Behandlung der Borderline Persönlichkeitsstörung - Empfehlungen der SGPP - Psychiatrische Universitätsklinik Zürich
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Psychiatrische Universitätsklinik Zürich Behandlung der Borderline Persönlichkeitsstörung – Empfehlungen der SGPP Sebastian Euler, Universitätsspital Zürich 19. Oktober 2018
Borderline-Persönlichkeitsstörung Cluster B (DSM-5) Cluster A Cluster B Cluster C Paranoid Antisocial Avoidant Schizoid Borderline Dependent Schizotypical Histrionic Obsessive-compulsive Narcissistic | Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 19. Oktober 2018 2
Borderline-Persönlichkeitsstörung ICD-10 F60.31, DSM-5 301.83 • Kernsymptome Emotionsregulationsstörungen, Impulsivität und beeinträchtigte soziale Beziehungen • Besondere Behandlungsschwierigkeiten SVV, Suizidalität, interpersonelle Probleme, häufige komorbide Erkrankungen • Verlauf Symptomatik im Längsschnitt nicht stabil, häufig Remissionen, anhaltende psychosoziale Beeinträchtigungen • Häufigkeit Prävalenz in der institutionellen Versorgung 15-25% (Kernberg & Michels 2009) «unterschätzt, zu wenig behandelt, unterfinanziert und stigmatisiert» (Kernberg & Michels 2009)
Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) Leitlinien APA 2009 (US), AWMF 2013/in prep. (D); NICE 2009/2015 (UK) Dänemark 2016 Unzureichende störungsspezifische Versorgungsangebote (Bohus et al. 2016)
BPS Behandlungsempfehlungen der Schweiz 2018 - Schweizer Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (SGPP/SSPP) - Task Force 2016 – 2018 Sebastian Euler, Gerhard Dammann, Katrin Endtner, Florian Leihener, Nader A. Perroud, Thomas Reisch, Klaus Schmeck, Daniel Sollberger, Marc Walter, Ueli Kramer - Empfehlungen auf der Grundlage wissenschaftlicher Evidenz und «Guter klinischer Praxis» (Konsensusprinzip) - Berücksichtigung nationaler Besonderheiten - Ziel • Verbesserung der Behandlungsqualität durch Transfer in die Praxis › Beantwortung klinisch relevante Fragen nicht spezialisierter Behandler › Freier, niedrigschwelliger Zugang › Berücksichtigung des Problems möglicherweise schädlicher Diskrepanz zwischen Evidenz und Praxis (z. B. Pharmakotherapie) - 10/1 5 9/20 18
BPS Behandlungsempfehlungen der Schweiz 2018 «A simple set of principles…maximizing benefit while minimizing harm» Fonagy 2015 10/1 6 9/20 18
Langversion (3/2018) www.psychiatrie.ch/sgpp/fachleute-und-kommissionen/behandlungsempfehlungen/ www.psychiatrie.ch/sspp/specialistes-et-commissions/recommandations-therapeutiques/ | Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 19.10.2018 7
Zusammenfassung Euler et al.: Swiss Archives of Neurology, Psychiatry, and Psychotherapy 2018, 169(5) Euler et al.: L’information psychiatrique, in press - www.psychiatrie.ch/sgpp/fachleute-und- kommissionen/behandlungsempfehlungen/ - www.sanp.ch/en/article/doi/sanp.2018.00598/
SGPP Behandlungsempfehlungen BPS Inhalte (Auszug) • Wie wird die Diagnose gestellt? • Nach welchen Prinzipien und in welchem Setting erfolgt eine störungsspezifische Behandlung? • Welche Wirkmechanismen und Behandlungsverfahren sind empirisch belegt? • Welche Möglichkeiten der medikamentösen Behandlung gibt es? • Wie werden psychiatrische Komorbiditäten behandelt? • Welche Besonderheiten sind bei adoleszenten Patienten zu beachten? • Welche Empfehlungen gelten für spezifische Aspekte der Behandlung? • z.B. Umgang mit Suizidalität, Therapieverweigerung und -abbruch
1. Wie wird die Diagnose gestellt? • Die Diagnosestellung der BPS erfolgt nach ICD-10 (11) oder DSM-5 • Für die definitive Diagnosestellung wird die Durchführung eines strukturierten Interviews (SKID-II, IPDE) empfohlen • Die dimensionale Abbildung des psychosozialen Schweregrads, z.B. gemäss Kriterium A des DSM-5, gewinnt an Bedeutung für die Behandlungsplanung und sollte erwogen werden • Die BPS ist von Differentialdiagnosen sorgfältig abzugrenzen • Spezifische Symptome können zusätzlich mit Hilfe von Screening-Instrumenten (Fragebögen) erhoben werden
Diagnostik: DSM-5 Alternatives Modell («Kriterium A») Level of Personality Functioning Scale (LPFS, Bender et al. 2011)
2. Nach welchen Prinzipien und in welchem Setting erfolgt eine störungsspezifische Behandlung? • Die ambulante Psychotherapie mit einer Frequenz von 1-2 Sitzungen pro Woche über 1- 3 Jahre ist die primäre Behandlungsform • frühe und transparente Besprechung der Diagnose • Festlegung und regelmässige Überprüfung von Therapiezielen • Vereinbarung eines Krisenplans • Psychoedukation • Super- oder Intervisionen • Stationäre Kriseninterventionen • erfolgen so kurz wie möglich (1 Tag bis max. 2 Wochen), auf freiwilliger Basis, auf offenen Abteilungen • Störungsspezifische (teil)-stationäre Behandlungen • elektiv auf psychotherapeutischen Abteilungen mit einem spezifisch auf die BPS zugeschnittenen Behandlungskonzept nach vorheriger Indikationsstellung
3. Welche Wirkmechanismen und Behandlungsverfahren sind empirisch belegt? • Etablierung und Gestaltung der therapeutischen Beziehung • Flexibler, aktiver und responsiver Therapeut • konstruktiver Umgang mit kritischen interpersonellen Situationen • Mentalisierungs- und Emotionsregulationsprozesse als Wirkmechanismen • Aus-, Fort- oder Weiterbildung(en) in störungsspezifischen empirisch belegten Verfahren («big 4»: DBT, MBT, TFP, SFT) wird empfohlen • Berücksichtigung der gemeinsamen Aspekte der evidenzbasierten Verfahren als Minimalprinzipien in jedem Behandlungssetting: • Z.B. klare Strukturierung und konzeptionelle Einbettung, gemeinsam vereinbarte Therapieziele etc.
4. Wie werden psychiatrische Komorbiditäten behandelt? • 43% - 83% Depression • bis 20% bipolare Störung • 25-30 % PTBS • ca. 50% Substanzabhängigkeit • 15% ADHS (Philipsen et al. 2008, Ferrer et al. 2010, Bayes et al. 2016, Fornaro et al. 2016; Frias et al. 2016) • Die Behandlung der BPS mit einer störungsspezifischen Psychotherapie ist als vordergründig anzusehen • Mit Ausnahme einer schwer symptomatischen valide diagnostizierten komorbiden PTBS sollte eine Traumabearbeitung in der Behandlungshierarchie der BPS erst im Verlauf der Behandlung der Kernsymptome erfolgen • Sofern eine Depression, bipolare Störung oder ein ADHS valide diagnostiziert wurde, sollte eine medikamentöse Behandlung entsprechend der jeweiligen Leitlinien erwogen werden
5. Welche Möglichkeiten der medikamentösen Behandlung gibt es? • 84% der BPS-Patienten nehmen mindestens ein Psychopharmakon regelmässig ein, ein Fünftel bis zu vier und mehr Präparate (Stoffers & Lieb 2015, Zanarini et al. 2015) kein Medikament ist zugelassen oder nachweislich wirksam • Medikation primär auf krisenhafte Situationen beschränken und für die kürzest mögliche Zeitspanne verordnen • Im Bedarfsfall symptomfokussierte Hierarchisierung • Ärger/Wut, Aggressivität und Impulsivität: Lamotrigin und Topiramat • Irritabilität und kognitiv-perzeptive Symptome: Quetiapin und Aripiprazol • Dosierungen sind generell im niedrigen Bereich zu halten • Antidepressiva sind nicht zu empfehlen • gezielte Behandlung von Komorbiditäten systematisch und sorgfältig • Verzicht auf Benzodiazepine • Keine Polypharmazie
6. Welche Besonderheiten sind bei adoleszenten Patienten zu beachten? • Die Diagnose einer BPS ist für Jugendliche >14J. reliabel und valide zu stellen und sollte als Voraussetzung für die Einleitung wirksamer Frühinterventionen konsequent erfolgen • Die Behandlung sollte systematisch die Familie bzw. erwachsene Bezugspersonen einbeziehen • Eine zeitlich begrenzte stationäre Behandlung auf einer spezialisierten Psychotherapiestation oder Jugendhilfeeinrichtung kann erwogen werden • Pharmakotherapeutische Interventionen sollten nur sehr zurückhaltend eingesetzt werden
Synopsis: Behandlungsempfehlungen BPS «A simple set of principles…maximizing benefit while minimizing harm» • Durchführung eines strukturierten Interviews (SKID-II, IPDE) • Primär ambulante Psychotherapie mit einer Frequenz von 1-2 Sitzungen pro Woche über 1-3 Jahre: Therapieziele und Krisenplan • flexible, aktive Haltung des Therapeuten und konstruktiver Umgang mit kritischen interpersonellen Situationen • Super- oder Intervisionen • Aus-, Fort- oder Weiterbildung(en) in empirisch belegten Verfahren • Stationäre Kriseninterventionen so kurz wie möglich (1 Tag bis max. 2 Wochen), freiwillig, auf offenen Abteilungen • Störungsspezifische (teil)-stationäre Behandlungen erfolgen elektiv nach Indikationsstellung auf Spezialabteilungen • Eine pharmakologische Behandlung erfolgt symptomorientiert, so kurz wie möglich und ist generell im niedrigen Dosisbereich zu halten • Polypharmazie ist unbedingt zu vermeiden • Behandlung von Komorbiditäten i.d.R. sekundär entsprechend der jeweiligen Leitlinien • Die Diagnose einer BPS ist ab dem Jugendalter reliabel und valide zu stellen
Vielen Dank! sebastian.euler@usz.ch www.psychiatrie.ch www.sanp.ch Folienmaster USZ A4, DE 19.10.2018 18
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