Nachholbildung für Erwachsene - Interview mit Kathrin Conrad-Vogt
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Nachholbildung für Erwachsene - Interview mit Kathrin Conrad-Vogt Kathrin Conrad-Vogt hat 2008 bis 2010 die berufsbeglei- tende modulare Ausbildung zur Fachfrau Hauswirtschaft am Landwirtschaftlichen Zentrum Liebegg in Gränichen absolviert und dann eine Stelle im Berufsbildungsheim Neuhof in Birr angetreten. Hauswirtschaft Aargau* sprach mit ihr am 23.05.2011. Kathrin, was hat dich bewogen, die modulare Nachholbildung zur Fach- frau Hauswirtschaft zu absolvieren? Ich wurde mit 20 Jahren Mutter, und da es keine Betreuungsmöglichkeit gab, musste ich meine Ausbildung abbrechen. Ich war dann – und das sehr gerne – etwa zehn Jahre Hausfrau und Mutter unserer drei Kinder. Doch dann merkte ich, dass mir ein Berufsabschluss fehlte. Ich habe wieder zu arbeiten begonnen und hatte verschiedene Jobs, aber du kommst eben nicht weit ohne Ab- schluss. Doch vor zehn bis fünfzehn Jahren gab es noch keine andere Mög- lichkeit, als mit den Jungen eine volle dreijährige Lehre zu absolvieren – und das ging einfach nicht mit einer fünfköpfigen Familie. Dann hörte ich von der neuen Möglichkeit der Nachholbildung für Betreuung, Kleinkindererziehung oder Hauswirtschaft – und Fachfrau Hauswirtschaft sagte mir halt am meisten zu, da mir das liegt. Welche Voraussetzungen mussten erfüllt sein, damit du diese berufs- begleitende Ausbildung machen konntest? Man muss drei Jahre in einem Haushalt tätig gewesen sein – der Familien- haushalt wird angerechnet – und eine mindestens 40 prozentige Anstellung in einem hauswirtschaftlichen Grossbetrieb haben während der Ausbildung. War es leicht, eine solche Stelle zu finden? Das war nicht einfach für mich als Quereinsteigerin. Es dünkte mich, dass viele Leute diese Ausbildung noch nicht kannten. Sie wussten nicht, was da auf sie zukommen würde – und für mich war es schwierig, sie zu überzeugen, da ich die Ausbildung ja auch nur aus der Theorie kannte. Zudem deckt diese Ausbildung ja ein breites Spektrum ab; viele Betriebe arbeiten jedoch mit Spezialistinnen in Wäscherei, Reinigung, Küche und Service, und die Leute denken in diesen Kategorien. Der Arbeitsmarkt war vor vier Jahren auch etwas schwierig. Ich erhielt dann aber die Chance im Altersheim Dankens- berg in Beinwil durch einen zeitlich befristeten Ausbildungsvertrag. Im Dankensberg konntest du in allen Bereichen arbeiten? Ja, ich konnte mit einer 40-Prozent-Anstellung in allen Bereichen arbeiten, es war auch der nötige Maschinenpark vorhanden, die ganze Ausbildung war gut abgedeckt, man arbeitete in allen Bereichen auf einem guten Niveau.
Wie viele Tage pro Woche geht man zur Schule, und was bedeutet "modular"? Man geht einen Tag pro Woche zur Schule (die Schulferien ausgenommen). Ein Modul dauert zwei bis drei Monate, dann gibt es eine theoretische Prü- fung (die man mit einer genügenden Note bestehen muss), und damit ist das Modul abgeschlossen. Es gibt zwei Module Wäscheversorgung, zwei Module Gästebetreuung, zwei Module Reinigung, eines für Administration und eines für Gesundheit und Soziales, zwei für Ernährung und Verpflegung. Ist es schwierig, eine Ausbildung zu machen, die so viele verschiedene Disziplinen umfasst – für die es ja je eigene Berufsausbildungen gibt? In erster Linie finde ich es interessant, dass es so vielseitig ist. Aber es ist natürlich so, dass man im einzelnen Bereich nicht so weitgehend ausgebildet ist wie z.B. ein Koch im Bereich Kochen. Aber es ist eine Basis. Je nachdem, in was für einem Betrieb man nachher arbeitet, muss man sich dann in einem Gebiet noch weiterbilden. Aber die Grundlagen werden einem gut vermittelt, in Wäscheversorgung und Reinigung wird man ziemlich umfassend ausge- bildet. Die Ausbildung ist nicht unbedingt einfach, aber es ist machbar. Die anderen Kursteilnehmerinnen (und Kursteilnehmer?) Nein, bei uns gab es keine Teilnehmer! waren das auch Quereinsteigerinnen? Die allermeisten waren in einer Anstellung und erhielten vom Arbeitgeber den Vorschlag, eine solche Ausbildung zu machen, oder ergriffen von sich aus die Initiative. Wahrscheinlich war ich die einzige Quereinsteigerin. Die einzelnen Module schliessen jeweils mit einer Modulprüfung ab. Am Schluss folgt ein Tag praktische Prüfungen – wie war das? In der Schulzeit wusste man in etwa, wie viel man lernen muss, um durchzu- kommen. Bei der praktischen Prüfung war das etwas anders. Man hat ja nur eine Chance. Mit dem Alter wird man ehrgeiziger und möchte es besonders gut machen. Das war für mich die Herausforderung. Und die Nervosität... Aber eigentlich ist die Abschlussprüfung mit dem, was man im Betrieb und in der Schule gelernt hat, machbar – gut machbar? Absolut. Wem kannst du diesen Ausbildungsgang empfehlen? Einerseits Leuten, die eine Ausbildung nachholen wollen, aber nicht die Mög- lichkeit haben, vollzeitlich in Ausbildung zu sein; und andrerseits Leuten, die an einer Stelle vielleicht schon jahrelang arbeiten und einen guten Job ma- chen, aber keine Ausbildung nachweisen können. Sie haben zwar schon viel gelernt, aber der Ausweis fehlt. Und ein solcher ist extrem wichtig, gerade für Frauen, denken wir an die Scheidungsrate. Man weiss nie, was kommt – und dann steht man einfach besser da mit einem Berufsabschluss.
Welche Möglichkeiten hast du jetzt als Inhaberin des Eidgenössischen Fähigkeitszeugnisses "Fachfrau Hauswirtschaft"? In erster Linie gehöre ich jetzt zu der grossen Masse in der Schweiz, die eine Grundausbildung hat, und ich muss mich nicht immer erklären und einzelne Kompetenznachweise erbringen. Ich habe nun ein Fähigkeitszeugnis. Das ist auch für mein Selbstwertgefühl gut. Und für Bewerbungen auf dem Arbeitsmarkt wohl auch – im Unter- schied zu der Zeit, bevor du die Ausbildung gemacht hast? Ja, ich musste nur eine einzige Bewerbung schreiben und habe einen Job bekommen - ich weiss nicht, ob das normal ist. Ich kann jetzt natürlich klar aufzeigen, was ich zu bieten habe. Wenn diese Kompetenzen gefragt sind, dann passt es. Wir sitzen in einem Saal des Berufsbildungsheimes Neuhof. Welche Rolle spielte deine Ausbildung dabei, dass du jetzt hier arbeitest? Der Neuhof suchte eine ausgebildete Fachfrau Hauswirtschaft. Kannst du uns den Neuhof kurz beschreiben? Der Neuhof ist eine Einrichtung für junge Männer, die auf Grund ihrer persön- lichen, schulischen oder beruflichen Schwierigkeiten ein stationäres Betreu- ungs- und Ausbildungsangebot benötigen. Sie bekommen hier die Möglich- keit, eine Ausbildung zu machen und reif zu werden für das Leben. Es ist ein Berufsbildungsheim. Es gibt auch einige wenige, die extern wohnen. [Für weitere Informationen: www.neuhof.org] Wie gross ist das Hauswirtschaftsteam und was umfasst die Hauswirt- schaft im Neuhof? Wir sind zu viert (exklusiv Küche – dort arbeiten zwei Köche und fünf Lernen- de). Zur Hauswirtschaft gehört natürlich die Reinigung, dann die Wäschever- sorgung. Ihre Zimmer reinigen die Jugendlichen selber, aber wir machen ihre Wäsche. Und wir reinigen die Räume der Verwaltung, die Schule, den Saal und den Seminarraum. Der Saal kann gemietet werden für familiäre Feiern oder Vereinsanlässe, auch der Seminarraum kann gemietet werden. Bei die- sen Anlässen sind wir im Service tätig. Was sind deine konkreten Aufgaben? Ich wechsle mich ab mit meiner Chefin Marianne Schneider in der Wäsche- versorgung und der Reinigung. Und die Serviceeinsätze sind halt je nach Bedarf. Bisher hat das meine Chefin alleine abgedeckt, und man wollte, dass sie da entlastet wird. Du hast also unregelmässige Arbeitszeiten? Beides, ein grosser Teil ist regelmässig und berechenbar, und ein Teil ist unregelmässig. Aber wir wissen diese Einsätze ja längere Zeit im Voraus.
Und diese Einsätze im Service sind Teil deines Pensums? Ja, ich arbeite 60 Prozent, und die Serviceeinsätze sind Teil dieses Pensums. Bist du durch die Ausbildung gut auf deine Tätigkeit vorbereitet worden? Absolut. Es gibt natürlich immer betriebsspezifische Anforderungen und Ge- wohnheiten, wo man sich anpassen muss. Und der Betrieb Neuhof schätzt die Arbeit der Hauswirtschaft und ist bereit, ihre Anliegen aufzunehmen – auch finanziell? Da ist manchmal halt auch Kreativität gefragt – es muss ja nicht immer das luxuriöseste Vehikel sein. Doch, von Seiten der Angestellten wird unsere Arbeit geschätzt. Die Jugendlichen sind da natürlich ein bisschen anders... Was sind für dich die Sonnenseiten des Berufes Fachfrau Hauswirt- schaft – und welches sind allenfalls die Schattenseiten? Wie schon gesagt, schätze ich die Vielseitigkeit. Für mich ist es eine Tätig- keit, die Sinn macht, heute mehr denn je. Jeder wünscht beispielsweise im Restaurant, dass sauber aufgetischt ist – ohne sich über die Arbeit, die da- hinter steckt, Gedanken zu machen. Professionelles, ökologisches und effi- zientes Vorgehen ist da gefragt. Und dafür braucht es meiner Meinung nach logischerweise die Ausbildung. Schattenseiten – manchmal denke ich, es ist ein rechter Knochenjob, ich komme oft recht ins Schwitzen. Es ist von Vorteil, wenn man robust ist und eine gute Gesundheit hat. Welches sind deine beruflichen Perspektiven und weiteren Ziele? Im Hinterkopf ist schon noch irgendwo die Idee, weiter zu machen Richtung Hauswirtschaftliche Betriebsleiterin. Doch im Moment habe ich das auf die Seite geschoben. Es war eine ganz lässige Zeit auf der Liebegg, aber ich bin auch froh, dass ich jetzt wieder etwas mehr Luft habe, mich um anderes kümmern kann und Zeit habe für meine Angehörigen. Vorerst will ich hier arbeiten und Berufserfahrung sammeln. Ein grosser Be- trieb ist jedenfalls nicht das, was mir vorschwebt. Ich denke, dass die Ausbil- dung, die ich habe, in einem kleineren Betrieb ausreicht, um zwei, drei oder vier Leute zu führen. So etwas könnte ich mir schon vorstellen. Im Moment bin ich sehr zufrieden mit meiner Anstellung hier im Neuhof.Die Chemie stimmt, und die Institution finde ich spannend. Kathrin, herzlichen Dank für das Gespräch! * die Fragen stellte Thomas Gutmann
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