erwarten wir, den Text vor der Abgabe noch gegenzulesen.
Erschliessungen und weitere Infrastrukturen der WEA werden hier nicht beurteilt, dies muss jedoch
Gegenstand der UVP sein.

Schweizerische Vogelwarte Sempach, 2017
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1.5.2 Umweltverträglichkeitsbericht (UVB) bei UVP-pflichtigen Projekten
Hinsichtlich der Auswirkungen des geplanten Projekts auf die Avifauna erlaubt das vorliegende Gut-
achten keine abschliessende Beurteilung. Diese Vorabklärung ersetzt daher keine Abklärungen für
den UVB gemäss Art. 9, UVPV, falls das Projekt UVP-pflichtig ist und weiterverfolgt werden sollte.
Detailliertere Abschätzungen der Auswirkungen können erst nach Durchführung einer systematischen
und fundierten Feldstudie erfolgen.

1.5.3 Nicht UVP-pflichtige Projekte
Die unter Kap. 1.5.1 und Kap. 1.5.2 aufgeführten Vorbehalte gelten auch für Berichte im Rahmen von
Bewilligungsverfahren nicht UVP-pflichtiger Projekte.

2.      Beurteilung des Stierenbergs bei Rickenbach

2.1     Perimeter Windenergiegebiet
Der für die Nutzung der Windenergie vorgesehene Perimeter liegt etwa 2 km nördlich von Rickenbach
LU auf ca. 850 m ü.M. Im Perimeter sind drei Windenergieanlagen geplant, die entlang einer Strecke
von 1 km stehen sollen. Die einzelnen Standorte der WEA sind Tab. 1 zu entnehmen. Zwei Standorte
sind im Wald geplant und einer in Waldrandlage. Gemäss dem Antragsteller, Herrn Wismer, sollen
Anlagen vom Typ Vestas V112 mit einer Nabenhöhe von 120 m und einer Rotorlänge von 56 m instal-
liert werden.

Tab. 1. Standort der drei geplanten WEA auf dem Stierenberg bei Rickenbach (LU).

 WEA                        Standort CH-Landeskoordinaten LV1903                   m. ü. M.

 WEA1                       654’210                    232’160                     858

 WEA2                       654’210                    232’510                     863

 WEA3                       654’000                    232’790                     841

2.2     WEA im Wald
Die Waldvogelarten sind in der Konfliktpotenzialkarte Brutvögel bis auf die beiden Arten Auerhuhn und
Waldschnepfe nicht berücksichtigt, da der Wald bei der Erstellung dieser Karten noch nicht im Fokus
für die Windenergienutzung stand. Im Windkonzept Schweiz (BFE, BUWAL und ARE 2004) wurde
damals bei einer Anlagenhöhe von 50–100 m ein Abstand von mindestens 50 m zum Wald vorge-
schlagen, sofern das Waldgesetz nicht eine andere Regelung vorsieht. Als Wald gelten alle Flächen,
die im Layer des Landschaftsmodells Schweiz Vector25 als Wald kategorisiert wurden. Die Vogelwar-
te hatte daher grundsätzlich empfohlen, einen Abstand von mindestens zwei Anlagenhöhen (inkl. Ro-
tor) zum Waldrand einzuhalten, um die Lebensraumqualität derjenigen Vogelarten nicht zu beeinträch-
tigen, für welche der Wald bzw. Waldrand den Hauptlebensraum darstellt. Mit dem Bericht von De
Gasparo et al. (2012) kam der Bund zum Schluss, dass der Bau von WEA in Wäldern grundsätzlich
zulässig sei. Dementsprechend müssen auch Waldvogelarten bei der Beurteilung von WEA-
Standorten im Wald berücksichtigt werden. Zwei der drei hier geplanten WEA sollen im Wald gebaut
werden.

Schweizerische Vogelwarte Sempach, 2017
Vorabklärung Windpark Stierenberg (LU)                                                                   7

2.3       Beurteilungsgrundlagen und Datenbankauszug

2.3.1 Beurteilungsgrundlagen Brut- und Zugvögel
Für die Einschätzung der Bedeutung des in Frage stehenden Projektgebiets für Vögel verwenden wir
die Karten Konfliktpotenzialkarte Windenergie – Vögel Schweiz: Teilbereich Brutvögel, Gastvögel und
Vogelschutzgebiete gemäss WZVV (Verordnung über die Wasser- und Zugvogelreservate von inter-
nationaler und nationaler Bedeutung) und die Konfliktpotenzialkarte Windenergie – Vögel Schweiz:
Teilbereich Vogelzug, welche im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) erarbeitet worden sind
(Horch et al. 2013, Liechti et al. 2017, http://www.vogelwarte.ch/de/projekte/konflikte/konfliktpotenzial-
karte.html). Zudem berücksichtigen wir sowohl für die Brutvögel wie auch für die Zugvögel jeweils die
aktuellsten Daten aus unseren Datenbanken und ergänzen die Beurteilung mit Expertenwissen. Bei
der Beurteilung einer Projektzone werden besonders folgende Hinweise berücksichtigt:
      •   ziehende Vögel, Wintergäste, Korridore zwischen Nahrungs- und Schlafplätzen
      •   Brut- und Nahrungsgebiete gefährdeter Vogelarten (Rote Liste, Keller et al. 2010b)
      •   Brut- und Nahrungsgebiete von Prioritätsarten Artenförderung Schweiz (Keller et al. 2010a)
      •   Brut- und Nahrungsgebiete von national prioritären Arten, für welche die Schweiz eine beson-
          dere Verantwortung trägt (Keller et al. 2010a)
      •   Brutvögel, für die aufgrund ihres Flugverhaltens ein erhöhtes Kollisionspotenzial besteht oder
          die als störungssensibel gelten (Illner 2012).
Die Höhe des Konfliktpotenzials für Brutvögel gemäss der Konfliktpotenzialkarte Windenergie – Vögel
Schweiz: Teilbereich Brutvögel, Gastvögel und Vogelschutzgebiete gemäss WZVV ergibt sich aus der
Verbreitung von 15 gegenüber der Windkraftnutzung sensiblen Arten auf nationaler Ebene. Neben
diesen 15 berücksichtigten Brutvogelarten gelten noch weitere Brutvogelarten der Schweiz gegenüber
von Windkraftanlagen als sensibel.
Sämtliche Zugvögel, die durch die Schweiz ziehen, sind an Windkraftanlagen kollisionsgefährdet. Für
die Konfliktpotenzialkarte Windenergie – Vögel Schweiz: Teilbereich Vogelzug wurde der Ablauf des
Vogelzuges basierend auf einer Computersimulation modelliert und mit bereits bestehenden Daten
validiert. Die Karte gibt hauptsächlich die Verteilung der grossen Masse der Zugvögel im Herbst wie-
der, die in breiter Front über die Schweiz hinwegziehen (Tag- und Nachtzug Kleinvögel) und sich je
nach Gebiet jährlich mehr oder weniger stark konzentrieren. Die Konzentrationen von grossen tagzie-
henden thermiksegelnden Arten werden durch die Karte nicht genügend abgebildet und werden des-
halb gesondert beurteilt.
Für den Datenbankauszug wurden die durch den Perimeter betroffenen Kilometerquadrate 653–
654/231–233 berücksichtigt. Zur Bestimmung der betroffenen Kilometerquadrate wurde der Perimeter
mit einer Umgebungszone von 1 km versehen (Abb. 1). Für die Arten Wanderfalke und Uhu wurden
zusätzlich die Daten innerhalb einer Umgebungszone von 3 km, und für den Steinadler innerhalb einer
Umgebungszone von 5 km um den Projektperimeter herum geprüft (Horch et al. 2013).

2.3.2 Konfliktpotenzialkarte Windenergie – Vögel Schweiz: Teilbereich Brutvögel,
Gastvögel und Vogelschutzgebiete gemäss WZVV (Stand 2013)
Zu den Grundlagen und der Interpretation der Konfliktpotenzialkarte verweisen wir auf Horch et
al. (2013). Der für die Nutzung der Windenergie ausgeschiedene Perimeter liegt in Kilometerquadra-
ten, in denen das Konfliktpotenzial mit Brutvögeln als „klein“ (Stufe grün) bis „vorhanden“ (Stufe gelb)
eingestuft wurde (Abb. 1). Das Konfliktpotenzial im Gebiet (Stand 2013) entsteht durch nahe Kolonien
des Alpenseglers (Tab. 2). Wir betonen aber, dass die Konfliktpotenzialkarte abgesehen von Auer-
huhn und Waldschnepfe ohne den Einbezug von Waldvogelarten erstellt wurde, da der Wald zur Zeit
der Ausarbeitung der Konfliktpotenzialkarte noch nicht für die Planung von WEA in Frage kam. Ge-
genüber WEA sensible Waldvogelarten müssen zusätzlich berücksichtigt werden.

Schweizerische Vogelwarte Sempach, 2017
Vorabklärung Windpark Stierenberg (LU)                                                                         8

Abb. 1. Auszug aus der 2013 aktualisierten Konfliktpotenzialkarte Windenergie – Vögel Schweiz: Teilbereich
Brutvögel, Gastvögel und Vogelschutzgebiete gemäss WZVV mit dem Standort der WEA (rote Dreiecke), der
1 km Umgebungszone (blaue Linie) und den für die Beurteilung des Perimeters berücksichtigten Flächen hin-
sichtlich aller Vogelarten (schwarze Linie). Die 3 km (Wanderfalke und Uhu) und 5 km Umgebungszone (Steinad-
ler), innerhalb welcher die Daten zusätzlich geprüft worden sind, sind nicht abgebildet (Schweizerische Vogelwar-
te Sempach: http://www.vogelwarte.ch/konfliktpotenzialkarte.html, PK25 © swisstopo, DV 351.5).

Tab. 2. Durch den Perimeter und Umgebungszone von 1–5 km betroffene Arten gemäss der Konfliktpotenzialkar-
te Windenergie – Brutvögel, Gastvögel und Vogelschutzgebiete gemäss WZVV. Priorität = Prioritätsart Artenför-
derung; Verantwortung = national prioritäre Art, für die die Schweiz eine besondere Verantwortung trägt; Abkür-
zungen Status Rote Liste der gefährdeten Brutvögel der Schweiz: NT = potenziell gefährdet.

                                                                                                       Rote
Nr.    Name deutsch          Name französisch                      Priorität       Verantwortung       Liste CH

1      Alpensegler           Martinet à ventre blanc               X               X                   NT

2.3.3 Konfliktpotenzialkarte Windenergie – Vögel Schweiz: Teilbereich Vogelzug
Zu den Grundlagen und der Interpretation der Konfliktpotenzialkarte verweisen wir auf Liechti et
al. (2017). Beim Vogelzug werden zwei Kategorien unterschieden. Einerseits der Vogelzug, welcher
hauptsächlich nachts, aber auch tagsüber in breiter Front abläuft (Breitfrontzug Kleinvögel) und ande-
rerseits der Vogelzug der tagsüber thermiksegelnden Zugvögel wie z.B. Greifvögel und Störche
(Thermiksegler). Hinsichtlich des Kleinvogelzugs, welcher tags- und nachtsüber in breiter Front ab-
läuft, liegt der geplante Windpark gemäss der Karte in einem Gebiet mit einem „vorhandenen“ (Stufe
gelb) Konfliktpotenzial (Abb. 2). Das Konfliktpotenzial für Thermiksegler ist in dieser Karte nicht inte-
griert und wird unter Kap. 2.5 diskutiert.

Schweizerische Vogelwarte Sempach, 2017
Vorabklärung Windpark Stierenberg (LU)                                                                        9

Abb. 2. Auszug aus der 2013 aktualisierten Konfliktpotenzialkarte Windenergie – Vögel Schweiz: Teilbereich
Vogelzug mit dem Standort der WEA (rote Dreiecke), der 1 km Umgebungszone (blaue Linie) und den für die
Beurteilung des Perimeters berücksichtigten Flächen hinsichtlich aller Vogelarten (schwarze Linie). (Schweizeri-
sche Vogelwarte Sempach: http://www.vogelwarte.ch/konfliktpotenzialkarte.html, PK25 © swisstopo, DV 351.5).

2.3.4 Datenbankauszug
Im Datenbankauszug wurden die Daten von 1990–2017 der durch den Perimeter betroffenen Kilome-
terquadrate im Umkreis von rund 1 km sowie je nach Vogelart die Kilometerquadrate im Umkreis von
rund 3 km (Wanderfalke und Uhu) und 5 km (Steinadler) um die einzelnen Standorte der WEA ver-
wendet. Diverse Nachweise in den Kilometerquadraten sind Gelegenheitsbeobachtungen, die der
Vogelwarte von freiwilligen Mitarbeitenden gemeldet wurden. Systematische Erhebungen liegen für
die landwirtschaftlich genutzten Flächen des Betriebs Wismer vor (Programm „Mit Vielfalt Punkten“);
systematische Meldungen aus dem entsprechenden Waldgebiet liegen jedoch nicht vor.
Seit 1990 enthält die Datenbank neben Meldungen des in Tab. 2 aufgeführten Alpenseglers Nachwei-
se für 58 weitere Vogelarten, die in der Schweiz brüten und zur Brutzeit im Gebiet der geplanten WEA
anwesend waren. Zwölf Arten davon gelten gegenüber von WEA als besonders kollisionsgefährdet
oder störungssensibel hinsichtlich Veränderungen im Lebensraum (Tab. 3). Da der Perimeter auch
bewaldete Gebiete umfasst, werden auch Waldvogelarten bei der Beurteilung berücksichtigt. Im Be-
reich des Perimeters ist bisher die Waldrandart Waldohreule nachgewiesen, die wir als gegenüber
WEA als sensibel einschätzen. Für die anderen 46 bislang nachgewiesenen Brutvogelarten wird die
Sensibilität gegenüber WEA generell als gering eingeschätzt (Tab. 4). Es ist jedoch zu betonen, dass
bezüglich der Sensitivität der Waldarten noch erhebliche Wissensdefizite bestehen.
Zusätzlich wurden fünf Arten nur zur Zugzeit oder als Gast (Status = Z bzw. = G) im Gebiet beobach-
tet (Tab. 5). Diese sehr geringe Anzahl weist auf eine weitgehend fehlende Beobachtungstätigkeit im
Gebiet während des Vogelzugs hin.

Schweizerische Vogelwarte Sempach, 2017
Vorabklärung Windpark Stierenberg (LU)                                                                            10

Tab. 3. Weitere Arten, die gegenüber von WKA als besonders sensibel gelten. Auszug aus den Datenbanken zu
den oben aufgeführten Kilometerquadraten. Die Artenliste ist nach der zoologischen Systematik geordnet. Status
= Status der Art im Gebiet zur Zeit der Beobachtung: B = Brutverdacht oder Brut nachgewiesen, P = präsent;
Priorität = Prioritätsart Artenförderung; Verantwortung = national prioritäre Art, für die die Schweiz eine besondere
Verantwortung trägt; Abkürzungen Status Rote Liste der gefährdeten Brutvögel der Schweiz: VU = verletzlich;
NT = potenziell gefährdet, LC = nicht gefährdet.

                                                                                                           Rote
Nr.     Name deutsch            Name französisch              Status      Priorität      Verantwortung
                                                                                                           Liste CH

1       Weissstorch             Cigogne blanche               P           X                                VU
2       Steinadler              Aigle royal                   P                          X                 VU
3       Wespenbussard           Bondrée apivore               B                                            NT
4       Rotmilan                Milan royale                  B           X              X                 LC
5       Schwarzmilan            Milan noir                    B                          X                 LC
6       Mäusebussard            Buse variable                 B                          X                 LC
7       Habicht                 Autour des palombes           P                          X                 LC
8       Sperber                 Epervier d'Europe             B                          X                 LC
9       Turmfalke               Faucon crécerelle             B           X                                NT
10      Wanderfalke             Faucon pèlerin                P                          X                 NT
11      Waldohreule             Hibou moyen-duc               B           X                                NT
12      Feldlerche              Alouette des champs           (B)         X                                NT

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Tab. 4. Arten, die gegenüber von WKA als wenig sensibel eingeschätzt werden: Auszug der Gelegenheitsbe-
obachtungen aus den Datenbanken zu den oben aufgeführten Kilometerquadraten. Die Artenliste ist nach der
zoologischen Systematik geordnet. Status = Status der Art im Gebiet zur Zeit der Beobachtung: B = Brutverdacht
oder Brut nachgewiesen, P = präsent; Priorität = Prioritätsart Artenförderung; Verantwortung = national prioritäre
Art, für die die Schweiz eine besondere Verantwortung trägt; Abkürzungen Status Rote Liste der gefährdeten
Brutvögel der Schweiz: VU = verletzlich, NT = potenziell gefährdet, LC = nicht gefährdet.

                                                                                                        Rote
Nr Name deutsch                 Name französisch                Status     Priorität   Verantwortung
                                                                                                        Liste CH

1    Stockente                  Canard colvert                  P                                       LC

2    Ringeltaube                Pigeon ramier                   B                                       LC

3    Grünspecht                 Pic vert                        B                                       LC

4    Schwarzspecht              Pic noir                        B                                       LC

5    Buntspecht                 Pic épeiche                     B                                       LC

6    Rauchschwalbe              Hirondelle rustique             B                                       LC

7    Kolkrabe                   Grand Corbeau                   P                                       LC

8    Rabenkrähe                 Corneille noire                 B                                       LC

9    Eichelhäher                Geai des chênes                 B                                       LC

10 Kohlmeise                    Mésange charbonnière            B                                       LC

11 Blaumeise                    Mésange bleue                   B                                       LC

12 Tannenmeise                  Mésange noire                   B                      X                LC

13 Sumpfmeise                   Mésange nonnette                B                      X                LC

14 Kleiber                      Sittelle torchepot              B                                       LC

15 Waldbaumläufer               Grimpereau des bois             B                      X                LC

16 Gartenbaumläufer             Grimpereau des jardins          B                                       LC

17 Zaunkönig                    Troglodyte mignon               B                                       LC

18 Rotkehlchen                  Rougegorge familier             B                                       LC

19 Hausrotschwanz               Rougequeue noir                 B                      X                LC

20 Gartenrotschwanz             Rougequeue à front blanc        B          X                            NT

21 Amsel                        Merle noir                      B                                       LC

22 Wacholderdrossel             Grive litorne                   B          X                            VU

23 Singdrossel                  Grive musicienne                B                                       LC

24 Misteldrossel                Grive draine                    B                      X                LC

25 Mönchsgrasmücke              Fauvette à tête noire           B                                       LC

26 Gartengrasmücke              Fauvette des jardins            B                                       NT

27 Dorngrasmücke                Fauvette grisette               B          X                            NT

28 Zilpzalp                     Pouillot véloce                 B                                       LC

29 Wintergoldhähnchen           Roitelet huppé                  B                      X                LC

Schweizerische Vogelwarte Sempach, 2017
Vorabklärung Windpark Stierenberg (LU)                                                                    12

30 Sommergoldhähnchen           Roitelet à triple bandeau     B                    X               LC

31 Grauschnäpper                Gobemouche gris               B                                    LC

32 Trauerschnäpper              Gobemouche noir               B                                    LC

33 Heckenbraunelle              Accenteur mouchet             B                                    LC

34 Bachstelze                   Bergeronnette grise           B                                    LC

35 Neuntöter                    Pie-grièche écorcheur         B                                    LC

36 Star                         Etourneau sansonnet           B                                    LC

37 Haussperling                 Moineau domestique            B                                    LC

38 Kernbeisser                  Grosbec casse-noyaux          B                                    LC

39 Grünfink                     Verdier d'Europe              B                                    LC

40 Stieglitz                    Chardonneret élégant          B                                    LC

41 Bluthänfling                 Linotte mélodieuse            B                                    NT

42 Girlitz                      Serin cini                    B                                    LC

43 Gimpel                       Bouvreuil pivoine             B                    X               LC

44 Fichtenkreuzschnabel         Bec-croisé des sapins         B                    X               LC

45 Buchfink                     Pinson des arbres             B                                    LC

46 Goldammer                    Bruant jaune                  B                                    LC

Tab. 5. Arten, die im Gebiet als Zug- (Status = Z) und Gastvögel (Status = G) unterwegs waren: Auszug der Ge-
legenheitsbeobachtungen aus den Datenbanken zu den oben aufgeführten Kilometerquadraten. Die Artenliste ist
nach der zoologischen Systematik geordnet. Auf dem Zug sind alle diese Arten an WEA kollisionsgefährdet. Ar-
ten mit einem * sind keine Brutvögel der Schweiz. Abkürzung Status Rote Liste IUCN (International Union for
Conservation of Nature and Natural Resources): LC = nicht gefährdet.

                                                                                                          1)
 Nr.   Name deutsch               Name französisch                      Status             Rote Liste IUCN

 1     Pirol                      Loriot d'Europe                       Z                  LC
 2     Feldschwirl                Locustelle tachetée                   Z                  LC
 3     Gelbspötter                Hypolaïs ictérine                     Z                  LC
 4     Haubenmeise                Mésange huppée                        G                  LC
 5     Bergpieper                 Pipit spioncelle                      Z                  LC
1)
 Da die meisten Zugvögel die Schweiz lediglich durchqueren und in anderen Ländern brüten, wird für
Zugvögel der internationale Schutzstatus der IUCN angegeben.

Schweizerische Vogelwarte Sempach, 2017
Vorabklärung Windpark Stierenberg (LU)                                                           13

2.4     Einschätzung der möglichen Auswirkungen auf die Brutvögel
Das geplante Windparkprojekt liegt in einem Gebiet, das gemäss der Konfliktpotenzialkarte Windener-
gie – Vögel Schweiz: Teilbereich Brutvögel, Gastvögel und Vogelschutzgebiete gemäss WZVV (Stand
2013) ein „kleines bis vorhandenes“ Konfliktpotenzial (Stufen grün bis gelb) aufweist, wobei bei den
Waldarten damals nur Auerhuhn und Waldschnepfe berücksichtigt wurden. Der Perimeter der geplan-
ten WEA liegt unweit von Brutgebieten des Alpenseglers, der eine der Prioritätsarten Artenförderung
Schweiz ist. Die Schweiz trägt eine grosse Verantwortung für diese Art. Kollisionen von Alpenseglern
an WKA sind bekannt (Dürr, 2016). In der Konfliktpotenzialkarte Windenergie – Vögel Schweiz: Brut-
vögel, Gastvögel und Vogelschutzgebiete gemäss WZVV werden grössere bekannte Brutkolonien des
Alpenseglers mit einem empfohlenen Mindestabstand von 3 km berücksichtigt. In der Umgebung des
Untersuchungsgebiets sind mehrere Kolonien von Alpenseglern bekannt, die regelmässig im Perime-
ter jagen dürften. Dabei kann es vorkommen, dass sich Alpensegler auch im Nahbereich der WEA
bewegen und daher einem Kollisionsrisiko ausgesetzt sind.
Zusätzlich zum Alpensegler gelten noch 12 der weiteren 58 Vogelarten, die in der Schweiz brüten und
die zur Brutzeit im Gebiet des geplanten Windparks anwesend waren, als gegenüber von WEA be-
sonders sensibel. Diese Arten sind entweder kollisionsgefährdet und/oder gelten als störungssensibel
hinsichtlich Veränderungen im Lebensraum. Viele Nachweise aus der Datenbank der Schweizeri-
schen Vogelwarte beruhen auf Gelegenheitsbeobachtungen, die der Schweizerischen Vogelwarte
Sempach gemeldet worden sind, aber auch auf gezielten Erfassungen, die auf landwirtschaftlichen
Flächen (Programm „Mit Vielfalt Punkten“) durchgeführt wurden. Die Datengrundlage im Wald ist im
betrachteten Gebiet aufgrund der dort geringen Beobachterdichte hingegen lückenhaft.
Neun der zwölf sensiblen Arten gehören zu den Taggreifvögeln: Steinadler, Wespenbussard, Rotmi-
lan, Schwarzmilan, Mäusebussard, Habicht, Sperber, Wanderfalke und Turmfalke. Von all diesen
Greifvogelarten sind Opfer aufgrund von Kollisionen mit WEA bekannt (Dürr 2016), wobei Rotmilan,
Mäusebussard und Turmfalke am häufigsten dokumentiert worden sind (Dürr 2016, Dürr & Langge-
mach 2006). Der Turmfalke gehört zudem zu den Prioritätsarten der Artenförderung Schweiz. Rotmi-
lan, Schwarzmilan, Mäusebussard und Baumfalke brüten meist auf Bäumen im Wald, während sie
mindestens teilweise im offenen Gelände auf Nahrungssuche gehen. Es muss davon ausgegangen
werden, dass alle Greifvogelarten den Luftraum im Gebiet flächendeckend nutzen und daher einem
Kollisionsrisiko ausgesetzt sein werden. Vom Wanderfalken und Steinadler liegen nur wenige Be-
obachtungen aus dem Perimeter vor. Uns sind keine Brutplätze der beiden Arten in räumlicher Nähe
bekannt. Das Risiko ist für diese beiden Greifvogelarten daher als gering einzustufen. Vom Uhu sind
keine Nachweise in räumlicher Nähe bekannt. Die Waldohreule ist während ihrer Jagd- und Balzflüge
sowie auf dem Zug potenziell durch Kollisionen an WEA gefährdet; es liegen Nachweise von Kollisio-
nen vor (Dürr 2016).
Feldlerchen sind von WEA durch Kollisionen und besonders durch Veränderung des Lebensraums
gefährdet. Sie sind Bewohner des offenen Geländes, welches spezifische Eigenschaften aufweisen
muss. Die Feldlerche gehört zu den 50 Prioritätsarten der Artenförderung Schweiz. Alle Nachweise
dieser Art, die auf ein Brutvorkommen hindeuten, sind im Betrachtungsraum sehr vereinzelt und liegen
auch lange zurück. Der letzte Nachweis einer Feldlerche in unserer Datenbank stammt aus dem Jahr
1993. Im Projektgebiet dürften zurzeit keine Brutbestände dieser Arten mehr vorkommen. Falls eine
Förderung dieser Art im Gebiet angestrebt wird, könnte die Errichtung von WEA ausserhalb des Wal-
des diesen Bestrebungen entgegenwirken. So zeigt eine Untersuchung aus England, dass Gebiete
mit WEA weniger dicht durch die Feldlerche besiedelt werden als vergleichbare Gebiete ohne WEA
(Pearce-Higgins et al. 2009). Der Bau von WEA hatte dazu geführt, dass für die Feldlerche Lebens-
raum verloren ging. Weiter waren in zehn Windparks im Norden von Portugal männliche Feldlerchen
die häufigsten Schlagopfer an WEA (Morinha et al. 2014). Vermutet wird, dass die Männchen bei ih-
rem typischen Singflug an den Rotorblättern verunfallen.
Für die Brutvögel besteht im Projektperimeter zusammenfassend ein Kollisionsrisiko vor allem für
Alpensegler, Rotmilan, Mäusebussard und Turmfalke sowie die Gefahr von Lebensraumentwertungen

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Vorabklärung Windpark Stierenberg (LU)                                                             14

für Waldarten. Basierend auf diesen Gegebenheiten schliessen wir, dass im gesamten Gebiet für
Brutvögel ein „vorhandenes“ Konfliktpotenzial besteht (Stufe gelb). Direkte Minderungsmassnahmen
gegen Lebensraumverlust und gegen Kollisionen an WEA, die nachgewiesenermassen funktionieren,
sind für Brutvögel bislang nicht bekannt.
Unweit des Hallwilersees gibt es einen grossen Rotmilan-Schlafplatz, der sich deutlich ausserhalb des
von der Vogelwarte empfohlenen Minimalabstand von 5 km um den diskutierten WEA-Standort befin-
det. In den Beobachtungsdaten zum Standort lässt sich in diesem Bereich kein Hinweis auf einen
Schlafplatz finden. Sollte das Projekt weiterverfolgt werden, empfehlen wir, im Winter zu überprüfen,
ob in diesem Umkreis ein Schlafplatz besteht.

2.5     Einschätzung der möglichen Auswirkungen auf Zugvögel
Die Einschätzung des Konfliktpotenzials für Zugvögel basiert auf der Konfliktpotenzialkarte Windener-
gie – Vögel Schweiz: Teilbereich Vogelzug und dem Expertenwissen unserer Vogelzugforschenden.
Bei der Beurteilung des Vogelzuges unterscheiden wir zwischen dem nächtlichen Breitfrontzug, dem
Tagzug der Kleinvögel und dem Tagzug der grossen thermikabhängigen Zugvögel. Die Konfliktpoten-
zialkarte Windenergie – Vögel Schweiz: Teilbereich Vogelzug gibt hauptsächlich den Verlauf des
nächtlichen Breitfrontenzugs und den Tagzug der Kleinvögel wieder.
Das Windenergiegebiet umfasst das hügelige Gelände (ca. 800 bis 870 m ü.M.) zwischen Hallwilersee
und Suhretal. Kleinvögel, die nachts im Herbst in breiter Front aus nordöstlicher Richtung in die
Schweiz einfliegen, vermeiden meist eine direkte Alpenüberquerung und werden je nach Wettersitua-
tion zwischen Jura und Alpen kanalisiert. Entlang des nördlichen Alpenrandes können so generell
hohe Konzentrationen auftreten. Das Windenergiegebiet liegt mitten im Zugstrom durch das Mittelland
und dort errichtete WEA dürften in den kritischen Höhenbereich hineinragen. Der Hügelzug verläuft
orthogonal zum herbstlichen Vogelzug und könnte somit topografiebedingt insbesondere bei Süd-
westwind eine örtliche Konzentration des Vogelzuges hervorrufen. Studien zum Nachtzug zeigen,
dass im offenen Schweizerischen Mittelland in guten Zugnächten über 5‘000 Zugvögel pro Stunde und
Kilometer auftreten können (Liechti et al. 1996a). Eine Studie im Schweizer Jura hat gezeigt, dass vor
allem nachtziehende Kleinvögel an WEA verunfallen (Aschwanden & Liechti 2016). Deshalb besteht
für nächtlich ziehende Zugvögel am geplanten Standort ein Konfliktpotenzial (Stufe gelb).
Zum Tagzug der Kleinvögel im Herbst wie auch zum Durchzug von thermiksegelnden Arten (wie z.B.
grosse Greifvögel) gibt es vor Ort keine Beobachtungsmeldungen, da aktive lokale Ornithologen feh-
len. Die wenigen Beobachtungsmeldungen von Zugvögeln umfassen rastende Kleinvögel. Bei syste-
matischen Erhebungen ist zu erwarten, dass im Gebiet regelmässig auch tagsüber diverse Arten von
Kleinvögeln und Thermikseglern durchziehen. Lokale Konzentrationen von ziehenden Thermikseglern
entstehen, indem sich diese in lokalen Aufwinden sammeln, dort an Höhe gewinnen und schliesslich
im Gleitflug Distanzen überwinden. Im Projektperimeter befindet sich eine Zone, in der bei guten Wet-
terverhältnissen Aufwinde entstehen können (Abb. 4, www.aerodromegruyere.ch/ thermap/d.htm). Für
tagziehende Kleinvögel und Thermiksegler besteht aufgrund der geschilderten Topografie flächig ein
Konfliktpotenzial. Dies könnte im Perimeter jedoch kleinräumig variieren, was ohne Felduntersuchun-
gen nicht genauer beurteilt werden kann.
Im Frühling ist der Vogelzug generell schwächer als im Herbst (Liechti et al. 1996b). Allerdings sind
Verluste im Frühling gravierender, da sie Individuen betreffen, die den Winter erfolgreich überstanden
haben und kurz davor sind, zu brüten. Trotzdem stufen wir das Konfliktpotenzial für den Frühling für
alle Zugvogelkategorien als gering ein.
Es ist davon auszugehen, dass Zugvögel das für die Windenergienutzung geplante Gebiet insbeson-
dere auf dem Herbstzug regelmässig in grosser Zahl überfliegen. Der Verlauf des Vogelzuges wird
stark von den Witterungsbedingungen (Wind, Wolkendecke, Aufwinde) beeinflusst, die in ihrer Kombi-
nation sehr komplex sein können. Daher ist nicht auszuschliessen, dass es sowohl im Herbst wie im

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Vorabklärung Windpark Stierenberg (LU)                                                                       15

Frühling vor Ort zu ausserordentlichen Zugkonzentrationen kommen kann. Anhand dieser Überlegun-
gen gehen wir davon aus, dass für nachtsüber in breiter Front ziehende Zugvögel insgesamt ein Kon-
fliktpotenzial „vorhanden“ ist (Stufe gelb). Auch für den Tagzug (Kleinvögel und Thermiksegler) ist ein
Konfliktpotenzial zu erwarten. Eine Vorortüberprüfung ist zur Beurteilung des Risikos jedoch nötig.

Abb. 4. Ausschnitt der Thermikkarte für den Projektperimeter (rot, nur ungefähr eingezeichnet). Die Thermikkarte
zeigt das örtliche Potenzial von Aufwinden an einem 20. August um 13 Uhr unter Voraussetzung thermisch güns-
tiger Wetterbedingungen. Die Farben wechseln von grün auf gelb und schliesslich auf rot. Je roter, umso stärker
ist das Aufwindpotenzial (rot = 2 m/s) (reproduziert mit der Bewilligung von TherMap©, http://www.aerodrome-
gruyere.ch/thermap/d.htm).

2.6     Fazit möglicher Auswirkungen des geplanten Windparks auf Vögel
Der zur Nutzung der Windenergie ausgeschiedene Perimeter liegt in einem Gebiet, für welches basie-
rend auf der Konfliktpotenzialkarte Windenergie – Vögel Schweiz: Teilbereich Brutvögel, Gastvögel
und Vogelschutzgebiete gemäss WZVV für Brutvögel ein „kleines“ (Stufe grün) bis „vorhandenes“
(Stufe gelb) Konfliktpotenzial besteht (Stand 2013). Zusätzlich zum Alpensegler sind durch Gelegen-
heitsbeobachtungen 12 weitere im Gebiet vorkommende hinsichtlich WEA sensible Brutvogelarten
nachgewiesen worden. Das Vorkommen weiterer sensibler Brutvogelarten ist eher unwahrscheinlich.
Die hohe Anzahl von 12 windkraftsensiblen Arten und die Nutzung eines Waldstandortes führen dazu,
dass die Einstufung „Konfliktpotenzial klein bis vorhanden“ als für das ganze Gebiet inkl. Wald auf
„vorhanden“ heraufgestuft wird. Zwischen Brutvögeln und Windenergienutzung besteht somit ein Kon-
fliktpotenzial (Stufe gelb).
Gemäss der Konfliktpotenzialkarte Windenergie – Vögel Schweiz: Vogelzug liegt der zur Nutzung der
Windenergie ausgeschiedene Perimeter in einem Gebiet, in dem für den Kleinvogelzug ein Konfliktpo-
tenzial „vorhanden“ ist (Stufe gelb). Die lokale Einschätzung des Standorts lässt im Bereich des Wind-
energiegebietes regelmässig erhöhte Zugvogelintensitäten erwarten. Dabei wird die Intensität im kriti-
schen Höhenbereich stark von den jeweiligen Wetterbedingungen abhängen. Ereignisse mit hohen
Zugintensitäten könnten insbesondere während der Herbstzugzeit auftreten, daher ist das Konfliktpo-
tenzial für nachtziehende Kleinvögel „vorhanden“ (Stufe gelb).
Auch tagziehende Kleinvögel und thermiksegelnde Zugvögel werden den für die Windenergienutzung
geplanten Perimeter insbesondere auf dem Herbstzug regelmässig überfliegen. Auch für diese Vogel-

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typen ist ein Konfliktpotenzial zu erwarten. Um das Risiko für die thermiksegelnden Arten besser ein-
schätzen zu können, braucht es Felderhebungen zur Herbstzugzeit.

3.      Empfehlungen zum weiteren Vorgehen aus ornitholo-
         gischer Sicht

3.1     Brut- und Gastvögel
Unserer Einschätzung nach erfassen die Zufallsbeobachtungen die für diese Lebensräume zu erwar-
tenden Brutvogelvorkommen bezüglich des Artenspektrums nicht vollständig. So fehlen beispielsweise
Brutzeitnachweise für Waldkauz und andere Waldarten, die ebenfalls im Gebiet brüten dürften. Auf-
grund der Erfahrungen aus umliegenden Gebieten ist jedoch nicht mit dem Auftreten weiterer wind-
kraftsensibler Arten zu rechnen. Falls das Projekt weiterverfolgt werden soll, sollte im Winter zwischen
November und Januar ab spätem Nachmittag bis in die Dämmerung geprüft werden, ob sich in 5 km
Umkreis um die WEA-Standorte ein bislang unbekannter Schlafplatz des Rotmilans befindet.
Bereits jetzt kann aufgrund der Gelegenheitsbeobachtungen gesagt werden, dass für Brutvögel lokal
ein Konfliktpotenzial „vorhanden“ ist (Stufe gelb). Gegen Habitatverlust und Kollisionen mit WEA sind
für die betroffenen Brutvogelarten keine direkten, nachgewiesenermassen funktionierenden Minde-
rungsmassnahmen bekannt.

3.2     Vogelzug
Vogelzug ist ein sich jährlich wiederholendes Phänomen. Er kann aber jedes Jahr in Abhängigkeit von
der Witterung stark variieren. Es ist damit zu rechnen, dass unter gewissen Umständen im Bereich
von Windkraftanlagen starke Konzentrationen von nächtlich ziehenden Zugvögeln (Schlagflieger) auf-
treten. Solche Ereignisse sind in der Regel zeitlich begrenzt. Die einzige Möglichkeit, das Kollisionsri-
siko in einem solchen Fall zu mindern, besteht darin, die Anlagen abzustellen oder diese räumlich aus
besonders gefährdeten Gebieten zu verlegen. Wir empfehlen den geplanten Windpark mit einer per-
manenten automatisierten Radarüberwachung auszustatten. Mit einem solchen System lässt sich das
Kollisionsrisiko kontinuierlich in Echtzeit ermitteln. Wenn das Kollisionsrisiko einen gewissen Schwel-
lenwert erreicht hat, wird der Betrieb der Windkraftanlagen für die kritische Zeit unterbrochen. Das
System misst die Vogelzugintensität direkt am Standort des Windparks und erlaubt, die Betriebsein-
schränkungszeiten genau an die lokale Situation anzupassen und damit möglichst gering zu halten.
Solche Systeme sind mittlerweile erhältlich. Für das vorliegende Windenergiegebiet würde der Einsatz
eines automatischen Abstellsystems den Konflikt mit tags und nachts ziehenden Vögeln (Breitfrontzug
der Kleinvögel) vermindern.
Eine Untersuchung der Zugbewegungen der tagziehenden thermiksegelnden Vogelarten ist notwen-
dig, da diese stark von der lokalen Topografie abhängig sind. Für diese meist grossen Vogelarten
besteht aktuell keine technische Schutzmöglichkeit gegen Kollisionen, da sie einzeln oder in geringe-
ren Dichten auftreten. Der Schutz einzelner Individuen gefährdeter Arten vor Kollisionen an WEA ist
nicht möglich. Falls das Projekt weiterverfolgt werden soll, empfehlen wir eine Untersuchung zur Nut-
zung des Bereichs der geplanten WEA (mindestens doppelte Gesamthöhe der Anlage) durch thermik-
segelnde Zugvögel und weiteren lokalen Grossvögel. Falls der Windpark realisiert werden sollte, sind
entsprechend den Ergebnissen Empfehlungen für den Windpark abzuleiten.
Für die Untersuchung zu den thermiksegelnden Zugvögeln und weiteren Grossvögeln empfehlen wir
folgendes Vorgehen:
             Beobachtungen:

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             •   Visuelle Beobachtung des Tagzugs mit Fokus auf thermiksegelnde Vogelarten (Greif-
                 vögel und Störche). Die Beobachtungen erfolgen am besten mit einem Laser-
                 Fernglas, welches Distanzen und Flughöhen messen kann.
             •   An mindestens 20 Tagen zwischen 20.8. und 30.10. (ca. einmal pro 3 Tage), jeweils
                 ab ca. 10.00 Uhr für mindestens 6 h, zeitgleich mit zwei ornithologisch erfahrenen
                 Personen und während für Thermiksegler günstigen Wetterbedingungen, diese
                 schliessen auch Hochnebellagen und Nieselregen mit ein, bei denen der Zug in der
                 Regel in geringeren Höhen stattfindet.
             •   Ohne Laser-Fernglas ist das visuelle Abschätzen von Flughöhen durchziehender Vö-
                 gel extrem schwierig. Der Auswahl des Beobachtungsstandortes sowie von Landmar-
                 ken bekannter Höhe als Vergleich zur Abschätzung der Höhe von Flugbewegungen
                 (falls die Beobachtungen ohne Laser-Fernglas vorgenommen werden) kommt deshalb
                 eine grosse Bedeutung zu. Die Auswahl des Beobachtungsstandorts muss im Rah-
                 men eines Augenscheins vor Ort, durch die für die Beobachtungen zuständigen Per-
                 sonen erfolgen.
             •   In zweiter Priorität sollen möglichst auch sämtliche andere Beobachtungen von Zug-
                 vögeln oder von sich lokal bewegenden Greifvögeln dokumentiert werden.

             Datenerfassung:
             • Flugwege mit Höhe, Richtung, Flugverhalten (Kreisen, Gleiten) Übertragung auf
                Landkarten
             • Artenzusammensetzung und Gruppengrössen
             • Meteorologische Bedingungen (u.a. Windrichtung, Windgeschwindigkeit, Bewölkung,
                Niederschlag)

3.3     Weitere Massnahmen
Falls das Projekt realisiert werden sollte, ist auf eine permanente Beleuchtung der Anlagen in der
Nacht unbedingt zu verzichten, da die Zugvögel bei schlechter Sicht durch Licht angezogen werden.
Wenn aufgrund des Luftfahrtgesetzes eine Beleuchtung notwendig sein sollte, empfehlen wir rote
Blinklichter, da diese offenbar deutlich weniger Anziehungswirkung besitzen. Die Anlagen sollten in
Rotorhöhe möglichst hell gestrichen werden, damit sie auch nachts sichtbar sind. Wir empfehlen zu-
dem, alle neuen Stromleitungen unterirdisch zu führen. Sollte dies nicht möglich sein, ist das Thema
Vogelschutz in die Planung der Linienführung einzubeziehen. Zusätzlich sollte der Einfluss aller weite-
ren Infrastrukturanlagen wie z.B. zuführende Strassen abgeklärt und im UVP entsprechend mitberück-
sichtigt werden.

4.      Literatur
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Schweizerische Vogelwarte Sempach, 2017
Vorabklärung Windpark Stierenberg (LU)                                                                 18

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Schweizerische Vogelwarte Sempach, 2017
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