Wenn Gaming auf Gambling trifft: Spielangebote an der Schnittstelle von Computer- und Glücksspiel und die davon ausgehenden Risiken - Kreis Euskirchen
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Wenn Gaming auf Gambling trifft: Spielangebote an der Schnittstelle von Computer- und Glücksspiel und die davon ausgehenden Risiken Dr. Tobias Hayer Universität Bremen Bremer Fachstelle Glücksspielsucht Fachtagung „Kinder und Jugendliche – Medienkompetenz, Mediensicherheit und Prävention“ Euskirchen/Bremen, 25.02.2021
Zur Einführung: Begriffsabgrenzung spielen „glücksspielen“ gaming playing gambling dient dem Aufbau emotionaler, kommunikativer, sozialer, kognitiver primärer Spielanreiz: Geldgewinne und motorischer Kernkompetenzen fördert die Persönlichkeitsentwicklung, leistet einen wesentlichen Beitrag für demeritorisches Gut das kindliche Lernen ubiquitär, zweckfrei, Als-ob-Realität Jugendschutzbestimmungen Dr. Tobias Hayer, Universität Bremen
Formen des (Glücks-)Spiels in Deutschland Glücksspiele Geldgewinnspiele mit Glücksspielelementen Lotto TV-Geldgewinnspiele Keno Simuliertes Glücksspiel im Internet EuroJackpot Börsenspekulationen Rubbellotterien ... Klassenlotterien Roulette Black Jack Sonstige Spiele mit/ohne Geldgewinn Poker Gesellschaftsspiele Glücksspielautomaten Strategiespiele (z.B. Schach) Geldspielautomaten* Kreuzworträtsel Sportwetten Quizshows Glücksspiele im Internet Computerspiele Illegales Glücksspiel ... ... * Rechtlich gesehen kein Glücksspiel (Recht der Wirtschaft / Gewerberecht) Dr. Tobias Hayer, Universität Bremen
Die Faszination Glücksspiel Phase 1 – Entscheidung für eine Glücksspielteilnahme Phase 2 – Geldeinsatz Hoffen auf den Gewinn: Anspannung, Stimulation, Nervenkitzel ↳ Emotionsregulation (positive Verstärkung) ↳ Ablenkung von Belastungen (negative Verstärkung) Phase 3a – Gewinnsituation Glücksgefühl, Euphorie, Allmachtsphantasien, ... Phase 3b – Verlustsituation Frustration, Ärger, Niedergeschlagenheit, ... Phase 4 – Weiterspielen Befindlichkeitsveränderung, Verschiebung der Motivation Dr. Tobias Hayer, Universität Bremen
Glücksspiele – Spielanreize für Jugendliche Fröberg (2006) Motivanalyse – oder warum zocken Jugendliche? … um Geldgewinne zu erzielen … aus Freude, zur Unterhaltung, zum Spaß … weil die Eltern oder Peers auch spielen … aufgrund der Spannung und Aufregung … wegen des Wettbewerbscharakters (z. B. Poker) … um Alltagsbelastungen auszublenden (= Eskapismus) Differenzierung: kommerzielle Glücksspielangebote vs. selbstorganisierte Spiele um Geldgewinne Dr. Tobias Hayer, Universität Bremen
Glücksspielverhalten Jugendlicher in Deutschland Baum- Hurrelmann Duven et al. Walther et Ludwig et al. Müller et al. Rehbein et Stöver et al. gärtner Hayer (2018) et al. (2003) (2011) al. (2012) (2012) (2014) al. (2015) (2014) (2009) 2.553 6.192 Schüler 11.003 1.905 Schüler 1.401 5.009 Schüler 1.132 Schüler 3.967 Schüler 5.976 Schüler Stichprobe Schüler (9./10. Schüler (6.-10. Jugendliche (13-19 Jahre) (14-18 Jahre) (12-18 Jahre) (12-19 Jahre) (12-25 Jahre) Klasse) (13-18 Jahre) Klasse) (14-17 Jahre) Prävalenz 56,8 (offline) Lebenszeit 62,0 82 64,3 --- --- 69,2 --- --- 15,8 (online) (%) Prävalenz 20 12 Monate 39,9 (letzten 30 41,2 33,4 44,3 43,7 23,1 38,5 40 (%) Tage) Anteil Problem- 2,96 2,2 1,3 1,7 0,3 4,5% 0,7 --- --- spieler DSM-IV-MR-J DSM-IV-MR-J SOGS-RA DSM-IV-MR-J DSM-IV-MR-J FGP-J DSM-IV (%) Dr. Tobias Hayer, Universität Bremen
Screening als Annäherung 19 Items u.a. mit folgenden Besonderheiten: - Entzugsähnliche Erscheinungen und Bail-Out fanden keine Berücksichtigung - Neues Glücksspielmotiv: Wie oft hast du gespielt, weil du dringend Geld gebraucht hast? - Differenzierte Erfassung des Chasing- Verhaltens („sofort“ vs. „an einem der nächsten Tage“) - Subjektive Problemwahrnehmung (Wie oft hast du selbst das Gefühl gehabt, dass du zu viel spielst?) Dr. Tobias Hayer, Universität Bremen
Exkurs: negative Folgen http://www.regionews.at/newsdetail/Wiener_Kripo_klaerte_Raubserie_%E2%80%93_Motiv_Geldmangel_und_Spiels ucht-44769 Dr. Tobias Hayer, Universität Bremen
Simuliertes Glücksspiel (SG) Dr. Tobias Hayer, Universität Bremen
SG – Ausgewählte Problemfelder Rechtlicher Graubereich / offene Fragen der Regulation Erhöhte Ausschüttungsquoten / besondere Spielalgorithmen Normalisierung / Niedrigschwelligkeit des Glücksspiels Verschmelzung „Gaming“ und „Gambling“ Monetarisierungsstrategien / In-App-Käufe / Freemium-Model Finanzielle Probleme Teilnahme als Türöffner für Spielerkarriere Dr. Tobias Hayer, Universität Bremen
Forschungsprojekt SG Entwicklungsverläufe im 1 Jahres-Längsschnitt (M = 13,6 Jahre; Hayer et al., 2018) Teilnahme am Migrations- Teilnahme am echten Glücksspiel männlich simulierten Alter in Jahren hintergrund Glücksspiel (T0) T0 T1 Subgruppe n (%) n (%) n (%) n (%) M (SD) 2015 2016 nein nein konstant abstinent 391 (33,19) 156 (39,90) 41 (10,49) 132 (33,76) 13,83 (1,29) nein ja eingestiegen 140 (11,88) 68 (48,57) 18 (12,86) 70 (50,00) 13,54 (1,46) 531 (45,08) 224 (42,18) 59 (11,11) 202 (38,04) 13,42 (1,34) ja nein ausgestiegen 321 (27,25) Prädiktor 1 konstant Ausgeprägte Werbeexposition ja ja 326 (27,67) teilnehmend Gesamtstichprobe 1.178 (100) Prädiktor 2 Teilnahme an simulierten Glücksspielen in sozialen Netzwerken von zu Hause Dr. Tobias Hayer, Universität Bremen
Moderne Formen der Monetarisierung Freemium-Geschäftsmodell: Initiale Teilnahme ist kostenlos Anschließender Erwerb von Spielgeld oder virtuellen Gütern zur Erlangung bestimmter Vorzüge unterliegt der Bezahlpflicht Zweck: Vermeidung von Wartezeiten, Erleichterung der Spielabläufen (schnellerer Fortschritt) , Sicherung ideeller oder funktionaler Vorteile gegenüber anderen Spielern → Intensivierung der Bindung an das Spiel, Erhöhung des psychologischen Handlungsdruckes Sonderform: Loot Boxes (sog. Wundertüten oft in Form von Schatztruhen oder Kartenpacks) = enthalten (schein-)zufällige In-Game-Währungen oder virtuelle Inhalte (z.B bei FIFA, League of Legends, Counterstrike) Bezahlung über PayPal, Prepaidkarten, Handyrechnung, elterliche Kreditkarte Free to play – pay to win! Dr. Tobias Hayer, Universität Bremen
„Social Gam(bl)ing“ – Freemium Model Dr. Tobias Hayer, Universität Bremen
Ausblick: Neue Spielangebote http://www.sport1.de/esports/2016/03/esports-boomt-bei-online-wettanbietern Dr. Tobias Hayer, Universität Bremen
Ausblick: Influencer (YouTube) (I) Dr. Tobias Hayer, Universität Bremen
Influencer (YouTube) (II) https://uebermedien.de/32597/youtuber-zeigt-kindern-wie-man-mit- gluecksspiel-reich-wird Dr. Tobias Hayer, Universität Bremen
Influencer (YouTube) (III) https://www.youtube.com/watch?v=vlOHZqS5iss Dr. Tobias Hayer, Universität Bremen
… ein Gegenpol mit Breitenwirkung … https://www.youtube.com/watch?v=hTeTjx4k9jQ Dr. Tobias Hayer, Universität Bremen
Primärpräventive Handlungsansätze Veränderung der Förderung von Informierung über die gesellschaftlichen Verringerung der Ziel Lebenskompetenzen Glücksspielsuchtgefahren Wahrnehmung des Verfügbarkeit (z.B. Coping) Glücksspiels Gesundheits- Einsatz von Strategie Gesundheitsaufklärung Gesetzgebung kommunikation Verhaltenstrainings Erstellung, Erhöhung der Implementierung und Integration eines Zugangsbarrieren Evaluierung von evaluierten Multimediale + Präventionsprogrammen Glücksspielmoduls in Empfehlung Aufklärungs- Testkäufe zur unter Berücksichtigung bereits bestehende kampagnen Überprüfung der multipler Adressaten effektive Programme Jugendschutz- (z.B. Jugendliche, Eltern, zur Suchtprävention bestimmungen Lehrer, Trainer) Dr. Tobias Hayer, Universität Bremen
Zusammenfassung Spiele (playing) und Glücksspiele (gambling) stellen unterschiedliche Erlebniskategorien dar und sind definitorisch voneinander abzugrenzen! Bestimmte Glücksspiele (v.a. Geldspielautomaten, Sportwetten, Poker, Online-Glücksspiel) üben für Jugendliche einen relativ hohen Spielanreiz aus! Zukünftig dürften erste Berührungspunkte mit Glücksspielen (passiv sowie aktiv) vermehrt online erfolgen (inkl. Werbeexposition)! Die Grenzen zwischen Gaming und Gambling werden in Zukunft zunehmend verschwimmen. Vielfältige „moderne“ Produktangebote sowie innovative Monetarisierungsstrategien bringen neue Herausforderungen für die Regulation, die Prävention und das Hilfesystem mit sich. Dr. Tobias Hayer, Universität Bremen
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