Was Outdoorfrauen wollen - Ein Leitfaden mit Handlungsempfehlungen, um weiblichen Bedürfnissen im Outdoorsport gerecht zu werden - STnet.ch
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Was Outdoorfrauen wollen. Ein Leitfaden mit Handlungsempfehlungen, um weiblichen Bedürfnissen im Outdoorsport gerecht zu werden. MySwitzerland.com
Inhalt. 1 Unsere Motivation. 3 2 Warum ein Fokus auf Frauen? 4 3 Das Wichtigste in Kürze. 5 4 Die Zielgruppe Outdoorfrauen. 7 4.1 Eine «kleine» Zielgruppe mit viel Potenzial. 7 4.2 Demografische Daten zu Frauen und ihrem Reiseverhalten. 8 4.3 Frauen und Männer – Gemeinsamkeiten und Unterschiede. 9 4.4 Biologisches versus soziales Geschlecht. 10 4.5 Motive für Outdoorsport. 12 4.6 Was hindert Frauen an der Ausübung? 12 5 Handlungsempfehlungen. 13 5.1 Stereotype vermeiden und echte Frauen zeigen. 13 5.2 Den Confidence Gap verstehen – und überwinden. 15 5.3 Frauen eine Stimme geben und Vorbilder schaffen. 18 5.4 Frauen über Communitys und Vereine ansprechen. 19 5.5 Women-only – positive Eigendynamik. 20 6 Checkliste. 21 7 Best Practice. 23 8 Über die Autorin. 24 9 Impressum. 25
1 Unsere Motivation. Unsere Gesellschaft ist im Wandel: Immer fachlichen Leitung der Gender-Expertin mehr Frauen erwirtschaften ihren Erwerb Anna Weiss gingen rund 50 Vertreter*innen selbst und ihr verfügbares Einkommen wächst der Outdoorbranche sowie der touristischen kontinuierlich. Und sie werden immer aktiver! Regionen der Frage nach, was Outdoor- Bereits heute gibt es in der Schweiz mehr sportlerinnen in Bewegung bringt und sie zu Wanderinnen als Wanderer. Sind diese Power- zufriedenen Gästen und Kundinnen macht. frauen nicht auch für andere Bergsport- und Outdoorangebote zu begeistern? Die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Workshop sind mit konkreten Handlungs- Um dem Schweizer Tourismus einen Wettbe- empfehlungen in diesem Leitfaden zusam- werbsvorteil zu verschaffen, hat Schweiz mengefasst. Wir wünschen eine gute Lektüre Tourismus im Februar 2020 zu einem Design mit vielen Aha-Momenten und hoffentlich Thinking Workshop1 eingeladen. Unter der zahlreichen Ideen für Einsätze. Schweiz Tourismus Maria Sägesser, Leiterin Produktentwicklung und Innovation Sabina Brack, Outdoorexpertin Sommermarketing Leitfaden – Was Outdoorfrauen wollen. 3
2 Warum ein Fokus auf Frauen? «Insgesamt stellen Frauen einen Auch im Tourismus ist ein Wachstumsmarkt Wachstumsmarkt dar, der grösser für Frauenangebote erkennbar. Mehr als drei ist als China und Indien zusammen – Viertel aller Reiseentscheidungen werden von sogar mehr als doppelt so gross. Frauen getroffen, dabei fällt eine besonders Angesichts dieser Zahlen wäre es grosse Nachfrage nach Abenteuer-, Kultur- fahrlässig, den weiblichen Konsumen- und Naturreisen auf (Forbes, 2014)3. Auch ten zu ignorieren oder zu unterschät- das Interesse an «Solo Female»-Reisen weist zen. Es gibt keinen Grund, warum über die vergangenen Jahre ein überpropor- sich Frauen mit Produkten zufrieden tionales Wachstum auf (Overseas Adventure geben sollten, die ihre Bedürfnisse Travel, 2014)4. Das Frauensegment insbe- nicht vollständig erfüllen oder die sondere im Outdoorsport wird von Marketern dies zynisch oder nur oberflächlich bisher als Nische betrachtet. Sie birgt jedoch tun. Frauen werden sich zunehmend enormes Potenzial, insbesondere bei all dagegen wehren, stereotypisiert zu jenen Frauen, die noch für den Outdoorsport werden, nur nach Alter oder Einkom- gewonnen werden können – durch spezifi- men segmentiert zu werden, in einen sche, für Frauen konzipierte Angebote. Die Topf geworfen zu werden mit der entspannte Atmosphäre, der Austausch in Charakterisierung ‹alle Frauen› oder, Frauengruppen sowie die Möglichkeit, sich schlimmer noch, undifferenziert von an weiblichen Vorbildern zu orientieren, Männern.» haben eine enorm bestärkende und motivie- rende Wirkung. (Michael J. Silverstein and Kate Sayre, Harvard Business Review, 2009)2 Leitfaden – Was Outdoorfrauen wollen. 4
3 Das Wichtigste in Kürze. Zielgruppe Frau Die Macht der Vorbilder «Die» Zielgruppe Frau existiert ebenso Nach der Devise «If she can see it, she can wenig wie «die» Zielgruppe Mann. Über alle be it.» gilt es, unterschiedlichsten Protagonis- Alters- und Könnensstufen hinweg gliedern tinnen Sichtbarkeit und Gehör im Outdoor- Outdoorsportlerinnen sich in viele einzelne sport zu verschaffen – von Anfängerinnen bis Zielgruppen, die sich hinsichtlich Fähigkeiten, hin zu Profisportlerinnen und Expertinnen. Fertigkeiten, Motiven und Motivation vonein- Viele Frauen haben kein weibliches Vorbild im ander unterscheiden. Trotzdem lassen viele Outdoorsport. Dieser Umstand hält sie davon Frauen Parallelen erkennen bei den Bedürf- ab, überhaupt damit zu beginnen oder sich nissen die durch biologische und kulturelle weitere Fortschritte zuzutrauen. Faktoren bedingt sind. Confidence Gap Stereotype Unter Confidence Gap versteht man das Werbung und Medien zeigen oft einseitige Phänomen, dass Männer sich eher über- und Bilder der Frauen im Outdoorsport: Viele Frauen sich eher unterschätzen. Dem gilt Szenen wirken gestellt und die Sportlerinnen es, im Beschrieb von Angeboten, Bildmate- (häufig Models) sind jung, schlank, langhaarig rial und Gesprächen Rechnung zu tragen, und perfekt gestylt. Frauen fühlen sich jedoch denn nur so wird es gelingen, die nächste von «echten Frauen» angesprochen, die ihnen Generation Hochtourengängerinnen heran hinsichtlich Aussehen, Lebensphase und zuziehen und darauf aufbauend mehr Frauen Verhalten ähnlich sind oder ihre beste Freundin für Führungspositionen in Verbänden zu sein könnten. Um die Zielgruppe zu erweitern, gewinnen. ist es daher unabdingbar, die vorherrschen- den Stereotype aufzubrechen, indem mög- Perfektionismus lichst viele unterschiedliche Frauen in ver- Frauen legen nicht nur bei sich selbst einen schiedenen und realistischen Funktionen oder hohen Massstab an – sondern auch bei Lebenssituationen gezeigt werden. Produkten und Erlebnissen. Wer sie als po- tenzielle Kundinnen begeistern will, beschäf- Sexismus tigt sich tiefgehend mit ihren Bedürfnissen, Unter Sexismus versteht man eine Bandbreite möglichen Barrieren sowie ihrem Alltag und von Phänomenen, die von einem ungleichen legt das Augenmerk während der kompletten Status von Mann und Frau ausgehen. Im Customer Journey auch auf Details. Outdoorsport reicht dies von offenem Sexis- mus (nackte Frauen bewerben Dinge, die mit Die Philosophie der kleinen Schritte nackten Frauen nichts zu tun haben) bis hin Vom Einfachen zum Schweren, vom Bekann- zu Alltagssexismus (stereotype Darstellung; ten zum Unbekannten, vom Zufälligen zum deutlich weniger Frauen auf Podien; keine Gezielten: Die Konzeption von Erlebnissen Möglichkeit zur Teilnahme am Wettkampf; oder Kursen nach methodisch-didaktischen ungleiches Preisgeld etc.). Um Frauen für Grundprinzipien ermöglicht es Mädchen und sich zu gewinnen, empfiehlt es sich, diese Frauen aller Könnensstufen, durch zahlreiche Tatsache offen zu adressieren und Sexismus kleine Erfolgserlebnisse in ihrem Outdoorsport in seinen vielen Arten zu entschärfen. sukzessive zu wachsen. Leitfaden – Was Outdoorfrauen wollen. 5
Wanderinnen geniessen den Sonnenaufgang auf der Kaiseregg, Fribourg Region. Women-only – warum? geniessen Glaubwürdigkeit und enge Bindung Reine Frauengruppen bieten oft eine ent- und sind die Geburtshelfer für die nächste spanntere Atmosphäre und die einmalige Generation von Outdoorsportlerinnen. Wer Möglichkeit, neue Freundschaften mit punkten will, zieht die Community gar zur weiblichen Gleichgesinnten zu knüpfen oder Produktentwicklung heran. sich das erste Mal an weiblichen Vorbildern zu orientieren: eine Tatsache, die enorm Inklusion – ja bitte! motiviert. Viele Teilnehmerinnen schildern Eines der grössten Hindernisse ist die Über solche Erfahrungen als ein völlig neues, ande- zeugung, Content und Angebote von, für res Erleben des Outdoorsports. Dabei sind oder mit Frauen würden nur Frauen anspre- Women-only-Angebote nicht als exklusive, chen und Männer abstossen. Tatsächlich sondern als ergänzende Angebote zu werten, sind Männer von Frauen umgeben, seien es die besonders (aber bei entsprechender Aus- Ehefrauen, Töchter, Mütter, Schwestern, richtung nicht nur!) Anfängerinnen Orientie- Freundinnen oder Arbeitskolleginnen. Gut re- rung bieten. cherchierte und hochwertig produzierte Inhalte sprechen ausserdem beide Geschlechter an – Marketing versus Community Manager sofern sie Anknüpfungspunkte zur eigenen Unternehmen und Destinationen tun gut da- Lebenswirklichkeit bieten. ran, ihr Budget nicht nur Medien und Influen- cern zuzuteilen. Ein Grossteil sollte in gemein- same Aktivitäten mit Communitys investiert werden: Diese losen Verbände oder Vereine Leitfaden – Was Outdoorfrauen wollen. 6
4 Die Zielgruppe Outdoorfrauen. 4.1 Eine «kleine» Zielgruppe mit viel Potenzial. Auf die Zielgruppe Frauen im Out- Das grösste Potenzial liegt nicht einmal doorsport angesprochen, fällt im Ge- in den aktiven Outdoorsportlerinnen spräch mit Marketern und Medien selbst. Sondern in all jenen, die Outdoor- häufig die Aussage: «Klein. Zu klein.» sportlerinnen werden wollen oder könnten. Das heisst: in den Frauen, die bis jetzt ins Wie kommt das, wo Frauen doch die Hälfte Fitnesscenter gehen, aber auch fit genug für der Menschheit ausmachen? Da Outdoor- eine Hochtour wären. Oder in Frauen, die in sport hauptsächlich als Individualsport be- der Kletterhalle Meisterinnen sind, aber noch trieben wird, ist er weniger institutionalisiert nie an einem richtigen Fels trainiert haben. und organisiert als viele Mannschaftssport- Oder in Wanderinnen, die sich auch fürs arten. Daher fehlen aussagekräftige Daten. Biken oder Bergsteigen begeistern könnten. Der Frauenanteil variiert von Sportart zu Und in Frauen, die bisher anderen Interes- Sportart stark: während in den Boulder-Hal- sensgebieten zugeordnet wurden, etwa len annähernd gleich viele oder teils sogar Frauen 45+ oder fülligere Frauen. Es lohnt mehr Frauen klettern, sind es draussen am sich daher, sich in einem ersten Schritt mit Fels auf Hochtouren deutlich weniger. Und der Zielgruppe Frau zu befassen. mit steigendem Level wird die Pyramide immer spitzer. Leitfaden – Was Outdoorfrauen wollen. 7
4.2 Demografische Daten zu Frauen und ihrem Reiseverhalten. 49,6 % Frauen auf Reisen ■ Nehmen mehr touristische Services in Anspruch Anteil Frauen an der ■ Benutzen häufiger öffentliche Verkehrsmittel Weltbevölkerung ■ Organisieren ihre Reisen früher (World in Data, 2019)5 ■ Reisen häufiger alleine als Männer, auf jeden Mann kommen etwa vier Frauen 15 Jahre ■ Google Suche für «Solo Women Travel»: Anstieg um 32 % 2017, um 59 % 2018 und um 230 % 2019 differenziert das gefühlte Alter vom ■ Pinterest registriert massives Wachstum biologischen Alter bei Interesse nach «Solo Female Travel». (Zukunftsinstitut, 2016)6 350 % Wachstum beim Pinnen von Artikeln unter «Solo Female Travel» Women-only-Reisen als (Overseas Adventure Travel, 2014)4 Top-Reise- trend für 2020 Frauen als Mitglieder in Bergsportverbänden 155 000 600 000 1 350 000 (National Geographic, 2020)7 80 % aller Reiseentscheidungen werden von Frauen getroffen; egal, mit wem sie reisen, wer bezahlt und wohin die Reise geht; dies entspricht einem Äquivalent von 125 Mrd. US-Dollar (Forbes, 2014)3 39 % 44,6 % 43 % Schweizer Öster Deutscher Alpen-Club Alpenverein 75 % reichischer Alpenverein (Schweizer Alpen-Club, Österreichischer der Kunden, die Abenteuer-, Kultur- Alpenverein, Deutscher Alpenverein, 2020)9 oder Naturreisen buchen, sind Frauen zwischen 20 und 70 Jahren (Forbes, 2014)3 47, w Der durchschnittliche Kunde, der Abenteuerreisen bucht, ist 47 Jahre alt und weiblich (World Tourism Organization, 2014)8 Leitfaden – Was Outdoorfrauen wollen. 8
4.3 Frauen und Männer – Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Freiheit. Glück. Klarheit. Flow. Fokus. Aufregung. Als könnte ich alles schaffen. Lebendigkeit. Voller Energie. Innere Ruhe. Motivation. Ich selbst. Optimismus. Zufriedenheit. Selbstbewusstsein. Beschwingtheit. Das sind die Antworten von Menschen auf die alpinistisch erfahrene Frau kann mehr Ge- Fragen nach den Gefühlen, die sie empfinden, meinsamkeiten mit einem 28-jährigen Mann wenn sie sich in der Natur bewegen. Die Ant- aufweisen als mit einer gleichaltrigen Frau. worten von Männern und Frauen. Frauen ab 45 als spannende Zielgruppe Ob Frau oder Mann, als Einzelpersonen Für viele Frauen nimmt erst mit dem Heran- sind sie alle Individuen, die sich in manchen wachsen und dem Auszug der Kinder die Dingen voneinander unterscheiden: körperlich persönliche Entwicklung wieder einen grös- hinsichtlich Konstitution oder Hormonhaus- seren Stellenwert ein. Oft sind sie reich an halt, des Weiteren in der Ausprägung von den Ressourcen Zeit und Geld, neugierig und Motiven, Motivation, Fähigkeiten und Fertig motiviert, Neues zu lernen. Diese Frauen keiten. Frauen werden im Gegensatz zu sind konsumgewohnt, wissen, was sie wollen, Männern häufig aufgrund ihres biologischen und fühlen sich im Schnitt 15 Jahre jünger, Geschlechts kategorisiert. Eine verpasste als sie sind. Chance, denn die Zielgruppe Frau ist nicht homogen. Eine 56-jährige, topfitte, ehrgeizige, Kletterinnen am Stockhorn, Kanton Bern Leitfaden – Was Outdoorfrauen wollen. 9
4.4 Biologisches versus soziales Geschlecht. «Sex ist eine biologische Eigenschaft. Gender ist ein sozialer Prozess.» Bergsteigerin auf dem Lauteraarhorn (4042 m), Kanton Bern Männer als Eroberer ... Bergsteigerinnen gab es zwar zu allen Zeiten, Die längste Zeit der Geschichte schickte es doch sie legten selten bis gar nicht (oder sich für Frauen nicht, sich in grossen Radien unter falschem Namen) Zeugnis ihrer Tätig- zu bewegen oder ihren Verstand übermässig keiten ab. zu bemühen. In der sozialen Ordnung galten Männer als die rechtmässigen Streuner. Dank Und heute? ihrer wirtschaftlichen Ressourcen haben sie Im Vergleich zu früher hat sich vieles geän- Ozeane überquert, Wüsten durchwandert und dert. Unsere Vorstellungen von typisch Gipfel erklommen. männlich und typisch weiblich ist im Fluss. Geopolitische, gesellschaftliche und techno- ... versus Frauen als das schwache logische Entwicklungen bringen es mit sich, Geschlecht dass unsere Normen, Werte, Institutionen Obwohl Frauen genetisch und hormonell und Regeln sich laufend verändern. So war bedingt eine nachweislich robustere Kons es beispielsweise unseren Müttern und titution haben und im Schnitt länger leben Grossmüttern noch verwehrt, Mitglied im als Männer, galten sie seit jeher als das Alpenclub zu werden, während heute Frauen schwache Geschlecht. Ihr Bereich war der die am schnellsten wachsende Gruppe in häusliche, ihre Aufgabe die Kindererziehung. allen Alpenvereinen stellen. Leitfaden – Was Outdoorfrauen wollen. 10
Frauen werden häufig dazu erzogen, möglichst keine Risiken einzugehen. Das behindert sie später bei der Ausübung von Outdooraktivitäten. Die Vergangenheit steckt noch in Starke Frauen, die andere inspirieren den Köpfen Die Italienerinnen Francesca Cavallo und Einen Teil dieser Geschichte aber tragen wir Elena Favilli starteten 2017 ein Crowdfunding noch immer in uns. Dies zeigt sich, wenn für ein Buch, das weibliche Vorbilder zeigen Männer Frauen oder Frauen sich selbst weni- sollte. Innerhalb kürzester Zeit kam über eine ger zutrauen. Während Profibergsteigerinnen Million Dollar zusammen – und die Vision der als Rabenmütter gelten, wenn sie hohe Autorinnen wurde Wirklichkeit: «Good Night Risiken eingehen, werden bei Vätern Hochri- Stories for Rebel Girls» vereint 100 Kurzport- sikoaktivitäten viel eher akzeptiert. Dabei ist räts über herausragende Politikerinnen, offener oder versteckter Sexismus am Werk, Aktivistinnen, Künstlerinnen, Sportlerinnen der von einem ungleichen sozialen Status und Wissenschaftlerinnen der Weltgeschichte. von Frauen und Männern ausgeht und diesen Das Buch soll Mädchen Mut machen, ihnen in Geschlechterstereotypen und entsprechen- als Vorbild und Inspiration dienen. den Verhaltensweisen wiedergibt. Leitfaden – Was Outdoorfrauen wollen. 11
4.5 Motive für Outdoorsport. «Den Kopf freibekommen.» Das ist die häufigste Antwort auf die Frage Outdoorsport hat einen positiven Einfluss auf: «Warum treibst du Outdoorsport?» ■ das mentale Wohlbefinden (99,7 %) (Design Thinking Workshop ST, 2020)1 ■ das körperliche Wohlbefinden (99,7 %) ■ die psychische Widerstandskraft/Resilienz (94,4 %) Outdoorsport hat massive positive Auswir ■ die Selbstachtung (95 %) kungen auf das mentale Wohlbefinden der ■ die Erwartungen bezüglich der Zukunft Ausübenden. Yoga hat es von einer philoso- (95,3 %) phischen Lehre mit geistigen und körperlichen Übungen bis zu einer Massenbewegung ge- Wenn Frauen mehrmals die Woche Outdoor- bracht. Outdoorsport könnte mithilfe passen- sport betreiben, steigen Lebenszufriedenheit der Kommunikation einen ähnlichen Weg hin und empfundenes Glück. Ängste und Sorgen zu mehr Popularität einschlagen. Eine Tatsa- hingegen treten in den Hintergrund. che, die nur wenige Touristiker*innen und (Women in Adventure, 2017)10 Marketer aufgreifen. 4.6 Was hindert Frauen an der Ausübung? «Alles unter einen Hut bringen.» Das ist die häufigste Antwort auf die Frage, Mitstreiterinnen in ihrem Umfeld, um Out- was die grösste Herausforderung im Alltag doorsport zu betreiben. Ausserdem ist es der Frauen ist. gerade für fülligere und sehr kleine Frauen (Design Thinking Workshop ST, 2020)1 nicht leicht, passende frauenspezifische Ausrüstung zu finden – ein wichtiger Punkt, wenn man bedenkt, wie wichtig (Life-)Style Über Sportarten, Alter, Lebenssituationen für viele Frauen ist. und Könnensstufen hinweg nennen Frauen (REI, 2019)11 Zeit, Geld und familiäre Verpflichtungen als grösste Hürden. Da sich der Outdoor- Viele dieser Barrieren sind kulturell bedingt sport deutlich männlicher gibt, als er sein und historisch entstanden. Wer neue Märkte könnte, haben viele Frauen keinerlei weibli- erobern und die Zukunft gestalten will, muss che Vorbilder. Sechs von zehn Frauen glau- sich daher auch mit Vergangenheit, Status ben zudem, dass männliche Interessen im quo, gesellschaftlichen Entwicklungen Outdoorsport ernster genommen werden und Megatrends auseinandersetzen. als ihre. Viele vermissen zudem passende Leitfaden – Was Outdoorfrauen wollen. 12
5 Handlungsempfehlungen. 5.1 Stereotype vermeiden und echte Frauen zeigen. Stereotype im Bezug auf typisch weiblich Gesicht, in raumgreifenden Posen, mit oder typisch männlich begegnen uns im Narben, Verletzungen, in totaler Erschöpfung Alltag auf Schritt und Tritt. Wir verwenden dargestellt? Zumeist nicht. Der Fokus liegt sie so häufig, dass wir sie nicht mehr hinter- oft nicht auf der Aktion, sondern auf Eleganz fragen. Damit verfestigen sich gesellschaft- und Ästhetik. Während es bei Männern lich-kulturelle Wertungen, die mit Privilegien actionreich und schweisstreibend zugehen und Benachteiligungen verbunden sind. darf, sind Frauen auch nach stundenlanger Aktion noch perfekt gestylt. Es ist daher Stereotype haben einen Einfluss auf profes- wichtig, in Bild und Bewegtbild auf solche sionelles Handeln, z. B. im Familien- und Stereotype zu achten sowie einen echten Sozialrecht, sowie auf die Ausbildungs- und und frischen Blick auf die Darstellung von Berufswahl, wie das Beispiel des Bergführ- Frauen beim Outdoorsport zu zeigen. erberufs zeigt. Die folgenden Handlungs- empfehlungen zeigen auf, wie erfolgreiches Frauen sind keine Girls Marketing ohne Stereotype geht. Nicht nur Bilder, auch Sprache formt unsere Sicht auf die Welt. Auch hier ist eine kritische Frauen in ihrer Vielfalt zeigen Hinterfragung nötig. Oft werden erwachsene Es sind mehr Frauen denn je in den Bergen Frauen als Girls oder Ladys bezeichnet. unterwegs, in all ihrer Vielfalt: jung, alt, füllig, dünn, mit kurzen und mit langen Haaren, in den verschiedensten Levels und Könnens stufen. Die in Medien oder Werbung dar gestellten Frauen sind allerdings stets jung, Die Autorin Hannah Röther schlank, hübsch und langhaarig. Wird eine bringt es auf den Punkt. Frau schwitzend, mit schmerzverzerrtem «Ladys sind vornehme Damen, die sich nicht schmutzig machen. Mädchen sind Kinder, die noch nicht für sich selbst sorgen können und auf Fürsorge angewiesen sind. Eine Frau auf einem Mountainbike dagegen kann eine Menge sein, eine Sportlerin, eine Kämpferin, eine Geniesserin, eine Träumerin, eine Racerin, eine Abenteurerin – aber sicher keine vornehme Dame oder ein Kind.» Mountainbikerin im Val de Nendaz, Wallis Leitfaden – Was Outdoorfrauen wollen. 13
Beispiel: Darstellungen von Frauen im Outdoorsport. Echte Frauen zeigen, die echte Abenteuer erleben. Wie hier bei der Breithornbesteigung im Wallis ... Jung, schlank, lange Haare: die klassische Outdoorsport- lerin in der Darstellung. Diesem Bild entsprechen einige Frauen – der Grossteil aber nicht. Diese Frauen fühlen sich deutlich weniger angesprochen und sehen sich selbst nicht in dieser Rolle oder finden sich nicht im Angebot wieder. ... oder auf dem Fernwanderweg Via Alpina. Eine gemischte Gruppe Mountainbiker*innen ist unterwegs, eine Frau an der Spitze. Meist übernimmt ein Mann diesen Part. Leitfaden – Was Outdoorfrauen wollen. 14
5.2 Den Confidence Gap verstehen – und überwinden. Was ist mit dem Confidence Gap oder und dann auch noch 30 % weniger mangelndem Selbstbewusstsein gemeint? verlangen (International Association of Im Folgenden ein paar Beispiele, die das Conflict Management, 2018)13 Problem verdeutlichen. ■ Frauen, die in Sitzungen bis zu 75 % weniger sprechen als Männer, wenn sie in ■ Hervorragende Sportlerinnen, die sich der Unterzahl sind (Science Daily, 2012)14 als zu schlecht für ein Sponsoring ein- schätzen ■ Frauen, die sich nur dann auf eine Stelle bewerben, wenn sie 100 % der ange ■ Expertinnen in ihrem Themenfeld, die sich forderten Bedingungen erfüllen – während nicht selbst als solche vorschlagen Männer dies schon bei 60 % tun ■ Frauen, die gut darin sind, die Leistung (The Atlantic, 2014)15 anderer anzupreisen – das bei ihrer eigenen Leistung aber nie tun würden All diese Phänomene werden unter dem ■ Frauen, die deutlich häufiger an Selbst Begriff «Confidence Gap» oder mangelndes zweifeln leiden als Männer (Institute of Selbstbewusstsein gebündelt. Studien zeigen, Leadership and Management, 2011)12 dass Männer ihre Fähigkeiten und Leistungen eher überschätzen, während Frauen sie eher ■ Frauen, die nur einviertelmal so häufig wie unterschätzen. Ihre Leistungen unterschei- Männer um eine Gehaltserhöhung bitten – den sich dabei nicht in der Qualität. Das Berufsbild des Bergführers legt den Fokus stark auf das Körperliche. Dass für die Ausübung des Berufs auch Selbst- und Sozialkompeten- zen erforderlich sind, wird nicht dargestellt. Frauen bringen die erforderlichen Kompe- tenzen mit, fühlen sich aber körperlich oft nicht ebenbürtig, nicht «stark genug» und lassen sich deshalb nicht zur Bergführerin ausbilden. Leitfaden – Was Outdoorfrauen wollen. 15
Perfektionismus versus Scheitern Erfolgserlebnisse durch kleine Schritte Perfektionismus ist ein Selbstbewusstseins- In der Praxis werden gerade Anfängerinnen killer. Studien bestätigen, dass es sich oft mit Aufgaben konfrontiert, die sie komplett weitgehend um ein weibliches Thema han- überfordern und damit demotivieren. delt, das sich über das gesamte Leben der Frauen erstreckt. Frauen fühlen sich häufig Es sind die kleinen Schritte, die einen Mini- nur dann sicher, wenn sie perfekt sind. erfolg nach dem nächsten produzieren, denn Oder praktisch perfekt. Dieser Anspruch unser Gedächtnis lernt durch gelungene Be- lähmt. wegungserfahrungen. Für jene Frauen, die sich ohnehin nicht viel Viele Frauen betrachten sich zutrauen, ist diese Verfahrensweise umso in ständiger Relation zu ihrer wichtiger. Denn insbesondere unsichere Umwelt: «Bin ich …?», während Frauen beziehen ihr Versagen gerne auf sich Männer selbstbewusst skan- («ich bin einfach nicht gut genug»), anstatt es den zu schwierigen Umständen zuzu- dieren: «Ich bin …». schreiben (z. B. für Anfängerin zu schwierige Route). Frustriert wenden sich dann viele In der Ausübung von Outdoorsport ist Per- vom Outdoorsport ab oder machen halbmo- fektionismus ein Hindernis. Denn wer perfekt tiviert weiter. Manche besuchen ein Women- sein will, kann es sich per Definition nicht only Camp, das ihre Liebe zum Outdoorsport leisten zu scheitern. Scheitern aber ist ein wieder entfacht, indem es den Einstieg sehr integraler Bestandteil von Outdoorsport. viel einfacher gestaltet. Eine lockere Atmo- Neue Strecken, neue Kletterrouten, neue Be- sphäre des Miteinanders und gleichgesinnte, wegungsabläufe – all dies wird durch «trial ähnliche Vorbilder tun ihr Übriges dazu. and error» erarbeitet. Leitfaden – Was Outdoorfrauen wollen. 16
Schrittweise Neues erlernen. Das Ermöglichen von vielen kleinen, motivierenden Erfolgen findet viel zu selten Anwendung in der Entwicklung von Produkten, Er lebnissen oder Infrastruktur. So werden etwa Bikeparks selten mit dem Ziel angelegt, allen Nutzergruppen eine stetige Verbesserung ihrer Fertigkeiten zu ermöglichen. Die Sprünge zwischen den ein- zelnen Aufgaben sind zu gross und die Nutzerinnen sind entweder frustriert oder geben sich mit dem vorhandenen Level zufrieden – obwohl sie grundsätzlich motiviert wären, Neues zu lernen. Von Frau zu Frau erklärt. Technik besitzt eine stark männ liche Konnotation. Viele Frauen lernen von Kindesbeinen an, dass Technik Männersache ist, sich der Vater, der Freund etc. um das Material kümmert. Sportarten, bei denen der Materialeinsatz ein gewisses Technikverständnis erfordert (Klettern, Mountainbiken, Skitouren) können vor allem auf Anfängerinnen abschreckend wirken. Es sind die kleinen Schritte, die einen Minierfolg nach dem andern produzieren, denn unser Gedächtnis lernt durch die Erfahrung gelungener Bewegungen. Leitfaden – Was Outdoorfrauen wollen. 17
5.3 Frauen eine Stimme geben und Vorbilder schaffen. An Kongressen und Veranstaltungen zu Es wird deutlich häufiger über ihr Aussehen, wegweisenden Themen fehlen meistens ihr Geschlecht oder ihren Familienstatus Frauen auf den Podien und in Diskussionen. berichtet als bei ihren männlichen Kollegen. In den Entscheidungsgremien vieler Unter- nehmen sieht es ähnlich aus: Marketingstra- Dadurch geht viel Fachwissen verloren und tegien erstellen hauptsächlich Männer, die es entsteht oft eine einseitige Betrachtungs- nicht hinterfragen, ob ihre Sicht auch auf weise. Frauen zutrifft. In Magazinen schreiben Frauen zwar Artikel, werden aber deutlich weniger als Männer als Expertinnen zurate gezogen. Egal ob Special Interest oder General Media: In Europa werden 85 % aller Sportartikel über Männer geschrieben, 90 % davon von Männern (EU-Kommission, 2014).16 Die UNESCO geht davon aus, dass 40 % der Sportler*innen weiblich sind, dass aber über diese nur zu 4 % berichtet wird (UNESCO, 2020).17 Wenn Frauen gezeigt werden, sind sie häufig Statis- tinnen, nicht Handelnde. Sie werden eher Die Bergsteigerin, Autorin, Filmerin und Fotografin in passiven denn in aktiven, eher in beglei- Caroline Fink am Design Thinking Workshop tenden als in führenden Rollen gezeigt. bei Schweiz Tourismus 63 % der Frauen haben kein weibliches Vorbild im Outdoorsport. (REI, 2017)18 Während Männer von klein auf ihren Idolen Role Models mit Geschichte nacheifern, wünschen Frauen sich eher Auch Topathletinnen können als Vorbilder Vorbilder, die ihnen selbst oder ihrer besten für Anfängerinnen dienen: wenn den Bildern Freundin ähnlich sind hinsichtlich Aus- Geschichten hinzugefügt werden. Denn wir sehen, Alter und Lebensverhältnissen. Das bewundern Menschen, die hart für ihren Er- ideale Vorbild für Outdoorsportlerinnen aller folg gearbeitet haben, aber nicht perfekt sind. Levels sind Frauen, deren Erfolg sie bewun- Sie haben Schwächen, die wir selbst kennen dern und deren Erfolg auch erreichbar und erlebt haben. Sie machen Fehler. Sie scheint. schlagen sich mit denselben Fragen herum wie wir. An solchen Leitfiguren können wir uns am besten orientieren. Vorbilder zeigen, was möglich ist. Schritt für Schritt. Leitfaden – Was Outdoorfrauen wollen. 18
5.4 Frauen über Communitys und Vereine ansprechen. Frauen informieren sich häufig auf Blogs und da hohe Markenbindung, Glaubwürdigkeit Social Media. Deshalb kooperieren Marken- und die Möglichkeit zur kooperativen Pro- verantwortliche gerne mit Influencern als duktentwicklung den Return on Investment Vorbildern: Der Aufwand ist gering, die Reich- bringen. Communitys bilden den besten weite gross. Dagegen ist nichts einzuwen- Nährboden für Outdoorsportlerinnen aller den, es gibt aber viel dazu zu ergänzen: Levels, denn gemeinsames Wachstum ist Denn die Markenverantwortlichen verwech- die Maxime. Sie sind regional verwurzelt oder seln Reichweite mit Einfluss. Und vergessen, digital vernetzt, aber lokal aktiv. Vorbilder dass wir zwar immer mehr Zeit online verbrin- in Communitys sind nah, nahbar und greifbar. gen – aber auch offline leben. Deutlich zu Und sie ziehen die Kundinnen von morgen selten investieren Outdoor Brands und nach – gerade die, die keine Personen im Destinationen in Partnerschaften mit Ver- persönlichen Umfeld haben, die sie zum einen oder Communitys. Dabei ist es das Outdoorsport motivieren. gewinnbringendste Investment überhaupt, Frau im Canyoningfieber im Grimselgebiet Leitfaden – Was Outdoorfrauen wollen. 19
5.5 Women-only – positive Eigendynamik. «Männer sind auf individueller Ebene erfolgs- forderungen und Erfahrungen, das Knüpfen orientierter als Frauen. Für Frauen stehen die neuer Freundschaften – über alle Alters- und Gruppendynamik und das Soziale zumeist Könnensstufen hinweg. vor dem Ergebnis der Leistung. Wenn Frauen mit Frauen Sport treiben, verhalten sie sich In Männer- oder gemischten Gruppen domi- risikofreudiger und mutiger als in gemischten niert (unterschwellig) häufig das Konkurrenz- Gruppen.» Minas Dimitriou, Professor für verhalten. Dieses verändert sich, sobald Sportwissenschaft an der Universität Salz- nur eine einzige Frau zur Gruppe stösst, in burg (Bundessportmagazin, 2020).19 Umgang und Dynamik oft positiv, wie viele Männer bestätigen. Viele Frauen nehmen Viele Frauen, die normalerweise mit ihrem sich in gemischten Gruppen zurück, wollen Partner oder anderen Männern unterwegs niemanden aufhalten, nicht auffallen oder sind, begrüssen es ausdrücklich, auch «stören». Deshalb bleibt oft wenig Zeit, an manchmal mit anderen Frauen unterwegs zu der eigenen Technik zu feilen, sich sukzes- sein. Dabei steht nicht nur der Sport im Vor- sive zu verbessern. dergrund, sondern auch die soziale Interak- tion: der Austausch über ähnliche Heraus Eine reine Frauenseil- schaft besteigt einen Viertausender. Vorteile von Women-only Women-only-Angebote mit ihrer oft viel ent- spannteren Atmosphäre schaffen den Raum für neue Lernerfahrungen. Ihnen haftet aber immer noch der Nimbus des Anfängertums an. Stärkere Athletinnen fühlen sich daher oft nicht angesprochen. Eine Lösung dafür be- stünde etwa darin, ein Kreislaufsystem zu er- richten: Profis und fortgeschrittene Outdoor- sportlerinnen fungieren als Guides, Coaches und Mentorinnen für Anfängerinnen. Sobald diese fortgeschritten sind, coachen sie neue Anfängerinnen usw. So wird eine Frau zum Werte, die Frauen wichtig sind Vorbild für die nächste. Das heisst, Women- Vielen Frauen sind Werte wie Harmonie, only-Angebote finden durchaus Nachfrage Glaubwürdigkeit und Authentizität wichtig. und sind als Ergänzung zu «Unisex-Angebo- Wer Frauen ansprechen möchte, tut gut ten» zu sehen, nicht als etwas Ausschliessli- daran, sie in die Produktentwicklung und die ches. Genauso wichtig ist es aber, «normale» Kommunikation einzubeziehen. Angebote besser auf die Bedürfnisse von Frauen auszurichten und diese Erlebnisse Liebe zum Detail auch in Wort und Bild entsprechend zu Ebenfalls wichtig: Die meisten Frauen wissen transportieren. Ein schönes Beispiel hierzu die Liebe zum Detail zu schätzen und zu ho- ist das Women’s Trad Festival norieren. Neue Studien zeigen zudem, dass (www.womenstradfestival.co.uk) kleinere Events, die regionale Stakeholder ein- in England, das Männer explizit nicht aus- binden, einen deutlich positiveren Effekt auf schliesst. die Region haben als Grossveranstaltungen. Leitfaden – Was Outdoorfrauen wollen. 20
6 Checkliste. Der Selbstcheck für Sie: Sichtbarkeit Kontinuität: No single shot (z. B.) zum ■ Welche Punkte befolgen Sie bereits? Weltfrauentag): Geben Sie die Maximen ■ Welche Punkte wollen Sie alsbald in der Priorität und Kontinuität aus Angriff nehmen? Frauen als Produzentinnen: Vergeben ■ In welchen Punkten haben Sie Sie Foto-, Film- oder Textaufträge an Nachholbedarf? Frauen ■ Wer kann Sie gegebenenfalls dabei Distribution: Produzieren Sie hochwerti- unterstützen? ges Bild- und Bewegtbildmaterial und stellen Sie es über Stock-Anbieter Ihren Bewusstsein Partnern und Medien zur Verfügung Kick-off: Lassen Sie sich und Ihre Mitar Quantität: Zeigen Sie mehr Frauen beitenden als Kick-off von kompetenten Expert*innen sensibilisieren (z. B. Gleich- Qualität: Zeigen Sie mehr unterschiedli- stellungsbeauftragte, Alliance F etc.) che Frauen und eine Bandbreite an Lebensentwürfen, von jung bis alt, von Repräsentativität: Fördern Sie Frauen füllig bis dünn etc. in Teams, als Entscheidungsträgerinnen, auf Podien etc. Authentizität: Frauen wünschen sich «echte Frauen» (keine Models), die ihnen Bewusstsein: Seien Sie sich des hinsichtlich Aussehen, Lebensphase und Confidence Gap bewusst (Bewerbungs- Verhalten ähnlich sind oder ihre beste gespräche, Meetings, Ausschreibungen, Freundin sein könnten Angebotsbeschreibungen etc.) Anerkennung: Zeigen Sie echte Athletin- Ermutigung: Ermutigen Sie Frauen dazu, nen als Vorbilder sich auf spannende Arbeitsstellen zu bewerben Identifikation: Schaffen Sie Anknüp- fungspunkte, mit denen Kundinnen Partizipation (und Kunden) sich identifizieren können, Rollenverteilung: Recherchieren Sie die z. B. Brüche in der Biografie, Karriere- Alltagsbedürfnisse der Kundinnen und themen etc. kombinieren Sie diese mit Ihrem Angebot: Echtheit: Emotionale Storys und echter Outdoorsport als Katalysator z. B. für Nutzen statt oberflächliches Copy & Selbstbewusstsein Paste. Gruppen- und Gemeinschaftsge- Nutzeninnovation: Recherchieren Sie fühl statt nur einzelne Models, wahre die wahren Bedürfnisse der Zielgruppe Gefühle und kreieren Sie echten Nutzen- anstatt Aktive Frauen: Zeigen Sie Frauen nicht in Männlich/weiblich-Stereotype zu nur passiv und beschützt, sondern verfallen explizit in der Aktion, in der Führung, als Communitys: Sie sind die Partner Ihrer Erklärerinnen Wahl, wenn es darum geht, die Outdoor- Vielfalt: Achten Sie darauf, dass nicht sportlerinnen von morgen zu begeistern immer nur Einzelfrauen oder Pärchen zu Inklusion: Lassen Sie Jungen und sehen sind, sondern auch gemischte Männer von ihren weiblichen Vorbildern Gruppen von Frauen sowie von Frauen erzählen und lassen Sie nach Bedarf und Männern auch Männer mit Interesse an weiblichen Sprache: Verniedlichen Sie nicht Themen und Perspektiven an Ihren Männlichkeit: Brechen Sie auch Stereo- Angeboten teilhaben type des «typisch Männlichen» auf Leitfaden – Was Outdoorfrauen wollen. 21
Wachstum Und zuletzt Transformation: Zeigen Sie Möglichkei- Sensibilisierung: Diskutieren Sie das ten auf, wie und in welchen konkreten Thema weibliche Vorbilder und Stereoty- (kleinen!) Schritten Frauen in ihrem Sport pe am Familientisch, im Freundes- und wachsen können Kollegenkreis Frühstart: Schaffen Sie auch spezielle Für Frauen: Treten Sie in den Vorder- Angebote für Mädchen grund, werden Sie das Vorbild, das sie Strategie: Investieren Sie in Communi- nie hatten. Seien Sie Mentorin, geben tys, Communitys, Communitys. Anfänge- Sie Ihr Fachwissen weiter und fördern Sie rinnen werden zu Fortgeschrittenen andere Frauen und Mädchen werden zu Profis, die wiederum Für alle: Überlegen Sie sich im nächsten den Fortgeschrittenen als Vorbild dienen, Schritt, was in Ihrer Macht liegt, einen die wiederum den Anfängerinnen als Unterschied zu machen Vorbild dienen Zugänglichkeit: Schlagen Sie die Brücke zwischen Anfängerinnen und Profiathle- tinnen, sodass Frauen jeden Levels sich wiederfinden Vernetzung Verknüpfung: Verknüpfen Sie «interne» Vorbilder (z. B. im Unternehmen, in der Destination) mit «externen» Role Models (z. B. Wissenschaftlerinnen, Journalistin- nen etc.) Nahbarkeit: Schaffen Sie Möglichkeiten, wie Kundinnen ihre Vorbilder treffen können Netzwerke: Zeigen Sie spannende Frauen aus anderen Sparten, Berufen und Branchen, die ebenfalls Sportlerinnen sind und ihre Netzwerke in den Sport einbringen können Leitfaden – Was Outdoorfrauen wollen. 22
7 Best Practice. Diese Unternehmen können ein Lied davon Learning singen, dass es sich wirtschaftlich lohnt, ■ Barrieren aufgreifen und furchtlos die Unternehmensstrategie nicht an den thematisieren Mitbewerbern auszurichten und sich auf ■ Durch gemeinsame Erfahrungen Anknüp- Verdrängungswettbewerb zu fokussieren, fungspunkte an Profis schaffen sondern mutig neue Märkte zu erschlies- (Campaign Live, 2016)20 sen. Zum Abschluss wollen wir mit den folgenden Best-Practice-Beispielen moti- vieren, die Erkenntnisse dieses Leifadens REI, Kampagne Force of Nature in der täglichen Arbeit umzusetzen. + 9,3 % Umsatzsteigerung 2016 Nike, Kampagne «Dream Crazier» Sei die Heldin, + 1 Million neue die du nie hattest REI-Co-op-Mitglieder ■ 2015: Fokus auf Frauen Auf die 2017 von REI durchgeführte nationa- ■ 2016: 9 Monate zweistelliges Wachstum le Studie «Women and the Outdoors» und hintereinander im Frauensegment; dieses deren Ergebnisse hin verpflichtete sich die wächst schneller als das Männersegment Verbrauchergenossenschaft, mehr Frauen in ■ 2020: erwartete Verkaufserlöse aus den ihren Kommunikationskampagnen zu zeigen. Frauenkollektionen bei 11 Milliarden Sie investierte in Mitarbeitertrainings und US-Dollar stellte eine Million US-Dollar für Non-Profits bereit, die sich im Themenfeld «Frauen und Der Sportausrüster Nike greift in den Sujets Outdoor» bewegen. Weiterhin richtete der seiner Jubiläumskampagne für den «Just do Outdoorausrüster mehr als 1000 Events it»-Claim die Barrieren auf, die viele Sportle- explizit für Frauen aus. Ausserdem stellten rinnen erfahren. «Dream Crazier» soll allen die Verantwortlichen deutlich mehr Budget Mädchen und Frauen Mut machen, ihre Ziele zur Verfügung, um hochwertige Ausrüstung auch gegen gesellschaftliche Widerstände für Sportlerinnen zu entwickeln – und dies zu verfolgen. Fehlende Vorbilder: «Sei die zudem in mehr Konfektionsgrössen als Heldin, die du nie hattest.» Stereotype: bisher, um es z. B. auch fülligeren Frauen zu «Sei der erste Champion wie du – und stelle ermöglichen, sich in stylischer Outdoorklei- sicher, dass du nicht der letzte bist.» oder dung wohlzufühlen. auch «Das Alter ist nur eine Zahl. Serenas- Nummer ist die 1.» Die jeweiligen Athletinnen, Learning unter anderem Serena Williams, wenden ■ Eine ganzheitliche Herangehensweise sich in einer Aufforderung an ihre Rezipienten. zahlt sich aus «Wenn sie dich theatralisch/wahnhaft/ ■ Durch Unterstützung von Communitys verwirrt/hysterisch/irrational … kurz: verrückt stossen neue Frauen zum Outdoorsport nennen – in Ordnung. Zeig ihnen, was ■ Aufbrechen von Stereotypen (Konfektions- Verrückte zu leisten imstande sind.» grössen) in der Produktentwicklung lohnt (Forbes, 2017)21 Leitfaden – Was Outdoorfrauen wollen. 23
Bosch Ixo Frauen stark an Verschönerungen ihres Superlativ: das meistverkaufte Wohnumfelds und der Umsetzung ihrer kreativen Ideen interessiert», fand die Markt- Elektrowerkzeug der Welt forschung heraus. «Die pragmatischen Der Heimwerkermarkt ist seit jeher hart Heimwerkerinnen möchten hingegen Not- umkämpft. Alle Hersteller konzentrierten sich wendiges reparieren, jedoch auch Dinge jedoch die längste Zeit auf die passionierten konstruieren, die käuflich nicht zu erwerben männlichen Heimwerker und richteten sind.» Allen gemein ist, dass das Ergebnis Marketing, Produktdesign, Kampagnen sowie im Vordergrund steht und nicht der Vorgang Point-of-Sale-Aktionen ausschliesslich auf an sich. Als Konsequenz entstand eine diese Zielgruppen aus. Der schwäbische neuartige Generation von Geräten, die aber Hersteller Bosch entschloss sich daraufhin keineswegs nur für Frauen konzipiert wurde, zu einem Strategiewechsel und nahm Frauen sondern Männer gleichermassen ansprechen als Zielgruppe ins Visier. Anstatt nach dem sollte: handlich, leicht, ohne technischen in der Wirtschaft oft bewährten Konzept Schnickschnack und einfach bedienbar. «Shrink it and pink it» vorzugehen, widmete Das Ergebnis: Die Bohrmaschine Ixo ist mit sich der Hersteller einer umfangreichen 18 Millionen verkauften Exemplaren das Recherche und einer eingehenden Trendana- erfolgreichste Elektrowerkzeug der Welt. lyse (wachsende Zahl von Single-Haushalten, 50 % der Käufer sind weiblich. Wirtschaftskrise, Cocooning). Learning Produktentwicklung, Produktdesign und ■ Investment in umfangreiche Recherche Verpackung wurden an die Wünsche weibli- lohnt sich cher Zielgruppen angepasst. Das Angebot ■ Vermeintlich weibliche Bedürfnisse entspre- stiess auf rege Nachfrage. «Mit 60 Prozent chen auch Männern Anteil an der Gruppe der Soft DIYer sind viele (Bosch, 2019)22 8 Über die Autorin. Von B2B bis B2C: Anna Weiss verknüpft kale Kooperation und «human-centered design». verschiedenste Facetten der Outdoor- und In ihren Design Thinking Workshops entwickelt Tourismusbranche. Sie ist 32 Jahre alt, hat die sie gemeinsam mit Destinationen, Unternehmen Welt als Flugbegleiterin bereist, als Industrie- und NGOs ganzheitliche Strategien für zukunfts- Insiderin einen erfolgreichen Special-Interest- weisende Fragestellungen. Verlag mitgegründet und als Senior Consul- tant einer Kreativagentur herausragende Pro- jekte umgesetzt. Als Ausbilderin im Bundes- lehrteam Mountainbike des Deutschen Alpen- vereins besitzt sie einen natürlichen Zugang zu Leadership und Agilität. Die Tourismus- expertin in Gender-Fragen ficht für Mut, radi- Leitfaden – Was Outdoorfrauen wollen. 24
9 Impressum. Herausgeberin Schweiz Tourismus Morgartenstrasse 5a CH-8004 Zürich Autorin Anna Weiss Redaktionsleitung Maria Sägesser und Sabina Brack Gestaltung Schweiz Tourismus Bilder Schweiz Tourismus und Partner Leitfaden – Was Outdoorfrauen wollen. 25
Quellenverzeichnis 1 Schweiz Tourismus (2020). Design Thinking 13 International Association of Conflict Management Workshop «Was Outdoorfrauen wollen». (2018). Linda Babcock: Go-getter and Do-gooder, Online [23.04.2020]: Seite 5/16, Absatz «Women Don’t Ask: The Role of www.flickr.com Gender in the Initiation of Negotiations». Online [02.12.2020]: 2 Harvard Business Review (2009). www.cmu.edu The Female Economy. Online [23.04.2020]: 14 Science Daily (2012). «Women speak less when https://hbr.org they’re outnumbered». Brigham Young University, Christopher F. Karpowitz, Tali Mendelberg, Lee Shaker. 3 Forbes (2014). Girls Guide to Paris Shows Gender Inequality in Deliberative Participation. That In Travel, Women Are On Top. Online [02.12.2020]: Online [23.04.2020]: www.sciencedaily.com www.forbes.com The Atlantic (2014). The Confidence Gap, 15 4 Overseas Adventure Travel (2014). Katty Kay and Claire Shipman. Solo Female Traveller. Seite nicht länger verfügbar Online [02.12.2020]: www.theatlantic.com 5 Our World in Data (2019). Gender Ratio. Online [24.04.2020]: 16 EU-Kommission (2014). Gender Equality in Sport. https://ourworldindata.org Online [23.04.2020]: https://ec.europa.eu 6 Zukunftsinstitut (2016). Megatrend Silver Society. Online [23.04.2020]: 17 UNESCO (2020) Gender Equality in Sports Media. www.zukunftsinstitut.de Online [23.04.2020]: https://en.unesco.org 7 National Geographic (2020). These are 2020’s top travel trends: ‘microcations’, carbon offsetting, 18 REI (2017). National Study on Women and and more. the Outdoors. Online [15.10.2020]: Online [23.04.2020]: www.nationalgeographic.com www.slideshare.net 8 World Tourism Organization (2014). Bundessportmagazin (2020). «Traut euch raus!» 19 Global Report on Adventure Tourism. Online [02.12.2020]: Online [23.04.2020]: www.bundessportmagazin.at https://skift.com Campaign Live (2016). Nike’s female focus 20 9 Pressestellen der Alpenvereine (2020) pushes marketing spend to $804m. Online [23.04.2020]: 10 Women in Adventure (2017). www.campaignlive.co.uk Mental Wellbeing Survey. Online [23.04.2020]: 21 Forbes (2017). REI’s Force Of Nature Wants https://womeninadventure.com To Change The Game For Women Outdoors. Online [23.04.2020]: REI (2019): Force of Nature: REI Advances 11 www.forbes.com Gender Equity in Gear and Support. Online [02.12.2020]: Bosch Presse (2019). 22 www.rei.com Kultschrauber in neuem Gewand. Online [23.04.2020]: 12 Institute of Leadership and Management (2011). www.bosch-presse.de ILM Ambition and Gender Report, Seiten 5/16, Abschnitt «A Crisis of Confidence». Online [02.12.2020]: www.institutelm.com
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