Pressekonferenz 20 Jahre Frauenvolksbegehren - Jetzt erst recht! - Österreichischer Frauenring
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Österreichischer Frauenring, Plattform 20000frauen und KosmosTheater laden zur Pressekonferenz 20 Jahre Frauenvolksbegehren - Jetzt erst recht! Freitag, 28. April 2017, 10 Uhr KosmosTheater Siebensterngasse 42, 1070 Wien mit Sonja Ablinger (Österreichischer Frauenring) Teresa Havlicek (Frauenvolksbegehren neu) Maria Rösslhumer (Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser) Eva Rossmann (Mitinitiatorin des ersten Frauenvolksbegehrens) Hannah Steiner (Netzwerk österreichischer Frauen- & Mädchenberatungsstellen) Ulli Weish (Plattform 20000frauen) Vor 20 Jahren unterschrieben rund 645.000 Menschen das erste österreichische Frauenvolksbegehren. Frauen und Männer forderten mit ihrer Unterschrift die verfassungsmäßige Verankerung der Gleichstellung von Frauen und Männern sowie zahlreiche gesetzliche Maßnahmen, um die Benachteiligung von Frauen endlich zu beseitigen. Wie steht es um die Umsetzung dieser Forderungen 20 Jahre danach? Was ist seither in Sachen Gleichberechtigung geschehen? Sind die gläsernen Decken gesprengt? Ist der Gender Pay Gap nur noch ein Mythos? Wir ziehen Bilanz und laden ein zu „exzessiven Utopien“. Rückfragen: Sonja Ablinger, Vorsitzende des Österreichischen Frauenrings Tel. 0664 12 19 686
Sonja Ablinger (Österreichischer Frauenring) 20 Jahre nach dem ersten Frauenvolksbegehren stellen wir – wieder einmal – fest, dass wenige der Forderungen umgesetzt wurden und an den ungleichen Geschlechterverhältnissen hat sich wenig verbessert. Immer mehr Frauen arbeiten Teilzeit – viele davon nicht freiwillig. Die Lohnschere schließt sich nicht und die Aufteilung bezahlter und unbezahlter Arbeit hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten kaum geändert. Die wachsende Armut bei Alleinerzieherinnen, die Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse, die fehlenden Rechtsansprüche im Bereich der Vereinbarkeit machen deutlich, wie aktuell der Forderungskatalog des „alte Frauenvolksbegehrens“ heute noch ist. Das überarbeitete Regierungsübereinkommen zeigt darüber hinaus, dass die Koalition wenig Interesse an emanzipatorischer Frauenpolitik hat. Kaum eine einzige zentrale frauenpolitische Forderung findet sich in dem Update der Regierungserklärung wieder. Was wir brauchen, ist ein neues „bissfestes“ Gleichstellungspaket mit Rechtsansprüchen. Das würde zum Beispiel bedeuten ein Entgeltgleichheitsgesetz ohne Verschwiegenheitsklauseln, einen einklagbaren Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung, den dringend notwendigen Ausbau der Gewaltschutzeinrichtungen, Frauenhäuser und Frauenservicestellen, ein Unterhaltsgesetz, das Kinderarmut beseitigt – und eine Staatszielbestimmung, die Gleichstellung der Geschlechter als Verpflichtung und Handlungsanleitung sieht. Um es mit Johanna Dohnal zu sagen: Es geht darum, dass die so genannten „weichen Themen“, die in Wirklichkeit „harte Brocken“ sind, endlich die Bedeutung erhalten, die sie verdienen – und nicht männlich milde belächelt werden.
Teresa Havlicek (Frauenvolksbegehren neu) Viele Frauen meiner Generation sind in einer Illusion der Gleichberechtigung aufgewachsen. Doch das politische Spannungsjahr 2016 hat uns gezeigt, dass wir noch immer über dieselben Probleme sprechen: ökonomische Gleichstellung, soziale Absicherung, Wahlfreiheit und politische Teilhabe. Wenn wir jetzt nicht einen großen, frauenpolitischen Schritt nach vorne machen, gehen wir zwei zurück. Daher ist es jetzt Zeit, Druck aufzubauen: Wir wählen bald eine neue Regierung, und im Jahr 2017 sollten Frauen nicht nur mitgemeint, sondern mit dabei sein. Damit wir gemeinsam ein Land gestalten, in dem alle von Wohlstand profitieren.
Maria Rösslhumer (Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser) Österreich gilt international als Vorbild im Gewalt- und Opferschutz. Seit beinahe 40 Jahren gibt es Frauenhäuser in allen Bundesländern und eine bundesweite Frauenhelpline als zentrale Anlaufstelle für gewaltbetroffene Mädchen und Frauen, die die wichtigsten Kriterien – kostenlos, anonym und eine Besetzung von 24/7 – erfüllt. Vor 20 Jahren traten die Gewaltschutzgesetze (Betretungsverbot und Wegweisung) in Kraft und Gewaltschutzzentren wurden bundesweit errichtet. Gesetzliche Maßnahmen wurden verbessert und 2014 hat Österreich die Istanbul Konvention ratifiziert und sich verpflichtet, gewaltbetroffene Frauen und Kinder zu schützen und zu unterstützen. Dennoch gibt es viele gravierende Lücken und Defizite in der Prävention und im Opferschutz! Jährlich werden schätzungsweise 20 bis 30 Frauen von ihren eigenen Partnern ermordet. Viele gefährliche und polizeibekannte Gewalttäter werden von der Justiz auf freiem Fuß angezeigt oder freigesprochen und können somit Morde und Mordversuche planen. Immer mehr Frauen bringen den Mut auf, Anzeige gegen ihre Misshandler zu erstatten, dennoch kommen viele ohne Verurteilung und Strafe davon. Jede Frau hat das Recht auf Schutz und Unterstützung. Jede 5. Frau ist Opfer von Gewalt ab dem 15. Lebensjahr. Nur jede 5. Frau weiß, wohin sie sich bei Gewalt wenden kann. Dennoch können und dürfen die Frauenhäuser in Österreich nicht alle gewaltbetroffenen Frauen und Kinder aufnehmen und ihnen Schutz und Hilfe anbieten, was vor allem Frauen ohne Dokumente und Asylwerberinnen und Frauen mit Behinderungen trifft. Es fehlen mindestens 90 Frauenhausplätze sowie ausreichende personelle und finanzielle Mittel. Darüber hinaus fehlen jährlich mindestens 210 Millionen Euro für die Gewaltpräventionsarbeit. Das inkludiert Bewusstseins- und Öffentlichkeitsarbeit, Kampagnen, verpflichtende Fortbildungsangebote, aber auch opferschutzorientierte Täterarbeit. Wenn die Regierung ernsthaft gewillt ist, Gewalt an Frauen zu beenden, muss ausreichend Geld in die Präventionsarbeit investiert werden und Gesetze müssen im Sinne des Opferschutzes umgesetzt werden und dürfen nicht nur am Papier existieren. Alle Forderungen und Verbesserungsvorschläge sind im NGO- GREVIO-Schattenbericht veröffentlicht, der gemeinsam mit 30 Opferschutzeinrichtungen erarbeitet wurde. Siehe: www. http://www.aoef.at/images/04_news/news_2016/GREVIO-Schattenbericht_2016.pdf
Eva Rossmann (Mitinitiatorin des ersten Frauenvolksbegehrens) Das FrauenVolksBegehren war ein großer Erfolg für das breiteste Frauenbündnis, das es je gegeben hat. Gemeinsam haben wir es geschafft, in Österreich ein breites und nachhaltiges Bewusstsein für Gleichstellungspolitik zu schaffen. Das FrauenVolksBegehren war ein großer Misserfolg für die Regierungsparteien – man hat die Forderungen von mehr als 645.000 Menschen weitgehend ignoriert. Höchste Zeit, dass die notwendigen Maßnahmen zur realen Gleichstellung nicht mehr nur in Sonntagsreden besprochen, sondern umgesetzt werden. Die wichtigsten Forderungen: 1.) Öffentliche Aufträge und Förderungen nur an Unternehmen, die sich nachweislich und überprüfbar um die volle Gleichstellung von Frauen und Männern kümmern. 2.) Statt Bekleidungsvorschriften oder Verbote zu diskutieren: Gezielte Förderung, Einbeziehung und Selbstermächtigung von Frauen, die durch Flucht oder Migration in Österreich leben. Beratung auch durch Frauen mit eigenem Migrationshintergrund in Lebensfragen wie Familie, Scheidung, Kinder, sexuelle Orientierung. Ermutigung von geflohenen Frauen zur Selbstorganisation. 3.) Volle Lohntransparenz – Unternehmen haben die Löhne und andere Leistungsabgeltungen (z.B. Aufwandsentschädigungen) offenzulegen. 4.) Gezielte Maßnahmen zur Neuverteilung der bezahlten Arbeit durch Arbeitszeitverkürzung, Jobsharing-Modelle, familiengerechte Arbeitszeitpläne, Arbeitszeitflexibilisierung auf DienstnehmerInnenseite. 5.) Fixierung einer Mindest-Quote in allen demokratisch gewählten Vertretungsgremien von 40 Prozent pro Geschlecht.
Hannah Steiner (Netzwerk österreichischer Frauen- & Mädchenberatungsstellen) A long way to equal pay … Mit etwas weniger Falten im Gesicht, aber ansonsten mit den gleichen Feststellungen und Forderungen, haben wir auch schon 1997, im Jahr des Frauenvolksbegehrens, die große Einkommensschere zwischen Frauen und Männern beklagt und kommentiert. An den Zahlen hat sich seither fast nichts verändert. Österreich grundelt weiterhin am unteren Ende der EU-Länderskala; nur die Zahl der Mitgliedsstaaten hat sich erweitert und so liegen wir aktuell auf dem traurigen 27., dem vorletzten Platz, mit einem Einkommensunterschied von 23 Prozent. Nur Estland hat noch schlechtere Werte. Der EU-Durchschnitt liegt bei ca. 16 Prozent. Nichts passiert in den letzten 20 Jahren? Zu sagen, dass wirklich gar nichts passiert ist seit 1997, stimmt meiner Meinung nach aber nicht ganz. Es ist eindeutig so, dass das Thema gleiches Einkommen für gleiche bzw. gleichwertige Arbeit im Bewusstsein angekommen ist. Dafür haben Gesetze und Kampagnen gesorgt: zum Beispiel die Novellierung des Gleichbehandlungsgesetzes zur Einkommenstransparenz, wodurch Einkommensberichte und Gehaltsangaben in Stellenanzeigen verpflichtend wurden. Zum Beispiel die Kampagne der ÖGB-Frauen, wo es heißt „Würden Sie Ihrer Tochter weniger Taschengeld geben als Ihrem Sohn?“ oder eine Kampagne des Netzwerks österreichischer Frauen- und Mädchenberatungsstellen mit dem Slogan „Nur faire Einkommen sichern faire Pensionen“. Doch schon, aber… Warum hat sich aber, obwohl so viele Akteure und Akteurinnen und eine immer breiter werdende Bevölkerung sensibilisiert sind, und sich für Lohngerechtigkeit einsetzen, an den Zahlen so wenig verändert? Eine wahrscheinliche Erklärung dafür ist: Es fehlt an einer breiten, gesamthaften Strategie und an einem Instrumentarium mit den nötigen Zähnen, um bestehende Maßnahmen zu unterstützen. Einkommensberichte gehören umgesetzt in Maßnahmen und deren Einhaltung muss kontrolliert werden. Gehaltsangaben müssen genau werden, Überzahlung benannt. Arbeit gehört fair bewertet, Frauenarbeit darf nicht weniger Wert sein als Männerarbeit! Rahmenbedingungen müssen geschaffen werden, die Beruf und Familie tatsächlich für beide Geschlechter vereinbar machen – dazu zählen Kinderbetreuungseinrichtungen genauso wie Maßnahmen für Väterkarenz. Ausblick 2037 Es ist ein Armutszeugnis und ein Skandal, dass Frauen in Österreich noch im 21. Jahrhundert auf diese Art diskriminiert werden. Angesichts dessen wäre ein Ende der Wehleidigkeit (immer diese Angst: wem nimmt man etwas weg, wenn man Frauen endlich gleich behandelt?) und ein etwas energischeres Vorgehen höchst an der Zeit. Damit wir in 20 Jahren nicht immer noch hier hocken, mit noch mehr Falten und den immer noch gleichen Statements.
Ulli Weish (Plattform 20000frauen) Vor 20 Jahren war ich jung. Der Schmäh, dass junge Frauen durch ihre Ausbildungen im Laufe der Zeit zu Leitungs-, Führungs-, Verteilungspositionen finden, ist bereits alt. Medienfake. Der neoliberale Zeitgeist benötigt für den Karriereaufstieg eine unsichtbare Dienstbotinnengesellschaft, die Frauen in eine altbekannte Hierarchie presst. Solidarität in Zeiten der Totalkonkurrenz – um die wenigen Aufstiegsmöglichkeiten in enger werdenden Branchen – scheint utopisch. Drei Sprengfallen der feministischen Bewegungen lagern am Wegesrand seit mehr als 20 Jahren und vertiefen sich (queer/trans/inter versus lesbisch; Sexarbeit versus Prostitutionsdiskurs, Kopftuchdebatte/feministischer (Anti-)Rassismus?), die die politischen Frauen-Szenen aufmischen, fast spalten. Diese aktuelle Logik scheint auch praktisch für den Erhalt des Status Quo und fügt sich ein in die internationale Dynamik der heutigen Kriegstreiberei und der Spaltungen von Gruppeninteressen. Vor 20 Jahren gab es eine Utopie – die Grenzen bleiben offen, das Kapital wird verteilt. Heute sind wir Zeuginnen und Günstlinge von Rohstoffkriegen, die unseren Weststandard halten sollen. Feministinnen mit historischer Bildung wissen: Wenn Frauenrechte massiv beschnitten werden, wird der nächste Krieg vorbereitet.
„Jetzt erst recht!“ Vor 20 Jahren unterschrieben rund 645.000 Menschen das erste österreichische Frauenvolksbegehren. Frauen und Männer forderten mit ihrer Unterschrift die verfassungsmäßige Verankerung der Gleichstellung von Frauen und Männern sowie zahlreiche gesetzliche Maßnahmen, um die Benachteiligung von Frauen endlich zu beseitigen. Wie steht es um die Umsetzung dieser Forderungen 20 Jahre danach? Die uneingelösten Versprechen auf Gleichheit Frauen haben gekämpft und – trotz heftigem Widerstand – viel erreicht. Aber wo stehen wir heute? Wirtschaftliche Unabhängigkeit, Einkommensgerechtigkeit und das Recht auf gleichberechtigte politische Mitbestimmung – das sind noch immer uneingelöste Versprechen auf Gleichheit. Der Fortschritt ist ins Straucheln gekommen. In aller Deutlichkeit zeigt sich das auch am Arbeitsprogramm, das die Bundesregierung vor wenigen Wochen mit viel Aufsehen beschlossen hat. Bei der Durchsicht des 36-seitigen Papiers wird schnell klar: Frauenpolitik kommt darin nicht vor. Maßnahmen für mehr Lohngerechtigkeit und wirtschaftliche Eigenständigkeit, wirksame Schritte gegen weibliche Armut und gegen die rasant steigende prekäre Beschäftigung – Fehlanzeige. Es gibt, so heißt es mit stolz geschwellter Brust, nun erstmals ein Programm mit genauem Zeitplan. Ein Zeitplan für dringend notwendige frauenpolitische Maßnahmen findet sich darin nicht. (Abgesehen von einer Verpflichtung zu einer 30-prozentigen Frauenquote in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen, die bei Neubestellungen ab 2018 wirksam werden soll.) Frauenpolitische Themenverfehlung Das Arbeitsprogramm ist angesichts des jüngsten Global Gender Gap Reports eine glatte Themenverfehlung. Eine „dramatische Rückwärtsentwicklung“ wird dort attestiert. Auch der jüngste Sozialbericht hätte eine Handlungsanleitung für die Regierung sein können. Er verweist auf die systematische Schlechterstellung von Frauen am Arbeitsmarkt und deren dramatische Folgen: Frauen sind wesentlich stärker armutsgefährdet als Männer, 26 Prozent der alleinerziehenden Frauen sind sogenannte „Working Poor“. Im Regierungsupdate findet sich dazu nichts. Stattdessen präsentiert die Regierung ein Verbot der Vollverschleierung im öffentlichen Raum. Man(n) diskutiert lieber über ein Burkaverbot als über faire Löhne. Von ‚unseren Werten’ ist die Rede und vom ‚Konsens für gleiche Rechte zwischen Mann und Frau in unserem Land’. Angesichts der unverschleierten Zahlen über Einkommensunterschiede, Armutsbetroffenheit und männerdominierte Entscheidungsgremien ist die immer wieder aufgewärmte Kopftuchdebatte eine Verhöhnung. Bestrafung von Frauen hat noch nie zu mehr Gleichstellung von Frauen geführt. Die Themenverfehlung und Ignoranz trifft auf eine Entwicklung, die sich seit Jahrzehnten abzeichnet und sich mit Ausbruch der Wirtschaftskrise noch vertiefte: Die Frauenpolitik steht im toten Winkel. Unter dem Primat der Wettbewerbspolitik und Budgetkonsolidierung wurde und wird der Wohlfahrtsstaat rückgebaut – eine Entwicklung, die Frauen besonders hart trifft. Emanzipatorische Frauenpolitik, wie wirksame Equal-Pay-Gesetze, eigenständige soziale Rechtsansprüche oder der Ausbau von sozialen Sicherungssystemen werden als „unleistbar“ oder „wettbewerbsfeindlich“ abgeschmettert. Die Budgets von Frauenberatungsstellen werden gekürzt oder nicht erhöht, die Unterhaltssicherung für Alleinerzieherinnen wird nicht reformiert, der Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen wird eingeschränkt, die Ausgleichszulage bleibt unter dem Niveau der Armutssicherung, die Reform der sozialen Sicherung in der Arbeitslosigkeit wird weiterhin verwehrt. Da und dort werden die Mindestsicherung oder auch die Wohnbeihilfe für Alleinerzieherinnen gekürzt. Der Anteil von Frauen im Parlament und in Landtagen stagniert bzw. geht zurück. Die
Angelobung einer Männerregierung in Oberösterreich war dann nur noch das Tüpfelchen auf dem I. Was blieb von den Forderungen des Frauenvolksbegehrens Das Frauenvolksbegehren forderte, dass Unternehmen nur dann Förderungen und öffentliche Aufträge erhalten, wenn sie dafür sorgen, dass Frauen auf allen hierarchischen Ebenen entsprechend ihrem Anteil an der Bevölkerung vertreten sind. Die Koppelung der Auftragsvergabe an Gleichstellungsziele gibt es nicht. Beschlossen wurde die Verpflichtung der Unternehmen Einkommensberichte zu legen. Seit 2011 sind Unternehmen, die dauernd mehr als 150 ArbeitnehmerInnen beschäftigen, alle zwei Jahre verpflichtet Berichte zu legen. Verpflichtende Maßnahmen zur Behebung der Einkommensbenachteiligung sind allerdings nicht vorgesehen. Sehr oft verschwinden Einkommensberichte einfach in der Schublade. Die Forderungen des Frauenvolksbegehrens nach gleichem Lohn für gleichwertige Arbeit und einem Mindestlohn sind auch 20 Jahre später noch hochaktuell. Der Gender Pay Gap schließt sich nur sehr langsam. Vergleicht man/frau das Bruttojahreseinkommen von unselbständig erwerbstätigen Frauen und Männern, so liegt der Einkommensnachteil laut Zahlen der Statistik Austria unverändert bei 38 Prozent. Ein Grund dafür ist auch der Anstieg der Teilzeit bei Frauen. Die Teilzeitquote der Frauen stieg von 31 auf 50 Prozent. Was besonders ins Auge springt: Die Teilzeitquote von Frauen mit Kindern unter 15 Jahren liegt bei mittlerweile bei 75 Prozent. Vor zwei Jahrzehnten betrug sie lediglich 45 Prozent. Gleichermaßen bescheiden verändert sich der Gender Gap in den Managementpositionen der Unternehmen. Frauen haben zwar in Sachen Bildungsabschlüssen enorm aufgeholt – aber die gläserne Decke bleibt bestehen. Das hängt auch damit zusammen, dass die Vereinbarkeit von Beruf, Karriere und Familienarbeit eine „weibliche Domäne“ ist. Einen Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz, wie ihn das Frauenvolksbegehren forderte, gibt es noch immer nicht. Die Betreuungsquoten bei null bis zweijährigen Kindern, also der Anteil der Kinder in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen, stieg zwischen 1995 und 2015 von fünf auf lediglich 25 Prozent, die Quote für Volksschulkinder hat in den letzten zwanzig Jahren einen bescheidenen Anstieg von sieben Prozent auf 17 Prozent verzeichnet. Das Frauenvolksbegehren forderte einen garantierten Anspruch auf Teilzeitarbeit für Eltern bis zum Schuleintritt ihres Kindes mit Rückkehrrecht zur Vollzeitarbeit. Auch diese Forderung wurde nicht umgesetzt. Es gibt mittlerweile zwar eine Regelung zur gesetzlichen Elternteilzeit, allerdings nur für Beschäftigte, die in einem Betrieb mit mehr als 21 Beschäftigten arbeiten. Die Arbeiterkammer hat dazu jüngst die Diskriminierung von Frauen in Elternteilzeit aufgedeckt: Die Rückkehr in den Job führt viele Mütter ins berufliche Abseits. In der AK Rechtsberatung wurde zwischen September und Dezember 2016 erhoben, mit welchen Problemen sich junge Eltern – in erster Linie sind es Frauen – an die AK Wien wenden. Die Untersuchung zeigt: Benachteiligungen von Müttern kommen häufig vor. Die Probleme der Betroffenen reichen von Verschlechterungen des Arbeitsklimas über Zuweisung zu schlechteren Tätigkeiten bis hin zum Verlust des Arbeitsplatzes. Die fehlenden Rechtsansprüche, der Rückbau des Sozialstaates und immer wieder nur versprochene, aber bisher nicht eingelöste Reformen, wie zum Beispiel die Unterhaltssicherung von Kindern in Ein-Eltern-Familien treffen darum Alleinerziehende besonders hart. Mittlerweile haben laut EU-SILC 2015 Ein-Eltern-Haushalte mit 42 Prozent die höchste Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung.
Die Konsequenz dieser Benachteiligung spiegelt sich in der weiblichen Altersarmut wider. Eine der Forderungen des Frauenvolksbegehrens war das Recht auf eine Grundpension, die nicht unter dem Existenzminimum liegen darf. Davon sind wir heute weit entfernt. Die Pensionsreformen der blau-schwarzen Regierung (2003/2004) machen Frauen zu den großen Verliererinnen. Der Gender Gap in der Alterspension ist mittlerweile auf 53 Prozent angewachsen. Der verlängerte Durchrechnungszeitraum, also die de facto lebenslange Durchrechnung, damals zynisch als „Pensionsharmonisierung“ umschrieben und die Veränderung bei der Bemessungsgrundlage werden ihre dramatischen Auswirkungen noch zeigen. Eine Pensionskürzung wurde als Pensionsreform verkauft. Der frauenpolitische Backlash lässt sich ganz konkret beziffern: Lag Österreich nach den Erhebungen des „Global Gender Gap Report“ im Jahr 2006 noch an 26. Stelle, so belegen wir 2016 nur noch den 52.(!) Rang. Rund 170 Jahre wird es noch dauern, bis Frauen und Männer weltweit gleichgestellt sein werden, wie aus der Studie des World Economic Forum hervorgeht. Der Report gibt auch Auskunft darüber, wie groß die Geschlechterdifferenz in Bezug auf wirtschaftliche Teilhabe und Chancengleichheit, Bildung, Gesundheit und politische Partizipation in einem Land ist. 2016 wurden 144 Länder verglichen. In der Kategorie „Wirtschaftliche Teilhabe und Chancengleichheit“ liegt Österreich 2016 auf dem 84. Platz, in der Unterkategorie Einkommensgleichheit auf dem 100. Platz. Anti-emanzipatorische Politik bleibt nicht unwidersprochen So wenig ermunternd diese knappe Darstellung der Lage der Frauen und ihrer Rechte ist, diese anti-emanzipatorische Politik bleibt nicht unwidersprochen. Es gibt viele Orte und viele Formen des Protests. Die Männerregierung in Oberösterreich war von Anfang an mit öffentlichem Widerspruch konfrontiert. Dass sexuelle Belästigung kein Kavaliersdelikt ist, hat unter anderem die sehr wirksame #aufschrei-Kampagne in den sozialen Medien ins öffentliche Bewusstsein gerufen. Eine entsprechende Gesetzesreform war die Folge. Als in Polen das ohnehin strenge Abtreibungsgesetz noch verschärft werden sollte, haben Frauen das verhindert. Millionen Frauen mobilisieren alljährlich lautstark mit der Aktion ‚One Billion Rising’ gegen Gewalt an Frauen. Der „Women’s March on Washington“ war eine der größten Protestmärsche in jüngster Zeit als Reaktion auf die Wahl von Donald Trump. Trotz des wachsenden Antifeminismus entstehen neue Widerstandsformen und frauenpolitische Bündnisse. Vor 100 Jahren stellten die Suffragetten männliche Gewissheiten radikal in Frage und widersetzten sich dem übermächtigen Mainstream. Ihre Ausdauer und ihr Mut haben den Kampf um das Frauenwahlrecht zu einer breiten Bewegung gemacht. Unbestritten sind in den letzten Jahrzehnten die Bedingungen für emanzipatorische Politik wieder schwieriger geworden und darum ist die Frauenbewegung auch weniger erfolgreich – aus allen Ecken bläst der Wind entgegen. Aber gerade deswegen ist es umso richtiger, was die Frauenrechtlerin der Ersten Frauenbewegung, Clara Zetkin, klar formulierte: „Lassen wir uns nicht schrecken durch die Ungunst äußerer Umstände, haben wir für alle Schwierigkeiten nur eine Antwort: Erst recht!“
20 Jahre FrauenVolksBegehren Forderungen und (fehlende) Fortschritte Die Forderungen des Frauenvolksbegehrens im Check: Was wurde erreicht? Die tatsächliche Gleichberechtigung ist insbesondere durch folgende gesetzliche Maßnahmen herzustellen: 1. Unternehmen erhalten Förderung und öffentliche Aufträge nur, wenn sie dafür sorgen, dass Frauen auf allen hierarchischen Ebenen entsprechend ihrem Anteil an der Bevölkerung vertreten sind. __________________________________________________________________________ Eine Koppelung der Auftragsvergabe durch die öffentliche Hand an Gleichstellungsziele gibt es nicht. Beschlossen wurde die Verpflichtung für Unternehmen Einkommensberichte zu legen. Seit 2011 sind Unternehmen verpflichtet, Berichte zu legen: Der Einkommensbericht muss von Unternehmen, • die dauernd mehr als 150 Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer beschäftigen, alle zwei Jahre erstellt werden. Dieser Bericht beinhaltet Angaben über die Anzahl der Frauen und Männer in den jeweiligen Verwendungsgruppen und Verwendungsgruppenjahren und das Durchschnittsentgelt von Frauen und Männern im Kalenderjahr in den jeweiligen Verwendungsgruppen und Verwendungsgruppenjahren. Der Bericht muss in anonymisierter Form erstellt werden und darf keine Rückschlüsse auf Einzelpersonen zulassen. Der Einkommensbericht muss dem (Zentral-)Betriebsrat übergeben werden. Besteht kein Betriebsrat, muss der Bericht im Betrieb in einem Raum aufgelegt werden, der für alle Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer zugänglich ist. Die Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer sind zur Verschwiegenheit (außerhalb des Unternehmens) über den Inhalt des Einkommensberichts verpflichtet. Einholungen von Rechtsauskünften oder Beratung durch Interessenvertretungen (z.B. die Arbeiterkammer) oder die Einleitung eines Verfahrens zur Durchsetzung von Ansprüchen nach dem Gleichbehandlungsgesetz stehen dem nicht entgegen. Aber: • eine verpflichtende Beratung des Einkommensberichts ist nicht vorgesehen • Einkommensberichte verschwinden oft in der Schublade – keine Verpflichtung zum Maßnahmenplan • LeiharbeiterInnen sind nicht miteinbezogen • Lesbarkeit der Einkommensberichte ist mangelhaft • Überstunden, Prämien und Zulagen sind nicht extra ausgewiesen • Genderindex zu Führungskräften fehlt • Gleichbehandlungsanwaltschaft wird nicht in Evaluierung miteinbezogen • Kompetenzstelle zur Evaluierung und Weiterentwicklung der Einkommensberichte fehlt
2. Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit ist anzustreben. Deshalb ist ein Mindesteinkommen von S 15.000,- brutto, das jährlich dem Lebenskostenindex angepasst wird, zu sichern. __________________________________________________________________________ Aktuell hat die Bundesregierung in ihrem Arbeitsprogramm die Umsetzung eines Mindestlohnes von 1.500 Euro ins Auge gefasst. Die SozialpartnerInnen haben die Vorgabe, bis Sommer 2017 eine Einigung herzustellen. Gelingt das nicht, will die Regierung einen gesetzlichen Mindestlohn beschließen. Laut Arbeiterkammerdaten verdienen rund 356.500 Beschäftigte weniger als 1.500 Euro brutto, davon sind zwei Drittel Frauen – also etwa 243.000 Frauen. Der Gender Pay Gap bleibt auch 20 Jahre danach noch fast unverändert: Nettojahreseinkommen von unselbständig erwerbstätigen Frauen und Männern im Zeitvergleich Unselbständig Erwerbstätige insgesamt 1)2) 1997: 33,2 2015: 31,2 Bruttojahreseinkommen von unselbständig erwerbstätigen Frauen und Männern im Zeitvergleich Unselbständig Erwerbstätige insgesamt 1)2) 1997: 38,2 2015: 38,4 Bruttojahreseinkommen von unselbständig erwerbstätigen Frauen und Männern im Zeitvergleich Ganzjährig Vollzeitbeschäftigte – ohne Lehrlinge 1997: 22,5 2015: 17,3 Q: STATISTIK AUSTRIA, Lohnsteuerdaten - Sozialstatistische Auswertungen. Erstellt am 20.01.2017. *) Einkommensunterschied zwischen Frauen und Männern im Verhältnis zum Bruttojahreseinkommen der Männer. 1) Ohne Lehrlinge. 2) Inklusive Teilzeitbeschäftigte und nicht-ganzjährig Beschäftigte. Bruttojahresbezüge gemäß § 25 Einkommensteuergesetz. 3. Teilzeitarbeit und geringfügige Beschäftigung sind arbeits- und sozialrechtlich der vollen Erwerbstätigkeit gleichzustellen. __________________________________________________________________________ Geringfügig Beschäftigte sind zwar vom Arbeitsrecht erfasst, aber nur unfallversichert – es sei denn, man hat mehrere geringfügige Beschäftigungsverhältnisse, die über 426 Euro pro Monat liegen. Was besonders ins Auge springt: War vor 20 Jahren Teilzeit die überwiegende Beschäftigungsform von Frauen mit Kindern unter 15 Jahren (45%), ist sie mittlerweile für die Mehrheit der Frauen die häufigste Beschäftigungsform – unabhängig vom Alter der Kinder. Vor 20 Jahren war fast jede zweite Frau mit Kindern unter 15 Jahren in einer Teilzeitbeschäftigung, der Anteil heute liegt bei 75 Prozent.
Teilzeitquoten (ILO) der 25- bis 49-Jährigen, 1997 – 2015 1997 2015 Männer insgesamt 3,4 % 8,9 % Frauen insgesamt 31,3 % 50,2 % Männer mit Kindern unter 15 2,8 % 6,6 % Frauen mit Kindern 44,9 % 74,5 % unter 15 Erwerbstätigkeit nach ILO-Konzept: Erwerbstätig sind Personen ab einer wöchentlichen Normalarbeitszeit von mindestens einer Stunde. Bis 2003 Klassifikation Vollzeit/Teilzeit nach Stundengrenze (bis 35 Stunden), ab 2004 Selbstzuordnung. 4. Keine Anrechnung des PartnerIneinkommens bei Notstandshilfe und Ausgleichszulage. __________________________________________________________________________ Hier gibt es keine Änderung – nach wie vor wird das Partnereinkommen bei der Notstandshilfe einbezogen. Noch immer gilt: Es sind überwiegend Frauen (83 Prozent), die die Notstandshilfe wegen Einrechnung des Partnereinkommens verlieren. Grundsätzlich beträgt die Notstandshilfe 92 Prozent des zuvor bezogenen Arbeitslosengeldes. Liegt das Arbeitslosengeld (ohne Familienzuschläge) unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende, beträgt die Notstandshilfe 95 Prozent des Arbeitslosengeldes. Sobald das Partnereinkommen abzüglich eines Freibetrags (2017: 647€ bzw. höherer Freibetrag bei Unterhaltspflichten bzw. einem höheren Lebensalter) höher als die Notstandshilfe ist, wird diese nicht ausbezahlt. In den betroffenen Haushalten fällt daher nach dem Ende des Arbeitslosengeldbezuges ein Einkommen zur Gänze weg. Oft reicht schon ein Partnereinkommen von rund 1.200 € netto, damit die Notstandshilfe ersatzlos gestrichen wird – und das trotz jahrelangen Einzahlens in die Arbeitslosenversicherung.
5. Die Gleichstellung der Frauen muss auch durch staatliche Bildungsmaßnahmen gefördert werden. Die Bundesregierung hat geschlechtsspezifische Statistiken zu den Themen Beruf und Bildung zu erstellen und jährlich zu veröffentlichen. __________________________________________________________________________ Berichte wie der Gender Index werden jährlich herausgegeben, aber an der geschlechtsspezifischen Ausrichtung von Bildungswegen hat sich wenig verändert. Frauen haben in Sachen Bildungsabschlüssen enorm aufgeholt, doch die gläserne Decke bleibt bestehen. Seit 2011 wird jährlich der Gender Index Frauen und Männer in Österreich (Geschlechtsspezifische Statistiken) erstellt. Studienabschlüsse ordentlicher Studierender an Universitäten und FHs 1990 bis 2014: 1990/91 Männer: 6.834 Frauen: 4.930 (Frauenanteil 42 %) 2014/15 Männer (Uni): 15.272 Frauen (Uni): 19.267 (Frauenanteil 56 %) Männer (FH): 6.618 Frauen (FH): 6.496 (Frauenanteil 49,5 %) Dem akademischen Siegeszug der Frauen zum Trotz bleiben Managementpositionen vorrangig Männern vorbehalten. Dies zeigt sich in österreichischen Unternehmen bereits im Mittleren Management: In den 200 umsatzstärksten Unternehmen Österreichs sind nur 497 weiblich (15,8 Prozent). Gerade vor dem Hintergrund, dass die Prokura als Schlüssel für den Zutritt zu den obersten Führungsgremien gilt, ist dies besonders frappierend. In der Geschäftsführung sinkt der Frauenanteil auf 7,2 Prozent, in CEO-Positionen sind 3,6 Prozent Frauen zu finden. Im Aufsichtsrat, den Kontrollgremien der umsatzstärksten 200 Unternehmen liegt der Frauenanteil bei 18,1 Prozent. Die Repräsentanz von Frauen in den Führungsgremien der börsennotierten Unternehmen beträgt 3,9 Prozent. 6. Jeder Mensch hat das Recht, Beruf und Kinder zu vereinbaren. Daher hat der Gesetzgeber für die Bereitstellung ganztägiger qualifizierter Betreuungseinrichtungen für Kinder aller Altersstufen zu sorgen. Tagesmütter sind auszubilden und arbeits- und sozialrechtlich abzusichern. __________________________________________________________________________ Es gab deutliche Verbesserungen und große Investitionsprogramme im Bereich von Kinderbetreuung und Ganztagesschulen, je nach Bundesland ist die Lage aber nach wie vor sehr unterschiedlich. Bei den Tageseltern sind noch immer die Länder zuständig, die Ausbildungen und Arbeitsbedingungen sind daher unterschiedlich. Es gibt noch immer keinen Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz. Die Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist noch immer weiblich.
Kinderbetreuungsquoten nach Altersgruppen 1995 bis 2015 (Anteil der Kinder in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen ohne Berücksichtigung vorzeitig eingeschulter 5-jähriger Kinder ohne Hortbetreuung im Vergleich zur gleichaltrigen Wohnbevölkerung) 0- bis 2-jährige Kinder 1995: 4,6 % 2015: 25,5 % 3- bis 5-jährige Kinder 1995: 70,6 % 2015: 93 % 6- bis 9-jährige Kinder 1995: 7 % 2015: 16,5 % 7. Zwei Jahre Karenzgeld für alle AlleinerzieherInnen. __________________________________________________________________________ Das einstige Karenzgeld lässt sich mit dem heutigen Kinderbetreuungsgeld nicht vergleichen, aber weiterhin ist es so, dass bei Alleinerziehenden in der Regel der für den 2. Elternteil reservierte Anspruch verfällt. Fast die Hälfte der Alleinerziehenden lebt in Armut – die seit Jahren versprochene Reform zur Unterhaltssicherung bleibt die Regierung noch immer schuldig. Nach den Zahlen der Statistik Austria aus dem Jahr 2015 gibt es 251.000 Alleinerzieherinnen und 45.000 Alleinerzieher. 101.000 Mütter leben mit Kindern unter 15 Jahren. Das sind in etwa gleich viel wie 1985. Die höchste Zahl an Alleinerzieherinnen mit Kindern unter 15 Jahren gab es 2005, damals lebten in Österreich 117.000 Alleinerzieherinnen. Im Vergleich dazu gibt es 7.000 alleinerziehende Väter, die mit Kindern unter 15 Jahren in einem Haushalt leben. Die Zahl der alleinerziehenden Väter mit Kindern unter 15 bleibt seit 1995 mehr oder weniger stabil. Laut einer Erhebung der Statistik Austria lebten im vergangenen Jahr 108.000 Ein-Eltern- Familien mit Kindern unter 15 Jahren in Österreich, in 93 Prozent der Fälle lebten die Kinder bei ihren Müttern. Eine Befragung der Plattform für Alleinerziehende ergab, dass nur jede zweite Alleinerzieherin regelmäßig Kindes-Unterhalt vom Vater des Kindes erhält, weshalb viele Frauen auf staatliche Unterhaltsvorschüsse angewiesen sind. Bis diese allerdings ausgezahlt werden, kann es nach der aktuellen gesetzlichen Regelung mitunter Jahre dauern. Die Tücken im Unterhaltsvorschussgesetz haben oft weitreichende Folgen für die ökonomische Situation von Alleinerziehenden und deren Kinder – viele rutschen in die Armut ab. Laut EU-SILC 2015 haben Ein-Eltern-Haushalte mit 42 Prozent die höchste Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung.
8. Gesetzlich garantierter Anspruch auf Teilzeitarbeit für Eltern bis zum Schuleintritt ihres Kindes mit Rückkehrrecht zur Vollzeitarbeit. __________________________________________________________________________ Es gibt mittlerweile gesetzliche Elternteilzeit, allerdings nur für Beschäftigte, die in einem Betrieb mit mehr als 21 Beschäftigten arbeiten. Die Arbeiterkammer hat unlängst in einer Pressekonferenz die Diskriminierung von Frauen in Elternteilzeit aufgedeckt: Die Rückkehr in den Job führt viele Mütter ins berufliche Abseits. In der AK Rechtsberatung wurde zwischen September und Dezember 2016 erhoben, mit welchen Problemen sich junge Eltern – in erster Linie sind es Frauen – an die AK Wien wenden. Die Untersuchung zeigt: Benachteiligungen von Müttern kommen häufig vor, jeden Tag wird zumindest ein neuer Fall den AK-ExpertInnen bekannt gemacht. Die Probleme der Betroffenen reichen von Verschlechterungen des Arbeitsklimas über Zuweisung zu schlechteren Tätigkeiten bis hin zum Verlust des Arbeitsplatzes. 9. Ausdehnung der Behaltefrist am Arbeitsplatz nach der Karenzzeit auf 26 Wochen. __________________________________________________________________________ Diese beträgt unverändert vier Wochen. 10. Jeder Mensch hat das Recht auf eine Grundpension, die nicht unter dem Existenzminimum liegen darf. Wenn ein/e Lebenspartner/in nicht erwerbstätig ist, hat der/die andere dafür Pensionsbeiträge zu zahlen. Kindererziehung und Pflegearbeit wirken pensionserhöhend. ___________________________________________________________________ Eine Pflicht für den/die PartnerIn Pensionsbeiträge zu zahlen gibt es nicht. Was es gibt, ist das Pensionssplitting: Teile des Pensionsanspruches können auf beide aufgeteilt werden. Das ist aber freiwillig und wird kaum in Anspruch genommen. Ansonsten werden Erziehungszeiten bis zu vier Jahren pro Kind für die Pensionsversicherung anerkannt. „Frauen mit niedrigem Einkommen in Kombination mit längeren Teilzeitphasen“ sind die Verliererinnen der Pensionsreformen 2003/2004 – kurz gesagt: Frauen sind die Verliererinnen der Pensionsreform. Nach der Pensionsreform von 2003 wird der Durchrechnungszeitraum, der bislang die 180 „besten“ Beitragsmonate erfasste, bis 2028 schrittweise auf 480 Monate angehoben. Damit ergibt sich de facto eine lebenslange Durchrechnung. Im System des mit der „Pensionsharmonisierung“ entstandenen APG werden ohnedies grundsätzlich alle erworbenen Beitragsgrundlagen des Versicherten miteinbezogen. Aber nicht nur bei der Bemessungsgrundlage schlagen die unsteteren Erwerbsverläufe von Frauen durch: Neben der Bemessungsgrundlage wirkt sich die Versicherungsdauer auch beim zweiten zentralen Faktor für die Errechnung der Pensionshöhe aus. Die Steigerungsbeträge bzw. Kontoprozentsätze, mit denen die Bemessungs- bzw. Beitragsgrundlagen zu multiplizieren
sind, werden nach § 261 ASVG (ab 2008) bzw. § 12 APG (ab 2005) pro Versicherungsjahr mit 1,78 (Prozent-)Punkten statt mit zwei Prozent (vor 2004) bemessen. Um eine Pension in Höhe von 80 Prozent der Bemessungsgrundlage zu erreichen, braucht es also 45 Versicherungsjahre und damit um fünf Jahre mehr als vor der „Pensionsreform“ 2003. Pensionseinkommen (alle, inkl. zwischenstaatlichen Teilleistungen) in der gesetzlichen Pensionsversicherung im Dezember 2015 Q: Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, erstellt am 20.01.2017 Bruttopensionsbezüge (14 x jährlich) inkl. Ausgleichszulage und Kinderzuschuss (ohne Pflegegeld und Familienbeihilfe). 1) inkl. Invaliditäts-, Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeitspensionen ab dem 60. Lebensjahr bei Frauen und 65. Lebensjahr bei Männern Alterspensionen insgesamt Median (50% verdienen weniger als...) Frauen: 872 Euro Gender Pension Gap: 53% Männer: 1.636 Euro 11. Keine weitere Anhebung des Pensionsantrittsalters für Frauen, bevor nicht die tatsächliche Gleichberechtigung in allen Bereichen gegeben ist. __________________________________________________________________________ Die Anhebung des Pensionsantrittsalters für Frauen kommt – ab 2024. Rund 170 Jahre wird es noch dauern, bis Frauen und Männer weltweit gleichgestellt sein werden, wie aus dem „Global Gender Gap Report“ hervorgeht. Der Global Gender Gap des World Economic Forum gibt Auskunft darüber, wie groß die Geschlechterdifferenz in Bezug auf wirtschaftliche Teilhabe und Chancengleichheit, Bildung, Gesundheit und politische Partizipation in einem Land ist. Er vergleicht seit 2006 weltweit Länder in Hinblick auf Geschlechterdifferenzen in den jeweiligen Ländern, 2016 waren es 144 Länder. Lag unser Land im Jahr 2006 noch an 26. Stelle, 2007 an 27. und 2008 an 29. Stelle, so belegen wir 2016 nur noch den 52.(!) Rang. In der Kategorie „Wirtschaftliche Teilhabe und Chancengleichheit“ liegt Österreich 2016 auf dem 84. Platz. 144 Länder wurden 2016 verglichen, in der Unterkategorie „Einkommensgleichheit“ belegt unser Land den 100. Platz.
Aktuelle frauenpolitische Forderungen Als Dachorganisation der österreichischen Frauenvereine mit über 40 Mitgliedorganisationen vertritt der Österreichische Frauenring (ÖFR) indirekt eine Million Frauen. Angesichts des Updates des Regierungsprogramms, das kaum frauenpolitische Maßnahmen beinhaltet, hat der ÖFR folgende langjährige Forderungen an die Regierung formuliert: • Reform der Einkommensberichte (in Hinblick auf Transparenz, Unternehmensgröße, Kriterien und Konsequenzen) • Einrichtung einer Stabstelle zur Förderung der betrieblichen Gleichstellung und Entgeltgleichheit • Offenlegung der Gehälter und branchenübergreifende Verfahren zur Arbeitsbewertung: Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit! • Zugang zur Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruchs in ganz Österreich, unabhängig von Einkommen und Wohnsitz • Reform des Unterhalts- und Unterhaltsvorschussgesetzes, um die Armut von Alleinerzieherinnen und deren Kinder zu bekämpfen • Ausbau und Absicherung von Frauenhäusern • Mehr Ressourcen für Präventions- und Täterarbeit, mehr Mittel für Ausbildung von interkultureller Kompetenz in der Beratungsarbeit. Dazu gehört auch der Ausbau von Schulungs- und Fortbildungsprogrammen in der Exekutive und in der Justiz. • Schutz und Sicherheit für flüchtende Frauen und LGBTIQ-Personen im Asylverfahren durch Einsatz von speziell geschultem und sensibilisiertem Personal und Gewährleistung von sicheren Unterbringungsmöglichkeiten • flächendeckender (d.h. regionaler) Ausbau von Frauenservicestellen und Frauenberatungseinrichtungen und bessere finanzielle Absicherung • Ende der Anrechnung des PartnerInneneinkommens und die Zuerkennung der eigenständigen Ansprüche bei der Notstandshilfe • wirksamer Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz • vollständige Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partner*innenschaften
Das österreichische FrauenVolksBegehren: So hat alles begonnen Es war am Internationalen Frauentag, dem 8. März 1996. Frauen protestierten gegen ein Sparpaket, das Frauen in besonderem Maß getroffen hatte. Reden wurden gehalten, Frauen schwenkten Transparente, Medien berichteten. Diesmal aber startete die Kabarettistin Barbara Klein einen Aufruf: Alle, die endlich eine vernünftige Frauenpolitik wollten, alle, die nicht mehr länger darauf warten wollten, dass mächtige Männer für sie die Welt verändern, lud sie zu einem Treffen ein. Über vierzig Frauen kamen beim ersten konspirativen Treffen zusammen: Solche, die schon Jahrzehnte in der „Frauenszene“ aktiv waren, aber auch ganz andere Frauen: Tagesmütter, Studentinnen, Psychologinnen, Künstlerinnen, Technikerinnen, Lehrerinnen. Das Alter dieser Frauen, die nun selbst endlich etwas bewegen wollten, reichte von zwanzig bis über sechzig Jahre. Das erste Treffen endete mit einer konkreten Idee: Das erste österreichische „FrauenVolksBegehren“. Elf Forderungen, ein breites Bündnis und eine erste Pressekonferenz waren die nächsten Schritte zur Umsetzung. Unterstützung kam von den ehemaligen Frauenministerinnen Johanna Dohnal und Helga Konrad, aber auch von der amtierenden Frauenministerin Barbara Prammer. Grüne, Liberale und Teile der SozialdemokratInnen unterstützten das FrauenVolksBegehren, ÖVP-Frauen in einigen Bundesländern trugen die Initiative ebenfalls mit, und auch einzelne FPÖ-Politikerinnen ließen ihre Zustimmung zum FrauenVolksBegehren verlauten. Widerstand artikulierte vor allem die ÖVP- Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat. Ihr Grundtenor: Dass Frauenthemen wieder diskutiert würden, sei ja zu begrüßen. Die meisten der Forderungen empfinde sie aber als „unrealistisch“ oder gar „kontraproduktiv“.
Eine Umfrage von Ökonsult machte allerdings klar, dass die Mehrheit der Frauen und Männer die Lage vieler Frauen in Österreich als ungerecht empfanden. • 80 Prozent der Frauen und 56 Prozent der Männer fanden, dass in Österreich keine volle Gleichberechtigung herrscht. • 94 Prozent der Frauen und 93 Prozent der Männer sagten, dass es in Österreich gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit geben sollte. • 79 Prozent der Frauen und 62 Prozent der Männer hielten ein FrauenVolksBegehren für „angemessen und sinnvoll, um den Interessen der Frauen in unserem Land Geltung zu verschaffen“. • 78 Prozent der Frauen und 49 Prozent der Männer fanden nicht, dass sich die Bundesregierung „ausreichend um die Anliegen und Probleme von Frauen in Österreich“ kümmert. • 73 Prozent der Frauen und 45 Prozent der Männer kritisierten, dass es in Österreich zu wenige Politikerinnen gibt. In den Bundesländern entstanden zahlreiche überparteiliche Initiativen zum FrauenVolksBegehren. Über 400 Veranstaltungen und Aktionen bewarben das Vorhaben. Tausende Plakate in Geschäften, Postämtern, Gemeinden, Gasthäusern und hunderttausend Folder wurden geklebt bzw. verteilt. Das Ergebnis: 644.977 Menschen unterzeichneten das FrauenVolksBegehren. An diesem Erfolg konnte auch die Regierung nicht so einfach vorbeigehen. Am 21. Mai 1997 begannen offizielle Gespräche mit der Regierung über die Umsetzung der Forderungen des FrauenVolksBegehrens. Kanzler Klima kündigte in Medien an, das FrauenVolksBegehren „zu hundert Prozent“ umsetzen zu wollen. Johanna Dohnal richtete zur Unterstützung der Umsetzung der Forderungen des FrauenVolksBegehrens ein „ExpertInnenkomitee“ mit hochrangigen Fachleuten ein. Ab Herbst 1997 wurde über das FrauenVolksBegehren auch im Gleichbehandlungsausschuss des Nationalrates verhandelt. Christa Pölzlbauer, die damalige Vorsitzende des UFF, verließ den Ausschuss nach einigen Sitzungen: In erster Linie wurde über Formfragen diskutiert, inhaltliche Auseinandersetzungen wurden von ÖVP und FPÖ weitgehend abgeblockt. Auch die Plenarsitzung des Nationalrates im Jahr 1998 ergab wenig Neues: Grüne pochten auf die Umsetzung aller Punkte, Liberale auf die Umsetzung jener Punkte, die die Wirtschaft nicht unmittelbar tangierten, die SPÖ verkündete, im eigenen Bereich schon viel zur Umsetzung beigetragen zu haben, ÖVP und
FPÖ deuteten das FrauenVolksBegehren so lange um, bis es ihrer eigenen (rückschrittlichen) Frauenpolitik entsprach. Das Resultat: Kein Punkt des FrauenVolksBegehrens wurde zur Gänze umgesetzt.
Fakten und Daten zum FrauenVolksBegehren: • Idee: entstanden am Internationalen Frauentag 1996 • Sommer 1996: Gründung des Vereins „UnabhängigesFrauenForum“ • 20. November 1996: Erste Pressekonferenz, auf der die Anliegen des FrauenVolksBegehrens vorgestellt werden, zu den Teilnehmerinnen gehören u. a. Johanna Dohnal, Heidi Rest-Hinterseer (Bergbäuerinnen-Verein) und Dolores Schmiedinger, die zu einem breiten Presseecho beitragen. • Grüne, Liberale, SPÖ-Frauen und ÖGB-Frauen erklären offiziell ihre Unterstützung für das FrauenVolksBegehren. • In den Bundesländern entstehen eigene überparteiliche Initiativen zum FrauenVolksBegehren. • Neben vielen Fraueneinrichtungen erklärt sich auch die katholische Frauenbewegung mit den Zielen des FrauenVolksBegehrens solidarisch. • Am 29. November 1996 wird das Volksbegehren mit Unterschriften von Grünen und SPÖ- Abgeordneten offiziell im Innenministerium eingereicht. • 4. Dezember 1996: In Bozen beschließen verschiedene Frauenorganisationen sich nach dem Vorbild des österreichischen FrauenVolksBegehrens zusammenzuschließen und ebenfalls Forderungen an ihre PolitikerInnen zu stellen. • 17. Dezember 1996: Auch Frauen aus unterschiedlichen Bereichen der Kirchen unterstützen das FrauenVolksBegehren, Teilnehmerinnen: Ingrid Klein (KFB), Evangelische Frauenarbeit, Katholische Jungschar, Kirchenvolksbegehren. • Ende 1996: Die Basis des FrauenVolksBegehrens wird immer breiter. Es gelingt, unterschiedliche Frauen für ein gemeinsames Ziel zu begeistern: Das FrauenVolksBegehren soll zeigen, dass wir Frauen unser Leben selbst in die Hand nehmen wollen und dass wir endlich gleiche Chancen verlangen. • Im Jänner beträgt der Stand der aktiven, ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen am FrauenVolksBegehren rund 120 Frauen. Rechnet man die Frauen der Parteien hinzu, die für das FrauenVolksBegehren aktiv wurden, sind es rund 400. Mehr als 3.000 Menschen sind zur Mitarbeit bereit. • Die neue Frauenministerin Barbara Prammer erklärt an ihrem ersten Tag im Amt, dass sie weiterhin voll hinter dem FrauenVolksBegehren steht. • Mitte Februar sind 400.000 Folder und 10.000 Plakate gedruckt. Sie werden über die Bundesländerinitiativen, über Frauenorganisationen und über Parteifrauen verteilt bzw. verschickt. • Am 19. Februar 1997 findet eine Pressekonferenz zum Thema „Auch Männer unterstützen das FrauenVolksBegehren“ statt. Es gelingt zu vermitteln, dass das
FrauenVolksBegehren nicht gegen die Männer geht, sondern dass es um neue Bündnisse für Gerechtigkeit geht – auch mit Männern. • Rund um den Internationalen Frauentag am 8.3.1997 finden zahlreiche regionale und überregionale Veranstaltungen statt. Jede Bundesländerorganisation hat ein eigenes Programm. In Wien findet unter anderem eine Auktion von Kunstwerken zu Gunsten des FrauenVolksBegehrens statt. Der Erlös: rund 200.000 Schilling. • Countdown im letzten Monat vor der Eintragungswoche: Es gibt nicht nur zahlreiche Informationsveranstaltungen, sondern auch intensiven direkten Kontakt zu Frauen, die bisher nicht in der „Frauenszene“ verankert waren. Dafür werden österreichweit Plakate geklebt (vor allem in Geschäften und an anderen öffentlichen Plätzen). Frauen gehen als lebende Plakatständer, verteilen Folder und stehen für Informationen zur Verfügung. • Zahlreiche künstlerische Matineen vor der Eintragungswoche sollen zeigen, wie breit das FrauenVolksBegehren unterstützt wird. Im Wiener Volkstheater lesen unter dem Titel „Alles was Recht ist – Texte mit Trompete“ u. a. Andrea Eckert und Brigitte Neumeister aus Frauentexten. • In der Eintragungswoche finden besonders viele Straßenaktionen statt. Sie sollen zeigen, dass die Mitarbeiterinnen des FrauenVolksBegehrens Teil der vielen Frauen sind, die auf unterschiedliche Weise nach wie vor benachteiligt werden. Frauen und ihre Schicksale sollen in dieser Eintragungswoche so sichtbar wie noch nie werden – Motto: Wir lassen uns nicht länger verstecken, wir nehmen unser Leben selbst in die Hand. • Die Zahl der Veranstaltungen zum FrauenVolksBegehren mit Beteiligung der Initiatorinnen des FrauenVolksBegehrens in Wien beträgt rund 120. Die Gesamtzahl der Veranstaltungen lässt sich bloß hochrechnen, da vieles regional stattfindet und nicht einheitlich koordiniert wird. Es dürften über 400 sein. • Am späten Abend des 14.4.1997 wird im Innenministerium das vorläufige Endergebnis bekannt gegeben: 644.977 Menschen haben das FrauenVolksBegehren unterschrieben. Die Initiatorinnen feiern ihren großen Erfolg mit einem Fest in der „Zugabe“ in Wien. Dabei wird klargemacht: Das ist keine Schlussfeier. Denn nun geht es erst so richtig los: Es gilt, die Forderungen des FrauenVolksBegehrens auch tatsächlich umzusetzen. Fast 645.000 Menschen erwarten das. • Am 29. April stellt die ehemalige Frauenministerin Johanna Dohnal ihr „ExpertInnenkomitee zur Durchsetzung der Forderungen des FrauenVolksBegehrens“ vor. Über zwanzig namhafte ExpertInnen wollen sich mit ihrem Fachwissen und ihrer moralischen Autorität dafür einsetzen, dass die Forderungen des FrauenVolksBegehrens auch Realität werden. • Am 21. Mai 1997 beginnen die Regierungsgespräche. Kanzler Klima, Vizekanzler Schüssel, Sozialministerin Hostasch, Familienminister Bartenstein und Frauenministerin
Prammer sitzen den Initiatorinnen Elfriede Hammerl, Christa Pölzlbauer, Regina Kern, Traude Kogoj und Eva Rossmann gegenüber. Ergebnis der ersten Runde: Die Regierung verspricht, das Parlament mit der Verankerung der Gleichstellung von Frauen und Männern in der Verfassung zu beauftragen. Arbeitslose Frauen sollen nicht länger ihr Arbeitslosengeld verlieren, wenn sie wegen Betreuungspflichten bloß einen Halbtagsposten annehmen können, Anreize für Chancengleichheitspläne werden geprüft. Die SozialdemokratInnen wollen die geringfügigen Beschäftigungen sozialversicherungspflichtig machen. Es zeigt sich aber: Alle Punkte, die auch etwas kosten, werden verschoben. Vor allem die Volkspartei betont, dass kein Geld in den Staatskassen ist. Bis zum Sommer folgen weitere Gesprächsrunden mit Sozialministerin Hostasch und Familienminister Bartenstein. Mit Frauenministerin Prammer gibt es einen monatlichen Gesprächstermin. • Ende Juni protestieren die Initiatorinnen des FrauenVolksBegehrens gemeinsam mit Spitzenfunktionärinnen von SPÖ, ÖVP und Grünen gegen geplante Pensionsverschlechterungen für Frauen. Sie fordern stattdessen eine große Pensionsreform ein, die allen Frauen eine eigenständige Pension über dem Existenzminimum sichert. Durch bessere Arbeitsmarktchancen und volle Sozialversicherung für alle Frauen soll das Pensionssystem auch langfristig gesichert werden. • Am 10. Juli findet im Nationalrat die erste Lesung des FrauenVolksBegehrens statt. Vor allem Frauen treten ans RednerInnenpult. Egal von welcher Partei, sie betonen: Es muss etwas für Frauen in diesem Land geschehen. Bloß: Was das ist, darin unterscheiden sie sich gewaltig. Die SPÖ-Frauen und die Grünen kündigen an, sich für die volle Umsetzung des FrauenVolksBegehrens einsetzen zu wollen. Die ÖVP-Frauen beharren darauf: Wenn die Wirtschaft Benachteiligungen für Frauen abbauen muss, bekämen Frauen eben keine Jobs mehr. Und der Staat könne auch nicht mehr herangezogen werden. Die Freiheitlichen Frauen beschäftigen sich großteils nicht mit dem FrauenVolksBegehren, sondern mit kleinen tagespolitischen Differenzen, die dazu benützt werden, generelle Angriffe gegen die SPÖ zu starten. Die Liberalen differenzieren. Ein männlicher Abgeordneter nimmt eher den Standpunkt der ÖVP-Frauen (Wirtschaft und Staat können zur Herstellung von gleichen Chancen wenig beitragen) ein. Die liberale Frauensprecherin will das FrauenVolksBegehren aber unterstützen. • Ab Juni gibt es ein monatliches Informationsblatt mit dem Titel „Uff!“. Es dient der Kommunikation mit interessierten Menschen, MitarbeiterInnen und Institutionen. • Auch über den Sommer melden sich die Initiatorinnen zu Themen im Zusammenhang mit dem FrauenVolksBegehren politisch zu Wort. Reformen werden eingefordert, abgelehnt
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