Wege in eine ökologische Machine Economy - Wuppertal Institut
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22_Wuppertal Report | September 2021 Wege in eine ökologische Machine Economy Wir brauchen eine „Grüne Governance der Machine Economy”, um das Zusammenspiel von Internet of Things, Künstlicher Intelligenz und Distributed Ledger Technology ökologisch zu gestalten Daniel Wurm Oliver Zielinski Neeske Lübben Maike Jansen Stephan Ramesohl
22_Wuppertal Report Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH Herausgeber: Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH Döppersberg 19 42103 Wuppertal www.wupperinst.org Autorinnen und Autoren: Daniel Wurm (daniel.wurm@wupperinst.org) Prof. Dr. Oliver Zielinski (oliver.zielinski@dfki.de) Neeske Lübben (neeske.luebben@dfki.de) Maike Jansen (maike.jansen@wupperinst.org) Dr.-Ing. Stephan Ramesohl (stephan.ramesohl@wupperinst.org) „Wuppertal Reports“ sind Abschlussberichte aus Projekten, die von Auftragge- bern zur Veröffentlichung freigegeben wurden. Sie sollen mit den Projektergebnissen aus der Arbeit des Instituts vertraut machen und zur kritischen Diskussion einladen. Das Wuppertal Institut achtet auf ihre wissenschaftliche Qualität. Für den Inhalt sind die Autorinnen und Autoren verantwortlich. Wuppertal, September 2021 ISSN 1862-1953 Dieses Werk steht unter der Lizenz „Creative Commons Attribution 4.0 International“ (CC BY 4.0). Der Lizenztext ist abrufbar unter: https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ 2 | Wuppertal Institut
22_Wuppertal Report Inhaltsverzeichnis Dieser Bericht ist ein Ergebnis des Forschungsvorhabens „CO:DINA – Transformati- onsroadmap Digitalisierung und Nachhaltigkeit“. Er wurde als solches bereits auf der Projektwebsite als Vorabpublikation zur Diskussion in der Forschungscommunity veröffentlicht. CO:DINA vernetzt Wissenschaft, Politik, Zivilgesellschaft und Wirt- schaft, um neue strategische Stoßrichtungen für eine sozial-ökologische Digitalisie- rung zu identifizieren. Vielfalt in Denkweisen, Perspektiven und Erfahrungen ist die Voraussetzung, um die Komplexität der Digitalisierung besser zu verstehen und grundlegenden Fragen insbesondere zur Künstlichen Intelligenz mit tragfähigen Lö- sungsansätzen zu begegnen. Dabei entstehen Netzwerke zwischen Akteursgruppen, die bislang unzureichend verbunden waren. So wird die politische und gesellschaftli- che Handlungsfähigkeit für einen sozial-ökologisch-digitalen Wandel gestärkt. Das Vorhaben wird vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Si- cherheit (BMU) im Rahmen der KI-Leuchtturminitiative gefördert und gemeinsam vom IZT – Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung und dem Wup- pertal Institut umgesetzt. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autorinnen und Autoren. Bitte den Bericht folgendermaßen zitieren: Wurm, D., Zielinski, O., Lübben, N., Jansen, M., & Ramesohl, S. (2021). Wege in eine ökologische Machine Economy (Wuppertal Report Nr. 22). Wuppertal Institut. Projektlaufzeit: Mai 2020 – April 2023 Projektpartner CO:DINA: IZT – Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung gemeinnützige GmbH Schopenhauerstr. 26, 14129 Berlin Tel.: +49 30 803088-0 Fax: +49 30 803088-88 E-Mail info@izt.de Internet: www.izt.de Partner für die Erstellung dieser Studie: Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz Kompetenzzentrum KI für Umwelt und Nachhaltigkeit Marie-Curie-Str. 1, 26129 Oldenburg Tel.: +49 631 20575-0 Fax: +49 631 20575-5030 E-Mail: info@dfki.de Internet: www.dfki.de Wuppertal Institut | 3
22_Wuppertal Report Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH Impressum Herausgeber: Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH Döppersberg 19 42103 Wuppertal www.wupperinst.org Stand: September 2021 4 | Wuppertal Institut
22_Wuppertal Report Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis 5 Abkürzungsverzeichnis 6 Abbildungsverzeichnis 7 1 Zusammenfassung 8 2 Wir betreten das Zeitalter der selbstständigen Maschinen 9 3 Der maschinelle Dialog und sein technologisches Fundament 11 4 Wertschöpfung und Akteurslandschaften werden neu konstruiert 12 5 Umweltbelastungen müssen im Gesamtsystem verstanden werden 13 5.1 Wir haben kein genaues Bild der Umweltwirkung der Infrastruktur 13 5.2 Die Treiber der Umweltwirkung sind nicht ausreichend adressiert 14 6 Wir brauchen eine „Grüne Governance der Machine Economy“ 17 6.1 Balancierung eines nachhaltigen Zielsystems 17 6.2 Herausforderungen an ein grünes Zusammenspiel der Technologien 18 6.2.1 „Transparenz der Dinge“ für „Transparenz der Umweltwirkung“ einsetzen 18 6.2.2 „Internet of Everything“ -Mentalität nachhaltig ausrichten 19 6.2.3 Dynamische Anpassung und Komplexität ökologisch managen 20 6.2.4 Vernetzte Vielfalt grün gestalten 21 6.3 Herausforderungen an ein Gesamtsystem nachhaltiger Entscheidungen 22 6.3.1 Digitalakteure in den Blick nehmen 22 6.3.2 Forschung stärker auf den ökologischen maschinellen Dialog ausrichten 23 6.3.3 Rahmen für eine nachhaltige Digitalpolitik bereitstellen 23 7 Fazit und Ausblick 24 8 Literaturverzeichnis 25 Wuppertal Institut | 5
22_Wuppertal Report Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH Abkürzungsverzeichnis BASCS Business Alliance to Scale Climate Solutions BMU Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit B2B Business-to-Business DAG Directed Acyclic Graphs DLT Distributed Ledger Technology KI Künstliche Intelligenz LTE Long Term Evolution IoT Internet of Things SDGs Sustainable Development Goals WLAN Wireless Local Area Network 6 | Wuppertal Institut
22_Wuppertal Report Abbildungsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Entstehung von Umweltwirkung im Gesamtsystem der Machine Economy 14 Abbildung 2: Herausforderungen an ein grünes Zusammenspiel der Technologien 18 Abbildung 3: Gestaltungsraum für eine "Grüne Governance der Machine Economy" 24 Wuppertal Institut | 7
22_Wuppertal Report Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH 1 Zusammenfassung Im Zeitalter der Machine Economy ist der maschinelle Dialog allgegenwärtig – das bietet neue Chancen für Nachhaltigkeit, erhöht gleichzeitig aber durch die zugrunde- liegenden Technologien auch den Druck auf unsere Umwelt. Internet of Things (IoT), Künstliche Intelligenz (KI) und Distributed Ledger Technology (DLT) sind das technologische Fundament der Machine Economy. Damit verbunden sind Infra- strukturen, Datenströme und Anwendungen, die hohe Energie- sowie Ressourcen- aufwände erzeugen. Der derzeitige politische Diskurs sowie die Nachhaltigkeitsfor- schung fokussieren sich auf Umweltwirkungen durch digitale Infrastrukturen. Daten, Applikationen sowie die Rolle von Akteuren als Treiber der Umweltwirkung werden zu wenig beleuchtet. In diesem Papier sprechen wir uns für eine “Grüne Governance der Machine Economy” aus. Adressiert werden Annahmen zu systemübergreifenden Treibern von Umweltbelastungen und ihrer Wirkung. Ziel ist es, ein Gesamtsystem nachhaltiger Entscheidungen und ein ökologisches Zusammenspiel aller beteiligten Technologien in der Wertschöpfung zu ermöglichen. Zukünftige Forschung soll die hier vorgestellten Hypothesen weiter ausarbeiten und konkrete Handlungsoptionen für eine Stakeholder übergreifende Roadmap erarbeiten. 8 | Wuppertal Institut
22_Wuppertal Report Wir betreten das Zeitalter der selbstständigen Maschinen 2 Wir betreten das Zeitalter der selbstständigen Maschinen In der Machine Economy übernehmen Maschinen wesentliche Prozesse des Wirt- schaftens. Sie sind in der Lage ihre Umgebung und Umwelt wahrzunehmen, zu ver- stehen und Entscheidungen zu treffen. Sie sind vernetzt und nehmen nahezu auto- nom am Marktgeschehen teil. Schon heute sehen wir weltweit über 25 Milliarden vernetzte Endgeräte und davon über 10 Milliarden smarte physische „Dinge“ jenseits von Smartphones, Tablets oder Personal Computern. Es wird erwartet, dass der An- teil dieser "Smart Things" schon innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre mehr als die Hälfte aller vernetzten Endgeräte ausmachen wird, d.h. dann bis zu 15 Milliarden Geräte (Cisco 2020). Auch wenn sich Prognosen zur weiteren Entwicklung der An- zahl vernetzter Endgeräte bis 2030 stark unterscheiden – hier werden z. B. Werte zwischen 50 Milliarden (Statista 2021) oder 125 Milliarden Einheiten (IHS Markit 2017) angegeben – ist von einem starken Wachstum über die kommenden Jahre aus- zugehen. Mit ihrer Anzahl steigt auch das Volumen an neuen bzw. transferierten Da- ten. Manche Studien gehen von einem produzierten Datenvolumen von ca. 160 Zettabytes schon im Jahr 2025 aus. Davon könnten mehr als ein Viertel Echtzeitda- ten sein, die fast ausschließlich zwischen smarten Dingen entstehen, transferiert und prozessiert werden (IDC 2017). Der maschinelle Dialog wird sektorenübergreifend die Wertschöpfung transformie- ren. Bedeutende Veränderungen sind u.a. in den Bereichen Connected und Auto- nomous Driving, Smart Home und Buildings, Smart Energy und Grids, Digital Ban- king und Insurance sowie Smart Farming zu erwarten (Crisp Research 2019a, Wol- fert et al. 2017). Im Vergleich der Anwendungen hat gegenwärtig die Vernetzung von intelligenten Produktions- und Logistikketten große Bedeutung. Unternehmen inves- tieren dabei insbesondere in Prozessoptimierungen und setzen zukünftig auf die Ent- wicklung neuer, aus der Welt der Maschinen gespeister Geschäftsmodelle (Crisp Re- search 2019a, 2019b). Daher werden wir in diesem Papier unsere Überlegungen an- hand von Produktionsprozessen und Logistikketten erläutern d.h. den maschinellen Dialog insbesondere in industriellen Business-to-Business (B2B) Beziehungen unter- suchen. Natürlich werden im Jahr 2030 nicht alle vernetzten Maschinen gänzlich eigenstän- dig handeln und eine konkrete Prognose zur Anzahl wirklich autonomer Maschinen lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht erstellen. Derzeit wird davon ausgegangen, dass sich der Wandel hin zu Maschinen als eigenständige Marktteilnehmer in Schrit- ten vollziehen wird und schon längst begonnen hat. Bereits heute können vernetzte Maschinen Daten über sich und ihre Umgebung sammeln. In naher Zukunft werden sie in der Lage sein, zukünftige Zustände vorherzusehen und benötigte Unterstüt- zungsleistungen (z. B. Reparaturen) anzufragen. Längerfristig können Maschinen zu autonomen Marktteilnehmern mit finanzieller „Unabhängigkeit“, eigenen Konten und Bezahlsystemen werden (Rajasingham 2017). Wir nehmen an, dass sich in den beschriebenen Evolutionsstufen unterschiedliche Formen von Maschinen und ihrer Fähigkeiten wiederfinden werden. Zunächst werden Maschinen nicht gemeinschaft- lich Probleme lösen, sondern zuerst Selbstständigkeit erlangen, um autonom Prob- lemlösungen zu identifizieren und umzusetzen. Vernetzung wird zu Beginn eher durch datenbasierte Interaktion und erst später monetär-transaktional geprägt sein. Das bedeutet auch, dass Transaktionen weiterhin über die dahinterstehenden Wuppertal Institut | 9
22_Wuppertal Report Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH Unternehmen abgewickelt werden. Auch werden Maschinen nicht nur in Form von smarten physischen Objekten existieren und Wertschöpfungsprozesse durchführen. Sie werden auch im Sinne selbstständig entscheidender, virtuell abgebildeter Re- chenprozesse agieren. Maschinen treten in dieser Transformation mit anderen Maschinen, wie auch mit Menschen, in den Dialog. Stehen sie mit anderen Maschinen im Austausch, muss zwischen Interaktionen bezüglich der direkten Wertschöpfungsprozesse auf der ei- nen und unterstützenden Leistungen auf der anderen Seite differenziert werden. Bei ersterem führen Maschinen Aufgaben in der Herstellung von Komponenten, der Ver- arbeitung zu Produkten und dem Transport von Waren durch. Beispielsweise könnte dies autonome Transportroboter betreffen, die ihre Lieferung in intelligenten Emp- fängerboxen abstellen. Der Empfang wird registriert und die Transaktion automa- tisch durchgeführt (zu diesem Beispiel siehe Prause 2019). Unterstützende Leistun- gen können dagegen z. B. „Insurance as a Service“, „Bandwidth as a Service“ oder „Storage and Computing as a Service“ Angebote sein (Rajasingham 2017), die eine Fertigungsanlage autonom nach Bedarf bestellt und transaktional abwickelt. Zudem wird sich die Interaktion zwischen Menschen und Maschinen immer weiter verstärken bis in Teilen die Grenzen zwischen beiden verschwimmen. Menschen wandeln Rechenleistung in maschinelle Intelligenz um, indem sie Algorithmen ent- wickeln, die auf Rechnern ausgeführt werden. Sie bringen ihre Normen, Werte und Anforderungen an Wertschöpfung in Maschinen ein, ohne dabei alle ihre Aktionen bzw. Reaktionen vorhersehen oder steuern zu können. Letztlich interagieren Maschi- nen in reflexiver Art und Weise mit ihren Gestalter/-innen. Roboter unterstützen Menschen in der Fertigung oder über Virtual Reality Anwendungen bei Reparaturen. Entsprechend deutet sich auch in der Industrie die Verschmelzung zwischen Men- schen und Maschinen an, die der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Glo- bale Umweltveränderungen (WBGU) mit den Begriffen “Machina sapiens” einerseits und “Homo digitalis” andererseits benennt (WBGU 2019). In diesem Papier widmen wir uns der Frage, wie die beschriebenen Transformations- prozesse im Zeitalter der selbstständigen Maschinen ökologisch gestaltet werden können. Während die Vision der Machine Economy bereits eine Vielzahl ökonomi- scher Gedankenspielen anregt, werfen potentielle Energie- sowie Materialaufwände Schatten auf die Chancen einer ökologischen Wende. Aus einer Governance-Perspek- tive möchten wir akteursübergreifend Wege aufzeigen, wie maschineller Dialog grün, d.h. ökologisch nachhaltig, ausgesteuert werden kann. Unsere Analysen basieren auf ersten Interviews mit ausgewählten Experten, aktuellen Debatten in wissenschaftli- chen Zeitschriften und sonstigen Medien. Die aufgestellten Hypothesen sollen zur gemeinsamen Diskussion anregen und inspirieren. 10 | Wuppertal Institut
22_Wuppertal Report Der maschinelle Dialog und sein technologisches Fundament 3 Der maschinelle Dialog und sein technologisches Fundament Die unterschiedlichen Formen des maschinellen Dialogs gewinnen an Intensität, ge- trieben durch die rasante Entwicklung neuer Technologiefelder. IoT (deutsch “Inter- net der Dinge”), KI (einschließlich Big Data Analytics) sowie DLT (deutsch “Verteil- tes Kontenbuch”), bilden das Fundament der Machine Economy (in Anlehnung an Urbach et al. 2020): IoT beschreibt die digitale Vernetzung von physischen Objekten, die über Sensoren und Rechenkapazitäten zu „intelligenten“ Dingen werden. Diese Dinge könnten z. B. autonome Vehikel in großen Lagereinrichtungen, die Container, die sie transportie- ren, die Produkte, die sie beinhalten und sogar deren Verpackung sein. Über Netz- werktechnologien, wie WLAN, LTE oder 5G, können sie miteinander im Austausch stehen. Unter KI verstehen wir Computersysteme, die in der Lage sind Muster in komplexen Datenmengen zu erkennen und, die anhand von Daten darauf trainiert werden, Probleme (auch in unbekannten, veränderlichen Situationen) selbstständig zu lösen und Strategien anzupassen, d.h. zu “lernen”. In Fertigungssystemen können sie z. B. Kosten reduzieren und Output steigern, indem sie eine Vielzahl an Variablen zielge- richtet aufeinander abstimmen. DLT ermöglicht dezentrale Datenverwaltung und verlässliche Transaktionen. Über alle dezentralen Einheiten hinweg können Aktionen transparent gemacht und über Konsensmechanismen ihre Richtigkeit sichergestellt werden. DLT bestätigt also, dass Daten vertrauenswürdig bzw. nicht manipuliert sind. Beispielsweise können kom- plexe Lieferketten von Produkten und Komponenten im Sinne einer dezentral orga- nisierten „Single Source of Truth“ verfolgt werden. Bekannte Varianten von DLT sind z. B. Blockchain oder Directed Acyclic Graphs (DAG, deutsch “Gerichtete Azyklische Graphen”)”. In einer Machine Economy wirken nun IoT, KI und DLT synergetisch zusammen. Sensordaten aus IoT können als Trainingsgrundlage in KI-Algorithmen dienen, die wiederum smarte Dinge intelligenter machen, indem sie Geschehnisse vorhersehen und passende Entscheidungsoptionen vergleichen und umsetzen. DLT kann sichere Identitäten von Maschinen (intelligente Dinge, z. B. aber auch Edge-Rechnern) be- reitstellen und ermöglicht transparente und manipulationssichere Interaktionen zwi- schen Maschinen. KI und DLT können sich ergänzen bspw. durch KI-getriebene Konsensmechanismen zwischen dezentralen Einheiten und einer potenziellen Distri- bution von Rechenleistung für das sog. „Federated Learning“ (d.h. dezentrale Lern- prozesse künstlicher Intelligenz auf verteilten Maschinen). Wuppertal Institut | 11
22_Wuppertal Report Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH 4 Wertschöpfung und Akteurslandschaften werden neu konstruiert In der Machine Economy wird die Wertschöpfung auf drei Ebenen neu konstruiert. An ihrer Basis steht die physische Produktions- und Lieferkette. Hier werden aus Rohstoffen neue Güter produziert, an ihren Ort der Bestimmung geführt und dort genutzt. Die steigende Intelligenz der Maschinen ermöglicht neue Produktions- und Logistiksysteme zum Beispiel mit höherer Produktivität und Flexibilität. Mit den Produktions- und Logistikprozessen sowie dem Strom der hergestellten Gü- ter verwoben ist die digitale Infrastruktur. Dazu zählen Sensoren, die massenweise Daten zum Zustand der einzelnen Maschine, dem Ort von Waren wie auch Umge- bungsinformationen erzeugen. Netzwerke verbinden Menschen, Produkte und Ma- schinen durch ein Geflecht von Daten- und Informationsströmen. Über Cloud- Fog- und Edge-Computing wird zentralisiert (“Cloud”), in dezentralen Knotenpunkten (“Fog”, d.h. nahe der Maschine) oder direkt an smarten Objekten (“Edge”, d.h. „an oder in der Maschine“) Rechenleistung bereitgestellt. Allerdings ist anzumerken, dass diese Technologien stärker miteinander verschmelzen, z. B. wenn Cloud-Lösun- gen dezentral an der Edge eingesetzt werden. Der materiellen digitalen Infrastruktur gegenüber steht ein virtuelles Ebenbild physi- scher Objekte und Prozesse d.h. die virtuelle Produktions- und Lieferkette. KI und Big Data Analytics übersetzen gewaltige Datenmengen in Informationen und Wissen, worüber nahezu eigenständige Entscheidungsfindung möglich wird. Zudem können digitale Zwillinge von Dingen oder Prozessen die physische Welt virtuell abbilden. Die Wertschöpfung in einer Machine Economy wird also durch ein komplexes Zu- sammenspiel einer Vielzahl von technologischen Bausteinen innerhalb und zwischen den einzelnen Ebenen transformiert, wodurch neue Interaktionen entstehen. Zum Beispiel wurde im “Genesis of Things” Projekt eine Machbarkeitsstudie erarbeitet, die beschreibt, wie über DLT nach einer Kundenbestellung die Maschinen unterei- nander Konstruktionsdokumente austauschen, Material bestellen, Produkte fertigen und Transaktionen zwischen einander über „Smart Contracts“ abwickeln (Blech- schmidt & Stöcker 2016). Den direkten Wertschöpfungsprozessen stehen neue Akteure in der Machine Eco- nomy gegenüber. Sie kommen aus der Wirtschaft, Politik, Zivilgesellschaft sowie der Forschung und koordinieren die Ausrichtung der Wertschöpfung. Neben den klassi- schen Akteuren rund um die physische Produktion und Logistik, konnten sich insbe- sondere neue Akteure etablieren, die den maschinellen Dialog forcieren. Durch das diverse Feld an Marktteilnehmern sind heute “kaum zwei IoT-Architekturen wirklich identisch” (Crisp Research 2019b). Hier kommen Chipproduzenten, Sensorenher- steller, Cloud-/Edge-Computing-Provider, Data-Analytics-Provider und Full-Stack- Software-Plattformen, Anbieter von Security-Lösungen, Payment Provider, Anbieter von Anwendungsapplikationen, Beratungsunternehmen und viele andere zusammen (Turck 2018). Sie sind häufig in mehreren Produkt- bzw. Service-Kategorien aktiv. Die genannten Anbieter sind darüber hinaus eng verbunden mit zum Teil dezentral organisierten Entwickler/-innen- bzw. Open Source Communities. Das Verständnis neuer Wertschöpfungsprozesse sowie einer sich wandelnden Akteurslandschaft ist die Basis der folgenden ökologischen Bewertung der Machine Economy. 12 | Wuppertal Institut
22_Wuppertal Report Umweltbelastungen müssen im Gesamtsystem verstanden werden 5 Umweltbelastungen müssen im Gesamtsystem verstanden werden Die neue Architektur der Machine Economy bietet große Chancen und Lösungsmög- lichkeiten – ist wie andere digitale Systeme aber gleichzeitig immer auch Teil des Problems, denn sie belastet die Umwelt. Um die Mechanismen hinter diesen Um- weltbelastungen zu verstehen, müssen die dafür verantwortlichen Systembausteine und ihre Abhängigkeiten im Gesamtsystem beleuchtet werden. Die physische Wert- schöpfung in der Prozesskette und die digitale Infrastruktur können als Erzeuger der Umweltwirkung verstanden werden, da sie unmittelbar Material- und Energieauf- wände verursachen. Umweltforschung sowie -politik haben sich bezüglich der Digita- lisierung in den vergangenen Jahren insbesondere auf die Optimierung dieser digita- len Infrastrukturen fokussiert, z. B. im Rahmen der „Green IT“ Debatte. Aber: Infrastrukturen werden nicht zum Selbstzweck betrieben. Es sind die von Akt- euren geschaffenen Geschäftsmodelle, Datenströme und Applikationen, die Anforde- rungen an die digitale Infrastruktur stellen. Sie definieren letztlich Art, Umfang und Nutzungsintensität dieser Infrastruktur und erhöhen so mittelbar den Druck auf die Umwelt. Deshalb bezeichnen wir sie als Treiber der Umweltwirkung. Beide Dimen- sionen, Erzeuger und Treiber, müssen in ihren Wechselwirkungen gemeinsam ge- dacht und adressiert werden - in der ganzheitlichen Optimierung beider Aspekte liegt daher der Schlüssel für eine effektive ökologische Wende in der Digitalpolitik. Das wollen wir im Folgenden am Beispiel der Machine Economy ausführen. 5.1 Wir haben kein genaues Bild der Umweltwirkung der Infrastruktur Die Umweltwirkungen durch Material- und Energieaufwände sowie deren Emissio- nen werden im Gesamtsystem der Machine Economy insbesondere auf zwei Ebenen erzeugt: Auf der einen Seite benötigt die digitale Infrastruktur Ressourcen für die Hardware, die als Rohstoffe abgebaut, zu Komponenten für Sensoren, Rechner, Netzwerke usw. verarbeitet sowie letztlich entsorgt werden. Und die für Rechenleis- tung und Betrieb benötigte Energie schlägt sich (in Abhängigkeit der verwendeten Energiequelle) in ausgestoßenen Emissionen nieder. Diese Effekte können wir als die “Direkte Umweltwirkung durch die Nutzung von IoT, KI und DLT” bezeichnen. Auf der anderen Seite ermöglicht diese Infrastruktur neue Produktions- und Lo- gistikprozesse, die ihrerseits neue Umweltbelastungen hervorrufen können. Bei- spielsweise wäre das der Fall, wenn KI die nötige Intelligenz für autonome Lieferro- boter bereitstellt, die dann selbst einen zusätzlichen Stromverbrauch induzieren. Diese Effekte nennen wir “Indirekte Umweltwirkung durch die Nutzung von IoT, KI und DLT”. In diesem Papier fokussieren wir uns auf die direkte Umweltwirkung der Technologienutzung (mehr zu den indirekten Effekten z. B. in Pohl & Santarius 2020). Wuppertal Institut | 13
22_Wuppertal Report Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH Abbildung 1: Entstehung von Umweltwirkung im Gesamtsystem der Machine Economy (eigene Darstellung) Der Gesamteffekt der direkten Umweltwirkung durch die digitale Infrastruktur wird seit längerem diskutiert. Es ist davon auszugehen, dass schon heute zwischen 1,8% und 3,2% der globalen Treibhausgas-Emissionen auf das Digitalsystem zurückzufüh- ren sind (Bieser et al. 2020). Im Bereich der Rechenzentren sorgen zwar Effizienzge- winne sowie eine steigende Versorgung mit erneuerbaren Energien für bedeutende Einsparungen an Emissionen (Hintemann & Hinterholzer 2020). Allerdings macht der Betrieb von Rechenzentren nur einen Teil der globalen Treibhausgas-Emissionen des Digitalsystems aus. Der größte Teil entfällt auf die Produktion und Nutzung von digitalen Endgeräten (Bieser et al. 2020). Auch bezüglich des Ressourcenverbrauchs ist bei dem momentanen Trend von einem anhaltenden Wachstum auszugehen, was sich beispielsweise im steigenden Aufkommen an Elektronikschrott (E-Waste) nie- derschlägt. Alleine das E-Waste-Volumen durch kleinere digitale Endgeräte, wie Smartphones oder PCs, ist zwischen 2014 und 2019 global um ca. 2% auf insgesamt 4,7 Millionen Tonnen gestiegen (Forti et al. 2020). Es liegen damit erste grobe Ab- schätzungen für die Umweltwirkung des Digitalsystems als Ganzes vor. Detaillierte Daten für neue und sich dynamisch entwickelnde Anwendungsgebiete wie die Machine Economy fehlen dagegen. Nahezu selbstständig handelnde Maschi- nen benötigen einen vielfältigen Unterbau an Endgeräten, Sensoren, zentralen und dezentralen Rechnern, Speichermedien und Netzwerken. Die digitale Infrastruktur der Machine Economy ist in sich ein komplexes Teilsystem mit vielen abhängigen Bausteinen wie am Beispiel von modernen Cloud- und Edge-Systemen deutlich wird (siehe hierzu das Cloud-Computing Modell von Montevecchi et al. 2020). Für die Schnittstelle von IoT, KI und DLT steht eine differenzierte Analyse der zugrunde lie- genden Komponenten, Infrastruktur(en) und deren Umweltwirkung bis heute aus. Ohne dieses Orientierungswissen kann eine nachhaltige Gestaltung der Machine Economy jedoch nicht gelingen. 5.2 Die Treiber der Umweltwirkung sind nicht ausreichend adressiert Als Treiber der Umweltwirkung sind die Systemkomponenten zu verstehen, deren Anforderungen letztlich die Auslastung von Infrastrukturen steuern sowie neue, um- weltbelastende Produktions- und Logistikprozesse hervorrufen. Darunter fallen ei- nerseits die Nutzung und das Handling von Daten sowie Applikationen 14 | Wuppertal Institut
22_Wuppertal Report Umweltbelastungen müssen im Gesamtsystem verstanden werden (insbesondere Analytics Anwendungen) – andererseits sind es die Akteure, die auf den jeweiligen Ebenen ihre Interessen vorantreiben, die Wertschöpfung, Use Cases bzw. Geschäftsmodelle gestalten. Die entlang von Produktions- und Logistikketten ablaufenden digitalen Transforma- tionsprozesse bringen einen rasanten Anstieg generierter Datenmengen und Infor- mationsflüsse mit sich, für deren Verwertung es Analysetools und -lösungen bedarf. Daten sind eine elementare Grundlage für die Machine Economy. Die Erzeugung, der Transfer, die Verarbeitung sowie die Speicherung von Daten verlangt, neben einer Steigerung der Rechenleistung, eine Infrastruktur aus Endgeräten und Rechenzen- tren, deren Nachfrage nach Energie und Ressourcen sich – bisher trotz Effizienzge- winnen – in negativen Umweltwirkungen widerspiegelt (Jones 2018). So lassen sich auf der Ebene der virtuellen Produktions- und Lieferketten die Speicherung und Ver- arbeitung von Daten als Treiber von Umweltwirkungen verstehen. Was die Treiber von Umweltwirkungen sind und wie sie ökologisch gestaltet werden können, lässt sich in diesem Kontext beispielhaft anhand von datenintensiver KI be- schreiben. So ist die Verarbeitung von großen Datenmengen mittels KI-Methoden in Zusammenhang mit intensiven Trainingsläufen tiefer neuronaler Netze (Deep Learn- ing als Teilaspekt des Machine Learning) und den damit verbundenen Treibhaus- gasemissionen (Strubell et al. 2019; Henderson et al. 2020) ein viel diskutiertes Problemfeld und es lassen sich bereits neue, umweltschonendere Ansätze erkennen. Zukünftig könnten z. B. in IoT-Netzen “gepulste” neuronale Netze (Spiking Neural Networks, SNNs), d.h. neuronale Netze bestehend aus mehreren Subnetzwerken, eingesetzt werden, die bei ähnlicher Leistung mehr als 100-mal energieeffizienter als klassische Ansätze sein können (Yin et al. 2020). Basierend auf den Green IT-Bestre- bungen (Murugesan 2008; Faucheux & Nicolaï 2011) setzen jüngst veröffentlichte Ansätze, wie „Green AI“ (Schwartz et al. 2019) oder „Green Data Mining“ (Schneider et al. 2018), erste Impulse zur Reduzierung der negativen Umwelteinwirkungen durch eine verstärkte Ausrichtung auf effiziente Algorithmen statt des traditionellen Strebens nach immer höherer Genauigkeit. Auch gewinnen standardisierte Messun- gen und die Benennung von Rechenoperationen als Maßzahl in der systematischen Bewertung von KI-Methoden an Bedeutung. Diskussionen, nicht nur zum nachhalti- gen Einsatz von KI-Anwendungen, sondern auch zur nachhaltigen Gestaltung von KI-Anwendungen (Sustainable AI) selbst, finden immer mehr Anklang. Trotz dieser Bemühungen stehen im Fokus aktueller Studien zumeist die großen und rechenintensiven KI-Modelle, während eine systemische, d.h. ganzheitliche Ein- schätzung der Umweltwirkung der gesamten KI-Landschaft noch fehlt. Ein Haupt- problem besteht damit weiter: Aufgrund von fehlender Transparenz und dem Man- gel an standardisierten Messmethoden, ist aktuell der Einfluss von KI-Anwendun- gen, z. B. auf das Klima durch Emissionen, gar nicht bis nur sehr schwer zu quantifi- zieren (Dhar 2020). Für die Machine Economy heißt das, dass es aktuell noch nicht möglich ist ein um- fassendes und differenziertes Bild der Treiber der Umweltwirkung zu zeichnen. Die Datenbasis muss systematisch erweitert und im Sinne eines übergreifenden System- verständnisses aller Einflussfaktoren ergänzt werden. Wuppertal Institut | 15
22_Wuppertal Report Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH Auf der Akteursseite spielen dabei vor allem die Steuerungssysteme der Politik und der politiknahen Organisationen als übergreifende Akteure sowie die auf den jeweili- gen Ebenen der Wertschöpfung aktiven Unternehmen und ihre Branchenvertretun- gen eine Rolle. Deutsche Politik ist im internationalen Vergleich im Umgang mit Energie- sowie Ressourceneffizienz des Digitalsystems sicherlich unter den führen- den Nationen. Allerdings zielen die meisten Maßnahmen – ebenso wie international – bislang vor allem auf die Optimierung der digitalen Infrastruktur ab, d.h. die “Hardware” der Digitalisierung. Beispielsweise wurden im Rahmen der “Nationalen Klimaschutzinitiative” Förderprogramme für grüne Rechenzentren aufgesetzt (Bun- desministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) 2021a), das Effizienzlabel “Blauer Engel” für Rechenzentren“ entwickelt (Umweltbundesamt (UBA) 2021), über die “Green IT Initiative” die Effizienz der IT-Beschaffung der Bun- desverwaltung optimiert (BMU 2021b) oder im Rahmen der “Umweltpolitischen Di- gitalagenda” die Erweiterung der Ökodesign-Richtlinie um zusätzliche Produktgrup- pen wie Smartphones angeregt (BMU 2020b). Erst in der jüngeren Vergangenheit werden schrittweise erste Aktivitäten zur ökolo- gischen Gestaltung von Daten und Applikationen umgesetzt. Der Blaue Engel wurde z. B. um ressourcen- und energieeffiziente Softwareprodukte ergänzt (UBA 2020), die “Umweltpolitische Digitalagenda” schlägt “Grünes Coden” im Studienplan der Informatik zu verankern (BMU 2020a), die KI-Strategie der Bundesregierung unter- stützt die Umweltfolgenabschätzung der Technologie (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung 2018) und im “Ressourceneffizienzprogramm ProgRess III” wird die nachhaltige Gestaltung von DLT angestrebt (BMU 2020b). Insgesamt schei- nen die politischen Bemühungen allerdings schwerpunktmäßig die Umweltwirkung selbst und weniger die dahinterliegenden Treiber und Dynamiken im Blick zu haben. Insbesondere die Maßnahmen bezüglich Künstlicher Intelligenz und Big Data Analy- tics sind aktuell noch nicht ausreichend und gehen nicht dediziert auf die zukünfti- gen Herausforderungen durch den maschinellen Dialog im Kontext kommerzieller B2B-Anwendungen ein. Auch in der Privatwirtschaft zeigen mehr und mehr Unternehmen Interesse an ei- nem nachhaltigen Digitalsystem. Zum Beispiel haben sich Microsoft, Salesforce, Net- flix u.a. in der Business Alliance to Scale Climate Solutions (BASCS) zusammengetan, um, neben anderen ökologischen Initiativen, die eigenen Emissionen zu senken (BASCS 2021). Oder in der Deklaration zur European Green Digital Coalition erklä- ren sich die CEOs von 26 digitalen Schwergewichten bereit, die Entwicklung grüner Technologien und Services voranzutreiben (European Commission 2021). Zudem haben sich im EU-Pakt für nachhaltige Rechenzentren Digitalverbände und Anbieter von Rechenleistung dazu entschlossen, Rechenzentren bis zum Jahr 2030 klima- neutral zu betreiben (Climate Neutral Data Centre Pact 2021). Jenseits dessen ist je- doch noch zu wenig darüber bekannt, welche Rolle die Vielzahl an Digitalunterneh- men auf den jeweiligen Ebenen der Machine Economy für die Entstehung von Um- weltbelastungen spielen. 16 | Wuppertal Institut
22_Wuppertal Report Wir brauchen eine „Grüne Governance der Machine Economy“ 6 Wir brauchen eine „Grüne Governance der Machine Economy“ Ein nachhaltiges Steuerungssystem für eine ökologische Machine Economy setzt an diesen blinden Flecken der aktuellen Debatte an. Sie versteht, wie neuartige Mecha- niken und Regeln im Gewerk der Machine Economy auf die Nachhaltigkeitstransfor- mation ausgerichtet werden können. Im Moment orientiert sich die Gestaltung neuer Wertschöpfungsprozesse und die Ausrichtung der Akteursbeziehungen vorran- gig an ökonomischen Zielen. Die Aussicht auf Leistungssteigerungs- und Kostenein- sparungspotentiale lässt die ökologischen Konsequenzen des maschinellen Dialogs in den Hintergrund treten. Hier entsteht ein Gestaltungsraum für eine „Grüne Gover- nance der Machine Economy“. Die Aufgabe ist, die übergreifenden Dynamiken der Machine Economy transparent zu machen, ökologisch-schädliche Wirkmuster zu er- kennen und Anreize für nachhaltige Alternativen zu setzen. Dafür sind die folgenden Punkte relevant: Erstens brauchen wir ein übergreifendes nachhaltiges Zielsystem, dass alle Wert- schöpfungsprozesse und Akteure auf gemeinsame Ziele von Klima- und Ressourcen- schutz ausrichtet und ausbalanciert. Zweitens muss in den direkten Wertschöpfungs- prozessen das grüne Zusammenspiel von Technologien forciert werden. Dabei wer- den die anpassungsfähigen Maschinen, schnell wachsende Infrastrukturen, Daten- ströme, Datenstrukturen und Applikationen sowie die Vielfalt der verbundenen Ele- mente (Entitäten) im Sinne der ökologischen Zielfunktionen koordiniert. Und drit- tens müssen alle beteiligten Akteure mit ihren Abhängigkeiten, Machtfragen und In- teressen, Strategien und Geschäftsmodellen in ein Gesamtsystem nachhaltiger Ent- scheidungen eingebunden werden. 6.1 Balancierung eines nachhaltigen Zielsystems Die „Grüne Governance der Machine Economy“ adressiert die Umweltbelastungen im maschinellen Dialog. Allerdings handelt sie nicht im leeren Raum. Ökologische, soziale und ökonomische Abhängigkeiten müssen mitberücksichtigt und in ihren Trade-offs balanciert werden. Erstens muss sichergestellt werden, dass die maschinen-gestützten Nachhaltigkeits- potentiale bewahrt bleiben. Zum Beispiel zeigt sich im Einsatz von KI für die Errei- chung der “Sustainable Development Goals”, dass die Chancen der KI ihre Risiken übersteigen – vorausgesetzt die Technologie wird im Sinne der Nachhaltigkeit ausge- steuert (Vinuesa et al. 2020). Die Forderung bspw. nach grünen „Lean Data“ Ansät- zen oder suffizienten Infrastrukturen muss vorsichtig mit den positiven Implikatio- nen der Anwendung (d.h. Einsparungspotentialen in Energie- oder Material) abge- wogen werden. Zweitens müssen negative soziale Auswirkungen vermieden werden. Zum Beispiel könnte es aus ökologischer Sicht vorteilhaft sein, leistungsorientierte „rote“ KI-Mo- delle durch effizientere „grüne“ KI-Modelle zu substituieren. Wenn aber bei Letzte- ren der maschinelle Rechenaufwand durch globale “Clickworker” mit unverantwort- baren Arbeitsbedingungen externalisiert wird, kann dieser Ansatz nicht nachhaltig sein. Wuppertal Institut | 17
22_Wuppertal Report Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH Und drittens müssen auch ökonomische Zielgrößen in die Betrachtung einbezogen werden. Breite Akzeptanz von ressourcen- und energieschonenden Technologien in der Wirtschaft können – jenseits von staatlichen Regulierungsmaßnahmen – nur er- reicht werden, wenn die Kosten grüner Technologien selbst vertretbar sind, die Kos- tensenkungspotentiale durch grüne Technologien (z. B. durch Material- und Energie- einsparungen) erhalten bleiben und grüne Technologien in Geschäftsmodelle inte- griert werden können. 6.2 Herausforderungen an ein grünes Zusammenspiel der Technologien Um ein grünes Zusammenspiel von Technologien in der Machine Economy zu etab- lieren, müssen wir uns den folgenden Herausforderungen und Wissenslücken stel- len. Abbildung 2: Herausforderungen an ein grünes Zusammenspiel der Technologien (eigene Darstellung) 6.2.1 „Transparenz der Dinge“ für „Transparenz der Umweltwirkung“ einsetzen Durch den Zugriff von Big Data Analytics und KI auf ubiquitäre Datenströme und die digitalen Zwillinge von Maschinen und Prozessen ist die Transparenz ein elementa- res Merkmal der Machine Economy. Diese Fähigkeit wird jedoch noch nicht in den Dienst der Nachhaltigkeit gestellt. Wir müssen uns darüber Gedanken machen, wie die Energie- und Ressourcenaufwände digitaler Technologien aus Datenströmen ab- geleitet und in ein umfassendes Evaluierungs-und Monitoring-System der 18 | Wuppertal Institut
22_Wuppertal Report Wir brauchen eine „Grüne Governance der Machine Economy“ Umweltwirkung in der Machine Economy integriert werden können. Zum Beispiel müssen wir zukünftig in der Lage sein, im voranschreitenden Wachstum vernetzter Maschinen Ressourcenaufwände im Sinne des „ökologischen Gewichts der Machine Economy“ zu bestimmen – ein Bereich der in derzeitigen Debatten rund um IoT, KI oder DLT zu kurz kommt. Hier bedarf es z. B. einer nach Anwendungsfällen und In- dustrien differenzierten Projektion, einer kausalen Verknüpfung mit Rohstoffquellen und Folgen des potentiell steigenden Abbaus von kritischen Rohstoffen und eine Übersicht über “End-of-Life”-Vorgänge genutzter Materialien. Daneben müssen na- türlich auch Energieaufwände bemessen werden. Zwar bieten größere IoT-Middleware-Plattformen erste Einblicke bezüglich der Nachhaltigkeit ihrer Cloud-Dienste. Über den “Sustainability Calculator” können z. B. Kunden von „Microsoft Azure IoT“ (Microsoft 2021) die Emissionen ihrer Anwen- dungen sichtbar machen. Allerdings greifen bei industriellen IoT-Lösungen meist Komponenten von vielen Anbietern und Frameworks ineinander, die eine End-to- End-Analyse von Umweltbelastungen des maschinellen Dialogs häufig noch nicht zulassen. Wir brauchen anbieterübergreifend die ökologische Übersicht und Wege, diese für ihre Kunden in nachhaltige Geschäftsmodelle zu übertragen. Daneben müssen Big Data Analytics und KI neu ausgerichtet werden. Sie könnten Umweltbelastungen im Sinne von „Dirt Detection“ Ansätzen aufspüren und optimie- ren. Allerdings sind Ansätze noch selten, die speziell auf die Nachhaltigkeitsanalyse des maschinellen Dialogs (Daten, Applikationen und Infrastruktur) entlang von Pro- duktions- und Logistikketten ausgerichtet sind. Und auch der Einsatz von KI selbst muss kritisch auf ökologische Externalitäten untersucht werden. “Erklärbare KI” könnte die Entscheidungswege der KI ans Licht bringen und Umweltbelastungen in der Funktionsweise der Technologie selbst aufzuspüren. 6.2.2 „Internet of Everything“ -Mentalität nachhaltig ausrichten Bereits im Jahr 2013 wies Cisco daraufhin, dass zukünftig die zunehmende Vernet- zung in einem “Internet of Everything” münden würde, in dem nahezu alle Men- schen, Prozesse, Daten und Dinge digital miteinander verbunden sind. Cisco verwies auf privatwirtschaftliche Umsatzpotentiale in der Vernetzung und Nutzung der da- mals auf über 99% geschätzten unverbundenen physischen Objekte (Cisco 2013). Bis heute scheint die “Internet of Everything”-Mentalität in der Praxis Anklang zu fin- den, da die Anzahl der vernetzten Endgeräte ungebrochen wächst (Cisco 2020) und entsprechende Technologien in der Breite der Unternehmen ankommen sind (McKinsey & Company 2019). Gleichzeitig wird ein großer Teil der gesammelten Da- ten gar nicht (Seagate 2020) oder ineffektiv (Du et al. 2021) verwendet. Wenn daher in der unternehmerischen Praxis die Vernetzung von Dingen ökonomisch nicht aus- genutzt wird und gleichzeitig ökologische Externalitäten erzeugt werden, dann muss die “Internet of Everything”-Mentalität kritisch hinterfragt, neu justiert und nachhal- tig ausgerichtet werden. Zum einen stehen wir diesbezüglich vor der Herausforderung, dass zwar grüne An- sätze für den Einsatz von Technologien des maschinellen Dialogs in der Forschung bereitstehen, aber häufig entweder nicht in die Praxis diffundieren oder nur solche mit geringer positiver Umweltwirkung übernommen werden. Zum Teil sind die Dif- fusionsbarrieren bekannt. So sind z. B. nachhaltige digitale Geschäftsmodelle noch Wuppertal Institut | 19
22_Wuppertal Report Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH nicht erschlossen. Unter Entscheider/-innen und Entwickler/-innen mangelt es zu- dem an einem Bewusstsein für die Relevanz von Nachhaltigkeit in der voranschrei- tenden Vernetzung von Maschinen. Größtenteils wissen sie bei der Umsetzung ihrer Projekte auch nicht, dass grüne Alternativen zur Verfügung stehen. Auch falsche Preisvorstellungen, wonach nachhaltige Technologien kostenintensiver seien als ihre weniger umweltfreundlichen Gegenstücke, verhindern ein Umdenken. Es fehlen Sys- tem-Architekt/-innen und Programmierer/-innen die entscheidenden Fähigkeiten und Wissen in der Umsetzung nachhaltiger Entwicklungen. Und letztlich mangelt es an einem ausreichenden Unterstützungsnetzwerk z. B. an Beratungen, die mit Nach- haltigkeitsexpertise in der Planung und Umsetzung helfen können. Bekannte Diffusi- onsbarrieren müssen zukünftig ausgehebelt werden. Doch es braucht auch eine tief- greifende Untersuchung weiterer Barrieren, wie z. B. den technologischen Grenzen der Ökosysteme von Plattformen oder den intensiven Marketingaktivitäten größerer Anbieter. In der Literatur wurden schon diverse Diffusionsbarrieren nachhaltiger In- novationen identifiziert, die im Rahmen des Digitalsystems noch in der Tiefe disku- tiert werden müssen (siehe z. B. Fichter & Clausen 2021). Zum anderen braucht es mehr Forschung für ein “rechtes Maß” im Umgang mit Da- ten, Applikationen und Infrastruktur. Es gibt wenige Hinweise darauf, wie Suffizienz in einer technologisch-deterministisch wachsenden Machine Economy tatsächlich gelebt werden kann. Wie gehen wir bspw. damit um, dass Unverständnis über Daten- bedarfe und Übersetzungsmöglichkeiten in Anwendungsfälle den Energie- und Res- sourcenaufwand erhöht? Oder gibt es Bereiche entlang der digitalisierten Wert- schöpfungskette, die in ein industrielles Internet of Things eingebunden werden sol- len, aber mit einem sinkenden Kosten-Nutzen-Verhältnis oder stark erhöhten ökolo- gischem Fußabdruck einhergehen? Auch im Kontext des Rollouts des 5G-Standards sollten Suffizienzperspektiven einbezogen werden. Die Technologie könnte - neben potentiellen Effizienzgewinnen - durch erhöhte Datentransfers neue Anwendungs- fälle in der Machine Economy erschließen und Umweltbelastungen mit sich bringen. Allerdings ist es essentiell im Kontext von Suffizienzfragen durch Eingriffe nicht die möglichen positiven Implikationen (Energie- oder Materialeinsparungen) aus dem Blick zu lassen. Letztlich müssen wir uns fragen, wie wir besonders unvorteilhaften Technologieeinsatz vermeiden oder über intelligent gedachte Lösungen umgehen können. 6.2.3 Dynamische Anpassung und Komplexität ökologisch managen Kommunikation obliegt in der Machine Economy insbesondere den Maschinen. Sie entscheiden im Rahmen von gesetzten Leitplanken eigenständig, wobei kontinuier- lich gesammelte Daten aus der Maschine selbst und ihrer Umgebung als Futter für aufwendige Analysen dienen. Je nach Aufgabenbereich der Maschine müssen diese Daten einerseits in Echtzeit erhoben und verzögerungsfrei ausgewertet werden. Das könnte z. B. der Fall sein, wenn KI-unterstützte Augmented Reality-Anwendungen Produktionsmitarbeiter/-innen durch Reparaturarbeiten lotsen (Sahu et al. 2020). Andererseits sollen die Daten aus Sicherheitsgründen in der Fabrik bzw. auf den Ser- vern des produzierenden Unternehmens verbleiben und nicht über das Internet in die Cloud geladen werden. Beispielsweise könnte dies sensible Daten des Produkti- onsprozesses betreffen, in dem intelligente Fertigungsanlagen Daten über 20 | Wuppertal Institut
22_Wuppertal Report Wir brauchen eine „Grüne Governance der Machine Economy“ Produktionsmengen usw. sammeln. In diesen Fällen werden Rechenkapazitäten aus zentralisierten Cloud-Rechenzentren in dezentrale Fog-Knotenpunkte und Edge- Rechner verlagert. Bisher bleibt in der Forschung ungeklärt, ob eine breite Verlage- rung in Fog- bzw. Edgesysteme im Sinne des Energieverbrauchs Effizienzvorteile mit sich bringt. Zwar müssen weniger Daten in zentralisierte Rechenzentren übertragen werden, jedoch ist die dezentrale Datenverarbeitung wahrscheinlich weniger effizient (Montevecchi et al. 2020). Und auch die Frage des Ressourcenaufwands im Einsatz von dezentralen Rechensystemen muss weiter beforscht werden, um Transparenz zu schaffen und Handlungsoptionen aufzeigen zu können. Dynamische Anpassungsfähigkeit stellt zudem in besonderem Maße Anforderungen an Daten, Applikationen und Infrastrukturen. So entstehen komplexe, teilweise mit- einander verzahnte Lebenszyklen, in denen sich Spannungsfelder zwischen ökonomi- schen Leistungskriterien und ökologischen Effizienzanforderungen aufbauen. Daten sollen zum Beispiel ständig aktuell sein, wodurch Modularität eingeschränkt und Wiederverwendungsoptionen dezimiert werden. Applikationen müssen durch häufi- ges Training auf sich ändernde Umgebungssituationen eingestellt werden, wobei häufige Trainings den Energieaufwand erhöhen. Zudem mangelt es an zirkulären Konzepten, die auf Sensoren und dezentrale Recheneinheiten ausgerichtet sind. Diese werden häufig nach Ermüdung der Batterie entsorgt und modulare, besser wartbare Bauteile, sind nicht die Regel. Oft ist die digitale Infrastruktur fest mit dem Endgerät verschmolzen. Letztlich fordern immer anspruchsvollere Applikationen ständige Updates und Rechenkapazitäten in bestehenden Infrastrukturen. Eine „Grüne Governance der Machine Economy“ muss also die Anforderungen des komplexen Zusammenspiels der unterschiedlichen Lebenszyklen im System verste- hen – und auf dieser Basis das Gesamtportfolio der Anwendungen und Technologien über die Lebensdauer ökologisch optimieren. 6.2.4 Vernetzte Vielfalt grün gestalten Angetrieben wird die Machine Economy durch die Kombinationen vielfältiger Ele- mente bestehend aus Daten, Applikationen, Infrastrukturen wie auch Verhaltenswei- sen bzw. Routinen. Eine nachhaltige Governance kann steuern, welche Verbindun- gen sich zwischen ihnen etablieren, welche Abhängigkeiten wirken. Nachhaltig- keitskriterien finden derzeit lediglich in einzelnen Systemkomponenten Anwendung, z. B. in der E-Waste Debatte bezüglich der Entsorgung von elektronischen Endgerä- ten. Die entscheidenden Wechselwirkungen und Beziehungen werden dabei jedoch noch zu selten berücksichtigt. Beispielsweise bündeln Middleware- und Analytics- Plattformen einen bunten Mix an Technologien. Bisher sind sie nur begrenzt kompa- tibel mit dem Einsatz grüner Alternativen und weit entfernt vom Zielzustand „sustainable-by-design“. Zum Beispiel finden hier effiziente KI-Modelle, wie Spiking Neural Networks (Strubell et al. 2019), zurzeit noch weniger Beachtung als leistungs- orientierte Modelle. Eine in ähnlicher Weise verknüpfende Aufgabe übernehmen Open Source-Anwen- dungen. Im IoT Developer Survey von 2020 gaben 65% der IoT Entwickler an, Open Source zu nutzen (Elipse Foundation 2020). Sie beschleunigen, z. B. über standardi- sierte Schnittstellen und niedrige Einstiegsinvestitionen, die Vernetzung von Maschi- nen und damit die Intensivierung des maschinellen Dialogs. Allerdings sind Wuppertal Institut | 21
22_Wuppertal Report Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH bestehende Frameworks häufig zu wenig auf Nachhaltigkeit ausgerichtet und in der schwer zu fassenden, dezentralen Entwicklung durch viele Einzelakteure (inkl. Pri- vatpersonen) hat nachhaltiges Software-Design noch nicht die notwendige Bedeu- tung. Open Source könnte daher derzeit noch wie eine Verstetigung für ökologisch unvorteilhafte M2M-Kommunikation wirken. Eine wesentliche Aufgabe einer „Grü- nen Governance der Machine Economy“ ist dementsprechend der Aufbau von grü- nen Verknüpfungsbausteinen zwischen allen beteiligten Systemelementen und der Anstoß neuer, nachhaltiger Entwicklungsdynamiken – auch bei Open Source. Neben den in diesem Papier behandelten technologischen Herausforderungen, soll- ten abschließend auch jene Themengebiete weiter beobachtet werden, die sich zum jetzigen Zeitpunkt noch schwer bewerten lassen. Erstens zählen wir hierzu die der- zeitigen sowie zukünftigen ökologischen Auswirkungen von DLT. Das Feld befindet sich im Wandel, wobei unklar bleibt, welche Technologievarianten (“Blockchain vs. DAG”) und Mechanismen (“Proof-of-Work” vs. “Proof-of-Stake” (u.a.)) sich durch- setzen werden (siehe dazu z. B. Cao et al. 2020). Zweitens müssen mögliche Umwelt- effekte durch Cyberkriminalität im Kontext der Machine Economy untersucht wer- den. Ob z. B. Angriffe auf vernetzte Produktionskomponenten zu lokalen Ausfällen und umweltschädlichen Substitutionseffekten führen können, ist derzeit wenig be- handelt. 6.3 Herausforderungen an ein Gesamtsystem nachhaltiger Entscheidungen Bei der voranschreitenden Verbreitung von intelligenten und vernetzten Maschinen müssen die unterschiedlichen technisch-infrastrukturellen Herausforderungen mit den vielfältigen Akteuren zusammengebracht werden. Innerhalb und zwischen den Ebenen der Wertschöpfung der Machine Economy müssen die Bedürfnisse, Interes- sen und Abhängigkeiten von Akteuren im Sinne der Nachhaltigkeit orchestriert wer- den. Hier bieten sich eine Reihe von Ansatzpunkten. 6.3.1 Digitalakteure in den Blick nehmen Zunächst gilt es die Rolle von Digitalakteuren zu verstehen. Offen ist beispielsweise, wie Tech-Giganten, z. B. Amazon, Google und Microsoft, noch mehr für eine nach- haltige Open Source Entwicklung beitragen könnten. Zwar vermarkten sie auf der einen Seite eigene IoT-Middleware-Plattformen – auf der anderen Seite gründen bzw. unterstützen sie auch bedeutende Open Source-Initiativen. Über diesen Weg könnten sie in der Lage sein, positive Impulse in der Open Source-Community anzu- regen und so ökologische Standards setzen. Auch stellt sich die Frage, welche Impli- kationen sich aus diesen Entwicklungen für ihre Plattformen selbst ergeben, in die an vielen Stellen Open Source-Lösungen integriert sind. Ein anderes Beispiel wäre ein ebenenübergreifendes Lebenszyklusmanagement. Ap- plikationen, Daten und Infrastruktur stehen in einem direkten Abhängigkeitsverhält- nis. Ein übergreifendes, nachhaltiges Lebenszyklus-management stellt daher eine gewaltige Organisationsaufgabe dar, die nur unter Beteiligung diverser Akteure ge- löst werden kann. Vor allem müssten solche Organisationen zusammengebracht wer- den, die jeweils die physischen Objekte, digitale Infrastruktur, Daten und Applikatio- nen verwalten. Insbesondere die Tatsache, dass Akteure häufig je nach Kund/-in ver- schiedene Rollen einnehmen, könnte nachhaltige Lebenszyklen blockieren. Zum 22 | Wuppertal Institut
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