Wahl-O-Mat: Abschaltung: Gebt daran doch nicht Volt die Schuld! - Volksverpetzer

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Wahl-O-Mat: Abschaltung: Gebt
daran doch nicht Volt die
Schuld!

Was ist passiert?
Der Reihe nach. Wie manche vielleicht schon mitbekommen haben,
wurde der Wahl-O-Mat kurz vor der Europawahl abgeschaltet. Der
Grund ist, dass eine neue Kleinstpartei dagegen geklagt hat.
So erzählen das zumindest die Schlagzeilen vieler Medien.
Manchmal ist auch die Rede davon, dass der Wahl-O-Mat
„verboten“ worden oder so. Das ist zwar alles irgendwie
richtig, erweckt doch völlig falsche Bilder. Doch auch die
Artikel hinter den Schlagzeilen sind oftmals nicht so
informativ, wie ich mir das gewünscht hätte.

Denn: Es klingt so, als hätte die Partei den Wahl-O-Mat, den
viele gerne nutzen, mich eingeschlossen, abschalten wollen.
Aber das ist stimmt gar nicht. Dennoch sehe ich viel Unmut,
manche hören zum ersten Mal von dieser Partei, zu der ich am
Ende noch etwas erzählen werde, und sind gleich irritiert und
verärgert. Einige vermuten reflexhaft dahinter gar eine
destruktive „neoliberale Institution“. Doch der Grund für die
Klage und auch was Volt wirklich wollten macht vollkommen
Sinn.
Warum Volt geklagt hat

Der Grund ist einfach: Volt war der Ansicht, dass man im Wahl-
O-Mat seine Auswahl nur mit bis zu 8 Parteien vergleichen
kann, würde kleineren Parteien schaden. Denn wer wissen will,
wie die anderen Parteien zu ihm oder ihr steht, der wählt
meistens die im Bundestag vertretenen Parteien aus und hat
dann halt schon sein oder Kontingent fast aufgebraucht. Bei
über 40 angebotenen Parteien zur Europawahl kriegt niemand
eine neue Kleinstpartei mit, für die man ganz nach unten
scrollen müsste – wie zum Beispiel Volt.

Und in der Tat habe ich mich persönlich auch schon darüber
geärgert. Und klar, theoretisch gibt es die Möglichkeit,
zurück zu gehen und seine Antwort zu ändern, aber es ist
umständlich, unübersichtlich und nervig. Ich hätte ohne einen
Tipp eines Bekannten gerade Volt nicht in meine kleine Auswahl
aufgenommen und hätte nicht zu meiner Überraschung
festgestellt, dass ich die zweithöchste Übereinstimmung von
allen Parteien mit ihr hatte. Und ich glaube ich kaum, dass
sich viele andere Menschen die Mühe geben, den Wahl-O-Mat
mehrmals auszutesten, besonders für Parteien, von denen sie
vielleicht noch nie zuvor gehört haben. Das sah Amtsgericht
Köln auch so. Und hat Volt nach einem Eilantrag Recht gegeben.
Auch Rechtsexperten stimmen dieser Einschätzung zu (Quelle).

Volt hatte übrigens zuvor die Bundeszentrale für politische
Bildung (BpB) direkt angefragt und seine Beschwerde
vorgetragen – wurde jedoch ignoriert. Und sah sich erst dann
gezwungen, vor Gericht zu gehen. Aber Volt hat nicht darum
geklagt, dass der Wahl-O-Mat abgeschaltet wird! Das hat die
BpB als Reaktion auf das Urteil selbst gemacht. Das Gericht
hat entschieden, dass auch alle bis zu 40 Parteien anzeigbar
sein müssen, weil alles andere sonst unfair wäre. Und Volt hat
auch explizit gesagt, dass sie möchten, dass der Wahl-O-Mat
weiterhin nutzbar sein wird. Nur halt mit dieser Mini-
Änderung.

Überzogene Abschaltung
Natürlich darf nach Gerichtsurteil der Wahl-O-Mat in seiner
derzeitigen Form nicht weiter betrieben werden (Was auf der
Wahl-o-Mat-Seite verkürzt dargestellt steht!). Aber es reicht
doch nur eine minimalste Änderung, um das Problem, wogegen
Volt geklagt hat, zu richten. Wie Volt auf ihrer Facebook-
Seite berichtet, müsste man doch nur umstellen, dass man statt
bis zu maximal 8 eben alle Parteien auswählen könnte. Das
würde buchstäblich nur eine Änderung einer Zeile im Code des
Wahl-O-Mats bedeuteten (Mehr dazu).

 Wir haben uns angeschaut, wie der Wahl-O-Mat gerechter
 gemacht werden kann. Dafür müsste die Bundeszentrale für…

 Gepostet von Volt Deutschland am Dienstag, 21. Mai 2019

Es besteht also gar keinen Grund, dass das BpB ihn
abgeschaltet hat. Das scheint daher eher wie eine erstaunlich
kindische Trotzreaktion zu wirken. Das BpB verteidigt nämlich
die Entscheidung zur Auswahl von nur maximal 8 Parteien, weil
sie der Ansicht sind, dass sie die Nutzer*innen eben selbst
auswählen sollen, welche Parteien für sie in Frage kommen. Und
nicht, dass der Wahl-O-Mat quasi „automatisch“ ausspuckt, wen
sie wählen sollen. Und das ist ja auch ein guter Einwand.

Aber dennoch sollte man doch die Möglichkeit haben, wenn man
das möchte, alle 40 Parteien einsehen zu können. Oder
zumindest doch mehr als nur acht. Ich selbst hätte mir bereits
öfter vielleicht eine Auswahl von 12 oder so gewünscht, um
alle potentiellen Kandidaten abzudecken (und ein paar Nazi-
Parteien, so zum Spaß). Also: Volt hat eine sinnvolle Anfrage
gestellt. Wer nur 8 Parteien vergleichen möchte, wird das ja
immer noch können. Und die Änderung wäre nach nur ein paar
Mausklicks durchgeführt. Aber nein, die BpB schaltet ihn
anscheinend trotzig ganz ab und legt Einspruch gegen das
Urteil ein.

Gebt nicht Volt die Schuld!
Wie gesagt, Volt war bei mir beim Wahl-O-Mat sogar auf dem
zweiten Platz und hat überraschend viel Übereinstimmung mit
meinen Ansichten. Sie sind eine dezidierte paneuropäische
Partei Pro-Europa, gegen Rechtspopulismus, progressiv und
grün. Das soll keine Wahlempfehlung sein, ich war nur positiv
überrascht und sie ist definitiv eine Überlegung wert, für
diejenigen, die das anspricht. Aber dass es den geliebten
Wahl-O-Mat jetzt nicht mehr gibt, ist nicht ihre Schuld.

Und es ärgert mich, dass eine völlig unnötige Abschaltung
seitens der BpB jetzt (auch aufgrund medial induzierter
Kurzschlussreaktionen) der jungen Partei in die Schuhe
geschoben wird. Volt hat eine absolut nachvollziehbare Anfrage
gestellt. Die gerichtlich angeordnete Umsetzung ist ein
Kinderspiel. Der Grund für die Abschaltung liegt also alleine
bei der BpB, die lieber Einspruch einlegt. Hier gibt’s mehr
zur Partei Volt, wer interessiert ist.

Update: Wahl-O-mat wieder online
Dass es Volt nicht um die Abschaltung des Wahl-O-Mats ging,
sieht man auch daran, dass sie sich jetzt mit der BpB
außergerichtlich auf einen Kompromiss geeinigt haben: Bis zum
Sonntag bleibt das Portal, so wie es ist, dafür implementiert
die BpB die Änderungen in zukünftigen Wahlen zu
berücksichtigen (Quelle). Also, passt doch alles!

Artikelbild: Screenshot wahl-o-mat.de

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