Wege in eine ökologische Machine Economy - Wuppertal Institut

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Wege in eine ökologische Machine Economy - Wuppertal Institut
22_Wuppertal Report | September 2021

Wege in eine ökologische
Machine Economy
                      Wir brauchen eine „Grüne Governance der
                      Machine Economy”, um das
                      Zusammenspiel von Internet of Things,
                      Künstlicher Intelligenz und Distributed
                      Ledger Technology ökologisch zu gestalten

                      Daniel Wurm
                      Oliver Zielinski
                      Neeske Lübben
                      Maike Jansen
                      Stephan Ramesohl
Wege in eine ökologische Machine Economy - Wuppertal Institut
22_Wuppertal Report                                                       Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH

           Herausgeber:
           Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH
           Döppersberg 19
           42103 Wuppertal
           www.wupperinst.org

           Autorinnen und Autoren:
           Daniel Wurm (daniel.wurm@wupperinst.org)
           Prof. Dr. Oliver Zielinski (oliver.zielinski@dfki.de)
           Neeske Lübben (neeske.luebben@dfki.de)
           Maike Jansen (maike.jansen@wupperinst.org)
           Dr.-Ing. Stephan Ramesohl (stephan.ramesohl@wupperinst.org)

           „Wuppertal Reports“ sind Abschlussberichte aus Projekten, die von Auftragge-
           bern zur Veröffentlichung freigegeben wurden. Sie sollen mit den Projektergebnissen
           aus der Arbeit des Instituts vertraut machen und zur kritischen Diskussion einladen.
           Das Wuppertal Institut achtet auf ihre wissenschaftliche Qualität. Für den Inhalt
           sind die Autorinnen und Autoren verantwortlich.

           Wuppertal, September 2021
           ISSN 1862-1953

           Dieses Werk steht unter der Lizenz „Creative Commons Attribution 4.0 International“ (CC BY 4.0).
           Der Lizenztext ist abrufbar unter: https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/

2 | Wuppertal Institut
Wege in eine ökologische Machine Economy - Wuppertal Institut
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          Dieser Bericht ist ein Ergebnis des Forschungsvorhabens „CO:DINA – Transformati-
          onsroadmap Digitalisierung und Nachhaltigkeit“. Er wurde als solches bereits auf der
          Projektwebsite als Vorabpublikation zur Diskussion in der Forschungscommunity
          veröffentlicht. CO:DINA vernetzt Wissenschaft, Politik, Zivilgesellschaft und Wirt-
          schaft, um neue strategische Stoßrichtungen für eine sozial-ökologische Digitalisie-
          rung zu identifizieren. Vielfalt in Denkweisen, Perspektiven und Erfahrungen ist die
          Voraussetzung, um die Komplexität der Digitalisierung besser zu verstehen und
          grundlegenden Fragen insbesondere zur Künstlichen Intelligenz mit tragfähigen Lö-
          sungsansätzen zu begegnen. Dabei entstehen Netzwerke zwischen Akteursgruppen,
          die bislang unzureichend verbunden waren. So wird die politische und gesellschaftli-
          che Handlungsfähigkeit für einen sozial-ökologisch-digitalen Wandel gestärkt. Das
          Vorhaben wird vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Si-
          cherheit (BMU) im Rahmen der KI-Leuchtturminitiative gefördert und gemeinsam
          vom IZT – Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung und dem Wup-
          pertal Institut umgesetzt. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung
          liegt bei den Autorinnen und Autoren.

          Bitte den Bericht folgendermaßen zitieren:
          Wurm, D., Zielinski, O., Lübben, N., Jansen, M., & Ramesohl, S. (2021). Wege in eine
          ökologische Machine Economy (Wuppertal Report Nr. 22). Wuppertal Institut.

          Projektlaufzeit: Mai 2020 – April 2023

          Projektpartner CO:DINA:
          IZT – Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung gemeinnützige GmbH
          Schopenhauerstr. 26, 14129 Berlin
          Tel.: +49 30 803088-0
          Fax: +49 30 803088-88
          E-Mail info@izt.de
          Internet: www.izt.de

          Partner für die Erstellung dieser Studie:
          Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz
          Kompetenzzentrum KI für Umwelt und Nachhaltigkeit
          Marie-Curie-Str. 1, 26129 Oldenburg
          Tel.: +49 631 20575-0
          Fax: +49 631 20575-5030
          E-Mail: info@dfki.de
          Internet: www.dfki.de

                                                                                      Wuppertal Institut | 3
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Impressum
           Herausgeber:
           Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH
           Döppersberg 19
           42103 Wuppertal
           www.wupperinst.org

           Stand:
           September 2021

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Inhaltsverzeichnis

          Inhaltsverzeichnis                                                                            5
          Abkürzungsverzeichnis                                                                         6
          Abbildungsverzeichnis                                                                         7
          1           Zusammenfassung                                                                   8
          2           Wir betreten das Zeitalter der selbstständigen Maschinen                          9
          3           Der maschinelle Dialog und sein technologisches Fundament                        11
          4           Wertschöpfung und Akteurslandschaften werden neu konstruiert                     12
          5           Umweltbelastungen müssen im Gesamtsystem verstanden werden                       13
                      5.1     Wir haben kein genaues Bild der Umweltwirkung der Infrastruktur          13
                      5.2     Die Treiber der Umweltwirkung sind nicht ausreichend adressiert          14
          6           Wir brauchen eine „Grüne Governance der Machine Economy“                         17
                      6.1     Balancierung eines nachhaltigen Zielsystems                              17
                      6.2     Herausforderungen an ein grünes Zusammenspiel der
                              Technologien                                                             18
                      6.2.1   „Transparenz der Dinge“ für „Transparenz der Umweltwirkung“
                              einsetzen                                                               18
                      6.2.2   „Internet of Everything“ -Mentalität nachhaltig ausrichten              19
                      6.2.3   Dynamische Anpassung und Komplexität ökologisch managen                 20
                      6.2.4   Vernetzte Vielfalt grün gestalten                                       21

                      6.3     Herausforderungen an ein Gesamtsystem nachhaltiger
                              Entscheidungen                                                           22
                      6.3.1   Digitalakteure in den Blick nehmen                                       22
                      6.3.2   Forschung stärker auf den ökologischen maschinellen Dialog
                              ausrichten                                                               23
                      6.3.3   Rahmen für eine nachhaltige Digitalpolitik bereitstellen                 23

          7           Fazit und Ausblick                                                               24
          8           Literaturverzeichnis                                                             25

                                                                                                Wuppertal Institut | 5
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Abkürzungsverzeichnis

            BASCS        Business Alliance to Scale Climate Solutions
            BMU          Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit
            B2B          Business-to-Business
            DAG          Directed Acyclic Graphs
            DLT          Distributed Ledger Technology
            KI           Künstliche Intelligenz
            LTE          Long Term Evolution
            IoT          Internet of Things
            SDGs         Sustainable Development Goals
            WLAN         Wireless Local Area Network

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Abbildungsverzeichnis
          Abbildung 1: Entstehung von Umweltwirkung im Gesamtsystem der Machine Economy             14

          Abbildung 2: Herausforderungen an ein grünes Zusammenspiel der Technologien               18

          Abbildung 3: Gestaltungsraum für eine "Grüne Governance der Machine Economy"              24

                                                                                  Wuppertal Institut | 7
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1          Zusammenfassung

           Im Zeitalter der Machine Economy ist der maschinelle Dialog allgegenwärtig – das
           bietet neue Chancen für Nachhaltigkeit, erhöht gleichzeitig aber durch die zugrunde-
           liegenden Technologien auch den Druck auf unsere Umwelt. Internet of Things
           (IoT), Künstliche Intelligenz (KI) und Distributed Ledger Technology (DLT) sind
           das technologische Fundament der Machine Economy. Damit verbunden sind Infra-
           strukturen, Datenströme und Anwendungen, die hohe Energie- sowie Ressourcen-
           aufwände erzeugen. Der derzeitige politische Diskurs sowie die Nachhaltigkeitsfor-
           schung fokussieren sich auf Umweltwirkungen durch digitale Infrastrukturen. Daten,
           Applikationen sowie die Rolle von Akteuren als Treiber der Umweltwirkung werden
           zu wenig beleuchtet. In diesem Papier sprechen wir uns für eine “Grüne Governance
           der Machine Economy” aus. Adressiert werden Annahmen zu systemübergreifenden
           Treibern von Umweltbelastungen und ihrer Wirkung. Ziel ist es, ein Gesamtsystem
           nachhaltiger Entscheidungen und ein ökologisches Zusammenspiel aller beteiligten
           Technologien in der Wertschöpfung zu ermöglichen. Zukünftige Forschung soll die
           hier vorgestellten Hypothesen weiter ausarbeiten und konkrete Handlungsoptionen
           für eine Stakeholder übergreifende Roadmap erarbeiten.

8 | Wuppertal Institut
22_Wuppertal Report                                           Wir betreten das Zeitalter der selbstständigen Maschinen

2         Wir betreten das Zeitalter der selbstständigen Maschinen
          In der Machine Economy übernehmen Maschinen wesentliche Prozesse des Wirt-
          schaftens. Sie sind in der Lage ihre Umgebung und Umwelt wahrzunehmen, zu ver-
          stehen und Entscheidungen zu treffen. Sie sind vernetzt und nehmen nahezu auto-
          nom am Marktgeschehen teil. Schon heute sehen wir weltweit über 25 Milliarden
          vernetzte Endgeräte und davon über 10 Milliarden smarte physische „Dinge“ jenseits
          von Smartphones, Tablets oder Personal Computern. Es wird erwartet, dass der An-
          teil dieser "Smart Things" schon innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre mehr als
          die Hälfte aller vernetzten Endgeräte ausmachen wird, d.h. dann bis zu 15 Milliarden
          Geräte (Cisco 2020). Auch wenn sich Prognosen zur weiteren Entwicklung der An-
          zahl vernetzter Endgeräte bis 2030 stark unterscheiden – hier werden z. B. Werte
          zwischen 50 Milliarden (Statista 2021) oder 125 Milliarden Einheiten (IHS Markit
          2017) angegeben – ist von einem starken Wachstum über die kommenden Jahre aus-
          zugehen. Mit ihrer Anzahl steigt auch das Volumen an neuen bzw. transferierten Da-
          ten. Manche Studien gehen von einem produzierten Datenvolumen von ca. 160
          Zettabytes schon im Jahr 2025 aus. Davon könnten mehr als ein Viertel Echtzeitda-
          ten sein, die fast ausschließlich zwischen smarten Dingen entstehen, transferiert und
          prozessiert werden (IDC 2017).
          Der maschinelle Dialog wird sektorenübergreifend die Wertschöpfung transformie-
          ren. Bedeutende Veränderungen sind u.a. in den Bereichen Connected und Auto-
          nomous Driving, Smart Home und Buildings, Smart Energy und Grids, Digital Ban-
          king und Insurance sowie Smart Farming zu erwarten (Crisp Research 2019a, Wol-
          fert et al. 2017). Im Vergleich der Anwendungen hat gegenwärtig die Vernetzung von
          intelligenten Produktions- und Logistikketten große Bedeutung. Unternehmen inves-
          tieren dabei insbesondere in Prozessoptimierungen und setzen zukünftig auf die Ent-
          wicklung neuer, aus der Welt der Maschinen gespeister Geschäftsmodelle (Crisp Re-
          search 2019a, 2019b). Daher werden wir in diesem Papier unsere Überlegungen an-
          hand von Produktionsprozessen und Logistikketten erläutern d.h. den maschinellen
          Dialog insbesondere in industriellen Business-to-Business (B2B) Beziehungen unter-
          suchen.
          Natürlich werden im Jahr 2030 nicht alle vernetzten Maschinen gänzlich eigenstän-
          dig handeln und eine konkrete Prognose zur Anzahl wirklich autonomer Maschinen
          lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht erstellen. Derzeit wird davon ausgegangen,
          dass sich der Wandel hin zu Maschinen als eigenständige Marktteilnehmer in Schrit-
          ten vollziehen wird und schon längst begonnen hat. Bereits heute können vernetzte
          Maschinen Daten über sich und ihre Umgebung sammeln. In naher Zukunft werden
          sie in der Lage sein, zukünftige Zustände vorherzusehen und benötigte Unterstüt-
          zungsleistungen (z. B. Reparaturen) anzufragen. Längerfristig können Maschinen zu
          autonomen Marktteilnehmern mit finanzieller „Unabhängigkeit“, eigenen Konten
          und Bezahlsystemen werden (Rajasingham 2017). Wir nehmen an, dass sich in den
          beschriebenen Evolutionsstufen unterschiedliche Formen von Maschinen und ihrer
          Fähigkeiten wiederfinden werden. Zunächst werden Maschinen nicht gemeinschaft-
          lich Probleme lösen, sondern zuerst Selbstständigkeit erlangen, um autonom Prob-
          lemlösungen zu identifizieren und umzusetzen. Vernetzung wird zu Beginn eher
          durch datenbasierte Interaktion und erst später monetär-transaktional geprägt sein.
          Das bedeutet auch, dass Transaktionen weiterhin über die dahinterstehenden

                                                                                                Wuppertal Institut | 9
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           Unternehmen abgewickelt werden. Auch werden Maschinen nicht nur in Form von
           smarten physischen Objekten existieren und Wertschöpfungsprozesse durchführen.
           Sie werden auch im Sinne selbstständig entscheidender, virtuell abgebildeter Re-
           chenprozesse agieren.
           Maschinen treten in dieser Transformation mit anderen Maschinen, wie auch mit
           Menschen, in den Dialog. Stehen sie mit anderen Maschinen im Austausch, muss
           zwischen Interaktionen bezüglich der direkten Wertschöpfungsprozesse auf der ei-
           nen und unterstützenden Leistungen auf der anderen Seite differenziert werden. Bei
           ersterem führen Maschinen Aufgaben in der Herstellung von Komponenten, der Ver-
           arbeitung zu Produkten und dem Transport von Waren durch. Beispielsweise könnte
           dies autonome Transportroboter betreffen, die ihre Lieferung in intelligenten Emp-
           fängerboxen abstellen. Der Empfang wird registriert und die Transaktion automa-
           tisch durchgeführt (zu diesem Beispiel siehe Prause 2019). Unterstützende Leistun-
           gen können dagegen z. B. „Insurance as a Service“, „Bandwidth as a Service“ oder
           „Storage and Computing as a Service“ Angebote sein (Rajasingham 2017), die eine
           Fertigungsanlage autonom nach Bedarf bestellt und transaktional abwickelt.
           Zudem wird sich die Interaktion zwischen Menschen und Maschinen immer weiter
           verstärken bis in Teilen die Grenzen zwischen beiden verschwimmen. Menschen
           wandeln Rechenleistung in maschinelle Intelligenz um, indem sie Algorithmen ent-
           wickeln, die auf Rechnern ausgeführt werden. Sie bringen ihre Normen, Werte und
           Anforderungen an Wertschöpfung in Maschinen ein, ohne dabei alle ihre Aktionen
           bzw. Reaktionen vorhersehen oder steuern zu können. Letztlich interagieren Maschi-
           nen in reflexiver Art und Weise mit ihren Gestalter/-innen. Roboter unterstützen
           Menschen in der Fertigung oder über Virtual Reality Anwendungen bei Reparaturen.
           Entsprechend deutet sich auch in der Industrie die Verschmelzung zwischen Men-
           schen und Maschinen an, die der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Glo-
           bale Umweltveränderungen (WBGU) mit den Begriffen “Machina sapiens” einerseits
           und “Homo digitalis” andererseits benennt (WBGU 2019).
           In diesem Papier widmen wir uns der Frage, wie die beschriebenen Transformations-
           prozesse im Zeitalter der selbstständigen Maschinen ökologisch gestaltet werden
           können. Während die Vision der Machine Economy bereits eine Vielzahl ökonomi-
           scher Gedankenspielen anregt, werfen potentielle Energie- sowie Materialaufwände
           Schatten auf die Chancen einer ökologischen Wende. Aus einer Governance-Perspek-
           tive möchten wir akteursübergreifend Wege aufzeigen, wie maschineller Dialog grün,
           d.h. ökologisch nachhaltig, ausgesteuert werden kann. Unsere Analysen basieren auf
           ersten Interviews mit ausgewählten Experten, aktuellen Debatten in wissenschaftli-
           chen Zeitschriften und sonstigen Medien. Die aufgestellten Hypothesen sollen zur
           gemeinsamen Diskussion anregen und inspirieren.

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22_Wuppertal Report                                        Der maschinelle Dialog und sein technologisches Fundament

3         Der maschinelle Dialog und sein technologisches Fundament
          Die unterschiedlichen Formen des maschinellen Dialogs gewinnen an Intensität, ge-
          trieben durch die rasante Entwicklung neuer Technologiefelder. IoT (deutsch “Inter-
          net der Dinge”), KI (einschließlich Big Data Analytics) sowie DLT (deutsch “Verteil-
          tes Kontenbuch”), bilden das Fundament der Machine Economy (in Anlehnung an
          Urbach et al. 2020):
          IoT beschreibt die digitale Vernetzung von physischen Objekten, die über Sensoren
          und Rechenkapazitäten zu „intelligenten“ Dingen werden. Diese Dinge könnten z. B.
          autonome Vehikel in großen Lagereinrichtungen, die Container, die sie transportie-
          ren, die Produkte, die sie beinhalten und sogar deren Verpackung sein. Über Netz-
          werktechnologien, wie WLAN, LTE oder 5G, können sie miteinander im Austausch
          stehen.
          Unter KI verstehen wir Computersysteme, die in der Lage sind Muster in komplexen
          Datenmengen zu erkennen und, die anhand von Daten darauf trainiert werden,
          Probleme (auch in unbekannten, veränderlichen Situationen) selbstständig zu lösen
          und Strategien anzupassen, d.h. zu “lernen”. In Fertigungssystemen können sie z. B.
          Kosten reduzieren und Output steigern, indem sie eine Vielzahl an Variablen zielge-
          richtet aufeinander abstimmen.
          DLT ermöglicht dezentrale Datenverwaltung und verlässliche Transaktionen. Über
          alle dezentralen Einheiten hinweg können Aktionen transparent gemacht und über
          Konsensmechanismen ihre Richtigkeit sichergestellt werden. DLT bestätigt also, dass
          Daten vertrauenswürdig bzw. nicht manipuliert sind. Beispielsweise können kom-
          plexe Lieferketten von Produkten und Komponenten im Sinne einer dezentral orga-
          nisierten „Single Source of Truth“ verfolgt werden. Bekannte Varianten von DLT sind
          z. B. Blockchain oder Directed Acyclic Graphs (DAG, deutsch “Gerichtete Azyklische
          Graphen”)”.
          In einer Machine Economy wirken nun IoT, KI und DLT synergetisch zusammen.
          Sensordaten aus IoT können als Trainingsgrundlage in KI-Algorithmen dienen, die
          wiederum smarte Dinge intelligenter machen, indem sie Geschehnisse vorhersehen
          und passende Entscheidungsoptionen vergleichen und umsetzen. DLT kann sichere
          Identitäten von Maschinen (intelligente Dinge, z. B. aber auch Edge-Rechnern) be-
          reitstellen und ermöglicht transparente und manipulationssichere Interaktionen zwi-
          schen Maschinen. KI und DLT können sich ergänzen bspw. durch KI-getriebene
          Konsensmechanismen zwischen dezentralen Einheiten und einer potenziellen Distri-
          bution von Rechenleistung für das sog. „Federated Learning“ (d.h. dezentrale Lern-
          prozesse künstlicher Intelligenz auf verteilten Maschinen).

                                                                                             Wuppertal Institut | 11
22_Wuppertal Report                                              Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH

4          Wertschöpfung und Akteurslandschaften werden neu
           konstruiert
           In der Machine Economy wird die Wertschöpfung auf drei Ebenen neu konstruiert.
           An ihrer Basis steht die physische Produktions- und Lieferkette. Hier werden aus
           Rohstoffen neue Güter produziert, an ihren Ort der Bestimmung geführt und dort
           genutzt. Die steigende Intelligenz der Maschinen ermöglicht neue Produktions- und
           Logistiksysteme zum Beispiel mit höherer Produktivität und Flexibilität.
           Mit den Produktions- und Logistikprozessen sowie dem Strom der hergestellten Gü-
           ter verwoben ist die digitale Infrastruktur. Dazu zählen Sensoren, die massenweise
           Daten zum Zustand der einzelnen Maschine, dem Ort von Waren wie auch Umge-
           bungsinformationen erzeugen. Netzwerke verbinden Menschen, Produkte und Ma-
           schinen durch ein Geflecht von Daten- und Informationsströmen. Über Cloud- Fog-
           und Edge-Computing wird zentralisiert (“Cloud”), in dezentralen Knotenpunkten
           (“Fog”, d.h. nahe der Maschine) oder direkt an smarten Objekten (“Edge”, d.h. „an
           oder in der Maschine“) Rechenleistung bereitgestellt. Allerdings ist anzumerken,
           dass diese Technologien stärker miteinander verschmelzen, z. B. wenn Cloud-Lösun-
           gen dezentral an der Edge eingesetzt werden.
           Der materiellen digitalen Infrastruktur gegenüber steht ein virtuelles Ebenbild physi-
           scher Objekte und Prozesse d.h. die virtuelle Produktions- und Lieferkette. KI und
           Big Data Analytics übersetzen gewaltige Datenmengen in Informationen und Wissen,
           worüber nahezu eigenständige Entscheidungsfindung möglich wird. Zudem können
           digitale Zwillinge von Dingen oder Prozessen die physische Welt virtuell abbilden.
           Die Wertschöpfung in einer Machine Economy wird also durch ein komplexes Zu-
           sammenspiel einer Vielzahl von technologischen Bausteinen innerhalb und zwischen
           den einzelnen Ebenen transformiert, wodurch neue Interaktionen entstehen. Zum
           Beispiel wurde im “Genesis of Things” Projekt eine Machbarkeitsstudie erarbeitet,
           die beschreibt, wie über DLT nach einer Kundenbestellung die Maschinen unterei-
           nander Konstruktionsdokumente austauschen, Material bestellen, Produkte fertigen
           und Transaktionen zwischen einander über „Smart Contracts“ abwickeln (Blech-
           schmidt & Stöcker 2016).
           Den direkten Wertschöpfungsprozessen stehen neue Akteure in der Machine Eco-
           nomy gegenüber. Sie kommen aus der Wirtschaft, Politik, Zivilgesellschaft sowie der
           Forschung und koordinieren die Ausrichtung der Wertschöpfung. Neben den klassi-
           schen Akteuren rund um die physische Produktion und Logistik, konnten sich insbe-
           sondere neue Akteure etablieren, die den maschinellen Dialog forcieren. Durch das
           diverse Feld an Marktteilnehmern sind heute “kaum zwei IoT-Architekturen wirklich
           identisch” (Crisp Research 2019b). Hier kommen Chipproduzenten, Sensorenher-
           steller, Cloud-/Edge-Computing-Provider, Data-Analytics-Provider und Full-Stack-
           Software-Plattformen, Anbieter von Security-Lösungen, Payment Provider, Anbieter
           von Anwendungsapplikationen, Beratungsunternehmen und viele andere zusammen
           (Turck 2018). Sie sind häufig in mehreren Produkt- bzw. Service-Kategorien aktiv.
           Die genannten Anbieter sind darüber hinaus eng verbunden mit zum Teil dezentral
           organisierten Entwickler/-innen- bzw. Open Source Communities. Das Verständnis
           neuer Wertschöpfungsprozesse sowie einer sich wandelnden Akteurslandschaft ist
           die Basis der folgenden ökologischen Bewertung der Machine Economy.

12 | Wuppertal Institut
22_Wuppertal Report                                     Umweltbelastungen müssen im Gesamtsystem verstanden werden

5         Umweltbelastungen müssen im Gesamtsystem verstanden
          werden
          Die neue Architektur der Machine Economy bietet große Chancen und Lösungsmög-
          lichkeiten – ist wie andere digitale Systeme aber gleichzeitig immer auch Teil des
          Problems, denn sie belastet die Umwelt. Um die Mechanismen hinter diesen Um-
          weltbelastungen zu verstehen, müssen die dafür verantwortlichen Systembausteine
          und ihre Abhängigkeiten im Gesamtsystem beleuchtet werden. Die physische Wert-
          schöpfung in der Prozesskette und die digitale Infrastruktur können als Erzeuger der
          Umweltwirkung verstanden werden, da sie unmittelbar Material- und Energieauf-
          wände verursachen. Umweltforschung sowie -politik haben sich bezüglich der Digita-
          lisierung in den vergangenen Jahren insbesondere auf die Optimierung dieser digita-
          len Infrastrukturen fokussiert, z. B. im Rahmen der „Green IT“ Debatte.
          Aber: Infrastrukturen werden nicht zum Selbstzweck betrieben. Es sind die von Akt-
          euren geschaffenen Geschäftsmodelle, Datenströme und Applikationen, die Anforde-
          rungen an die digitale Infrastruktur stellen. Sie definieren letztlich Art, Umfang und
          Nutzungsintensität dieser Infrastruktur und erhöhen so mittelbar den Druck auf die
          Umwelt. Deshalb bezeichnen wir sie als Treiber der Umweltwirkung. Beide Dimen-
          sionen, Erzeuger und Treiber, müssen in ihren Wechselwirkungen gemeinsam ge-
          dacht und adressiert werden - in der ganzheitlichen Optimierung beider Aspekte liegt
          daher der Schlüssel für eine effektive ökologische Wende in der Digitalpolitik. Das
          wollen wir im Folgenden am Beispiel der Machine Economy ausführen.

5.1       Wir haben kein genaues Bild der Umweltwirkung der Infrastruktur
          Die Umweltwirkungen durch Material- und Energieaufwände sowie deren Emissio-
          nen werden im Gesamtsystem der Machine Economy insbesondere auf zwei Ebenen
          erzeugt: Auf der einen Seite benötigt die digitale Infrastruktur Ressourcen für die
          Hardware, die als Rohstoffe abgebaut, zu Komponenten für Sensoren, Rechner,
          Netzwerke usw. verarbeitet sowie letztlich entsorgt werden. Und die für Rechenleis-
          tung und Betrieb benötigte Energie schlägt sich (in Abhängigkeit der verwendeten
          Energiequelle) in ausgestoßenen Emissionen nieder. Diese Effekte können wir als die
          “Direkte Umweltwirkung durch die Nutzung von IoT, KI und DLT” bezeichnen.
          Auf der anderen Seite ermöglicht diese Infrastruktur neue Produktions- und Lo-
          gistikprozesse, die ihrerseits neue Umweltbelastungen hervorrufen können. Bei-
          spielsweise wäre das der Fall, wenn KI die nötige Intelligenz für autonome Lieferro-
          boter bereitstellt, die dann selbst einen zusätzlichen Stromverbrauch induzieren.
          Diese Effekte nennen wir “Indirekte Umweltwirkung durch die Nutzung von IoT, KI
          und DLT”. In diesem Papier fokussieren wir uns auf die direkte Umweltwirkung der
          Technologienutzung (mehr zu den indirekten Effekten z. B. in Pohl & Santarius
          2020).

                                                                                             Wuppertal Institut | 13
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               Abbildung 1: Entstehung von Umweltwirkung im Gesamtsystem der Machine Economy
               (eigene Darstellung)

           Der Gesamteffekt der direkten Umweltwirkung durch die digitale Infrastruktur wird
           seit längerem diskutiert. Es ist davon auszugehen, dass schon heute zwischen 1,8%
           und 3,2% der globalen Treibhausgas-Emissionen auf das Digitalsystem zurückzufüh-
           ren sind (Bieser et al. 2020). Im Bereich der Rechenzentren sorgen zwar Effizienzge-
           winne sowie eine steigende Versorgung mit erneuerbaren Energien für bedeutende
           Einsparungen an Emissionen (Hintemann & Hinterholzer 2020). Allerdings macht
           der Betrieb von Rechenzentren nur einen Teil der globalen Treibhausgas-Emissionen
           des Digitalsystems aus. Der größte Teil entfällt auf die Produktion und Nutzung von
           digitalen Endgeräten (Bieser et al. 2020). Auch bezüglich des Ressourcenverbrauchs
           ist bei dem momentanen Trend von einem anhaltenden Wachstum auszugehen, was
           sich beispielsweise im steigenden Aufkommen an Elektronikschrott (E-Waste) nie-
           derschlägt. Alleine das E-Waste-Volumen durch kleinere digitale Endgeräte, wie
           Smartphones oder PCs, ist zwischen 2014 und 2019 global um ca. 2% auf insgesamt
           4,7 Millionen Tonnen gestiegen (Forti et al. 2020). Es liegen damit erste grobe Ab-
           schätzungen für die Umweltwirkung des Digitalsystems als Ganzes vor.
           Detaillierte Daten für neue und sich dynamisch entwickelnde Anwendungsgebiete
           wie die Machine Economy fehlen dagegen. Nahezu selbstständig handelnde Maschi-
           nen benötigen einen vielfältigen Unterbau an Endgeräten, Sensoren, zentralen und
           dezentralen Rechnern, Speichermedien und Netzwerken. Die digitale Infrastruktur
           der Machine Economy ist in sich ein komplexes Teilsystem mit vielen abhängigen
           Bausteinen wie am Beispiel von modernen Cloud- und Edge-Systemen deutlich wird
           (siehe hierzu das Cloud-Computing Modell von Montevecchi et al. 2020). Für die
           Schnittstelle von IoT, KI und DLT steht eine differenzierte Analyse der zugrunde lie-
           genden Komponenten, Infrastruktur(en) und deren Umweltwirkung bis heute aus.
           Ohne dieses Orientierungswissen kann eine nachhaltige Gestaltung der Machine
           Economy jedoch nicht gelingen.

5.2        Die Treiber der Umweltwirkung sind nicht ausreichend adressiert
           Als Treiber der Umweltwirkung sind die Systemkomponenten zu verstehen, deren
           Anforderungen letztlich die Auslastung von Infrastrukturen steuern sowie neue, um-
           weltbelastende Produktions- und Logistikprozesse hervorrufen. Darunter fallen ei-
           nerseits die Nutzung und das Handling von Daten sowie Applikationen

14 | Wuppertal Institut
22_Wuppertal Report                                     Umweltbelastungen müssen im Gesamtsystem verstanden werden

          (insbesondere Analytics Anwendungen) – andererseits sind es die Akteure, die auf
          den jeweiligen Ebenen ihre Interessen vorantreiben, die Wertschöpfung, Use Cases
          bzw. Geschäftsmodelle gestalten.
          Die entlang von Produktions- und Logistikketten ablaufenden digitalen Transforma-
          tionsprozesse bringen einen rasanten Anstieg generierter Datenmengen und Infor-
          mationsflüsse mit sich, für deren Verwertung es Analysetools und -lösungen bedarf.
          Daten sind eine elementare Grundlage für die Machine Economy. Die Erzeugung, der
          Transfer, die Verarbeitung sowie die Speicherung von Daten verlangt, neben einer
          Steigerung der Rechenleistung, eine Infrastruktur aus Endgeräten und Rechenzen-
          tren, deren Nachfrage nach Energie und Ressourcen sich – bisher trotz Effizienzge-
          winnen – in negativen Umweltwirkungen widerspiegelt (Jones 2018). So lassen sich
          auf der Ebene der virtuellen Produktions- und Lieferketten die Speicherung und Ver-
          arbeitung von Daten als Treiber von Umweltwirkungen verstehen.
          Was die Treiber von Umweltwirkungen sind und wie sie ökologisch gestaltet werden
          können, lässt sich in diesem Kontext beispielhaft anhand von datenintensiver KI be-
          schreiben. So ist die Verarbeitung von großen Datenmengen mittels KI-Methoden in
          Zusammenhang mit intensiven Trainingsläufen tiefer neuronaler Netze (Deep Learn-
          ing als Teilaspekt des Machine Learning) und den damit verbundenen Treibhaus-
          gasemissionen (Strubell et al. 2019; Henderson et al. 2020) ein viel diskutiertes
          Problemfeld und es lassen sich bereits neue, umweltschonendere Ansätze erkennen.
          Zukünftig könnten z. B. in IoT-Netzen “gepulste” neuronale Netze (Spiking Neural
          Networks, SNNs), d.h. neuronale Netze bestehend aus mehreren Subnetzwerken,
          eingesetzt werden, die bei ähnlicher Leistung mehr als 100-mal energieeffizienter als
          klassische Ansätze sein können (Yin et al. 2020). Basierend auf den Green IT-Bestre-
          bungen (Murugesan 2008; Faucheux & Nicolaï 2011) setzen jüngst veröffentlichte
          Ansätze, wie „Green AI“ (Schwartz et al. 2019) oder „Green Data Mining“ (Schneider
          et al. 2018), erste Impulse zur Reduzierung der negativen Umwelteinwirkungen
          durch eine verstärkte Ausrichtung auf effiziente Algorithmen statt des traditionellen
          Strebens nach immer höherer Genauigkeit. Auch gewinnen standardisierte Messun-
          gen und die Benennung von Rechenoperationen als Maßzahl in der systematischen
          Bewertung von KI-Methoden an Bedeutung. Diskussionen, nicht nur zum nachhalti-
          gen Einsatz von KI-Anwendungen, sondern auch zur nachhaltigen Gestaltung von
          KI-Anwendungen (Sustainable AI) selbst, finden immer mehr Anklang.
          Trotz dieser Bemühungen stehen im Fokus aktueller Studien zumeist die großen und
          rechenintensiven KI-Modelle, während eine systemische, d.h. ganzheitliche Ein-
          schätzung der Umweltwirkung der gesamten KI-Landschaft noch fehlt. Ein Haupt-
          problem besteht damit weiter: Aufgrund von fehlender Transparenz und dem Man-
          gel an standardisierten Messmethoden, ist aktuell der Einfluss von KI-Anwendun-
          gen, z. B. auf das Klima durch Emissionen, gar nicht bis nur sehr schwer zu quantifi-
          zieren (Dhar 2020).
          Für die Machine Economy heißt das, dass es aktuell noch nicht möglich ist ein um-
          fassendes und differenziertes Bild der Treiber der Umweltwirkung zu zeichnen. Die
          Datenbasis muss systematisch erweitert und im Sinne eines übergreifenden System-
          verständnisses aller Einflussfaktoren ergänzt werden.

                                                                                             Wuppertal Institut | 15
22_Wuppertal Report                                             Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH

           Auf der Akteursseite spielen dabei vor allem die Steuerungssysteme der Politik und
           der politiknahen Organisationen als übergreifende Akteure sowie die auf den jeweili-
           gen Ebenen der Wertschöpfung aktiven Unternehmen und ihre Branchenvertretun-
           gen eine Rolle. Deutsche Politik ist im internationalen Vergleich im Umgang mit
           Energie- sowie Ressourceneffizienz des Digitalsystems sicherlich unter den führen-
           den Nationen. Allerdings zielen die meisten Maßnahmen – ebenso wie international
           – bislang vor allem auf die Optimierung der digitalen Infrastruktur ab, d.h. die
           “Hardware” der Digitalisierung. Beispielsweise wurden im Rahmen der “Nationalen
           Klimaschutzinitiative” Förderprogramme für grüne Rechenzentren aufgesetzt (Bun-
           desministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) 2021a),
           das Effizienzlabel “Blauer Engel” für Rechenzentren“ entwickelt (Umweltbundesamt
           (UBA) 2021), über die “Green IT Initiative” die Effizienz der IT-Beschaffung der Bun-
           desverwaltung optimiert (BMU 2021b) oder im Rahmen der “Umweltpolitischen Di-
           gitalagenda” die Erweiterung der Ökodesign-Richtlinie um zusätzliche Produktgrup-
           pen wie Smartphones angeregt (BMU 2020b).
           Erst in der jüngeren Vergangenheit werden schrittweise erste Aktivitäten zur ökolo-
           gischen Gestaltung von Daten und Applikationen umgesetzt. Der Blaue Engel wurde
           z. B. um ressourcen- und energieeffiziente Softwareprodukte ergänzt (UBA 2020),
           die “Umweltpolitische Digitalagenda” schlägt “Grünes Coden” im Studienplan der
           Informatik zu verankern (BMU 2020a), die KI-Strategie der Bundesregierung unter-
           stützt die Umweltfolgenabschätzung der Technologie (Presse- und Informationsamt
           der Bundesregierung 2018) und im “Ressourceneffizienzprogramm ProgRess III”
           wird die nachhaltige Gestaltung von DLT angestrebt (BMU 2020b). Insgesamt schei-
           nen die politischen Bemühungen allerdings schwerpunktmäßig die Umweltwirkung
           selbst und weniger die dahinterliegenden Treiber und Dynamiken im Blick zu haben.
           Insbesondere die Maßnahmen bezüglich Künstlicher Intelligenz und Big Data Analy-
           tics sind aktuell noch nicht ausreichend und gehen nicht dediziert auf die zukünfti-
           gen Herausforderungen durch den maschinellen Dialog im Kontext kommerzieller
           B2B-Anwendungen ein.
           Auch in der Privatwirtschaft zeigen mehr und mehr Unternehmen Interesse an ei-
           nem nachhaltigen Digitalsystem. Zum Beispiel haben sich Microsoft, Salesforce, Net-
           flix u.a. in der Business Alliance to Scale Climate Solutions (BASCS) zusammengetan,
           um, neben anderen ökologischen Initiativen, die eigenen Emissionen zu senken
           (BASCS 2021). Oder in der Deklaration zur European Green Digital Coalition erklä-
           ren sich die CEOs von 26 digitalen Schwergewichten bereit, die Entwicklung grüner
           Technologien und Services voranzutreiben (European Commission 2021). Zudem
           haben sich im EU-Pakt für nachhaltige Rechenzentren Digitalverbände und Anbieter
           von Rechenleistung dazu entschlossen, Rechenzentren bis zum Jahr 2030 klima-
           neutral zu betreiben (Climate Neutral Data Centre Pact 2021). Jenseits dessen ist je-
           doch noch zu wenig darüber bekannt, welche Rolle die Vielzahl an Digitalunterneh-
           men auf den jeweiligen Ebenen der Machine Economy für die Entstehung von Um-
           weltbelastungen spielen.

16 | Wuppertal Institut
22_Wuppertal Report                                       Wir brauchen eine „Grüne Governance der Machine Economy“

6         Wir brauchen eine „Grüne Governance der Machine
          Economy“
          Ein nachhaltiges Steuerungssystem für eine ökologische Machine Economy setzt an
          diesen blinden Flecken der aktuellen Debatte an. Sie versteht, wie neuartige Mecha-
          niken und Regeln im Gewerk der Machine Economy auf die Nachhaltigkeitstransfor-
          mation ausgerichtet werden können. Im Moment orientiert sich die Gestaltung
          neuer Wertschöpfungsprozesse und die Ausrichtung der Akteursbeziehungen vorran-
          gig an ökonomischen Zielen. Die Aussicht auf Leistungssteigerungs- und Kostenein-
          sparungspotentiale lässt die ökologischen Konsequenzen des maschinellen Dialogs in
          den Hintergrund treten. Hier entsteht ein Gestaltungsraum für eine „Grüne Gover-
          nance der Machine Economy“. Die Aufgabe ist, die übergreifenden Dynamiken der
          Machine Economy transparent zu machen, ökologisch-schädliche Wirkmuster zu er-
          kennen und Anreize für nachhaltige Alternativen zu setzen. Dafür sind die folgenden
          Punkte relevant:
          Erstens brauchen wir ein übergreifendes nachhaltiges Zielsystem, dass alle Wert-
          schöpfungsprozesse und Akteure auf gemeinsame Ziele von Klima- und Ressourcen-
          schutz ausrichtet und ausbalanciert. Zweitens muss in den direkten Wertschöpfungs-
          prozessen das grüne Zusammenspiel von Technologien forciert werden. Dabei wer-
          den die anpassungsfähigen Maschinen, schnell wachsende Infrastrukturen, Daten-
          ströme, Datenstrukturen und Applikationen sowie die Vielfalt der verbundenen Ele-
          mente (Entitäten) im Sinne der ökologischen Zielfunktionen koordiniert. Und drit-
          tens müssen alle beteiligten Akteure mit ihren Abhängigkeiten, Machtfragen und In-
          teressen, Strategien und Geschäftsmodellen in ein Gesamtsystem nachhaltiger Ent-
          scheidungen eingebunden werden.

6.1       Balancierung eines nachhaltigen Zielsystems
          Die „Grüne Governance der Machine Economy“ adressiert die Umweltbelastungen
          im maschinellen Dialog. Allerdings handelt sie nicht im leeren Raum. Ökologische,
          soziale und ökonomische Abhängigkeiten müssen mitberücksichtigt und in ihren
          Trade-offs balanciert werden.
          Erstens muss sichergestellt werden, dass die maschinen-gestützten Nachhaltigkeits-
          potentiale bewahrt bleiben. Zum Beispiel zeigt sich im Einsatz von KI für die Errei-
          chung der “Sustainable Development Goals”, dass die Chancen der KI ihre Risiken
          übersteigen – vorausgesetzt die Technologie wird im Sinne der Nachhaltigkeit ausge-
          steuert (Vinuesa et al. 2020). Die Forderung bspw. nach grünen „Lean Data“ Ansät-
          zen oder suffizienten Infrastrukturen muss vorsichtig mit den positiven Implikatio-
          nen der Anwendung (d.h. Einsparungspotentialen in Energie- oder Material) abge-
          wogen werden.
          Zweitens müssen negative soziale Auswirkungen vermieden werden. Zum Beispiel
          könnte es aus ökologischer Sicht vorteilhaft sein, leistungsorientierte „rote“ KI-Mo-
          delle durch effizientere „grüne“ KI-Modelle zu substituieren. Wenn aber bei Letzte-
          ren der maschinelle Rechenaufwand durch globale “Clickworker” mit unverantwort-
          baren Arbeitsbedingungen externalisiert wird, kann dieser Ansatz nicht nachhaltig
          sein.

                                                                                            Wuppertal Institut | 17
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           Und drittens müssen auch ökonomische Zielgrößen in die Betrachtung einbezogen
           werden. Breite Akzeptanz von ressourcen- und energieschonenden Technologien in
           der Wirtschaft können – jenseits von staatlichen Regulierungsmaßnahmen – nur er-
           reicht werden, wenn die Kosten grüner Technologien selbst vertretbar sind, die Kos-
           tensenkungspotentiale durch grüne Technologien (z. B. durch Material- und Energie-
           einsparungen) erhalten bleiben und grüne Technologien in Geschäftsmodelle inte-
           griert werden können.

6.2        Herausforderungen an ein grünes Zusammenspiel der Technologien
           Um ein grünes Zusammenspiel von Technologien in der Machine Economy zu etab-
           lieren, müssen wir uns den folgenden Herausforderungen und Wissenslücken stel-
           len.

               Abbildung 2: Herausforderungen an ein grünes Zusammenspiel der Technologien
               (eigene Darstellung)

6.2.1      „Transparenz der Dinge“ für „Transparenz der Umweltwirkung“ einsetzen
           Durch den Zugriff von Big Data Analytics und KI auf ubiquitäre Datenströme und die
           digitalen Zwillinge von Maschinen und Prozessen ist die Transparenz ein elementa-
           res Merkmal der Machine Economy. Diese Fähigkeit wird jedoch noch nicht in den
           Dienst der Nachhaltigkeit gestellt. Wir müssen uns darüber Gedanken machen, wie
           die Energie- und Ressourcenaufwände digitaler Technologien aus Datenströmen ab-
           geleitet und in ein umfassendes Evaluierungs-und Monitoring-System der

18 | Wuppertal Institut
22_Wuppertal Report                                        Wir brauchen eine „Grüne Governance der Machine Economy“

          Umweltwirkung in der Machine Economy integriert werden können. Zum Beispiel
          müssen wir zukünftig in der Lage sein, im voranschreitenden Wachstum vernetzter
          Maschinen Ressourcenaufwände im Sinne des „ökologischen Gewichts der Machine
          Economy“ zu bestimmen – ein Bereich der in derzeitigen Debatten rund um IoT, KI
          oder DLT zu kurz kommt. Hier bedarf es z. B. einer nach Anwendungsfällen und In-
          dustrien differenzierten Projektion, einer kausalen Verknüpfung mit Rohstoffquellen
          und Folgen des potentiell steigenden Abbaus von kritischen Rohstoffen und eine
          Übersicht über “End-of-Life”-Vorgänge genutzter Materialien. Daneben müssen na-
          türlich auch Energieaufwände bemessen werden.
          Zwar bieten größere IoT-Middleware-Plattformen erste Einblicke bezüglich der
          Nachhaltigkeit ihrer Cloud-Dienste. Über den “Sustainability Calculator” können z.
          B. Kunden von „Microsoft Azure IoT“ (Microsoft 2021) die Emissionen ihrer Anwen-
          dungen sichtbar machen. Allerdings greifen bei industriellen IoT-Lösungen meist
          Komponenten von vielen Anbietern und Frameworks ineinander, die eine End-to-
          End-Analyse von Umweltbelastungen des maschinellen Dialogs häufig noch nicht
          zulassen. Wir brauchen anbieterübergreifend die ökologische Übersicht und Wege,
          diese für ihre Kunden in nachhaltige Geschäftsmodelle zu übertragen.
          Daneben müssen Big Data Analytics und KI neu ausgerichtet werden. Sie könnten
          Umweltbelastungen im Sinne von „Dirt Detection“ Ansätzen aufspüren und optimie-
          ren. Allerdings sind Ansätze noch selten, die speziell auf die Nachhaltigkeitsanalyse
          des maschinellen Dialogs (Daten, Applikationen und Infrastruktur) entlang von Pro-
          duktions- und Logistikketten ausgerichtet sind. Und auch der Einsatz von KI selbst
          muss kritisch auf ökologische Externalitäten untersucht werden. “Erklärbare KI”
          könnte die Entscheidungswege der KI ans Licht bringen und Umweltbelastungen in
          der Funktionsweise der Technologie selbst aufzuspüren.

6.2.2     „Internet of Everything“ -Mentalität nachhaltig ausrichten
          Bereits im Jahr 2013 wies Cisco daraufhin, dass zukünftig die zunehmende Vernet-
          zung in einem “Internet of Everything” münden würde, in dem nahezu alle Men-
          schen, Prozesse, Daten und Dinge digital miteinander verbunden sind. Cisco verwies
          auf privatwirtschaftliche Umsatzpotentiale in der Vernetzung und Nutzung der da-
          mals auf über 99% geschätzten unverbundenen physischen Objekte (Cisco 2013). Bis
          heute scheint die “Internet of Everything”-Mentalität in der Praxis Anklang zu fin-
          den, da die Anzahl der vernetzten Endgeräte ungebrochen wächst (Cisco 2020) und
          entsprechende Technologien in der Breite der Unternehmen ankommen sind
          (McKinsey & Company 2019). Gleichzeitig wird ein großer Teil der gesammelten Da-
          ten gar nicht (Seagate 2020) oder ineffektiv (Du et al. 2021) verwendet. Wenn daher
          in der unternehmerischen Praxis die Vernetzung von Dingen ökonomisch nicht aus-
          genutzt wird und gleichzeitig ökologische Externalitäten erzeugt werden, dann muss
          die “Internet of Everything”-Mentalität kritisch hinterfragt, neu justiert und nachhal-
          tig ausgerichtet werden.
          Zum einen stehen wir diesbezüglich vor der Herausforderung, dass zwar grüne An-
          sätze für den Einsatz von Technologien des maschinellen Dialogs in der Forschung
          bereitstehen, aber häufig entweder nicht in die Praxis diffundieren oder nur solche
          mit geringer positiver Umweltwirkung übernommen werden. Zum Teil sind die Dif-
          fusionsbarrieren bekannt. So sind z. B. nachhaltige digitale Geschäftsmodelle noch

                                                                                             Wuppertal Institut | 19
22_Wuppertal Report                                              Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH

           nicht erschlossen. Unter Entscheider/-innen und Entwickler/-innen mangelt es zu-
           dem an einem Bewusstsein für die Relevanz von Nachhaltigkeit in der voranschrei-
           tenden Vernetzung von Maschinen. Größtenteils wissen sie bei der Umsetzung ihrer
           Projekte auch nicht, dass grüne Alternativen zur Verfügung stehen. Auch falsche
           Preisvorstellungen, wonach nachhaltige Technologien kostenintensiver seien als ihre
           weniger umweltfreundlichen Gegenstücke, verhindern ein Umdenken. Es fehlen Sys-
           tem-Architekt/-innen und Programmierer/-innen die entscheidenden Fähigkeiten
           und Wissen in der Umsetzung nachhaltiger Entwicklungen. Und letztlich mangelt es
           an einem ausreichenden Unterstützungsnetzwerk z. B. an Beratungen, die mit Nach-
           haltigkeitsexpertise in der Planung und Umsetzung helfen können. Bekannte Diffusi-
           onsbarrieren müssen zukünftig ausgehebelt werden. Doch es braucht auch eine tief-
           greifende Untersuchung weiterer Barrieren, wie z. B. den technologischen Grenzen
           der Ökosysteme von Plattformen oder den intensiven Marketingaktivitäten größerer
           Anbieter. In der Literatur wurden schon diverse Diffusionsbarrieren nachhaltiger In-
           novationen identifiziert, die im Rahmen des Digitalsystems noch in der Tiefe disku-
           tiert werden müssen (siehe z. B. Fichter & Clausen 2021).
           Zum anderen braucht es mehr Forschung für ein “rechtes Maß” im Umgang mit Da-
           ten, Applikationen und Infrastruktur. Es gibt wenige Hinweise darauf, wie Suffizienz
           in einer technologisch-deterministisch wachsenden Machine Economy tatsächlich
           gelebt werden kann. Wie gehen wir bspw. damit um, dass Unverständnis über Daten-
           bedarfe und Übersetzungsmöglichkeiten in Anwendungsfälle den Energie- und Res-
           sourcenaufwand erhöht? Oder gibt es Bereiche entlang der digitalisierten Wert-
           schöpfungskette, die in ein industrielles Internet of Things eingebunden werden sol-
           len, aber mit einem sinkenden Kosten-Nutzen-Verhältnis oder stark erhöhten ökolo-
           gischem Fußabdruck einhergehen? Auch im Kontext des Rollouts des 5G-Standards
           sollten Suffizienzperspektiven einbezogen werden. Die Technologie könnte - neben
           potentiellen Effizienzgewinnen - durch erhöhte Datentransfers neue Anwendungs-
           fälle in der Machine Economy erschließen und Umweltbelastungen mit sich bringen.
           Allerdings ist es essentiell im Kontext von Suffizienzfragen durch Eingriffe nicht die
           möglichen positiven Implikationen (Energie- oder Materialeinsparungen) aus dem
           Blick zu lassen. Letztlich müssen wir uns fragen, wie wir besonders unvorteilhaften
           Technologieeinsatz vermeiden oder über intelligent gedachte Lösungen umgehen
           können.

6.2.3      Dynamische Anpassung und Komplexität ökologisch managen
           Kommunikation obliegt in der Machine Economy insbesondere den Maschinen. Sie
           entscheiden im Rahmen von gesetzten Leitplanken eigenständig, wobei kontinuier-
           lich gesammelte Daten aus der Maschine selbst und ihrer Umgebung als Futter für
           aufwendige Analysen dienen. Je nach Aufgabenbereich der Maschine müssen diese
           Daten einerseits in Echtzeit erhoben und verzögerungsfrei ausgewertet werden. Das
           könnte z. B. der Fall sein, wenn KI-unterstützte Augmented Reality-Anwendungen
           Produktionsmitarbeiter/-innen durch Reparaturarbeiten lotsen (Sahu et al. 2020).
           Andererseits sollen die Daten aus Sicherheitsgründen in der Fabrik bzw. auf den Ser-
           vern des produzierenden Unternehmens verbleiben und nicht über das Internet in
           die Cloud geladen werden. Beispielsweise könnte dies sensible Daten des Produkti-
           onsprozesses betreffen, in dem intelligente Fertigungsanlagen Daten über

20 | Wuppertal Institut
22_Wuppertal Report                                        Wir brauchen eine „Grüne Governance der Machine Economy“

          Produktionsmengen usw. sammeln. In diesen Fällen werden Rechenkapazitäten aus
          zentralisierten Cloud-Rechenzentren in dezentrale Fog-Knotenpunkte und Edge-
          Rechner verlagert. Bisher bleibt in der Forschung ungeklärt, ob eine breite Verlage-
          rung in Fog- bzw. Edgesysteme im Sinne des Energieverbrauchs Effizienzvorteile mit
          sich bringt. Zwar müssen weniger Daten in zentralisierte Rechenzentren übertragen
          werden, jedoch ist die dezentrale Datenverarbeitung wahrscheinlich weniger effizient
          (Montevecchi et al. 2020). Und auch die Frage des Ressourcenaufwands im Einsatz
          von dezentralen Rechensystemen muss weiter beforscht werden, um Transparenz zu
          schaffen und Handlungsoptionen aufzeigen zu können.
          Dynamische Anpassungsfähigkeit stellt zudem in besonderem Maße Anforderungen
          an Daten, Applikationen und Infrastrukturen. So entstehen komplexe, teilweise mit-
          einander verzahnte Lebenszyklen, in denen sich Spannungsfelder zwischen ökonomi-
          schen Leistungskriterien und ökologischen Effizienzanforderungen aufbauen. Daten
          sollen zum Beispiel ständig aktuell sein, wodurch Modularität eingeschränkt und
          Wiederverwendungsoptionen dezimiert werden. Applikationen müssen durch häufi-
          ges Training auf sich ändernde Umgebungssituationen eingestellt werden, wobei
          häufige Trainings den Energieaufwand erhöhen. Zudem mangelt es an zirkulären
          Konzepten, die auf Sensoren und dezentrale Recheneinheiten ausgerichtet sind.
          Diese werden häufig nach Ermüdung der Batterie entsorgt und modulare, besser
          wartbare Bauteile, sind nicht die Regel. Oft ist die digitale Infrastruktur fest mit dem
          Endgerät verschmolzen. Letztlich fordern immer anspruchsvollere Applikationen
          ständige Updates und Rechenkapazitäten in bestehenden Infrastrukturen.
          Eine „Grüne Governance der Machine Economy“ muss also die Anforderungen des
          komplexen Zusammenspiels der unterschiedlichen Lebenszyklen im System verste-
          hen – und auf dieser Basis das Gesamtportfolio der Anwendungen und Technologien
          über die Lebensdauer ökologisch optimieren.

6.2.4     Vernetzte Vielfalt grün gestalten
          Angetrieben wird die Machine Economy durch die Kombinationen vielfältiger Ele-
          mente bestehend aus Daten, Applikationen, Infrastrukturen wie auch Verhaltenswei-
          sen bzw. Routinen. Eine nachhaltige Governance kann steuern, welche Verbindun-
          gen sich zwischen ihnen etablieren, welche Abhängigkeiten wirken. Nachhaltig-
          keitskriterien finden derzeit lediglich in einzelnen Systemkomponenten Anwendung,
          z. B. in der E-Waste Debatte bezüglich der Entsorgung von elektronischen Endgerä-
          ten. Die entscheidenden Wechselwirkungen und Beziehungen werden dabei jedoch
          noch zu selten berücksichtigt. Beispielsweise bündeln Middleware- und Analytics-
          Plattformen einen bunten Mix an Technologien. Bisher sind sie nur begrenzt kompa-
          tibel mit dem Einsatz grüner Alternativen und weit entfernt vom Zielzustand
          „sustainable-by-design“. Zum Beispiel finden hier effiziente KI-Modelle, wie Spiking
          Neural Networks (Strubell et al. 2019), zurzeit noch weniger Beachtung als leistungs-
          orientierte Modelle.
          Eine in ähnlicher Weise verknüpfende Aufgabe übernehmen Open Source-Anwen-
          dungen. Im IoT Developer Survey von 2020 gaben 65% der IoT Entwickler an, Open
          Source zu nutzen (Elipse Foundation 2020). Sie beschleunigen, z. B. über standardi-
          sierte Schnittstellen und niedrige Einstiegsinvestitionen, die Vernetzung von Maschi-
          nen und damit die Intensivierung des maschinellen Dialogs. Allerdings sind

                                                                                             Wuppertal Institut | 21
22_Wuppertal Report                                              Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH

           bestehende Frameworks häufig zu wenig auf Nachhaltigkeit ausgerichtet und in der
           schwer zu fassenden, dezentralen Entwicklung durch viele Einzelakteure (inkl. Pri-
           vatpersonen) hat nachhaltiges Software-Design noch nicht die notwendige Bedeu-
           tung. Open Source könnte daher derzeit noch wie eine Verstetigung für ökologisch
           unvorteilhafte M2M-Kommunikation wirken. Eine wesentliche Aufgabe einer „Grü-
           nen Governance der Machine Economy“ ist dementsprechend der Aufbau von grü-
           nen Verknüpfungsbausteinen zwischen allen beteiligten Systemelementen und der
           Anstoß neuer, nachhaltiger Entwicklungsdynamiken – auch bei Open Source.
           Neben den in diesem Papier behandelten technologischen Herausforderungen, soll-
           ten abschließend auch jene Themengebiete weiter beobachtet werden, die sich zum
           jetzigen Zeitpunkt noch schwer bewerten lassen. Erstens zählen wir hierzu die der-
           zeitigen sowie zukünftigen ökologischen Auswirkungen von DLT. Das Feld befindet
           sich im Wandel, wobei unklar bleibt, welche Technologievarianten (“Blockchain vs.
           DAG”) und Mechanismen (“Proof-of-Work” vs. “Proof-of-Stake” (u.a.)) sich durch-
           setzen werden (siehe dazu z. B. Cao et al. 2020). Zweitens müssen mögliche Umwelt-
           effekte durch Cyberkriminalität im Kontext der Machine Economy untersucht wer-
           den. Ob z. B. Angriffe auf vernetzte Produktionskomponenten zu lokalen Ausfällen
           und umweltschädlichen Substitutionseffekten führen können, ist derzeit wenig be-
           handelt.

6.3        Herausforderungen an ein Gesamtsystem nachhaltiger Entscheidungen
           Bei der voranschreitenden Verbreitung von intelligenten und vernetzten Maschinen
           müssen die unterschiedlichen technisch-infrastrukturellen Herausforderungen mit
           den vielfältigen Akteuren zusammengebracht werden. Innerhalb und zwischen den
           Ebenen der Wertschöpfung der Machine Economy müssen die Bedürfnisse, Interes-
           sen und Abhängigkeiten von Akteuren im Sinne der Nachhaltigkeit orchestriert wer-
           den. Hier bieten sich eine Reihe von Ansatzpunkten.

6.3.1      Digitalakteure in den Blick nehmen
           Zunächst gilt es die Rolle von Digitalakteuren zu verstehen. Offen ist beispielsweise,
           wie Tech-Giganten, z. B. Amazon, Google und Microsoft, noch mehr für eine nach-
           haltige Open Source Entwicklung beitragen könnten. Zwar vermarkten sie auf der
           einen Seite eigene IoT-Middleware-Plattformen – auf der anderen Seite gründen
           bzw. unterstützen sie auch bedeutende Open Source-Initiativen. Über diesen Weg
           könnten sie in der Lage sein, positive Impulse in der Open Source-Community anzu-
           regen und so ökologische Standards setzen. Auch stellt sich die Frage, welche Impli-
           kationen sich aus diesen Entwicklungen für ihre Plattformen selbst ergeben, in die an
           vielen Stellen Open Source-Lösungen integriert sind.
           Ein anderes Beispiel wäre ein ebenenübergreifendes Lebenszyklusmanagement. Ap-
           plikationen, Daten und Infrastruktur stehen in einem direkten Abhängigkeitsverhält-
           nis. Ein übergreifendes, nachhaltiges Lebenszyklus-management stellt daher eine
           gewaltige Organisationsaufgabe dar, die nur unter Beteiligung diverser Akteure ge-
           löst werden kann. Vor allem müssten solche Organisationen zusammengebracht wer-
           den, die jeweils die physischen Objekte, digitale Infrastruktur, Daten und Applikatio-
           nen verwalten. Insbesondere die Tatsache, dass Akteure häufig je nach Kund/-in ver-
           schiedene Rollen einnehmen, könnte nachhaltige Lebenszyklen blockieren. Zum

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