Zustand der Vogelwelt in der Schweiz Bericht 2019 - Vogelwarte Sempach
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Im Fokus Der harte Winter 2017/18 führte zu Be- standseinbrüchen bei Standvögeln und Kurzstreckenziehern, etwa bei Wald- baumläufer, Rotkehlchen und Winter- goldhähnchen. Seite 6 Dank dem «Monitoring Häufige Brut- vögel» (MHB) ist die Bestandsent- wicklung von häufigen und weit ver- breiteten Brutvogelarten seit 1999 genau dokumentiert. Seite 8 Trotz massiver Siedlungsausdehnung gingen die Bestände typischer Siedlungs- arten zwischen 1993–1996 und 2013– 2016 zurück. Fehlende Brutnischen und sterile Gartenanlagen gehören zu den Ursachen. Seite 12 Mit dem EuroBirdPortal (EBP) kann das räumliche und zeitliche Auftreten der Vögel in Europa zeitnah mitverfolgt werden. Die Vogelwarte unterstützte den Aufbau des EBP wesentlich. Seite 22 2
Seit 25 Jahren wird die Bestandsent- wicklung der spärlichen Wintergäste dokumentiert. Während Rotmilan und Ringeltauben auch in der Brutzeit Zu- nahmen zeigen, geht die Feldlerche im Winter ebenfalls zurück. Seite 24 Der Gesamtbestand der überwinternden Wasservögel in der Schweiz ist zwar seit Mitte der 1990er-Jahre leicht rückläufig. Langfristig positive Trends weisen indes Reiher und Gänse auf. Seite 26 Auch auf europäischer Ebene erlitten Landwirtschaftsarten herbe Einbussen. Seit 1980 ging ihr Bestand um 57 % zurück. Dagegen sind Waldarten mehr oder weniger stabil. Seite 32 Inhaltsverzeichnis Editorial ........................................................................................ 4 Brutvögel ...................................................................................... 6 Durchzügler ................................................................................ 18 Wintergäste ................................................................................ 24 Weitere Informationen Internationales ........................................................................... 32 Weitere Informationen inklusive Bestands- entwicklung der Brutvogelarten und zusätz- Dank ............................................................................................ 34 lichen Analysen finden Sie online: www.vogelwarte.ch/zustand Impressum ....................................................................................35 3
EDITORIAL Den schleichenden Wandel messen Es ist Mitte Mai, 5 Uhr morgens. Ich man sich an die veränderten Lebens- stehe in einem normalen Laubmisch- räume und ihre Bewohner. Diese wald im Schweizer Mittelland und Prozesse laufen schleichend ab. Nur lausche dem überschwänglichen die systematische Erhebung von Brut- Vogelgezwitscher. Die singenden vögeln über viele Jahre in «ganz ge- Männchen von ganz kommunen wöhnlichen» Lebensräumen mit Arten posaunen lauthals ihre Strophen «ganz gewöhnlichen» Vogelarten heraus, als herrsche ein Gesangswett- zeigt auf, wie sich die Schweiz und bewerb. In der angrenzenden frisch ge- ihre Avifauna verändern. Genau schnittenen Wiese sind ein Fuchs, ein dazu wurde vor 20 Jahren in weiser Rotmilan und mehrere Rabenkrähen Voraussicht für die Bedeutung solcher eifrig auf Nahrungssuche. Genau in Daten das «Monitoring Häufige Brut- diesem Waldstück verbrachte ich vor vögel» (MHB) ins Leben gerufen. über 30 Jahren unzählige Stunden. Mit Mittlerweile liegen wertvolle Daten- meinen zwei Schulfreunden suchten reihen von 267 Kilometerquadraten wir nach Vogelnestern und verglichen vor, welche die Entwicklung von Ver- die Eier und Jungvögel mit den Fotos breitung und Bestand häufiger Brut- qualitativ hochwertigsten Daten, die im Vogelführer. Frühmorgens legten vogelarten dokumentieren. Eine gross- abrufbereit vorhanden waren. wir uns am Waldrand auf die Lauer und artige Leistung! Ich wünsche mir, dass die Resultate erfreuten uns an den entdeckten Feld- Als Leiter der Naturschutz-, Jagd- unzähliger begeisterter Kartiererinnen hasen und Rehen. Während die Finken, und Fischereibehörde des Kantons und Kartierer noch vermehrt zum Er- Drosseln und Meisen weiter um die St. Gallen war ich schon oft froh, dass halt der heimischen Biodiversität bei- Wette singen, versuche ich mich zu ich auf ornithologische Daten der tragen können. Gerne stehe ich auch erinnern, welche Vogelarten heute Vogelwarte, wie jene des MHB, zurück- am nächsten Sonntag wieder um Morgen gegenüber damals nicht mehr greifen konnte. Nicht nur bei der Be- 4.30 Uhr auf, um dazu «mein» MHB- zu hören sind. Ich erinnere mich, wie urteilung von umweltrelevanten Bau- Quadrat zu kartieren! Unserer Vogel- ich genau an dieser Stelle damals den vorhaben wie Windkraftanlagen oder welt zuliebe. ersten Waldlaubsänger singen hörte. Er Richtplananpassungen. Im Rahmen der war ein regelmässiger Sänger in diesem Erstellung der St. Galler Biodiversitäts- Dr. Dominik Thiel Laubwald. Ebenso der Trauerschnäpper. strategie haben wir zuerst eine um- Leiter des Amts für Natur, Jagd und Am Waldrand war der Feldhase nicht fassende Situationsanalyse über die Fischerei des Kantons St. Gallen und wegzudenken. Alle drei Arten sind hier Biodiversität im Kanton verfasst, um Mitglied der Wissenschaftlichen inzwischen verschwunden. anschliessend griffige Massnahmen zu Kommission der Vogelwarte Haben Sie auch schon solche Ver- definieren. Die Brutvogeldaten zählten gleiche gemacht? Wie schnell gewöhnt auch hier zu den verlässlichsten und Bei den Kartierungen für das «Monitoring Häufige Brutvögel» (MHB) werden das frühe Aufstehen und die körperlichen Anstren- gungen oft mit einmaligen Beobachtungen belohnt. Die wärmeliebende Zippammer hat 2017 und 2018 im Vergleich zu den letzten zehn Jahren neue Höchststände erreicht. 4
Der Bestand des Waldlaubsängers in der Schweiz hat seit 1990 um zwei Drittel abgenommen. Regionale Erhebungen zeigen noch massivere Einbrüche. Mit dem Rückgang wird die Art bald nicht mehr auf genügend Flächen vorkom- men, um noch mit dem «Monitoring Häufige Brutvögel» (MHB) erfasst zu werden.
Der Bestand der Wacholderdrossel ist in der Schweiz in 20 Jahren um über einen Drittel zurückgegangen – sind das Auswirkungen des Klimawandels? Situation der Brutvögel 2018 war – wiederum – ein Jahr auch langanhaltenden trockenen Be- scheinen dessen Auswirkungen bei der Wetterextreme. Dies zeigte dingungen. Der April übertraf die Norm den Brutvögeln vor allem positiv zu sich insbesondere in einem neuen 1981–2010 um 3,9 °C. Mit 2,4 °C über sein. Einige seltene oder spärliche Temperatur-Jahresrekord, und auch der Norm brach das Sommerhalbjahr Arten wie Schlangenadler, Bienen- das Sommerhalbjahr war so warm wie 2018 den bisherigen Wärmerekord fresser und Schwarzkehlchen scheinen noch nie seit Messbeginn 1864. Be- von 2003 (+2,2 °C). Eine Besonder- als Brutvögel in der Schweiz von der gleitet wurde die Rekordwärme von heit dieser Periode war aber auch eine Klimaerwärmung zu profitieren. Auch einer monatelangen Regenarmut. anhaltende Regenarmut. Im Mittel der Swiss Bird Index SBI® Climate Solche «verrückten» Jahre haben Aus- über die ganze Schweiz fiel von Juni Change Plus (SBI® CC Plus) hat seit wirkungen auf die einheimischen Brut- bis August nur 71 % Niederschlag der 1990 stark zugenommen. Demgegen- vögel, sowohl kurz- wie auch langfristig. Norm, regional (z.B. in der Ostschweiz) über ist der SBI® CC Minus nicht ent- gab es noch tiefere Werte. sprechend negativ. Für die Berechnung Schneereicher Winter, aber Diese Witterungsumstände ermög- des SBI® CC Plus und Minus wurden danach günstige Brutperiode lichten wohl vielen Arten einen guten je diejenigen 20 Arten ausgewählt, für Der schneereiche und teilweise sehr Bruterfolg. Für Arten, die ihre Nahrung deren Verbreitungsgebiet die Modelle kalte Winter 2017/18 liess die Be- vorwiegend am Boden suchen (z.B. den grössten Gewinn bzw. Verlust stände etlicher Standvögel und Drosseln), ist es hingegen schwierig ge- vorhersagen. Kurzstreckenzieher einbrechen. So wesen, im verkrusteten Erdreich aus- Beim SBI® werden jedoch die gingen Arten wie Tannenmeise, Hau- reichend Regenwürmer zu finden. relativen Änderungen von einzelnen benmeise, Felsenschwalbe, Schwanz- Arten gemittelt, entsprechend zeigt z.B. meise, Waldbaumläufer, Amsel, Rot- Keineswegs positive Klimaeffekte der Bienenfresser als neuer Brutvogel kehlchen und Wintergoldhähnchen im Der massive Anstieg der Sommer- eine enorme Zunahme. Wenn jedoch Vergleich zum Vorjahr deutlich zurück. temperaturen in den letzten Jahren statt den relativen die absoluten Ver- Auf diesen harten Winter folgte eine ist eine Folge der laufenden Klima- änderungen der Bestandszahlen be- günstige Brutperiode mit warmen, aber erwärmung. Auf den ersten Blick trachtet werden, dann ändert sich 6
BRUTVÖGEL diese Einschätzung. Mit dem neuen Arten zusammen über denselben Zeit- Obwohl auch andere Einfluss- Schweizer Brutvogelatlas können in raum um rund 91 000 Brutpaare (von faktoren wie die Intensivierung der Kombination mit den Brutbestands- 453 000 auf 362 000) abgenommen. Landwirtschaft und die Nutzungsauf- indices die Bestandsschätzungen von Dabei haben insbesondere die drei gabe mit folgender Wiederbewaldung 2013–2016 mit jenen von 1993– häufigsten Arten herbe Verluste er- in wenig ertragsreichen Lagen ihren 1996 verglichen werden. Über die fahren. So gingen die Bestände von Einfluss haben, verursacht der Klima- letzten 20 Jahre haben die 20 Arten Ringdrossel (–30 000 Paare), Gimpel wandel bei den Brutvögeln also bereits aus dem SBI® CC Plus zusammen (–32 500 Paare) und Wacholderdrossel substanzielle Veränderungen. Davon um rund 7700 Paare zugenommen (–26 500 Paare) deutlich zurück. Weil sind in erster Linie Bergvögel negativ (von 25 400 auf 33 100). Die drei es in dieser Gruppe jedoch im Gegen- betroffen. Besorgniserregend dabei häufigsten Arten in dieser Gruppe sind satz zum SBI® CC Plus auch Arten gibt, ist, dass die Schweiz für das Überleben Zippammer (von 1993–1996 bis 2013– die relativ gesehen stark zugenommen vieler dieser Arten international eine 2016 +380 Brutpaare), Felsenschwalbe haben (v.a. Weissstorch um +161 %), besondere Verantwortung trägt. (+2600) und Pirol (+920). Jedoch ver- heben sich Zu- und Abnahmen auf, d.h. fügen die Arten dieser Artengruppe der Index ist insgesamt ausgeglichen. über viel geringere Bestände als jene Ein vollständiger Überblick über die Weitere Informationen des SBI® CC Minus. Bei der Gruppe Zahlen aller 40 Brutvogelarten ist on- www.vogelwarte.ch/zustand/brut des SBI® CC Minus haben alle 20 line verfügbar. Für Gimpel (links) und Schneesperling trägt die Schweiz eine grosse internationale Verantwortung. Beide Arten gehören zum SBI® Climate Change Minus mit prognostizierter negativer Entwicklung. Die Bestände beider Arten haben seit 1993–1996 abgenommen. 220 180 200 160 180 140 160 Index Index 140 120 120 100 100 80 80 60 60 40 40 1990 1994 1998 2002 2006 2010 2014 2018 1990 1994 1998 2002 2006 2010 2014 2018 Die Bestände von etlichen Standvögeln und Kurzstreckenziehern wie Die Entwicklung des Swiss Bird Index SBI® Climate Change Minus Waldbaumläufer (grün), Rotkehlchen (rot) und Wintergoldhähnchen (blau) und SBI® CC Plus (rot) 1990–2018: Bei den Arten mit vorher- (blau) sind 2018 wegen des in den Bergen schneereichen und teil- gesagter negativer Entwicklung (SBI® CC Minus) ist kaum eine Ent- weise kalten Winters 2017/18 kurzfristig zurückgegangen. wicklung erkennbar ist. Betrachtet man die Veränderung der ab- soluten Bestände statt der hier dargestellten kombinierten Index- werten, ist der Trend hingegen eindeutig negativ. 7
BRUTVÖGEL Die 267 über das ganze Land verteilten Kilometerquadrate sind so vielfältig wie die Schweiz. Indem sie alle Lebensräume, Regionen und Höhen- stufen repräsentieren, gestatten sie einen Gesamtüberblick über die Entwicklung der verbreiteten Brutvögel der Schweiz. Verbreitete Arten werden häufiger, Zugvögel seltener Die Bestandsentwicklung vieler eher dokumentiert. Der Abschluss des Brut- Durchführbarkeit quantitativer Aufnah- seltener Brutvogelarten aufzuzeigen, vogelatlas 1993–1996 hatte gezeigt, men auch in schwierigem Gelände. Da- hat die Vogelwarte – dank ihrem lan- dass mit einem vereinfachten Verfah- durch ermutigt, startete die Vogelwarte desweiten Netz mit vielen aktiven Frei- ren zur Revierkartierung eine Metho- 1999 das «Monitoring Häufige Brutvö- willigen – seit Mitte der 1980er-Jah- de gefunden war, mit der landesweit gel» (MHB), ein Überwachungsprojekt, re recht gut im Griff. Hingegen blie- auf effiziente Art Daten zu Verbreitung bei dem seither alljährlich quantitative ben kurzfristige Schwankungen und und Beständen gesammelt werden Bestandserhebungen in 267 repräsen- längerfristige Bestandsveränderungen konnten. Basierend darauf führten wir tativ ausgewählten Kilometerquadra- der eher häufigen und weit verbreite- 1997 und 1998 im Tessin umfangrei- ten durchgeführt werden. ten Brutvogelarten lange Zeit schlecht che Testläufe durch. Sie bestätigten die Wichtige Standardisierungen Bei Langzeiterhebungen sind klare, über die Jahre möglichst unveränderte Vorgaben entscheidend. Mit dem Fak- tor Mensch kommt dann immer noch ein gewisses «Grundrauschen» zum Tragen, das sich nicht wegdiskutieren lässt und das zu einer gesunden Por- Die 267 Kilometer- tion Vorsicht bei der Interpretation der quadrate, die seit Ergebnisse rät. 1999 alljährlich er- Die für das MHB ausgewählten Kilo- hoben werden, ba- meterquadrate sind zu einem grossen sieren im Wesentli- Teil im regelmässig über die Schweiz chen auf dem Netz des «Biodiversitäts- gespannten Stichprobennetz des monitorings «Biodiversitätsmonitoring Schweiz» Schweiz» (BDM). (BDM) enthalten. Stellenweise wurden 8
BRUTVÖGEL erreichen. Aktuell gibt es Überlegun- gen, die Kartiererinnen und Kartierer durch eine Automatisierung der Re- vierausscheidung zu unterstützen und somit noch eine bessere schweizweite Vergleichbarkeit zu erreichen. Zunahme bei verbreiteten Arten Um aussagekräftige Trends zu berech- nen, sollte eine Art möglichst alljähr- lich auf mindestens 30 Flächen vorhan- den sein. Dieses Kriterium erfüllen ak- Bei der Aufbereitung der Kartierergebnisse wurden grosse Fortschritte erzielt: Die Handauswertun- tuell 74 Arten; für Braunkehlchen und gen von 2002 (links) gestalteten sich wesentlich aufwändiger als jene mit «Terrimap online» von Waldlaubsänger besteht jedoch die Ge- 2017 (rechts). Letztere macht die Ergebnisse auch anschaulicher und fängt viele Eingabefehler ab. fahr, dass sie diese Stichprobengrösse bald nicht mehr erreichen. Über den gesamten Zeitraum (1999–2018) be- Übersicht über die MHB-Kartierungen 1999–2018 trachtet weisen 56 Arten Zunahmen Kartierte Kilometerquadrate pro Jahr 267 auf, 25 Arten blieben – teilweise bei er- Gültige Kartierungen insgesamt 5285 heblichen kurzfristigen Schwankungen Fehlende oder ungültige Kartierungen 55 Gefundene Reviere insgesamt 1 278 236 – etwa gleich und 17 Arten verzeich- Angetroffene Brutvogelarten 164 neten Rückgänge. Dieses recht positi- Beteiligte KartiererInnen ≥ 528 ve Gesamtbild kommt zustande, weil im MHB vorab häufige, verbreitete und damit wenig anspruchsvolle Arten er- hoben werden. Standvögel, Genera- Quadrate leicht verschoben, wenn sie höhere Anforderungen bezüglich Brut- listen und diverse Waldbewohner ha- sich aus topografischen Gründen, etwa hinweisen zu erfüllen. Die 2006 einge- ben eher zulegen können. Unter den wegen Unzugänglichkeit in sehr stei- führte Software «Terrimap» bzw. die im MHB spärlich vertretenen Langstre- lem Gelände oder hohem Seeanteil, sie ab 2012 ersetzende Online-Lösung ckenziehern finden sich hingegen et- für quantitative Erhebungen nicht eig- «Terrimap online» trugen ihrerseits zu liche Arten, die teils markante Rück- neten. Die einmal gewählten Routen einer weiteren Standardisierung und gänge ausweisen. sind fix. Die Kartiererinnen und Kar- zur Vermeidung von Fehlern bei. tierer orientieren sich bezüglich Datum Über regelmässig angebotene Kur- und Dauer der Erhebungen an den An- se, die Einführung von Nachfolgern gaben ihrer Vorgänger. Für spät ein- durch erfahrene Kartierer und eine mi- treffende Brutvogelarten müssen Nach- nutiöse Kontrolle der Kartierergebnisse weise nach einem bestimmten Datum wird versucht, eine bestmögliche Kon- vorliegen, für eher unstete Arten sind tinuität der Aufnahmeergebnisse zu 50 450 45 400 40 350 Anzahl Reviere/km2 Anzahl Arten/km2 35 300 30 250 25 200 20 150 15 10 100 5 50 0 0 1999 2002 2005 2008 2011 2014 2017 1999 2002 2005 2008 2011 2014 2017 Pro Jahr und Kilometerquadrat werden durchschnittlich etwa 33 Arten (links) mit insgesamt 242 Revieren gefunden (rechts, dargestellt sind die Mittelwerte mit der Standardabweichung). Beide Werte sind über die Jahre etwas angestiegen, was vorab auf die Zunahme einiger Waldarten zurückzuführen ist. 9
BRUTVÖGEL Viel Dynamik – in der Höhe wie in den Niederungen Über die Bestandsdynamik der Bewoh- ist, wie man vielleicht vermuten würde. 1999 um den Faktor 5 zu. In der Folge ner von subalpinen und alpinen Lebens- Extrem ist dies beim Birkenzeisig: Die fluktuierten die Bestände deutlich, um räumen war bislang wenig bekannt – Art zeigt, regional unterschiedlich aus- 2018 den bisher tiefsten Bestand, d.h. schon gar nicht über längere Zeitperio- geprägt, grosse Schwankungen. Vie- nur knapp die Hälfte des Ausgangswer- den oder über grössere geografische le Flächen sind nur ein oder zwei Jahre tes, zu erreichen. Räume. Hier gestattet uns das «Monito- lang besiedelt, bleiben dann einige Zeit ring Häufige Brutvögel» (MHB) faszinie- verwaist, um plötzlich erneut kolonisiert Viele Arten mit ansteigender rende neue Einblicke. Schon jetzt ist er- zu werden. Insbesondere in Graubün- Höhenverbreitung kennbar, dass die Situation auch in den den nahm der Birkenzeisig bis ums Jahr Ein anderer Trend, der sich auch bei vie- Schweizer Bergen längst nicht so stabil 2005 gegenüber dem Ausgangsbestand len Arten im Brutvogelatlas 2013–2016 Schweiz Jura Schweiz Jura Mittelland Alpennordflanke Mittelland Alpennordflanke westliche Zentralalpen östliche Zentralalpen westliche Zentralalpen östliche Zentralalpen Alpensüdflanke Alpensüdflanke 250 250 200 200 150 150 Index Index 100 100 50 50 0 0 1999 2002 2005 2008 2011 2014 2017 1999 2002 2005 2008 2011 2014 2017 Schweiz Jura Schweiz Jura Mittelland Alpennordflanke Alpennordflanke westliche Zentralalpen westliche Zentralalpen östliche Zentralalpen Alpensüdflanke östliche Zentralalpen Alpensüdflanke 200 200 180 180 160 160 140 140 120 120 Index Index 100 100 80 80 60 60 40 40 20 20 0 0 1999 2002 2005 2008 2011 2014 2017 1999 2002 2005 2008 2011 2014 2017 Das MHB vermittelt neue Einsichten in die Bestandsdynamik der Bewohner subalpiner und alpiner Gebiete. So schwanken die Bestände von Zaunkönig (links) und Wintergoldhähnchen in den östlichen und zentralen Alpen mehr als in den übrigen Landesteilen (oben). Ringdrossel (links) und Gartengrasmücke können sich in den Zentralalpen besser halten als in den übrigen biografischen Regionen (unten). 10
BRUTVÖGEL gezeigt hatte, ist das Ansteigen der 300 Höhenverbreitung etlicher Brutvogel- < 1000 m arten. Bei der Singdrossel ist dies ein 250 1000–1500 m Prozess, der in Lagen oberhalb von > 1500 m 1500 m schon seit 20 Jahren im Gang 200 ist. Ein Blick in einzelne Quadrate lässt Index erahnen, weshalb: Der Waldrand und 150 üppige Gebüschvegetation rücken an vielen Stellen vor. Dadurch entste- 100 hen, etwa am unteren Rand von al- pin geprägten Probeflächen, da und 50 dort neue Habitate, die von der Sing- drossel rasch besiedelt werden. Aller- dings gibt es auch gegenteilige Situa- 0 1999 2002 2005 2008 2011 2014 2017 tionen: So blieben die Bestände des Turmfalken in den hohen Lagen weit- Das MHB zeigt, dass der Bestandsanstieg bei der Singdrossel insbesondere in den hohen Lagen gehend konstant. Zwischen 1000 und ausgeprägt und ein kontinuierlicher Prozess ist. 1800 m gab es langfristig eine leichte Zunahme. Dramatisch verändert hat sich die Bestandssituation hingegen in den MHB-Quadraten mit Schwerpunkt 500 unter 1000 m: Hier hat sich der Turm- 450 < 1000 m falkenbestand seit 1999 mehr als ver- 1000–1800 m 400 dreifacht. Treiber dieser spektakulären > 1800 m 350 Entwicklung dürften ein hohes Nist- kastenangebot, ein überdurchschnitt- 300 Index licher Bruterfolg und ein gutes Nah- 250 rungsangebot nach dem Ausfliegen 200 sein. Nach der Baisse in den 1980er- und 1990er-Jahren weist der Turmfalke 150 damit vielerorts wieder Bestände «wie 100 in guten alten Zeiten» auf. 50 0 Das MHB als Fieberthermometer 1999 2002 2005 2008 2011 2014 2017 Mit Atlasprojekten lässt sich nur alle 20 Jahre eine – allerdings räumlich präzise- Oben konstant, aber unterhalb von 1000 m ein rasanter Bestandsanstieg: Der Turmfalke ist re – Situationsbeurteilung vornehmen. nach 2000 landesweit wieder ein verbreiteter und recht häufiger Brutvogel geworden. Demgegenüber gestatten die aus dem MHB ablesbaren Trends schon nach wenigen Jahren, neue Entwicklungen 140 zu erkennen. Dies war beispielswei- se der Fall bei Gartengrasmücke und 120 Grauschnäpper, die – damals ohne Vor- warnung – seit den frühen 2000er-Jah- 100 ren deutliche Rückgänge erlitten und seither je rund einen Drittel ihrer Be- 80 Index stände eingebüsst haben. Dank dem Frühwarnsystem des MHB können sol- 60 che Arten zeitiger auf die Rote Liste ge- 40 setzt und gegebenenfalls rascher Rück- Schweiz Jura gangsursachen erforscht und Förder- 20 Alpennordflanke westliche Zentralalpen massnahmen ergriffen werden. östliche Zentralalpen Alpensüdflanke 0 1999 2002 2005 2008 2011 2014 2017 Brennpunkt Jura: Der Jura droht Arten wie Ringdrossel, Braunkehlchen und Zitronenzeisig zu verlieren. Auch beim Baumpieper fällt der Jura mit einem speziell negativen Trend auf. 11
BRUTVÖGEL Waldarten dominieren, Siedlungsarten gehen zurück Buchfink Mönchsgrasmücke Amsel Rotkehlchen Tannenmeise Haussperling Kohlmeise Zaunkönig Hausrotschwanz Singdrossel Sommergoldhähnchen Wintergoldhähnchen Zilpzalp Blaumeise Heckenbraunelle Bergpieper Kleiber Misteldrossel Ringeltaube 2013–2016 Star 1993–1996 0 200 000 400 000 600 000 800 000 1 000 000 Anzahl Brutpaare Bestände der 20 häufigsten Brutvogelarten in den Perioden 1993–1996 und 2013–2016. Hauptsächlich im Wald vorkommende Arten wie Buchfink, Mönchsgrasmücke, Amsel, Rotkehlchen und Tannenmeise dominieren die Hitparade und zeigen auch die deutlichsten Bestandszunahmen. Die für den Brutvogelatlas 2013–2016 Lebensräume geschätzt werden. Inte- den vorhandenen Strukturen und Nist- gesammelten Daten boten eine hervor- ressanterweise ist in den bearbeiteten gelegenheiten. Oberhalb von 800 m ist ragende Grundlage, um die Bestands- Kilometerquadraten die Dichte an Vo- die Revierdichte in beiden Lebensräu- schätzungen für alle Brutvogelarten gelrevieren im Siedlungsraum ähnlich men geringer, im Wald aber tenden- zu revidieren. In Kombination mit den hoch wie im Wald, zumindest unterhalb ziell etwas höher als im Siedlungsraum. Brutbestandsindices können wir so die von 800 m. Sie beträgt über 500 Revie- Viele ursprüngliche Waldarten haben Bestandsentwicklung einzelner Arten re pro km², variiert aber stark je nach den Siedlungsraum für sich entdeckt. nicht nur relativ, sondern auch in abso- luten Zahlen verfolgen. Am häufigsten sind in der Schweiz Türkentaube jene Arten, die im Wald und auch im Girlitz Siedlungsraum vorkommen. Bei den Grünfink zehn häufigsten Brutvogelarten gibt es nur deren zwei (Haussperling und Haus- Grauschnäpper rotschwanz), für die der Wald nicht der Stieglitz wichtigste Lebensraum darstellt. Mehlschwalbe –40 000 –20 000 0 20 000 40 000 Revierdichte im Siedlungsraum Veränderung des Brutbestands ähnlich hoch wie im Wald Basierend auf den Atlaskartierungen Bestandsveränderung einiger typischer Arten des Siedlungsraums zwischen 1993–1996 und konnten Dichten für die einzelnen 2013–2016. 12
BRUTVÖGEL Wann sind Sie zum letzten Mal einer solchen Schlammpfütze am Das Wachstum fordert seinen Tribut: Nicht selten werden für neuen Wegrand begegnet? Wohnraum alte Obstbäume und südexponierte Hänge geopfert. Eine auffällige Zunahme zeigt bei- 2013–2016 die Abnahmen, einzig der Möglichkeit ersetzt, hingegen fallen spielsweise die Ringeltaube. In den Bestand der Türkentaube konnte zu- samenreiche Brachen und Wegränder, 1990er-Jahren war das Vorkommen die- legen. Die in absoluten Zahlen deut- Gebüsche und ungenutzte alte Ge- ser Art in der Schweiz grösstenteils auf lichsten Rückgänge zeigen Mehl- bäude innerhalb des Siedlungsraums den Wald beschränkt. Inzwischen brü- schwalbe und Stieglitz mit einem Mi- der aktuellen Verdichtung und Versie- tet sie auch im Siedlungsraum sowie in nus von je rund 40 000 Revieren. Der gelung zum Opfer. Auch die Ausdeh- Baumhecken im Offenland. Dennoch ist Grauschnäpper hat in derselben Zeit nung des Siedlungsraums geschieht in ihre Revierdichte im Wald nach wie vor rund einen Drittel seines Bestands ein- vielen Fällen auf Kosten der Biodiversi- mit Abstand am höchsten. Die Amsel gebüsst. Vor dem Hintergrund einer tät. Neue Überbauungen werden bei- hingegen hat zumindest unterhalb von massiven Zunahme der Siedlungsflä- spielsweise an (Süd-)Hängen erstellt, 800 m in Siedlungen sogar eine höhe- che (+23 % von 1985 bis 2009) sind die wegen ihrer Steilheit von der Land- re Dichte als im Wald (im Mittel gegen die Rückgänge der Siedlungsarten wirtschaft nicht intensiv genutzt wur- 50 Reviere/km²). umso bedenklicher. Während sich vie- den und an denen sich daher wertvol- le der ursprünglichen Waldarten dank le Kleinstrukturen entwickeln konnten. Typische Siedlungsarten mit deut- alter Bäume im Siedlungsraum wohl lichen Rückgängen fühlen, haben typische Siedlungsarten Bei den typischen Siedlungsarten hin- noch weitere Ansprüche an ihren Le- Weitere Informationen gegen zeigt sich ein anderes Bild. Hier bensraum. Dank städtischer Baumin- www.vogelwarte.ch/atlas überwiegen zwischen 1993–1996 und ventare werden gefällte Bäume nach Dank alter Bäume und immer milderem Klima findet die Ringeltaube günstige Bedingungen im Siedlungsraum. 13
BRUTVÖGEL Unterschiedliche Trends bei Kiesgrubenbewohnern 140 21 Waadt 120 18 Wallis übrige Schweiz 100 15 Anzahl Brutpaare Anzahl Kolonien Kolonien 80 12 60 9 40 6 20 5 0 0 1991 1994 1997 2000 2003 2006 2009 2012 2015 2018 Bestandsentwicklung und Zahl der Kolonien des Bienenfressers in der Waadt, im Wallis sowie in der übrigen Schweiz seit 1991. Sandige Prallwände wurden durch Kolonien, wobei die grössten Bestände Jahren, die Zahl der Kolonien ging aber die Verbauung der Mittellandflüsse in im Waadtland (grösste Kolonie 2011 seit 1950 deutlich zurück. Die Ufer- der Schweiz quasi vollständig zerstört. 26 Paare) und im Wallis (grösste schwalbe ist heute von den Aktivitäten Trotzdem gibt es für Spezialisten dieser Kolonie 2017 35 Paare) liegen. Der des Menschen abhängig, die Gruben Bruthabitate in der Schweiz Ausweich- Bienenfresser gräbt Brutröhren in Kies- wurden teils kleiner und die Umtriebs- möglichkeiten: Kiesgruben dienen als gruben und in steilen Wiesenborden. zeiten schneller. Seit einigen Jahren Ersatzlebensraum. Insgesamt scheint der Bruterfolg werden der Uferschwalbe speziell für Der Bienenfresser breitet sich seit unserer Kolonien gut zu sein. Hitze- sie aufgeschichtete Sandhaufen an- etwa 1984 in Mitteleuropa aus. 1991 sommer wie jener von 2018 kommen geboten und damit erste Erfolge ver- brütete er erstmals in der Schweiz. Im den Ansprüchen der Art entgegen. zeichnet. Damit hat man nun alter- Zentralwallis und im Waadtland (ab Von der Uferschwalbe werden die native Fördermöglichkeiten und kann 1992 bzw. 1996) bildeten sich darauf- Brutröhren in den Kiesgruben der – mit Glück – die Art in einer Region hin kleine Kolonien. Seit 2005 ist der Kantone Aargau, Bern, Freiburg und halten, selbst wenn Kiesgruben ver- Kanton Genf besiedelt. Nachdem der Solothurn seit 1994 jährlich gezählt. schwunden sind. Bestand bis 2009 bei 10–30 Paaren 2017 und 2018 wurden 28 bzw. 25 verharrte, stieg er ab 2010 deutlich Kolonien mit 4221–5734 Röhren er- an und überschritt 2017 und 2018 fasst, was einem Brutbestand von mit 121 bzw. 102 Paaren die Schwelle 1731–2351 Paaren entspricht. Der von 100 Paaren. Aktuell sind es 17–20 Bestand schwankt in den letzten 25 7000 56 Aargau Bern 6000 Freiburg 48 Solothurn 5000 Kolonien 40 Anzahl Kolonien Anzahl Röhren 4000 32 3000 24 2000 16 1000 8 0 0 1994 1997 2000 2003 2006 2009 2012 2015 2018 Bestandsentwicklung und Zahl der Kolonien der Uferschwalbe in den Kantonen Aargau, Bern, Freiburg und Solothurn seit 1994. 14
BRUTVÖGEL Überraschungen bei Rohrweihe und Sumpfhühnern Über 90 % der Feuchtgebiete der Schweiz wurden seit 1850 zerstört. Die noch verbleibenden Feuchtbio- tope beherbergen meist eine hohe Artenvielfalt und bieten immer wieder Überraschungen. Im 20. Jahrhundert gelangen in der Schweiz nur 7 Brutnachweise der Rohrweihe. 1975 brütete sie im Neeracherried ZH zum bisher letzten Mal. Am deutschen Ufer des Untersees nistet die Rohrweihe seit 1980 hin- gegen ziemlich regelmässig. Erst 2007– 2009 wurden in der Schweiz wieder Brutversuche festgestellt, wiederum im Neeracherried. In den letzten Jahren haben Brutzeitbeobachtungen deut- lich zugenommen, und die Rohrweihe Am Südufer des Neuenburgersees gab es erstmals seit 1971 wieder einen Brutnachweis des versuchte in mehreren Feuchtgebieten Kleinen Sumpfhuhns. des westlichen Mittellandes zu brüten, so in der Grande Cariçaie (2015– 2016), am Fräschelsweiher BE (2016), war hingegen ein herausragendes Riedwiesen wurden in der Folge im Meienriedloch BE (2016) und im Jahr. In der Grande Cariçaie wurde ab 2 Reviere des Zwergsumpfhuhns, Wengimoos BE (2017). 2018 gab es Ende Mai ein Paar des Kleinen Sumpf- 8 Reviere des Tüpfelsumpfhuhns und endlich wieder erfolgreiche Bruten, huhns und Ende Juli zwei Jungvögel 35 Reviere der Wasserralle (in den nämlich am Niederriedstausee BE und mit Dunenresten beobachtet. Dies ist letzten 5 Jahren im Schnitt 15 Reviere) bei Chavornay VD. der erste Brutnachweis in der Schweiz gefunden! Dies zeigt die grosse Be- Seit der Trockenlegung vieler Feucht- seit 1971 (damals bei Chavornay)! deutung ausreichend hoher Wasser- gebiete gibt es in der Schweiz nur Im Neeracherried, einem unserer ge- stände zur Brutzeit in Feuchtgebieten. wenige Brutnachweise der heimlich eignetsten Feuchtgebiete für Rallen, lebenden Sumpfhühner. Beim Tüpfel- wurde 2018 zum ersten Mal seit Jahren sumpfhuhn zählen wir jährlich etwa während der Brutzeit kein Wasser ab- 10–15 Reviere, beim Kleinen Sumpf- gelassen, wie das vorher zur Anpassung Literaturhinweis huhn fast jährlich etwa 1–4 Reviere an die Niederschläge getan worden Müller, C. (2019): Seltene und bemerkens- und beim Zwergsumpfhuhn nur jedes war. Dadurch blieb der Wasserstand werte Brutvögel 2018 in der Schweiz. zweite bis dritte Jahr 1–2 Reviere. 2018 hoch, und in den überschwemmten Ornithol. Beob. 116: 165–178. 30 25 20 Auftretensindex 15 10 5 0 1990 1995 2000 2005 2010 2015 Die Brutzeitpräsenz der Rohrweihe vom 31. Mai bis zum 3. August in der Schweiz war in den letzten drei Jahren überdurchschnittlich. 15
BRUTVÖGEL Brutvögel der Schweiz Bestandsentwicklung der 174 analysierten Brutvögel¹ der Schweiz im vollständigen Untersuchungszeitraum (normalerweise 1990–2018) und in den letzten zehn Jahren (2009–2018). Ein Trend +++ bedeutet eine Zunahme um mehr als Faktor 5, ein Trend ++ eine Zunahme zwischen Faktor 2 und 5 und ein Trend + eine Zunahme um weniger als Faktor 2. Das Zeichen • zeigt, dass keine statistisch signifikante Veränderung festgestellt wurde, was bei effektiv stabilen Populationen oder bei stark schwankenden Beständen der Fall ist. Ein Trend – beschreibt eine Abnahme um weniger als Faktor 2, ein Trend – – eine Ab- nahme zwischen Faktor 2 und 5 und ein Trend – – – eine Abnahme um mehr als Faktor 5. Die Bestandsangaben beziehen sich auf den Zeitraum 2013–2016 und stammen aus dem Schweizer Brutvogelatlas: = Männchen, BP = Brutpaare. Art Trend Trend Bestand Art Trend Trend Bestand 1990–2018 2009–2018 2013–2016 1990–2018 2009–2018 2013–2016 Wachtel • – 500–2000 Flussseeschwalbe ++ • 580–760 BP Steinhuhn –– ++ 2500–4500 BP Schleiereule – + 200–1000 BP Rebhuhn • ––– 5–10 BP Sperlingskauz • • 800–2000 BP Haselhuhn • • 3000–5500 BP Steinkauz ++ + 115–150 BP Alpenschneehuhn – • 12 000–18 000 BP Raufusskauz • • 1000–3000 BP Auerhuhn – + 360–470 Zwergohreule ++ • 30–40 BP Birkhuhn • + 12 000–16 000 Waldohreule³ + • 2000–3000 BP Eiderente • • 1–5 BP Waldkauz • • 6000–8000 BP Gänsesäger ++ + 600–800 BP Uhu • • 200–230 BP Kolbenente +++ + 210–300 BP Wespenbussard + • 500–1000 BP Tafelente • • 6–9 BP Bartgeier +++ +++ 9–15 BP Reiherente + • 160–280 BP Steinadler + • 350–360 BP Schnatterente ++ • 5–10 BP Sperber + • 3500–6000 BP Stockente • • 20 000–30 000 BP Habicht • + 1300–1700 BP Zwergtaucher – + 800–1300 BP Rotmilan +++ • 2800–3500 BP Haubentaucher – • 3500–5000 BP Schwarzmilan² • 2000–3000 BP Schwarzhalstaucher • +++ 3–4 BP Mäusebussard + • 15 000–20 000 BP Hohltaube + + 2000–4000 BP Wiedehopf + • 180–260 BP Ringeltaube ++ + 130 000–150 000 BP Bienenfresser +++ ++ 53–72 BP Turteltaube – – 150–400 BP Eisvogel + • 400–500 BP Türkentaube + • 15 000–25 000 BP Wendehals • + 1000–2500 BP Ziegenmelker – – 40–50 BP Grauspecht³ –– –– 300–700 BP Alpensegler ++ • 1800–2300 BP Grünspecht + • 10 000–17 000 BP Fahlsegler ++ • 29–36 BP Schwarzspecht ++ + 6000–9000 BP Mauersegler² • 40 000–60 000 BP Dreizehenspecht • + 1000–2500 BP Kuckuck • • 15 000–25 000 Mittelspecht ++ + 1700–2100 BP Wasserralle • + 500–800 BP Kleinspecht + + 1500–3000 BP Wachtelkönig ++ • 15–40 Buntspecht + • 70 000–90 000 BP Tüpfelsumpfhuhn • ++ 10–20 BP Turmfalke ++ + 5000–7500 BP Teichhuhn + + 1000–2000 BP Baumfalke + • 500–1000 BP Blässhuhn + • 5000–8000 BP Wanderfalke ++ • 260–320 BP Weissstorch ++ ++ 370–460 BP Pirol + • 3000–4500 BP Zwergdommel • • 90–120 BP Neuntöter –– • 10 000–15 000 BP Graureiher + + 1600–1800 BP Rotkopfwürger ––– • 0 BP Purpurreiher +++ +++ 6–17 BP Alpenkrähe ++ • 70–80 BP Kormoran +++ +++ 1200–2100 BP Alpendohle² • 11 000–21 000 BP Flussregenpfeifer • • 90–120 BP Eichelhäher + • 60 000–75 000 BP Kiebitz –– + 140–180 BP Elster ++ • 35 000–40 000 BP Grosser Brachvogel ––– • 0 BP Tannenhäher • • 20 000–25 000 BP Waldschnepfe – • 1000–4000 Dohle + + 1250–1500 BP Bekassine ––– • 0–1 BP Saatkrähe +++ ++ 5800–7300 BP Flussuferläufer • + 70–90 BP Kolkrabe + • 2000–3000 BP Lachmöwe –– • 560–800 BP Rabenkrähe ++ – 80 000–120 000 BP Schwarzkopfmöwe • • 0–5 BP Tannenmeise² • 400 000–600 000 BP Sturmmöwe • • 0–3 BP Haubenmeise + • 90 000–110 000 BP Mittelmeermöwe +++ + 1240–1430 BP Sumpfmeise + – 70 000–100 000 BP 16
BRUTVÖGEL Art Trend Trend Bestand Art Trend Trend Bestand 1990–2018 2009–2018 2013–2016 1990–2018 2009–2018 2013–2016 Mönchsmeise² • 70 000–95 000 BP Blaukehlchen ++ • 5–12 BP Blaumeise ++ • 200 000–300 000 BP Nachtigall + • 1700–2200 BP Kohlmeise + • 400 000–550 000 BP Trauerschnäpper² • 17 000–22 000 BP Heidelerche • • 250–300 BP Hausrotschwanz + • 300 000–400 000 BP Feldlerche – • 25 000–30 000 BP Gartenrotschwanz • • 12 000–18 000 BP Bartmeise + ++ 80–110 BP Steinrötel – + 2000–3000 BP Orpheusspötter + + 300–350 BP Blaumerle • • 15–25 BP Gelbspötter –– • 100–150 BP Braunkehlchen –– • 7000–9000 BP Sumpfrohrsänger • • 3000–6000 BP Schwarzkehlchen + + 1500–2000 BP Teichrohrsänger • • 9000–11000 BP Steinschmätzer + • 40 000–60 000 BP Drosselrohrsänger + ++ 270–320 BP Wintergoldhähnchen + • 200 000–400 000 BP Rohrschwirl + • 280–310 BP Sommergoldhähnchen • ++ 250 000–400 000 BP Feldschwirl + • 150–250 BP Alpenbraunelle • • 25 000–40 000 BP Mehlschwalbe – • 70 000–90 000 BP Heckenbraunelle + • 200 000–250 000 BP Rauchschwalbe • + 70 000–90 000 BP Haussperling + + 450 000–550 000 BP Felsenschwalbe + + 7000–9000 BP Feldsperling + • 80 000–95 000 BP Uferschwalbe – + 2300–3000 BP Schneesperling – • 6000–9000 BP Berglaubsänger ++ • 40 000–60 000 BP Baumpieper – • 50 000–70000 BP Waldlaubsänger –– • 5000–7500 BP Wiesenpieper –– • 500–800 BP Fitis –– – 4000–5000 BP Bergpieper • + 150 000–200 000 BP Zilpzalp + • 250 000–300 000 BP Schafstelze + • 300–340 BP Schwanzmeise + • 20 000–35 000 BP Gebirgsstelze • • 17 000–20 000 BP Mönchsgrasmücke + • 700 000–800 000 BP Bachstelze – – 90 000–110 000 BP Gartengrasmücke – – 35 000–50 000 BP Buchfink + • 900 000–1 100 000 BP Sperbergrasmücke ––– ––– 0–5 BP Kernbeisser • • 13 000–17 000 BP Klappergrasmücke • • 17 000–23 000 BP Karmingimpel • • 50–70 BP Dorngrasmücke + • 1800–2500 BP Gimpel – • 40 000–75 000 BP Gartenbaumläufer + • 45 000–55 000 BP Grünfink – – 90 000–120 000 BP Waldbaumläufer ++ • 75 000–100 000 BP Bluthänfling • + 25 000–30 000 BP Kleiber – • 110 000–170 000 BP Birkenzeisig • • 15 000–20 000 BP Mauerläufer – • 1000–2500 BP Fichtenkreuzschnabel ++ • 25 000–35 000 BP Zaunkönig + • 400 000–550 000 BP Stieglitz – + 50 000–70 000 BP Wasseramsel + • 6000–8000 BP Zitronenzeisig – • 10 000–20 000 BP Star • + 120 000–140 000 BP Girlitz – • 35 000–45 000 BP Misteldrossel + • 130 000–150 000 BP Erlenzeisig² • 10 000–16 000 BP Singdrossel + + 300 000–350 000 BP Grauammer – • 80–110 BP Amsel + + 500 000–700 000 BP Zippammer + • 7000–10 000 BP Wacholderdrossel – • 40 000–45 000 BP Ortolan ––– ––– 1–5 BP Ringdrossel – • 50 000–75 000 BP Zaunammer + • 1000–1500 BP Grauschnäpper – • 35 000–55 000 BP Goldammer • – 65 000–75 000 BP Rotkehlchen + • 450 000–650 000 BP Rohrammer – • 1700–3000 BP 1 Eingeschlossen sind jene Arten, welche seit 1990 mindestens einmal zu den regelmässigen Brutvögeln gezählt haben (d.h. sie haben in 9 von 10 aufeinanderfolgenden Jahren gebrütet). Ohne eingeführte Ar- Weitere Informationen ten (z.B. Höckerschwan, Rostgans, Jagdfasan) sind dies 177 Arten. Für Weissrückenspecht, Halsband- www.vogelwarte.ch/zustand/brut schnäpper und Italiensperling kann wegen fehlender Daten keine Einschätzung vorgenommen werden. 2 Untersuchungszeitraum 1999–2018 3 Untersuchungszeitraum 1996–2018 Literaturhinweis Knaus, P., S. Antoniazza, S. Wechsler, J. Gué- lat, M. Kéry, N. Strebel & T. Sattler (2018): Unregelmässig und ausnahmsweise brütende Arten Schweizer Brutvogelatlas 2013–2016. Ver- breitung und Bestandsentwicklung der Vö- Seit 2000 haben weitere 28 Arten unregelmässig oder nur ausnahmsweise in gel in der Schweiz und im Fürstentum Liech- der Schweiz gebrütet. Deren Brutvorkommen werden möglichst lückenlos do- tenstein. Schweizerische Vogelwarte, kumentiert (Tabelle im Internet unter «Weiterführende Analysen» verfügbar). Sempach. 17
DURCHZÜGLER Eine Jahrhundertinvasion West- und Mitteleuropa haben im Frühling 2018 einen spektakulären Ein- Land Anzahl Individuen Land Anzahl Individuen flug von Rosenstaren erlebt. Diese ge- Ungarn 10 000 Norwegen 19 sellige und unstete Art stammt aus den Italien 2500 Niederlande 15 Steppen und Halbwüsten Zentralasiens Frankreich > 2000 Irland >10 Schweiz > 155 Polen 9 und überwintert in Indien, ist aber für Grossbritannien 150 Finnland 8 gelegentliche Invasionen ausserhalb Österreich 135 Belgien 5 ihres normalen Areals bekannt. Die Spanien 79 Estland 3 Schweiz wird dabei allerdings kaum je Slowakei 65 Island 1 Schweden > 20 Kapverden 1 erreicht. Die 48 bis 2017 registrierten Dänemark 20 Litauen 1 Nachweise betrafen meist Einzeltiere Deutschland 20 und nur selten 2–3 Vögel zusammen. Die Invasion des Rosenstars fand vor allem im südlichen Westeuropa statt, wie die geschätzten Einzig bei der Invasion von 1875 gab Gesamtzahlen pro Land zwischen Mitte Mai und Ende Juni 2018 zeigen. es am 5. Juni in Luzern einmal einen Schwarm von 15–20 Rosenstaren. Der Vorstoss Richtung Westen Die Invasion 2018 fand zwischen Mitte Mai und Ende Juni statt. Rund 10 000 Vögel wurden dabei in Ungarn und mehrere Tausend Brutpaare in Bulgarien, Rumänien und auf der Krim registriert. Der Hauptvorstoss nach Westen erfolgte vom 23. Mai bis zum 7. Juni südlich der Alpen über Mittel- und Norditalien sowie Südfrankreich. Auf der Weiterreise nach Westen erreichten die Vögel ins- besondere Spanien und Grossbritannien. Kurzer, starker Zug durch die Schweiz In der Schweiz wurde der Vorstoss zwischen dem 21. Mai und dem 7. Juni Der Einflug des Rosenstars 2018 war in der südlichen Hälfte der Schweiz besonders stark. Die Punkte geben die Höchstzahl der Vögel pro Ort an: weiss = 1–2 Ind., gelb = 3–9 Ind., Schweizerische Avifaunistische orange = 10–14 Ind., rot = 15–20 Ind. Kommission Die Schweizerische Avifaunistische Kom- mission (SAK) ist eine unabhängige Experten- festgestellt. Nach zwei Einzelvögeln am 1. Juni und im Mittelland am 7. Juni. gruppe. Ihre Hauptaufgabe ist es zu prüfen, in Graubünden trat am 25. Mai ein Einen Nachzügler gab es im Engadin am ob die Meldungen ungewöhnlicher Vogel- erster Trupp von 6 Tieren im Tessin auf. 14. Juli. Die von der Schweizerischen beobachtungen aus der Schweiz ausreichend dokumentiert sind, um in die wissenschaft- Am selben Tag erschienen die ersten Avifaunistischen Kommission an- liche Literatur aufgenommen zu werden. Dies Rosenstare auf der Alpennordseite im erkannten 155 Individuen sind als gilt für Nachweise von generell selten in der östlichen Mittelland, tags darauf im Minimum anzusehen, denn es ist un- Schweiz auftretenden Arten wie dem Rosen- Wallis und im Genferseegebiet. Am möglich zu entscheiden, ob es sich star oder dem Zwergsumpfhuhn. Es betrifft aber auch Nachweise von häufigeren Arten, 26. Mai erreichten die Truppgrössen bei mehrere Tage an einem Ort an- die räumlich oder zeitlich aus dem Rahmen mit 20 im Wallis und 13 im Tessin wesenden Vögeln immer um dieselben fallen, oder von Arten, die erstmals in der bereits den Höchststand. Der Durch- Individuen handelte. Schweiz brüten. Die SAK publiziert jedes Jahr einen deutsch- zug gipfelte am 27. Mai mit Nach- sprachigen Bericht in «Der Ornithologische weisen von mindestens 17 Orten, vor Beobachter» und einen französischen Bericht allem in der Südhälfte des Landes. Die Weitere Informationen in «Nos Oiseaux». Zahl der Vögel nahm danach ab; der www.vogelwarte.ch/sak letzte Nachweis gelang in den Alpen 18
60 50 Anzahl Individuen 40 30 20 10 0 21.5. 23.5. 25.5. 27.5. 29.5. 31.5. 2.6. 4.6. 6.6. Der Durchzug des Rosenstars 2018 war auf den Südteil der Schweiz konzentriert, wie die Tagestotale der vom 21. Mai bis zum 7. Juni in den Kantonen Wallis, Tessin und Graubünden (rot) sowie in der übrigen Schweiz (blau) nachgewiesenen Vögel zeigen.
Die Beutelmeise ist ein spärlicher Durchzügler und brütet nur selten bei uns. Auffällig sind ihre feinen, durchdringenden, leicht melancholischen Rufe. Zum Zuggeschehen Im Winter 2017/18 gab es im Ge- Alpenraum auch Alpenbraunellen Schweiz wieder einmal so weit. Unter birge grosse Schneemengen, die den und Schneesperlinge im Talgrund an- den dabei beobachteten Vögeln be- Zugang zur Nahrung für alpine Arten treffen. Schneesperlinge erreichten fanden sich mehrere mit Merkmalen so stark einschränkten, dass diese von dabei sogar die tiefstgelegenen des nordischen «Taigabirkenzeisigs» den Berggipfeln in tiefere Lagen aus- Gegenden der Schweiz in der (Unterart Acanthis f. flammea). weichen mussten. Steinhühner er- Magadinoebene TI. Das war in den 30 schienen dadurch am Fuss der Walliser Jahren zuvor nur zweimal geschehen, Zugstau und frühe Rückkehrer Südhänge auf nur 540 m und an ge- nämlich 1992 und 2009. Birken- Nach einem eher kühlen März ging wissen Orten auch im Tessin und in zeisige unternehmen in gewissen der Frühling 2018 sehr mild weiter. Graubünden auf 650 m. Ab Mitte Jahren invasionsartige Wanderungen. Die Apriltemperaturen übertrafen Dezember konnte man im ganzen Im Winter 2017/18 war es in der den langjährigen Mittelwert um fast März April Mai Juni Juli 80 70 2018 60 ø 2008–2017 Auftretensindex 50 40 30 20 10 0 11 14 17 20 23 26 29 32 35 38 41 44 Pentaden Der Drosselrohrsänger brütet in grossen Schilfbeständen der Tieflagen. Auf dem Zug kann man ihn aber in der ganzen Schweiz antreffen. Seine Rückkehr gipfelt im Mai. 2018 erschienen die ersten Drosselrohrsänger eher früher als normal. 20
DURCHZÜGLER 4 °C. Schneefälle bis in tiefe Lagen März April Mai Juni Juli hinderten um den 18. März viele 90 Zugvögel am Weiterflug. So mussten 80 2018 Goldregenpfeifer in ungewöhnlicher 70 ø 2008–2017 Zahl Zwangspausen einlegen, was Auftretensindex 60 in der Nordschweiz zur Entdeckung 50 einiger Trupps mit über 50 Vögeln 40 führte. Die grösste Ansammlung umfasste 319 Vögel am 19. März 30 bei Möhlin AG, eine neue Rekord- 20 zahl für die Schweiz. Auch Herings- 10 möwen wurden in aussergewöhn- 0 licher Zahl aufgehalten. Maximal 11 14 17 20 23 26 29 32 35 38 41 44 rasteten 218 Vögel am 17. März Pentaden bei Yverdon VD, was ebenfalls einen Der Frühlingszug der Beutelmeise erreicht den Höhepunkt normaler- neuen Höchstwert darstellt. Andere weise zwischen Ende März und Mitte April. 2018 gab es aber kaum Märzrückkehrer wie die Mönchsgras- Märzbeobachtungen. mücke oder die Beutelmeise gerieten zeitlich in Rückstand. Demgegen- über profitierten einzelne später ein- in Frankreich erscheinen beide Arten Ufer- und Pfuhlschnepfe sowie Grün- treffende Langstreckenzieher vom immer regelmässiger in der Schweiz. und Rotschenkel. Darüber hinaus gab guten Frühlingswetter und kehrten Die endlose Hitzewelle sorgte es 2018 eine sehr reichliche Samen- früher als normal zurück. Das gilt etwa auch für einen sehr niedrigen mast bei verschiedenen Baumarten, für die Nachtigall, den Drosselrohr- Wasserstand der Seen, wodurch vor und auch diverse Sträucher zeigten sänger oder die Klappergrasmücke. allem am Bodensee grosse und für enormen Beerenbehang. Davon Limikolen attraktive Schlickflächen profitierten Fichtenkreuzschnabel Andauernde Hitze und freigelegt wurden. Den bis spät in und Erlenzeisig, aber auch Rot- und Trockenheit den Herbst hinein üppig gedeckten Wacholderdrossel. Im Winter be- Der Herbst 2018 war der drittwärmste Tisch schätzten speziell die Alpen- standen knapp ausserhalb der Schweiz der Schweiz. Das führte dazu, dass strandläufer, die sich am Bodensee bei Vendlincourt JU und unweit von sich der traditionelle Sommerauf- längere Zeit in Trupps mit bis zu 300 Schaffhausen zwei grosse Bergfinken- enthalt der Gänsegeier in den west- Vögeln aufhielten. Vermutlich eben- schlafplätze mit je mehreren Millionen lichen Voralpen und Alpen erstmals falls wegen der tiefen Wasserstände Vögeln. bis Mitte Oktober verlängerte. Nach- harrten einige Arten an diversen weise von Mönchsgeiern waren viel Orten länger aus als gewöhnlich, etwa zahlreicher als in den Vorjahren und Kiebitz- und Sandregenpfeifer. Andere betrafen bis zu drei Vögel gleich- versuchten, teils sogar erfolgreich, in Weitere Informationen zeitig. Aufgrund der erfolgreichen diesen Gebieten zu überwintern. Dazu www.vogelwarte.ch/zustand/zug Wiedereinbürgerungsmassnahmen gehören Austernfischer, Kampfläufer, Die Häufigkeit des Birkenzeisigs kann sich von Winter zu Winter stark unterscheiden, wie die Beobachtungsorte in den Wintern 2016/17 (links) und 2017/18 (rechts) zeigen. Die Punkte geben die Höchstzahl der Vögel pro km² zwischen dem 1. Dezember und dem 15. Februar an: weiss = 1–2 Ind., gelb = 3–10 Ind., orange = 11–20 Ind., rot = 21–70 Ind. 21
DURCHZÜGLER EuroBirdPortal (EBP) – nun nahezu in Echtzeit Das EuroBirdPortal (EBP) geht auf European Bird Census Council (EBCC) eine Idee zurück, die 2012 in der und mit britischen (BTO), belgischen Das EuroBirdPortal in Zahlen internationalen Steuerungsgruppe (NATAGORA) und niederländischen Partnerorganisationen 81 der ornitho-Familie aufkam. Sie be- Partnern (SOVON) liess sich in den Angeschlossene Länder 29 Beteiligte Online-Portale 19 absichtigte die Daten, die in den zahl- letzten drei Jahren ein EU-LIFE-Projekt Aktive Melderinnen und Melder 120 000 reichen nationalen und regionalen umsetzen. Dieses wurde Ende 2018 Meldungen pro Jahr 45 Mio. Meldeportalen quer durch Europa erfolgreich abgeschlossen. Es be- Nachweise insgesamt 320 Mio. erfasst werden, in einer neu aufzu- zweckte u.a. die Einführung eines ein- Zurzeit im Viewer enthaltene Vogelarten 105 bauenden europäischen Datenbank heitlichen Austauschformats, die Auto- Kosten des LIFE-Projekts 580 000 Fr. zusammenzuziehen. Erstes Ziel dabei matisierung des Datentransfers, den war, den Ornithologinnen und Natur- Aufbau einer zentralen Datenbank und freunden eine Übersicht zu bieten, den Wissenstransfer zu Portalen, die um das räumliche und zeitliche Auf- noch wenig etabliert waren. Zukunft unklar, aber viel Potenzial treten der Vögel in Europa zeitnah Wünschbar wären eine Ausweitung auf mitzuverfolgen. Zweites Ziel war, mit April 2019 – EBP wird «live» alle Vogelarten, eine Verdichtung des der Datenbank die Voraussetzung für Im April 2019 konnte die Live-Version Beobachtungsnetzes in östlichen und kontinentweite Analysen zu schaffen. des neuen Viewers der Öffentlichkeit südlichen Ländern, die vollständige Und drittens wurde angestrebt, die vorgestellt werden. Aktuell fliessen Automatisierung des Datentransfers Wertschätzung gegenüber den Daten- 99,2 % der über die Online-Portale und der Aufbau eines Redaktionsteams. banken und deren grosser Arbeit zu gesammelten Nachweise von 105 Auch gibt es viele praktische An- erhöhen. Vogelarten – im Schnitt 120 000 pro wendungen, so etwa eine Kombination Die Vogelwarte unterstützte den Tag – jede Nacht automatisch in die mit Wetterradar für Vorhersagen. Noch Aufbau des EBP von Beginn weg EBP-Datenbank ein. Dabei handelt sind indes Fortbestand und Weiter- finanziell und mit ihrem Know-how. es sich um Daten, die für Zellen von entwicklung des EBP nicht gesichert, Der Anfang war schwierig, denn jede 30 × 30 km Grösse zusammengefasst weil die nötigen Finanzen dazu fehlen. der Datenbanken hatte ihre eigene sind. Die einzelnen Melder müssen also Struktur – nix von europäischer Ein- nicht fürchten, dass ihre Nachweise als heit! Unter der Federführung des hochpräzise Rohdaten verbreitet und Weitere Informationen Katalanischen Institut für Ornitho- deren Weiterverwendung völlig un- www.eurobirdportal.org/swi logie (ICO), der Schirmherrschaft des kontrolliert erfolgen würde. Im EuroBirdPortal lässt sich die Ankunft der Zugvögel in Europa mitverfolgen. Die Phänologie zweier Arten oder das Eintreffen derselben Art in zwei verschiedenen Jahren kann nebeneinander verglichen werden. So ist die Rauchschwalbe (links) in der letzten Märzwoche in Süd- und Mitteleuropa schon weit verbreitet, der Mauersegler (rechts) hingegen trifft erst gerade in den südlichsten Gebieten und in Westfrankreich ein. 22
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