WANDELBAR 01 /20 - LERNLANDSCHAFT
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01 /20 FEBRUAR ∙ MÄRZ ∙ APRIL 2020 Das Magazin für lebenslanges Lernen E R D R U C K SOND WANDELBAR Wie sich Lernräume verändern Die vollständige Ausgabe lesen und didacta abonnieren auf: www.didacta-magazin.de 1/2020 didacta-magazin.de U1
Schule Raum auf den Lehrer mit Pult, Tafel und Wasch- sollen. Aber wenn die Pädagogen als Nutzer becken ausgerichtet wäre. der Gebäude nicht in den Planungsprozess mit einbezogen werden, dienen solche Teamräume Das heißt, die Ausstattung muss sich ändern? am Ende nur als Materialdepots. Wenn wir es Ja, ebenso wie die Schulorganisation. Ein Bei- jetzt nicht schaffen, Pädagogik, Architektur und spiel: Engagierte Lehrer versuchen, durch das Ausstattung zu verknüpfen, werden viele teure Verrücken von Stühlen und Tischen Gruppen- Investitionen keinen Nutzen für unsere Kinder arbeiten oder Präsentationen zu unterstützen. haben. Aber die Möbel sind sehr schwer. Zudem gibt es in den Klassenräumen keine geordneten Wie muss denn ein solcher Beteiligungspro- Plätze für Schultaschen, sodass diese neben zess aussehen? den Tischen stehen. Ebenso Jacken und Fahr- Ganz am Anfang, noch vor dem eigentlichen radhelme, denn die dürfen wegen Brandschutz Planungsprozess, steht eine Workshop-Phase, nicht im Flur hängen. Ich verstehe jeden Lehrer, in denen Lehrkräfte gemeinsam klar ihre Bedarfe Offen gestaltete Räume, die die klassischen Klassenräume auflösen, ermöglichen vielfältiges, fächerübergreifendes Lernen. Wichtig ist es, die Lehrkräfte bei der Planung solcher Raumkonzepte einzubeziehen. der es sich unter diesen Umständen zweimal formulieren. Die Rolle des Kollegiums ist nicht, überlegt, den Raum für andere Unterrichtsfor- die Schule zu planen. Aber es hat die Verant- men extra umzustellen – und am Ende alles wortung, zu beschreiben, wo die Schule steht, wieder umzuräumen. Allein die Zeit, die dafür wo sie hinwill und wie Bau und Ausstattung verstreicht, ist ein Hindernis, denn die Schulen dabei helfen können. Vielen Kollegen fällt das „Wir müssen Pädagogik, Architektur funktionieren ja im 45-Minuten-Takt. Es bringt als Formulieren solcher Bedarfe schwer, weil oft Lösung für diese Probleme auch nichts, einfach KO-Kriterien kommen. Aber den Bedarf zu klären unter alle Schulmöbel Rollen zu machen. Das ist unerlässlich – auch aus finanziellen Gründen. Problem muss ganzheitlich angegangen werden. Deswegen müssen solche Maßnahmen Ergeb- Inwiefern? und Ausstattung verknüpfen“ nis eines Schulentwicklungsprozesses sein. Wenn in so einem Planungsprozess viel zu spät – wenn alle wichtigen Entscheidungen Was ist dabei wichtig? schon getroffen sind – berechtigte Bedarfe Es gibt mittlerweile viele Fortbildungsveran- angemeldet werden, verteuern sich öffentli- staltungen für Architekten, Hochbauämter und che Bauten durch Nachtragsangebote enorm. Planer, in denen die Notwendigkeit Raum- und Auftragnehmer wissen das auch und kalkulieren Schulen können Herausforderungen wie Inklusion, Heterogenität oder Ganztag nur Austattungskonzepte vermittelt wird. Hier bei den ersten Angeboten knapp, weil sie das nähern wir uns einem Scheidepunkt, denn eigentliche Geld mit den Nachbesserungen verdie- meistern, wenn die Lernräume darauf ausgerichtet sind. Expertin Karin Doberer erklärt, es gibt immer mehr Schulräume, die modern nen, die anfallen, weil der Kunde nicht weiß, was warum das nur funktioniert, wenn man alle Beteiligten in die Planung einbezieht. und flexibel gestaltet sind. Aber das bringt gar er will. Es besteht ein finanzieller Anreiz, die Leh- nichts, wenn im Vorfeld kein Beteiligungsprozess rerseite von Anfang an einzubeziehen. Das schafft stattgefunden hat, bei dem die Lehrkräfte ihre Kostensicherheit, denn umso genauer kann der Interview Vincent Hochhausen Erwartungen und Bedarfe formulieren. Es ist Auftrag ausgeschrieben werden. ein Wahnsinn, wenn Kolleginnen und Kollegen mit einem traditionellen Bild von Unterricht im Wer sollte sich noch engagieren neben den Kopf in ein solches Schulhaus einziehen. Wir Lehrkräften? stellen mit Erschrecken fest, wie viele Milliarden Wer e inbezogen wird, kann von Pro Karin Doberer Karin Doberer: Lehrkräften ist durchaus bewusst, in den letzten Jahren in neue Gebäude inves- jekt zu Projekt vari i eren. Schule ist kein ist Geschäftsführerin von dass es wenig erfolgreich ist, allen Schülern zur tiert wurden, in denen Lehrkräfte jetzt anfan- abgeschlossener Komplex, sondern Teil der Gesell- „LernLandSchaft“. Das Unternehmen ist auf die Begleitung von gleichen Zeit mit gleichen Mitteln das Gleiche gen, Sichtverbindungen zuzukleben, Türen zu schaft. Sie ist nicht nur für die Bildung wichtig, Schulbauprojekten spezialisiert. beizubringen. In den Schulen wird experimen- gemeinsamen Lerninseln zu schließen und in sondern auch für die Demokratie. Es gibt viele tiert, zum Beispiel mit Gruppenarbeiten. Solche der Denkweise „Ich und meine Klasse“ oder Möglichkeiten, auch andere Gruppen einzubezie- Experimente werden oft abgebrochen, weil der noch schlimmer „Ich und mein Fach“ verhar- hen, etwa ältere Menschen. Die Teilnehmer der Raum diese Methoden nicht unterstützt – weder ren, anstatt das Potenzial der Räume voll aus- Workshops geben die Rückmeldung, dass man akustisch noch organisatorisch. Der Lärmpegel zuschöpfen. noch die Angestellten der Stadtbücherei oder von Gruppenarbeit in einem Raum, der auf Fron- Personal aus der musikalischen Früherziehung talunterricht ausgerichtet ist, schaukelt sich derart Können Sie ein konkretes Beispiel nennen? einbeziehen müsste. hoch, dass man das schnell wieder bleiben lässt. Bisher konnte in Schulen kaum kollegiales Feed- Fotos: Lernlandschaften didacta: Die Schülerschaft wird immer hete- So etwas liegt selten an der Disziplinlosigkeit back zwischen den Lehrkräften stattfinden, es Welche Grenzen sind den Überlegungen der rogener, die Aufgaben immer differenzierter. der Schüler, sondern am Raum. Besser wäre es, gab dafür zu wenig Zeit und Raum. Daher gibt Beteiligten im Vorfeld gesetzt? Wie sollte sich das in den Unterrichtsräumen wenn die Frontalposition des Lehrers im Unter- es in vielen neuen Gebäuden Teamräume, die Es gibt einige Gelingensbedingungen für widerspiegeln? richt aufgelöst wäre – wenn nicht der gesamte dieses kollegiale Zusammenspiel erleichtern Schulbauprojekte, die unerlässlich sind. Dazu 2 didacta-magazin.de 1/2020
Voraussetzung für die flexible Nutzung von Unterrichtsräumen ist, dass genügend Stauraum für Jacken, Taschen und Fahrradhelme eingeplant ist. gehören die Akustik oder bestimmte Ordnungs- Schule – auch wegen der zunehmenden Hete- prinzipien bei der Ausstattung. In der Politik rogenität der Schüler – gibt, den Wunsch nach nennt man diesen Beteiligungsprozess vor einem eigenen Raum. Das ist aber unrealis- Planungsstart „Leistungsphase Null“, die vor tisch. Deshalb muss man kontinuierlich auf den klassischen Leistungsphasen 1 bis 9, also solche Abwägungen hinweisen und sagen: der Umsetzung des Projektes, steht. Leider ist Wir haben euren Bedarf verstanden. Aber nicht diese Leistungsphase Null in der Praxis oft ein- jede Funktion braucht einen eigenen Raum. Im fach eine erweiterte Grundlagenermittlung der Idealfall erarbeiten die Beteiligten im Vorfeld ein zuständigen Architekturbüros, die dann sagen pädagogisches Raumfunktionsbuch, in dem die können: „Wir haben euch doch gefragt!“. Es Bedarfe festgelegt sind. Dieses Raumfunktions- geht nicht darum, abzufragen, was die Lehrer buch dient dann den Architekten als Grundlage. sich wünschen, damit diese ihre Briefe an den Weihnachtsmann abgeben. Denn die Leute, die Was muss bei der Planung von Schulgebäu- aus diesen Wunschzetteln auswählen, wissen den in Hinsicht auf den Ganztag beachtet nicht, was konzeptionell dahinter steht. Und am werden? Ende ist dann der Frust noch größer, weil die Wir empfehlen den Beteiligten, sich Gedanken Pädagogen Zeit und Mühe in ihre Überlegungen darüber zu machen, wie die Nutzung aussehen investiert haben und enttäuscht werden. muss. Denn einerseits ist es verrückt, neben eine Schule einen Hort zu bauen, in dem die Wie kann das vermieden werden? Es lässt gleichen Kinder sich nachmittags aufhalten. sich ja nicht alles umsetzen. Andererseits bedeutet multifunktionale Raum- Wir wollen einen kontinuierlichen Abgleich, nutzung auch, dass es zu Revierkämpfen kom- ob das, was architektonisch passiert, im men kann. Deswegen muss von Anfang an Einklang mit den formulierten Bedarfen ist. herausgearbeitet werden, wo die Kernbereiche Nur so kann der berechtigte Frust mancher der schulischen Nutzung sind, wo die Nutzung Lehrerinnen und Lehrer vermieden werden. am Nachmittag stattfinden kann und wo Poten- Wir nennen das bei uns „Leistungsphase zial für Nutzungsszenarien ist, die zwischen Plus“. formaler und non-formaler Bildung liegen. Je Fotos: Lernlandschaften genauer man beschreibt, welche Funktionen Wie sieht dieser Abgleich in der Praxis aus? in eine Lernlandschaft gehören, desto weniger Nehmen Sie die Raumanzahl. In den Wunsch- Fläche geht durch nicht nutzbare Flächen wie listen finden wir für Aufgaben, die es an der Flure verloren. 4 didacta-magazin.de 1/2020
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