Wer zieht nach Heidelberg und wer aus Heidelberg weg? Und welche Rolle spielen große Neubauprojekte?
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Schwerpunkt Stadt – Region. Carolina Föhl Wer zieht nach Heidelberg und wer aus Heidelberg weg? Und welche Rolle spielen große Neubauprojekte? In den letzten Jahren gab es in deutschen Städten wieder ver- Wanderungsströme und natürliche Salden beeinflussen nicht mehrt ein Bevölkerungswachstum. Interessant ist dabei vor allem nur die Gesamteinwohnerzahl der Gemeinden, sondern auch die Frage: Wodurch entsteht Bevölkerungswachstum? Die Bevöl- in besonderem Maße deren Zusammensetzung, beispielswei- kerung wächst entweder durch einen positiven Wanderungssaldo se hinsichtlich der Altersstruktur, wodurch sich auch spezifi- oder durch einen Geburtenüberschuss. Dieser Artikel nimmt beide sche Anforderungen an die Infrastruktur der Stadt ergeben. Phänomene, Wanderungssaldo und natürlichen Saldo (Geburten Gleichzeitig können Zuwanderungen spezifischer Gruppen abzüglich Sterbefälle), in den Blick, wobei der Fokus auf dem Wan- bedeuten, dass eine Stadt für diese Gruppen bereits besonders derungssaldo liegt. Es gilt zu beleuchten was Wanderungsströme attraktive Angebote bereithält. Sind dagegen große Abwan- beeinflusst – wer wandert, in welcher Lebensphase und wohin?1 derungstendenzen einer bestimmten Gruppe festzustellen, können für diese Gruppe ungünstige Infrastrukturangebote ein Abwanderungsauslöser sein. Die demografischen Entwick- lungen reichen mit ihren Auswirkungen in viele gesellschafts- politische Themenfelder hinein: den Bedarf an kommunaler Infrastruktur wie Kindergärten, Schulen und Pflegeeinrich- tungen, das Verkehrsaufkommen, die technische Infrastruktur und vieles weitere. Auch die in Heidelberg sehr hohe Zahl an Zu- und Wegzügen bringt spezifische Anforderungen an die Stadtgesellschaft mit sich. Wanderungen, Bevölkerungszu- sammensetzung und Bereitstellung von Infrastruktur sind dementsprechend immer gemeinsam zu betrachten. In den, in diesem Artikel enthaltenen Analysen von Wan- derungsströmen werden Bevölkerungsgruppen identifiziert, die in besonders großer Zahl nach Heidelberg ein oder aus- wandern. Wohin ziehen diese Personengruppen? Welche Motive stecken hinter der Wanderung? Es schließen sich Überlegungen zu Handlungsbedarf an. Wie kann das Wan- derungsverhalten beeinflusst werden? Für Planungs- und Gestaltungsaufgaben ist die Kenntnis der demografischen Prozesse unerlässlich, um sich rechtzeitig auf Veränderungen einzustellen beziehungsweise Maßnahmen zu entwickeln, die unerwünschte Folgen abmildern. Um die aufgeworfenen Fragen näher zu beleuchten, wurden sowohl Daten des statistischen Landesamts Baden- Württemberg als auch kleinräumig verfügbare Daten des Ein- Carolina Föhl wohnermelderegisters ausgewertet. Daten des statistischen Master of Arts Soziologie, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Landesamts wurden verwendet, um Vergleiche zwischen stellvertretende Abteilungsleiterin im Amt für Stadtentwick- Stadtkreisen und anderen Regionen durchführen zu können. lung und Statistik der Stadt Heidelberg Alle anderen Analysen basieren auf dem Einwohnermeldere- : carolina.foehl@heidelberg.de gister. In Heidelberg gilt es, beim Thema Wanderungen eine Besonderheit zu beachten: Das Erstregistrierungszentrum des Schlüsselwörter: Landes Baden-Württemberg befindet sich seit Herbst 2015 Außenwanderung – Bevölkerungsentwicklung – auf Heidelberger Gemarkung und seit Mai 2016 werden dort Demografie – Heidelberg – Neubaugebiet – die nach Deutschland Geflüchteten melderechtlich erfasst. natürlicher Saldo – Wanderungsmotiv – Wanderungssaldo – Durch die sehr hohe Fluktuation im Erstregistrierungszentrum Wanderungsvolumen (die Personen werden zügig auf andere Gemeinden verteilt) 44 STADTFORSCHUNG UND STATISTIK 1|2020
Schwerpunkt Aktuelle Befunde zu Wohnungsmarkt, Pendlerbeziehungen und Bevölkerungsentwicklung stiegen die Wanderungszahlen in Heidelberg in den Jahren Abbildung 1: 2016 und 2017 deutlich an. Um jedoch die allgemeinen Wan- Wanderungssaldo und natürlicher Saldo 2012 bis 2017 derungen untersuchen und beschreiben zu können, werden in dieser Studie die im Erstregistrierungszentrum erfassten Heidelberg Geflüchteten nicht berücksichtigt. Aus den Daten des statis- tischen Landesamts können sie jedoch nicht herausgerechnet Mittelbereich HD (ohne HD) werden, wodurch es zu Abweichungen zwischen den Daten des statistischen Landesamts und der eigenen Fortschreibung Region Rhein-Neckar aus dem Melderegister kommen kann. Mannheim Das Hauptaugenmerk des Artikels liegt auf Entwicklungen in Heidelberg. Analysiert wird, welche Personengruppen nach Neckar-Odenwald-Kreis Heidelberg wandern und welche aus Heidelberg fort, wohin sie gehen, beziehungsweise woher sie kommen und welche Rhein-Neckar-Kreis Motive dahinterstecken könnten. -10.000 0 10.000 20.000 30.000 40.000 50.000 60.000 Wanderungssaldo 2012 bis 2017 natürlicher Saldo 2012 bis 2017 Großes Bevölkerungswachstum in Heidelberg Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, Berechnungen des Amts für Stadtentwicklung und Statistik, Heidelberg 2018. insbesondere durch Wanderungsgewinne Nach der amtlichen Einwohnerzahl des Statistischen Landes- amts hatte Heidelberg Ende 2017 160.601 Einwohner. Ge- rungssaldo gewachsen. Heidelberg ist eine Durchgangsstadt: genüber 2011 ist die Heidelberger Bevölkerung um 8,2 Pro- Jährlich ziehen durchschnittlich rund 17.600 Personen nach zent gewachsen. Dies entspricht einer Zunahme von rund Heidelberg und rund 16.100 Personen verlassen gleichzeitig 12.200 Personen. Im Betrachtungszeitraum hat Heidelberg die Stadt. Betrachtet man den Bevölkerungsbestand am 31. im Vergleich mit den anderen Land- und Stadtkreisen der Re- Dezember 2017 hinsichtlich des Zuzugsdatums in die Ge- gion Rhein-Neckar (in Baden-Württemberg) das größte Be- meinde zeigt sich, dass seit dem 1. Januar 2010 bis Jahresende völkerungswachstum zu verzeichnen. Zu großen Teilen geht 2017 knapp die Hälfte der Heidelberger Bevölkerung neu von dieses Bevölkerungswachstum auf Wanderungsgewinne zu- außerhalb in die Stadt gezogen ist oder hier geboren wurde. rück, gleichzeitig hat Heidelberg auch, anders als zum Beispiel Dieser große Wechsel in der Bevölkerung stellt eine Heraus- Mannheim, einen positiven natürlichen Saldo, wodurch die forderung für die Stadtentwicklung und insbesondere für die Bevölkerung zusätzlich wächst. Versorgung mit Wohnraum dar. Wie aus Abbildung 1 ersichtlich wird ist Heidelberg in den Eine der zentralen Fragen ist dabei, woher kommen diese letzten Jahren maßgeblich durch einen positiven Wande- Personen und wohin wandern gleichzeitig Heidelberger ab? Abbildung 2: Entwicklung der Zahl der jährlichen Zu- und Wegzüge* in Heidelberg seit 2010 25.000 20.000 19.299 18.985 18.732 18.363 17.796 17.354 16.122 18.077 17.975 14.223 17.526 16.327 15.000 15.883 15.342 14.370 13.441 10.000 5.000 0 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Zuzüge Wegzüge * bezogen auf die Wohnbevölkerung, jeweils vom 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2017. Quelle: Stadt Heidelberg, Amt für Stadtentwicklung und Statistik, eigene Fortschreibung, 2018. STADTFORSCHUNG UND STATISTIK 1|2020 45
Schwerpunkt Stadt – Region. Abbildung 3: Entwicklung des Wanderungssaldos* zwischen Heidelberg und ausgewählten Regionen 2010 bis 2017 3.000 2.500 2.000 1.500 1.000 500 0 -500 -1.000 -1.500 -2.000 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Rhein-Neckar-Kreis insgesamt Mannheim Weiteres Umland insgesamt Fernwanderungen Ausland Fernwanderungen Inland unbekannt * bezogen auf die Wohnbevölkerung, jeweils vom 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2017. Quelle: Stadt Heidelberg, Amt für Stadtentwicklung und Statistik, eigene Fortschreibung, 2018. Abbildung 4: Entwicklung des Wanderungssaldos* zwischen Heidelberg und Städten und Gemeinden nach deren Größe 2010 bis 2017 3.000 2.500 2.000 1.500 1.000 500 0 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 -500 -1.000 -1.500 -2.000 Städte mit 500.000 und mehr Einwohnern Städte mit 200.000 bis unter 500.000 Einwohnern Städte mit 100.000 bis unter 200.000 Einwohnern Fernwanderungen Ausland Gemeinden mit unter 100.000 Einwohnern Unbekannt * bezogen auf die Wohnbevölkerung, jeweils vom 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2017. Quelle: Stadt Heidelberg, Amt für Stadtentwicklung und Statistik, eigene Fortschreibung, 2018. 46 STADTFORSCHUNG UND STATISTIK 1|2020
Schwerpunkt Aktuelle Befunde zu Wohnungsmarkt, Pendlerbeziehungen und Bevölkerungsentwicklung Wanderungsgewinne Insgesamt hatte Heidelberg im Untersuchungszeitraum vor allem durch Fernwanderung einen Zuwanderungsgewinn von 11.900 Einwohnern. Im Ver- gleich zu den Jahren vor 2000 hat sich das Wanderungsvolu- Heidelberg gewinnt im Betrachtungszeitraum Einwohner aus men enorm erhöht. Im Jahr 2017 hat sich die positive Bilanz Fernwanderungen und Gemeinden, mit weniger als 200.000 der Jahre 2010 bis 2016 jedoch wieder abgeschwächt. Es bleibt Einwohnern hinzu. Dagegen verliert Heidelberg im Saldo Ein- abzuwarten, wie sich die Wanderungsströme in den nächsten wohner an den Nahbereich und an große Städte. Jahren entwickeln werden. Abbildung 3 zeigt, dass Heidelberg per Saldo im Betrach- Besonders viele Einwohner hat Heidelberg per Saldo an tungszeitraum nur an den Rhein-Neckar-Kreis, Mannheim Gemeinden verloren, die unmittelbar ans Stadtgebiet angren- und nach Unbekannt Einwohner verliert. Innerhalb von acht zen, Leimen (- 790), Dossenheim (- 680), Sandhausen (- 540), Jahren hat Heidelberg im Saldo 4.600 Personen an das en- Eppelheim (- 420). Die Abwanderung in den Rhein-Neckar- gere Umland verloren. Aus dem weiteren Umland (+ 1.600 Kreis hat sich jedoch im Vergleich zu Betrachtungszeiträumen Personen) und aus der Fernwanderung (+ 19.000 Personen) vor 2002 deutlich abgeschwächt. Mögliche Gründe hierfür gewann Heidelberg dagegen deutlich mehr Einwohner hinzu könnten unter anderem die Verknappung des Wohnungsan- als es an das engere Umland verlor. Bemerkenswert ist dabei gebots im Umland und steigende Baulandpreise sein. Hohe auch, dass Heidelberg mittlerweile durch Fernwanderungen Wanderungsverluste hatte Heidelberg auch an Mannheim aus dem Ausland (+ 12.600) knapp doppelt so viele Personen (- 800). Die Wanderungsströme waren nicht einseitig ausge- hinzugewinnt wie durch Fernwanderungen aus dem Inland richtet. Aus den Bereichen, an die Heidelberg die meisten (+ 6.700). Menschen auf der Flucht, die im Erstregistrierungs- Einwohner verlor, kamen gleichzeitig auch besonders viele zentrum des Landes (das sich in Heidelberg befindet) erfasst Zuzüge. wurden, wurden wie eingangs beschrieben aus den Analysen herausgenommen. Abbildung 5: Wanderungssaldo* 2010 bis 2017 zwischen Heidelberg und dem Rhein-Neckar-Kreis sowie Mannheim * bezogen auf die Wohnbevölkerung vom 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2017. Quelle: Amt für Stadtentwicklung und Statistik, Heidelberg. STADTFORSCHUNG UND STATISTIK 1|2020 47
Schwerpunkt Stadt – Region. Abbildung 6: Wanderungssaldo* 2010 bis 2017 nach Alter Wanderungsgewinne Wanderungssaldo 2010 bis 2017 7.000 vor allem durch junge ledige Personen 6.000 Ein Großteil der Wanderungsgewinne in Heidelberg entfällt 5.000 auf die Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen, tendenziell die klassische Altersgruppe der Ausbildungs-/Studiums-Wanderer 4.000 und Berufseinsteiger (Milbert, 2017; Brachat-Schwarz, 4/2018; 3.000 BBSR 2010). Von 2010 bis 2017 hatte Heidelberg in dieser 2.000 Gruppe einen Zuwanderungsüberschuss in Höhe von 17.700 Personen. Dies ist mit großem Abstand die mobilste Alters- 1.000 gruppe. Es ist davon auszugehen, dass ein großer Teil dieser 0 Personengruppe zum Studium nach Heidelberg kommt. Mehr -1.000 als drei Viertel der Zuzüge dieser Altersgruppe stammen von 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 und älter außerhalb der Region. * bezogen auf die Wohnbevölkerung vom 1. Januar 2010 bis 31. De- Die größten Wanderungsverluste entfallen demgegenüber zember 2017. auf die Altersgruppe der 30- bis 44-Jährigen. An den Mittel- Quelle: Stadt Heidelberg, bereich Heidelberg verliert die Stadt in allen Altersgruppen Amt für Stadtentwicklung und Statistik, eigene Fortschreibung 2018. Einwohner. Die Altersgruppen ab 45 zeigen eine deutlich ge- ringere Mobilität als die jüngeren Altersgruppen, sie sind deut- lich sesshafter. In der Gruppe der Kinder bildet sich zweierlei Abbildung 7: Anteil der 10 Nationen, die zwischen 2010 und 2017 die größten Wanderungsgewinne verbuchen konnten am ab: Heidelberg hat Wanderungsgewinne in der Altersgruppe gesamten Wanderungsgewinn der ausländischen Bevölkerung der 6- bis unter 18-Jährigen und Wanderungsverluste in der Altersgruppe der unter 6-Jährigen. Da Zuwanderer China Italien Rumänien Indien Polen Spanien Syrien nach Heidelberg Bulgarien Tunesien Iranim Schnitt jünger sind als Sonstige China Italien Rumänien Indien PolenAbwanderer, Spanien Syrien bewirkt der Wanderungsprozess Bulgarien Tunesien Iran Sonstige eine konstant junge China Italien Rumänien Indien Polen Spanien Heidelberger Syrien Bulgarien TunesienBevölkerung. Iran Sonstige Ledige zwischen 18 und 29 Jahren haben die höchsten China Italien Rumänien Indien Polen Spanien Syrien Bulgarien Tunesien Iran Sonstige China Italien Rumänien Indien Polen Spanien Syrien Bulgarien Tunesien Iran Sonstige Wanderungsgewinne, Ledige über 29 Jahren wandern dage- China Italien Rumänien Indien Polen Spanien Syrien Bulgarien Tunesien Iran Sonstige gen aus Heidelberg ab, Gleiches gilt für Verheiratete. Verhei- China Italien Rumänien Indien Polen Spanien Syrien Bulgarien Tunesien Iran Sonstige China Italien Rumänien Indien Polen Spanien Syrien Bulgarien Tunesien Iran Sonstige ratete wandern vor allem in den Nahbereich ab. China Italien Rumänien Indien Polen Spanien Syrien Bulgarien Tunesien Iran Sonstige Zwischen den Geschlechtern gibt es nur geringe Unter- China Italien Rumänien Indien Polen Spanien Syrien Bulgarien Tunesien Iran Sonstige schiede im Wanderungsverhalten. Italien Rumänien Indien Polen Spanien Syrien Bulgarien Tunesien Iran Sonstige Wanderungsgewinne werden zum Großteil China Italien *Rumänien bezogen auf Spanien Indien Polen die Wohnbevölkerung Syrien Bulgarien TunesieninIran Heidelberg, Sonstige jeweils vom 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2017. von Ausländern erzielt Quelle: Stadt Heidelberg, Seit 2010 zogen 61.300 Personen mit ausländischer Staats- Amt für Stadtentwicklung und Statistik, eigene Fortschreibung 2018. angehörigkeit nach Heidelberg zu und 50.800 weg. Mit einer deutschen Staatsangehörigkeit zogen 79.600 Personen zu und 78.100 weg. Heidelberg gewinnt im Betrachtungszeit- Abbildung 8: Jährlicher Außen- und Binnenwanderungssaldo* raum per Wanderungssaldo vor allem ausländische Einwoh- für den Stadtteil Bahnstadt von 2013 bis 2017 ner (+ 10.500) hinzu, diese stammen am häufigsten aus China, Außen- und Binnenwanderungssaldo 1.000 Italien, Rumänien, Indien und Polen und sind sehr häufig 900 im Alter zwischen 18 und unter 30 Jahren. Hier dürfte die 800 Universität einen wesentlichen Anziehungsfaktor bilden, als 700 331 243 238 Arbeitgeber und Studienort. Im Gegensatz zu früheren Be- 600 trachtungszeiträumen (vor 2002) erzielten im hier betrach- 500 teten Zeitraum aber auch die deutschen Einwohner Wande- 400 rungsgewinne, jedoch in wesentlich niedrigerem Umfang als 300 545 551 570 die ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger. Zudem war 200 176 109 in den vergangenen zwei Jahren der Wanderungssaldo der 100 108 134 Deutschen wieder negativ. 0 2013 2014 2015 2016 2017 In Heidelberg wird seit 2013 der neue Stadtteil Bahnstadt Außenwanderungssaldo Binnenwanderungssaldo entwickelt und besiedelt. Die Wanderungsbewegungen die- ses Stadtteils wurden zusätzlich zu den gesamtstädtischen * bezogen auf die Wohnbevölkerung, jeweils vom 1. Januar bis 31. Dezember des Jahres. Entwicklungen auch separat betrachtet und analysiert, um Quelle: Stadt Heidelberg, Besonderheiten von großen Neubauprojekten abbilden zu Amt für Stadtentwicklung und Statistik, eigene Fortschreibung 2018. können. 48 STADTFORSCHUNG UND STATISTIK 1|2020
Schwerpunkt Aktuelle Befunde zu Wohnungsmarkt, Pendlerbeziehungen und Bevölkerungsentwicklung Abbildung 9: Binnenzuzüge in die Bahnstadt aus den einzelnen Stadtteilen von 2013 bis 2017 Quelle: Amt für Stadtentwicklung und Statistik, Heidelberg. Abbildung 10: Binnenwegzüge aus der Bahnstadt in die einzelnen Stadtteile von 2013 bis 2017 Quelle: Amt für Stadtentwicklung und Statistik, Heidelberg. STADTFORSCHUNG UND STATISTIK 1|2020 49
Schwerpunkt Stadt – Region. Das Neubauprojekt Bahnstadt erzielt zu mehr Hinzukommt der hoch positive natürliche Saldo in der Bahn- als einem Drittel Wanderungsgewinne durch stadt, der das Bevölkerungswachstum des Stadtteils zusätzlich ankurbelt. In Summe standen 288 Geburten 18 Sterbefällen in Binnenwanderungen der Bahnstadt von 2013 bis 2017 gegenüber. Der natürliche Zwischen 2013 und 2017 gewann die Bahnstadt per Außen- Saldo beträgt damit über die Jahre 2013 bis 2017 270 Perso- wanderungssaldo 1.900 Personen hinzu. Binnenwanderungs- nen. Die Bahnstadt hatte im Betrachtungszeitraum vor allem gewinne erzielte sie in Höhe von 1.100 Personen. Entspre- viele Außenwanderungsgewinne aus dem Ausland. Dies ist für chend entfällt mehr als ein Drittel der Wanderungsgewinne Heidelberg insgesamt typisch. Binnenwanderungsgewinne er- auf Binnenwanderungen und 2/3 auf Außenwanderungen. folgten insbesondere aus den zentralgelegenen Heidelberger Stadtteilen. Außenwanderungsgewinne entfielen vor allem auf die Altersgruppe der 18- bis unter 30-Jährigen, Binnen- wanderungsgewinne erfolgten verstärkt in der Gruppe der Abbildung 11: Außen- und Binnenwanderungssaldo* des Stadt- 30- bis unter 45-Jährigen sowie der Verheirateten. Etwa zwei teils Bahnstadt nach Altersklassen 2013 bis 2017 Drittel der Zuwanderungsgewinne entfallen auf Menschen mit einer deutschen Staatsangehörigkeit. 80 unter 3 Jahre 87 33 3 bis unter 6 Jahre 55 6 bis unter 10 Jahre 30 33 Ausblick 73 10 bis unter 18 Jahre 32 18 bis unter 30 Jahre 1.146 Da sich Stadt- und Landkreise stark voneinander unterschei- 321 30 bis unter 45 Jahre 393 den, zum Beispiel im Hinblick auf die Infrastruktur vor Ort, 427 76 wird an dieser Stelle ein Überblick über die Entwicklungen in 45 bis unter 55 Jahre den baden-württembergischen Stadtkreisen gegeben. Da- 96 30 55 bis unter 65 Jahre 37 durch können Heidelberger Entwicklungen besser eingeord- 65 bis unter 75 Jahre 38 5 net werden. Handelt es sich um Spezifika, die nur Heidelberg 9 75 Jahre und älter 4 betreffen, oder sind dies Entwicklungen die für Stadtkreise 0 200 400 600 800 1.000 1.200 1.400 gängig sind? Datengrundlage für den Vergleich Heidelbergs Außenwanderungssaldo Binnenwanderungssaldo mit den anderen baden-württembergischen Stadtkreisen ist * bezogen auf die Wohnbevölkerung, jeweils vom 1. Januar 2013 die Fortschreibung des Statistischen Landesamts auf Basis bis 31. Dezember 2017. des Zensus 2011. Quelle: Stadt Heidelberg, Amt für Stadtentwicklung und Statistik, eigene Fortschreibung 2018. Abbildung12: Wanderungssaldo in den baden-württembergischen Stadtkreisen 1. Januar 2012 bis 31. Dezember 2017 Wanderungssaldo 12.000 10.000 8.000 6.000 4.000 2.000 0 -2.000 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Baden-Baden Freiburg Heidelberg Heilbronn Karlsruhe Mannheim Pforzheim Stuttgart Ulm Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, Berechnungen des Amts für Stadtentwicklung und Statistik Heidelberg, 2018. 50 STADTFORSCHUNG UND STATISTIK 1|2020
Schwerpunkt Aktuelle Befunde zu Wohnungsmarkt, Pendlerbeziehungen und Bevölkerungsentwicklung Im Betrachtungszeitraum von 2011 bis 2017 stieg die Be- rungssaldo zurück. Auffällig bleiben dabei die starken Schwan- völkerungszahl in Baden-Württemberg um 4,9 Prozent. Im glei- kungen des Wanderungssaldos im betrachteten Zeitraum. chen Zeitraum stieg die Einwohnerzahl der baden-württem- Derzeit gewinnen die Städte besonders durch Wande- bergischen Stadtkreise um 6,9 Prozent. Die Stadtkreise hatten rungen von 18- bis unter 30-Jährigen Einwohner hinzu, was demnach in den vergangenen Jahren relativ gesehen ein grö- sich auch für Heidelberg zeigte (Brachat-Schwarz, 4/2018; ßeres Einwohnerwachstum als Baden-Württemberg insgesamt. BBSR 2010; Milbert, 2017). Wohingegen die Altersgruppen der 30–50-Jährigen sowie der unter 18-Jährigen eher die Zentren Heidelberg belegt mit einem Einwohnerzuwachs von 8,2 Pro- verlassen (Brachat-Schwarz, 4/2018), was auf Heidelberg nur zent aktuell die Spitzenposition unter den Stadtkreisen, was in Teilen zutrifft. Die meisten Zuzüge in Stadtkreise finden der das relative Bevölkerungswachstum angeht. In der Vergan- Literatur zufolge aus dem übrigen Baden-Württemberg statt. genheit lagen die Heidelberger Entwicklungen meist etwa im Abwanderungen haben die Stadtkreise vor allem gegenüber Mittelfeld der Bevölkerungsentwicklungen der anderen Stadt- ihrem jeweiligen Nahbereich. Gleichzeitig ist in den Stadt- kreise. Die nächsthöchsten Gewinne im Betrachtungszeitraum kreisen der Zuzug von Ausländern erhöht (Brachat-Schwarz, verzeichneten Pforzheim (+ 7,9 %), Heilbronn (+ 7,2 %) und 4/2018). Freiburg (+ 7,2 %). Das geringste Bevölkerungswachstum hatte Insgesamt ist es für Stadtkreise derzeit typisch, dass es im Betrachtungszeitraum der Stadtkreis Baden-Baden mit eine sehr hohe Wanderungsdynamik in der Bevölkerung gibt einem Wachstum in Höhe von 4,4 Prozent. Im Betrachtungs- und dass das Bevölkerungswachstum zu großen Teilen auf zeitraum wuchs in allen Stadtkreisen die Bevölkerung relativ Wanderungsgewinne zurückgeht, hier bildet Heidelberg keine gleichmäßig an, Bevölkerungsrückgänge gab es kaum und Ausnahme. Dagegen ist der positive natürliche Saldo, den unter den Startwert aus 2011 fiel kein Stadtkreis zurück. Heidelberg in den letzten Jahren vorweisen konnte nur in Vergleicht man die baden-württembergischen Stadtkreise manchen Stadtkreisen vorzufinden. Die Heidelberger Ent- untereinander hinsichtlich des natürlichen Saldos fällt direkt wicklungen sind demnach durchaus mit den Entwicklungen auf, dass nur Stuttgart, Freiburg, Heidelberg und Ulm im ge- anderer Stadtkreise vergleichbar. Ein Spezifikum bildet derzeit samten Betrachtungszeitraum einen positiven natürlichen der neu entstehende Stadtteil Bahnstadt in Heidelberg. Hier Saldo aufweisen. Die übrigen fünf Stadtkreise und auch das lassen sich Bevölkerungs- und auch speziell Wanderungsent- Land Baden-Württemberg haben im Betrachtungszeitraum wicklungen in großen Neubauprojekten gut beobachten. einen negativen natürlichen Saldo. Das heißt insbesondere in Stadtkreisen mit negativem natürlichem Saldo führen hohe Wanderungsgewinne zu einem Bevölkerungswachstum. Während der natürliche Saldo recht stabil ist, schwankt der Wanderungssaldo deutlich stärker im Zeitverlauf. Zwischen 1 Der ungekürzte Bericht ist online verfügbar unter: https://www.hei- 2012 und 2017 ist der Wanderungssaldo in allen Stadtkreisen delberg.de/site/Heidelberg_ROOT/get/documents_E-1485595516/ heidelberg/Objektdatenbank/12/PDF/12_pdf_Wanderungsbe- positiv, eine Ausnahme bildet nur die Stadt Mannheim im richt_2018.pdf Jahr 2016. Die Gewinne aus den positiven Wanderungssalden Er enthält beispielsweise zusätzlich eine kleine Sonderauswertung kompensieren die Geburtendefizite der fünf Stadtkreise mit für das Erstregistrierungszentrum des Landes, das aus den sonstigen negativem natürlichem Saldo und sie übersteigen auch die Analysen ausgeklammert wurde. Der Bericht ist eingerahmt in weitere Berichte, die angrenzende Themenfelder beschreiben beispielsweise: Geburtenüberschüsse (Stuttgart, Freiburg, Heidelberg, Ulm) Bevölkerungsbericht 2017, Bevölkerungsprognose 2018, Pendlerbe- um ein Vielfaches. Das Bevölkerungswachstum der Stadtkreise richt 2018, Wohnraumbedarfsanalyse. Verfügbar unter: https://www. geht entsprechend vor allem auf den hoch positiven Wande- heidelberg.de/hd/HD/Rathaus/Publikationen.html Literatur BBSR. 2010. Fokus Innenstadt – Aspekte inner- tistisches Monatsheft Baden-Württemberg =79E588B17E6DBB770CFAE543D962644E. städtischer Bevölkerungsentwicklung. In BBSR- 4/2018. (https://www.statistik-bw.de/Service/ live11292?nn=415476). Abgerufen am 2. No- Berichte KOMPAKT 11/2010. (https://www. Veroeff/Monatshefte/20180401). Abgerufen vember 2018. bbsr.bund.de/BBSR/DE/Veroeffentlichungen/ am 2. November 2018. Statistisches Landesamt Baden-Württemberg. BerichteKompakt/2010/DL_11_2010.pdf?__ Milbert, Antonia. 2017. Wie viel (Re-)Urbanisie- 2016. Statistische Berichte – Wanderungs- blob=publicationFile&v=2). Abgerufen am 5. rung durchzieht das Land? In BBSR-Analysen bewegungen in Baden-Württemberg 2015. November 2018. Kompakt. 07/2017. (https://www.bbsr.bund. (https://www.statistik-bw.de/Service/Veroeff/ Brachat-Schwarz, Werner. 4/2018. Wer zieht de/BBSR/DE/Veroeffentlichungen/Analysen- Statistische_Berichte/314515001.pdf ). Abge- in die Großstadt, wer von ihr weg? In Sta- Kompakt/2017/ak07-2017.html;jsessionid rufen am 12. November 2018. STADTFORSCHUNG UND STATISTIK 1|2020 51
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