Wie gelingen bedarfs gerechte Öffnungszeiten? - Erfahrungen aus dem Bundesprogramm "KitaPlus" - Bundesprogramm ...

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KitaPlus

Wie gelingen bedarfs­
gerechte Öffnungszeiten?
Erfahrungen aus dem Bundesprogramm „KitaPlus“


Wie gelingen bedarfsgerechte
Öffnungszeiten?
Erfahrungen aus dem Bundesprogramm „KitaPlus“

Drittes Arbeitspapier zur Evaluation des Bundesprogramms „KitaPlus“
Durch das Institut für den Situationsansatz an der Internationalen Akademie
­Berlin gGmbH
In Kooperation mit Univation Institut für Evaluation Dr. Beywl & Associates GmbH
Im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Text: Katrin Macha, Konstantin Eichberg, Ulrike Foelsch und Guido Schmidt

Berlin im November 2018


Inhalt

1   Bedarfsgerechte Öffnungszeiten in der Kindertagesbetreuung –
    ein Weg zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf                              6

2   Bedarf von Familien nach erweiterten ­Öffnungszeiten anerkennen
    und Vertrauen schaffen                                                                9
    2.1   Bedarfsge­rechte ­Öffnungszeiten als g­ esellschaftliche A
                                                                   ­ uf­gabe begreifen   10
    2.2   Bedarfe erkunden                                                               11
    2.3   Vereinbarkeit von ­Familie und Beruf unterstützen                              12
    2.4   Familiären Alltagsstress mindern                                               13
    2.5   Angebot bekannt machen und in der ­Öffentlichkeit vertreten                    14
    2.6   Vertrauen in das b­ edarfsgerechte Angebot schaffen                            15
    2.7   Kontakt- und B­ eratungsangebote für E  ­ ltern schaffen                       16

3   Bedarfsgerechte Öffnungszeiten organisieren                                          17
    3.1   Work-Life-­Balance von Pädagoginnen und Pädagogen im Blick behalten            17
    3.2   Dienstpläne partizi­pativ erstellen                                            19
    3.3   Neue Pädagoginnen und Pädagogen einbinden                                      20
    3.4   An Erfahrungen a­ nknüpfen                                                     21
    3.5   Übergabe durch D­ okumentationsmethoden unterstützen                           22
    3.6   Das p
              ­ ädagogische Konzept im Dialog ­weiterentwickeln                          23
    3.7   Bedarfsgerechte ­Öffnungszeiten auf die ­pädagogische Konzeption beziehen      25

4   Bedarfsgerechte Öffnungszeiten mit Kindern gestalten                                 26
    4.1   Vertrauensvolle ­Beziehungen ermög­lichen                                      26
    4.2   Eingewöhnung und Übergänge in die erweiterten Zeiten gestalten                 28
    4.3   Beziehungen unter ­Kindern stärken                                             29
    4.4   Abläufe entwickeln, die Orientierung bieten                                    30
    4.5   Anregende Räume und vielfältiges Material bereitstellen                        32
    4.6   Kinder beteiligen                                                              33
    4.7   Kinder individuell ­fördern                                                    34
    4.8   Besondere Momente miteinander erleben                                          34

5   Erweiterte Öffnungszeiten im Sozialraum verankern                                    36
    5.1 Kommunalen Standort­vorteil erkennen und ausbauen                                36
    5.2 Kooperationen ­aufbauen und sichern                                              37
    5.3 Finanzierungsstrategien standortbezogen ­initiieren                              39

6   Fazit                                                                                40

7   Anhang – Liste der Modellstandorte                                                   42

                                                                                              5
1             Bedarfsgerechte Öffnungszeiten
                  in der Kindertagesbetreuung –
                  ein Weg zur besseren Vereinbarkeit
                  von Familie und Beruf

Das Bundesministerium für Familie, Senioren,           ten Akteurinnen und Akteuren im Sozialraum ist
Frauen und Jugend (BMFSFJ) fördert mit dem             ebenfalls in den Förderrichtlinien festgelegt. Ins­
Bundesprogramm „KitaPlus: Weil gute Betreuung          besondere werden die Zusammenarbeit mit den
keine Frage der Uhrzeit ist“ Modellvorhaben zur        örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe wie
Erweiterung von Öffnungszeiten in Kindertages­         auch die Kooperation mit der Agentur für Arbeit
stätten, Horten und in der Kindertagespflege. Ziel     und dem Jobcenter gefordert.
ist es, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie
zu verbessern, indem Eltern passgenaue, an den         Bundesweit beteiligen sich etwa 300 Kindertages­
Bedarfen der Familien ausgerichtete Betreuungs­        einrichtungen und Kindertagespflegepersonen am
angebote unterbreitet werden.                          Bundesprogramm „KitaPlus“. Die programmbe­
                                                       gleitende Evaluation hat den Auftrag, den Pro­
Mit „KitaPlus“ fördert das BMFSFJ Personalausga­       gramm-Akteuren und der Fachöffentlichkeit
ben in der Kindertagesbetreuung, um die Betreu­        Wege für eine gelingende Erweiterung der Öff­
ung während der erweiterten Öffnungszeiten             nungszeiten aufzuzeigen. Im Mittelpunkt stehen
sicherzustellen. Außerdem werden Kosten für            dabei die qualitativ hochwertige Bildung, Erzie­
Investitionen, Sachkosten, Konzeptentwicklung          hung und Betreuung der Kinder. Zunächst wurde
und Ausgaben für Qualifizierungen getragen.            in einem ersten Arbeitspapier der Forschungs­
Zusätzlich unterstützen Projektberaterinnen und        stand zur Kinderbetreuung in erweiterten Öff­
Projektberater die konzeptionelle Arbeit der           nungszeiten sowie die fachlichen und gesell­
Modellvorhaben und begleiten die Kindertages­          schaftspolitischen Grundlagen des Bundespro­
einrichtungen und Kindertagespflegepersonen            gramms „KitaPlus“ aufbereitet. In einem weiteren
während der Projektlaufzeit.                           Schritt wurden im zweiten Arbeitspapier die kon­
                                                       kreten Pläne der geförderten Modellvorhaben zur
In der Gestaltung der erweiterten Öffnungszeiten       Umsetzung der erweiterten Öffnungszeiten in
steht das Wohl des Kindes an erster Stelle. Qualita­   „KitaPlus“ analysiert. Der dritte Schritt bestand
tiv hochwertige außerfamiliäre Betreuung soll          darin, die tatsächliche Umsetzung der Modellvor­
allen Kindern den Zugang zu Bildung und gesell­        haben im Bundesprogramm „KitaPlus“ zu erfas­
schaftlicher Teilhabe ermöglichen. Damit dies          sen. Im Zentrum der Evaluation standen Fallstu­
gelingen kann, ist es notwendig, Eltern in die         dien, die Aufschluss über gelungene Praxis in den
Neugestaltung der Öffnungszeiten mit einzube­          erweiterten Öffnungszeiten gaben. Die Ergebnisse
ziehen. So wird für eine Förderung vorausgesetzt,      aus den Fallstudien werden mit diesem dritten
dass eine Bedarfsanalyse vorgenommen wird.             Arbeitspapier vorgelegt. Das Gesamtdesign der
Außerdem müssen die geförderten Modellstand­           Evaluation lässt sich wie folgt umreißen (Abbil­
orte konkrete Beratungs- und Begleitangebote für       dung 1):
Eltern entwickeln. Eine Kooperation mit relevan­

6
1 Bedarfsgerechte Öffnungszeiten in der ­Kindertagesbetreuung

Abbildung 1: Das Design der Evaluation – Aspekte und Methoden

                Aspekte                                          Methoden

                                   - Recherche zum Forschungsstand zu bedarfsgerechten
                                     Öffnungszeiten für Familien (erstes Arbeitspapier)
                Konzepte           - Inhaltsanalyse der Interessenbekundungen (zweites Arbeitspapier)

                                   - Sekundärdatenanalyse (Monitoring & Zwischennachweise)
             Unterstützung         - Online-Befragung aller Vorhaben
              Entwicklung

                                   - Fallstudien: aus den Perspektiven von Kindern, Eltern, Erzieherinnen
                                     und Erziehern sowie Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartner
               Wirkungen           - vergleichende Analyse (drittes Arbeitspapier)

                                   - Experteninnen- und Experteninterviews
            Nachhaltigkeits-       - Workshops/Gruppenerhebungen
              strategien

 Ziele des dritten Arbeitspapiers und                               •• Zunächst wurden während des ersten Projekt­
­Datengrundlage                                                        besuchs Fokusgruppen1 mit den Pädagoginnen
 Für die Evaluation wurden 16 Fallstudien durch­                       und Pädagogen durchgeführt, um das konkrete
 geführt, die Aufschluss über gelungene Praxis in                      Angebot sowie das Konzept für die Erweite­
 den erweiterten Öffnungszeiten geben sollen. Die                      rung der Öffnungszeiten kennenzulernen.
 Fallstudien haben an den beteiligten Modellstand­
 orten zwischen Frühjahr 2017 und Sommer 2018                       •• Während eines weiteren, zweitägigen Projekt­
 stattgefunden. Die 16 Modellvorhaben, die den                         besuchs erfolgten Fokusgruppen und Inter­
 Fallstudien zugrunde liegen, spiegeln die Vielfalt                    views mit Eltern, teilnehmende Beobachtun­
 der Umsetzungsvarianten des Bundesprogramms.                          gen, Kreisgespräche mit Kindern und situative
 Es wurden sowohl Kindertageseinrichtungen als                         Gespräche mit Pädagoginnen und Pädagogen2
 auch Kindertagespflegepersonen in den Blick                           sowie mit der Leitung der Kita. Zudem wurde
 genommen. Ebenso wurde auf die regionale Ver­                         mittels Fokusgruppen und telefonischer
 teilung im ganzen Bundesgebiet geachtet sowie                         Leitfadeninterviews mit Kooperationspart­
 Standorte in städtischen und ländlichen Gebieten                      nerinnen und Kooperationspartnern (aus der
 einbezogen.                                                           Stadtverwaltung, Arbeitsagentur, Jugendamt,
                                                                       Unternehmemsvertretende u. a.) gesprochen,
Für die Fallstudien wurden verschiedene Daten­                         um die Umsetzung aus der Perspektive
erhebungen umgesetzt, um die unterschiedlichen                         verschiedener Akteure zu beleuchten.
Perspektiven der Beteiligten auf die jeweiligen
Modellvorhaben abzubilden:

1   In der Methode „Fokusgruppe“ wird mit mehreren Menschen zu einem Thema ein Gespräch geführt. Dabei werden Impuls­
    fragen gestellt, die die Gruppe miteinander diskutiert. So erhalten die Forschenden nicht nur die Meinung einer Person, wie in
    einem Interview, sondern können den Diskurs in einer Gruppe erfahren.

2   Die Begriffe Pädagoginnen und Pädagogen bezeichnen in diesem Arbeitspapier alle Menschen, die in der Kindertagesbetreuung,
    in Kindertageseinrichtungen und in der Kindertagespflege arbeiten. Bei Beispielen aus dem Bereich der Kindertagespflege wird
    von Kindertagespflegepersonen gesprochen.

                                                                                                                                     7
1 Bedarfsgerechte Öffnungszeiten in der ­Kindertagesbetreuung

•• Die Informationen und Daten aus den ver­            Anknüpfungspunkte geschaffen werden, die
   schiedenen Perspektiven der Beteiligten             es anderen Einrichtungen erleichtern, Prozesse
   wurden in einem umfassenden Fallbericht             und Vorbereitungsschritte für eine Implementie­
   für die Kindertageseinrichtung oder die             rung erweiterter Öffnungszeiten einzuleiten.
   Kindertagespflegepersonen zusammengeführt.
                                                       In Kapitel zwei wird beschrieben, wie die Modell­
•• Abschließend erfolgte ein Auswertungsge­            standorte die Bedarfe der Familien aufgreifen und
   spräch mit den Pädagoginnen und Pädagogen,          wie es ihnen gelingt, Vertrauen für die bedarfsge­
   den Leitungskräften und anderen am Pro­             rechten Öffnungszeiten zu schaffen. In Kapitel
   gramm beteiligten Personen (zum Beispiel der        drei werden organisatorische Veränderungen und
   zuständigen Projektberaterin, Trägervertre­         Entwicklungen für den Alltag in Kindertagesein­
   tung). In dem Gespräch wurden die Ergebnisse        richtung oder Kindertagespflege aus den Fallstu­
   des Berichts vorgestellt, diskutiert und ergänzt.   dien vorgestellt. Kapitel vier nimmt die Gestaltung
                                                       der pädagogischen Arbeit in den erweiterten
In einem inhaltsanalytischen Vorgehen wurden           Öffnungszeiten in den Blick. In Kapitel fünf
die Fallberichte analysiert und kodiert. Das           werden die Kooperationsstrategien der Modell­
vorliegende Arbeitspapier stellt die Ergebnisse        standorte dargestellt. Kapitel sechs zieht als Fazit,
der Fallstudien zusammen und nimmt dabei               welche übergreifenden Erkenntnisse aus den
Faktoren in den Blick, die zum Gelingen der            Fallstudien für ein Gelingen der erweiterten
Erweiterung beigetragen haben. Damit sollen            Öffnungszeiten abzuleiten sind.

8
2              Bedarf von Familien nach erweiter­
                  ten ­Öffnungszeiten anerkennen und
                  Vertrauen schaffen

Die Erweiterung der Öffnungszeiten in der            insbesondere dort, wo die Erweiterung der Öff­
Kindertagesbetreuung beginnt mit der Anerken­        nungszeiten in Kindertageseinrichtung oder
nung der Bedarfe nach anderen Betreuungszeiten       Kindertagespflege den Abend, die Nacht oder den
von Familien als bisher. Sie benötigt im weiteren    frühen Morgen umfasst, spielt auch die Auseinan­
Verlauf eine enge Zusammenarbeit zwischen            dersetzung mit der Wirkung der erweiterten
Pädagoginnen und Pädagogen und Eltern, die von       Öffnungszeiten im sozialen Umfeld der Familien
Vertrauen aufseiten der Eltern geprägt ist. Die      und der Einrichtungen eine Rolle. Die Fallstudien
Modellstandorte erkennen die Vereinbarkeit von       zeigen in diesem Zusammenhang, dass die Umset­
Beruf und Familie als eine gesamtgesellschaftliche   zungs- und Lösungsstrategien für erwei­terte
Aufgabe und die Kindertagesbetreuung als einen       Öffnungszeiten jeweils sehr stark von den Bedin­
Stein im Mosaik an, um den Bedarfen der Familien     gungen des Standortes abhängen. Die Modell­
gerecht zu werden. In den Fallstudien wird deut­     standorte erkennen im Laufe der Umsetzung des
lich, wie stark die bedarfsgerechten Öffnungszei­    Bundesprogramms zunehmend besser die Bedarfe
ten die Eltern bei der Vereinbarkeit von Beruf und   der Familien und des Sozialraums und können
Familie unterstützen. So können Eltern Arbeits­      entsprechend passgenauere Lösungen anbieten.
tätigkeiten neu aufnehmen, Arbeitszeiten erwei­
tern und sind dabei nicht mehr nur auf ihre Netz­    Erweiterte Öffnungszeiten in Kindertageseinrich­
werke angewiesen. Auch zum Teil geringfü­gige        tungen und Kindertagespflege gelingen, wenn die
Erweiterungen der Öffnungszeiten entlasten           Pädagoginnen und Pädagogen
Familien massiv in ihrem alltäglichen Stress und
unterstützen die Eltern, Qualitätszeit mit ihren     •• bedarfsgerechte Öffnungszeiten als gesell­
Kindern zu verbringen.                                  schaftliche Aufgabe begreifen,
                                                     •• Bedarfe erkunden,
Die Erprobung der erweiterten Öffnungszeiten         •• Vereinbarkeit von Familie und Beruf unter­
hat an den meisten untersuchten Modellstand­            stützen,
orten dazu geführt, dass Pädagoginnen und Päda­      •• familiären Alltagsstress mindern,
gogen und Eltern sich über die Nutzungsdauer         •• das Angebot bekannt machen und in der
und -art im Sinne der Kinder Gedanken machen.           Öffentlichkeit vertreten,
Es wird deutlich, dass sich die Beteiligten mit      •• Vertrauen in das bedarfsgerechte Angebot
gesellschaftlichen Prozessen und daraus resultie­       schaffen,
renden notwendigen Anpassungen in der Kinder­        •• Vertrauen durch Kontakt- und Beratungs­
tagesbetreuung befassen. An einigen Standorten,         angebote stärken.

                                                                                                     9
2 Bedarf von Familien nach erweiterten ­Öffnungszeiten anerkennen und Vertrauen schaffen

 2.1 Bedarfsge­rechte                                 „Wo Dienstleistungen 24 Stunden am Tag in
                                                        Anspruch genommen werden wollen, müssen
 ­Öffnungszeiten als                                    Dienstleisterinnen und Dienstleister entspre­
­gesellschaftliche ­Auf­gabe                            chend auch 24 Stunden am Tag im Einsatz sein.“
                                                        (Mitarbeiterin im Jugendamt)
 begreifen
                                                      Und auch eine Vertreterin aus einem Kreisjugend­
„Ich denke da von den Eltern her. Jeder ist froh,    amt einer anderen Region, zuständig für die
  dass er Arbeit hat. Da müssen wir uns nichts        Kindertagespflege, berichtet:
  vormachen. Die Eltern haben lange Arbeitszeiten
  und Fahrtwege. Da fühle ich mich in der Pflicht,    „Viele Eltern stehen, was die Berufstätigkeit
  die Eltern zu unterstützen. Man will doch nicht       angeht, enorm unter Druck, wenn die Betreuung
  der Mutti noch einen Stein in den Weg legen.“         der Kinder nicht geregelt ist. Gerade in den
  (Pädagogin)                                           Abend- und Nachtstunden.“ (Mitarbeiterin im
                                                        Jugendamt)
In Fokusgruppen und Einzelinterviews mit Päda­
goginnen und Pädagogen und Leitungs­kräften           Vor diesem Hintergrund sehen es die Pädagogin­
wird deutlich, dass die für die Umsetzung von         nen und Pädagogen oftmals explizit als eine ihrer
„KitaPlus“ verantwortlichen Personen es zuneh­        Aufgaben an, Eltern, die das Angebot erweiterter
mend als ihre gesellschaftliche Verantwortung         Öffnungszeiten nutzen, von einem möglichen
sehen, Familien bzw. Familiensysteme durch            schlechten Gewissen zu befreien. In einer Kinder­
bedarfsgerechte Öffnungszeiten zu unterstützen        tageseinrichtung berichten die Pädagoginnen
und zu entlasten. Die befragten Personen wissen,      und Pädagogen zum Beispiel, dass es Eltern am
dass die regulären Öffnungszeiten von Kinder­         ehesten beruhigt, wenn sie viel über die Zeit des
tageseinrichtungen kaum mit den beruflichen           Kindes in der Kita erfahren und sie ihre Kinder
Anforderungen vieler Eltern zu vereinbaren sind.      beim Abholen als zufrieden erleben.
Als ein Beispiel wird genannt, dass viele Eltern
ihrem Arbeitgeber für eine Vollzeitstelle täglich     Es lässt sich eine große Handlungsbereitschaft
etwa neun Stunden zur Verfügung stehen müssen,        hinsichtlich elterlicher Bedarfe feststellen, eben
wobei oftmals lange Fahrtzeiten sowie Zeiten für      die Erweiterung der Öffnungszeiten voranzutrei­
Arztbesuche und Einkäufe hinzukommen. Die             ben. Dabei wird in den Interviews von einigen
Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner            Personen durchaus auch ein kritischer Blick auf
nehmen wahr, dass viele Familien und insbeson­        die gesellschaftliche Situation geworfen:
dere alleinerziehende Eltern unter einem hohen
Druck stehen. Sie wollen sich und ihre Familie        „Muss es die Gesellschaft erfordern, dass Familien
finanziell absichern, „unabhängig vom Staat leben      mit kleinen Kindern rund um die Uhr arbeiten
können“ (Mutter), den eigenen Kindern ein Vor­         müssen? Das sehe ich kritisch. Da muss sich die
bild sein und ihnen nicht die eigene Arbeitslosig­     Gesellschaft doch auch noch Gedanken machen
keit vorleben.                                         und sich fragen, ob sich alles dem Erwerbsleben
                                                       anpassen muss.“ (Pädagogin)
Eine befragte Vertreterin des Jugendamtes erkennt
mit Bezug auf „KitaPlus“ einen gesamtgesell­          „Die Gesellschaft hat ja die Bedingungen über­
schaftlichen Zusammenhang. Sie betont, dass die        haupt erst geschaffen, dass wir so ein Angebot
Notwendigkeit, rund um die Uhr Angebote zur            wie die 24-Stunden-Kita benötigen, dass wir
außerfamiliären Kinderbetreuung vorzuhalten,           24 Stunden am Tag einkaufen wollen. Es gibt
letztlich auf gesellschaftliche Veränderungen          immer das Angebot und die Nachfrage. Dieses
zurückzuführen ist:                                    Konzept ist eine Antwort auf die Realität vieler
                                                       Arbeitnehmer.“ (Mitarbeiterin im Jugendamt)

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2 Bedarf von Familien nach erweiterten ­Öffnungszeiten anerkennen und Vertrauen schaffen

2.2 Bedarfe erkunden                                  anderen Standort wird eine solche Bedarfsabfrage
                                                      problematisiert:
„Häufig scheitert die Vermittlung in Arbeit und
  der Wiedereinstieg nach der Familienzeit an den     „Ich glaube, die Dunkelziffer der Eltern, die einen
  Kinderbetreuungsangeboten.“ (Beauftragte für          Bedarf hätten, die ist sehr groß. Es werden sich
  Chancengleichheit, Arbeitsagentur)                    nicht alle Eltern an uns wenden und ihren Bedarf
                                                        kundtun. Manche schämen sich.“ (Kooperations­
Die Modellstandorte erkundeten im Vorfeld des           partnerin)
Starts des Bundesprogramms, welche Bedarfe die
Eltern in der Einrichtung oder vor Ort haben.         Insgesamt scheint die Nachfrage an manchen
Die einzelnen Akteurinnen und Akteure an den          Modellstandorten zu steigen, je etablierter das
Standorten stehen in gutem Kontakt und regel­         Angebot der erweiterten Zeiten ist:
mäßigem Austausch mit den Familien. So sind sie
über deren Bedarf hinsichtlich der Qualität der       „Die Erfahrungen zeigen, dass es eine Weile
Betreuung und auch der notwendigen Zeiten               dauert, bis das Angebot genutzt wird, bis sich
informiert. Ebenso wird recherchiert, welche            Eltern trauen, ihre Netzwerke dafür aufzugeben
Arbeitsbedingungen bei Unternehmen vor Ort              und sich die Abläufe unter den Beteiligten
herrschen. Darauf reagieren sie dann mit ihrem          eingespielt haben.“ (Kooperationspartnerin)
„KitaPlus“-Betreuungsangebot. Als Gründe für
diese Bedarfe werden beispielsweise Berufe wie        An manchen Standorten allerdings nimmt die
Gastronomie, Tourismus, Krankenpflege, Polizei        Nutzung wieder ab, äußern einzelne Modellvor­
etc. genannt. Darüber hinaus spielen insbesondere     haben in den Abschlussgesprächen. Als Gründe
in ländlichen Regionen die langen Fahrtwege zur       führen sie zum Beispiel an, dass die Kinder, deren
Arbeitsstelle eine wichtige Rolle für die Auswei­     Familien diese Öffnungszeiten benötigten, nun
tung von Öffnungszeiten.                              in die Schule gewechselt sind. Manche vermuten
                                                      auch, dass die unsichere Weiterführung des
„Der Bedarf ist wirklich da. Die Eltern warteten     Angebots über die Laufzeit des Bundesprogramms
  nur darauf und kommen jetzt wieder. Mir kom­        hinaus die Eltern verunsichert und die Familien
  men die Namen einiger Eltern, die jetzt nach        deshalb andere Modelle der Kinderbetreuung in
  Plätzen anfragen, bekannt vor. Leider sind wir      Anspruch nehmen.
  nun an beiden Standorten voll belegt. Mehr als
  zehn Kinder können nicht zeitgleich in der          Eine weitere Erkenntnis aus den Fallstudien ist,
  Großtagespflege betreut werden. Diese Zahl ist      dass auch die Unternehmen, mit denen im Bun­
  erreicht.“ (Mitarbeiterin des Jugendamtes)          desprogramm kooperiert wird, einen Bedarf nach
                                                      erweiterten Öffnungszeiten für die Kinder ihrer
Geht das erweiterte Angebot auf die Initiative des    Mitarbeitenden haben. Sie profitieren von erwei­
Jugendamtes oder des Landkreises zurück, ist hier     terten Öffnungszeiten und sehen das Angebot von
oft die Schaltstelle für die Erkundung des Bedarfs    Betreuungsplätzen mit erweiterten Zeiten in
angesiedelt. So berichten Mitarbeitende in Jugend­    Kindertagestätten oder der Kindertagespflege als
ämtern davon, wie ihnen der Bedarf von Eltern in      Standortvorteil.
der Vergangenheit immer wieder gemeldet wurde.
Sie führen aus, dass sie deshalb von der Notwen­      An allen untersuchten Standorten wurde deutlich,
digkeit der bedarfsgerechten Öffnungszeiten           dass die Bedarfsanalyse kontinuierlich weiterläuft,
überzeugt sind. In einer Kom­mune wird an einer       die Verantwortlichen sich darüber Gedanken
Befragung der Eltern in der Region gearbeitet, um     machen und mit verschiedenen Akteurinnen und
die Bedarfe systematisch zu erheben. An einem         Akteuren im Gespräch sind.

                                                                                                        11
2 Bedarf von Familien nach erweiterten ­Öffnungszeiten anerkennen und Vertrauen schaffen

2.3 Vereinbarkeit von                                  „Ich habe keine Lust mehr zu Hause zu bleiben.
                                                         Also brauch ich einen Job und die einzigen
­Familie und Beruf unter-                                Jobangebote, die ich gekriegt habe, haben
stützen                                                  Samstagsarbeit gefordert. […] Ich war extrem
                                                         glücklich, diesen Platz zu kriegen. Es war einfach
                                                         das perfekte Match für das, was ich gebraucht
„Ich könnte meinen Job, den ich mit Leib und            habe, weil ich Samstag eine Betreuung brauchte.“
  Seele mache, gar nicht ausüben. Das könnte ich         (Mutter)
  gar nicht machen. In der Umgebung gibt es
  nichts, was näherliegt, wo ich eine Vollzeitstelle   Eltern erhalten zum Teil positives Feedback mit
  ausüben könnte und das gleiche Geld verdienen        viel Verständnis über ihre sozialen Netzwerke.
  würde.“ (Mutter)                                     Jedoch berichten Eltern immer wieder auch von
                                                       negativen Rückmeldungen zu ihrer Lebenssitua­
Durch die erweiterten Öffnungszeiten ergeben           tion. Sie werden nicht verstanden und ihre
sich insgesamt mehr Gestaltungsspielräume für          (mögliche) Nutzung der erweiterten Zeiten negativ
Eltern und ihre Kinder, wenn sich die Betreuungs­      kommentiert:
zeit in Kindertageseinrichtung oder Kindertages­
pflege an den Bedarfen der Familien orientiert.        „Entweder ich arbeite nicht und werde als
Familien können so ein Modell leben, dass ihrer          Hartz IV-Empfänger abgestempelt oder ich
Lebenssituation entspricht. Auch das Umfeld der          arbeite und bin dann eine Rabenmutter.“ (Mutter)
Familien wird entlastet, wenn die Betreuung
durch die Kindertageseinrichtung gesichert ist.        Dies führt bei manchen Eltern zu einem schlech­
                                                       ten Gewissen oder verstärkt dieses. Die Kinderta­
„Das heißt natürlich für uns qualitativ mehr Zeit.    geseinrichtungen und Kindertagespflege stehen
  Weil ich nachmittags zu Hause bin.“ (Mutter)         vor der Herausforderung, die Anliegen der Eltern
                                                       wahrzunehmen, anzuerkennen und gemeinsam
Neben dem Gewinn an gemeinsamer Familienzeit           nach einer für die jeweilige Familie passende
ermöglichen die erweiterten Zeiten auch eine           Betreuungslösung zu suchen. Auch wenn diese
Veränderung der Erwerbssituation. Für Eltern sind      gefunden ist und die erweiterten Öffnungszeiten
die bedarfsgerechten Öffnungszeiten zum Teil           genutzt werden, benötigen Eltern weiterhin
unverzichtbar, um beispielsweise überhaupt eine        Unterstützung und Bestärkung. Sie müssen
Arbeit aufnehmen zu können. Die erweiterten            Vertrauen in das Angebot und ihre Entscheidung
Öffnungszeiten der Modellstandorte ermöglichen         aufbauen und erfahren, wie es ihren Kindern
es Eltern, Arbeit in Schichtdiensten, am Wochen­       dabei geht (vgl. Kapitel 4). Pädagoginnen und
ende, in Vollzeit auszuüben oder sich beruflich        Pädagogen stärken die Eltern durch Informatio­
weiter zu qualifizieren. Eltern, die die erweiterten   nen und Beratungen. Durch das Kennenlernen,
Öffnungszeiten für ihre Kinder nutzen, beschrei­       die gemeinsame Überlegung und Erprobung
ben, dass sie weniger Zeitdruck und Nöte haben,        trauen sich die Eltern, die erweiterten Zeiten in
eine gute Betreuung ihrer Kinder zu organisieren       Anspruch zu nehmen.
und sicherzustellen. Sie gewinnen an beruflicher
Flexibilität.                                          In einer Fallstudie wird berichtet, dass beispiels­
                                                       weise in einem Vortrag die Länge der Arbeitszeiten
                                                       im historischen Kontext den Eltern zugänglich

12
2 Bedarf von Familien nach erweiterten ­Öffnungszeiten anerkennen und Vertrauen schaffen

gemacht wurde. Nach Einschätzung der Leitung           „Und auch, dass wir ihn später bringen können.
gelingt es auf diese Weise, das Gewissen der Eltern      […] Das ist auch Luxus, dann den Vormittag mit
damit zu beruhigen, dass beispielsweise Arbeits­         den Kindern zu haben.“ (Vater)
zeiten bis 16 Uhr (auch unter historischer Pers­
pektive) die Ausnahme sind und es für Kinder           So zeigt sich in den Fallstudien, dass Gleitzeiten
besser sein kann, wenn ihre Eltern arbeiten und        für die Ankunft der Kinder die Familien entlasten.
finanziell für sie sorgen können.                      Die Kinder kommen zu unterschiedlichen Zeiten
                                                       in der Einrichtung an und werden bei Ankunft
                                                       in den Alltag eingebunden. Unabhängig von den
2.4 Familiären Alltags-                                Anwesenheitszeiten werden die gleichen Bil­
                                                       dungsangebote bereitgestellt. Dabei haben die
stress mindern                                         Einrichtungen verschiedene Modelle entwickelt,
                                                       die den Kindern die Ankunft und Übergänge gut
„Jetzt stehen wir alle gemeinsam auf, gehen           ermöglichen (vergleiche Kap. 4.2). Neben indivi­
  gemeinsam aus dem Haus. […] Und das hat uns          duellen Begleitungen und Ritualen gibt es zum
  wirklich sehr viel Stress genommen, was ich          Beispiel auch Nachmittagsgruppen, in denen alle
  vorher nicht vermutet hätte.“ (Mutter)               Kinder ankommen, die zu späteren Zeiten betreut
                                                       werden. Durch flexible Regelungen können die
Eltern, die die erweiterten Zeiten nutzen, beschrei­   Pädagoginnen und Pädagogen den Eltern und
ben vielfach eine starke Entlastung, wenn sie beim     ihren Flexibilisierungsbedarfen entgegenkommen.
Bringen und Holen nicht pünktlich in der Kita
sein müssen. Eltern brauchen beispielsweise auch       Die erweiterten Zeiten haben auch den Vorteil,
kein schlechtes Gewissen haben oder in Stress          dass die Kinder ihre Betreuung an einem Ort
geraten, wenn sie sich verspäten, da dies dank der     vorfinden und im Laufe eines Tages nicht mehr­
Regelungen der Kita nicht zu Lasten der einzelnen      fach den Betreuungsort und die Betreuungsper­
Pädagogin oder des Pädagogen geht.                     sonen wechseln müssen. Dies bedeutet für die
                                                       Kinder weit weniger Stress, als wenn sie vor oder
„Wenn ich im Stau stehe, ist es gut zu wissen, dass   nach der Betreuung in der Kindertageseinrichtung
  die Kita länger geöffnet hat. Das ist einfach        oder Kindertagespflege noch zu einem Babysitter
  weniger Stress.“ (Vater)                             oder, wie im folgenden Zitat erkennbar, vor der
                                                       Großpflegestelle noch zur Oma gebracht werden
Kurzfristige, kleinere Änderungen und Verzöge­         müssen:
rungen im Alltag der Eltern gehören häufig zur
Lebenswirklichkeit der Familien. Eine flexible         „Frühschicht: mein Kind ist manchmal noch
Betreuung, die darauf reagieren kann, entlastet          müde, wird aber von den Tagesmüttern liebevoll
die Eltern und mindert den Organisationsstress.          versorgt! Gäbe es das Angebot nicht, müsste ich
                                                         es trotzdem wecken, dann allerdings erst zur
„Wir haben eine wahnsinnige Flexibilität gewon­         Oma und später [zur Kindertagespflege]: Mehr
 nen. Für mich gehört das auch zur Qualität einer        Stress für das Kind.“ (Mutter)
 Kita. Ich bin überzeugt, dass das die Zukunft von
 Kita ist, dass sich die Betreuungszeiten mehr den
 Arbeitszeiten der Eltern anpassen.“ (Vater)

                                                                                                          13
2 Bedarf von Familien nach erweiterten ­Öffnungszeiten anerkennen und Vertrauen schaffen

Zur Unterstützung der Familien durch die Kinder­        wieder über die Einführung der bedarfsgerechten
tagesbetreuung werden an manchen Modell­                Öffnungszeiten.
standorten auch die Geschwisterkinder, die unter
Umständen andere Institutionen besuchen,                Eine Kita mit Übernachtbetreuung ist besonders
selbstverständlich mitbetreut. So geht ein Schul­       aktiv in ihrer Öffentlichkeitsarbeit. Dabei adres­
kind nach dem Hort für eine Weile in die Kinder­        siert sie sowohl die Fachöffentlichkeit der Kom­
tageseinrichtung seines Bruders, wo sie dann            mune als auch eine breite Öffentlichkeit. Im Laufe
gemeinsam abgeholt werden. Die Akteurinnen              der Programmlaufzeit stellen die Pädagoginnen
und Akteure wissen, dass die Entlastung nur             und Pädagogen ihr pädagogisches Konzept für die
dann gewährleistet ist, wenn die flexible Nutzung       erweiterten Öffnungszeiten in unterschiedlichen
für alle Kinder einer Familie möglich ist.              Gremien im Landkreis, in der Kommunalpolitik
                                                        und auch in Fortbildungen und anderen Fachver­
                                                        anstaltungen vor. Dabei kommt es nach Ansicht
2.5 Angebot bekannt                                     der Pädagoginnen und Pädagogen vor allem
                                                        darauf an zu beschreiben, was die Kinder in den
machen und in der                                       erweiterten Zeiten erleben und was genau in den
Ö
­ ffentlichkeit vertreten                               erweiterten Zeiten passiert. Dazu gehört auch, die
                                                        Regelungen zur Aufenthaltsdauer der Kinder je
                                                        nach Bundesland darzustellen und zu betonen,
„Um „KitaPlus“ bekannt zu machen, haben wir            dass bei der Nutzung der erweiterten Zeiten das
  eigentlich nur das, was schon vorhanden war,          Kindeswohl im Vordergrund steht. An anderen
  genutzt und haben „KitaPlus“ in das bestehende        Standorten geht es in der Öffentlichkeitsarbeit in
  gute System der Kooperation integriert. „Kita­        erster Linie darum zu verdeutlichen, dass erwei­
  Plus“ war wie ein neuer anderer Baustein, der         terte Öffnungszeiten nicht mit längeren Betreu­
  sich gut integrieren ließ.“ (Kooperationspartnerin)   ungszeiten gleichzusetzen sind, sondern vor allem
                                                        flexible Zeiten gefordert sind. Diese Diskussion
Die Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner          tragen die Akteurinnen und Akteure in zwei
wählen unterschiedliche Wege, um das Angebot            Standorten der Fallstudien auch in den politi­
der bedarfsgerechten Öffnungszeiten bekannt zu          schen Diskurs hinein. Konkret unterstützen die
machen. Kindertageseinrichtungen und Kinder­            verschiedenen Kooperationspartnerinnen und
tagespflege nutzen ihre Homepages, schreiben            Kooperationspartner die Öffentlichkeitsarbeit
Elternbriefe und bieten Elternabende zum Thema          für die Modellvorhaben, indem sie in ihren
an. Auch machen sie auf das Angebot in Aufnah­          Netzwerken davon berichten, Eltern informieren
megesprächen mit neuen Familien aufmerksam.             und für andere interessierte Landkreise oder
Ebenso nehmen die Akteurinnen und Akteure               Unternehmen ihre Erfahrungen darstellen. Auch
Kontakt mit Unternehmen vor Ort auf und nutzen          die Modelleinrichtungen werden angesprochen
die bereits vorhandenen Netzwerke. Auch Zeitun­         und beschreiben ihre Erfahrungen und die
gen berichten an einigen Standorten immer               Entwicklungen in den erweiterten Zeiten.

14
2 Bedarf von Familien nach erweiterten ­Öffnungszeiten anerkennen und Vertrauen schaffen

2.6 Vertrauen in das                                    wertige und individuelle Bildungsangebote
                                                        erleben (vgl. Kapitel 4). Dies wird auch für die
­bedarfsgerechte Angebot                                Eltern auf vielfältige Weise sichtbar, am stärksten
schaffen                                                durch die Aussagen der Kinder oder durch eigene
                                                        Beobachtungen in der Einrichtung.

„Was ich dann eben ganz toll fand, das waren die      „Die [Kinder] fragen schon, wann sie das nächste
 Berichte […]. Am Nachmittag, wenn ich sie abge­          Mal wieder länger hier sind. Die genießen das
 holt habe […] und die Rückmeldung bekommen               auch. Vor allem der Kleine, der findet das toll,
 habe: Das ist super gelaufen. Sie hat kurz geku­         auch mit den Großen den Spätdienst zu machen.“
 schelt, dann hat sie sich an den Tisch gesetzt. Das      (Vater)
 ist für mich ein ganz tolles Gefühl gewesen, nach­
 vollziehen zu können: Was ist da früh gelaufen?        „Ich bewundere immer alle Kräfte, die dann
 Es wird eben alles offen kommuniziert.“ (Mutter)         immer noch die Nerven haben, immer fröhlich
                                                          und gut gelaunt zu sein. Man kommt ja auch
Da die erweiterten Zeiten für die Eltern neu sind,        immer überraschend um die Ecke, es kann ja
stellen sie sich viele Fragen, sind unsicher oder         auch keiner was spielen, man bekommt immer
haben Vorbehalte. Die Pädagoginnen und Pädago­            den echten Moment mit und es war immer gute
gen begegnen dem mit Transparenz. Sie doku­               Stimmung.“ (Mutter)
mentieren die gemeinsame Zeit, berichten den
Eltern vom Tag und erklären ihnen die Abläufe           Wie die Fallstudien belegen, ist den Eltern auch
und Handlungen und ermöglichen ihnen Teilhabe           die gute Verpflegung der Kinder in der Kinder­
(s. hierzu auch Kapitel 3.5). Die Fallstudien zeigen:   tageseinrichtung oder Kindertagespflege sehr
Pädagoginnen und Pädagogen finden dabei viel­           wichtig. Eine Mutter berichtet zum Beispiel,
fältige Wege. Sie laden Eltern zu Infoabenden und       entlastet zu sein, da sie sich „nicht den Kopf
Hospitationen ein, bieten ihnen Fortbildungs­           darüber zerbrechen muss“ wie sie eine gesunde
angebote zu pädagogischen Themen an oder                Ernährung für ihren Sohn gewährleistet, sondern
vermitteln diese. Auch gibt es regelmäßige (Auf­        „weiß, dass er gut versorgt ist“ (Mutter). Auch
nahme-)Gespräche mit Eltern, Flyer, Elternbriefe,       andere Eltern äußern, dass die Einrichtung durch
Kita-Zeitungen bzw. Eltern-Kuriere oder im              das vielfältige Verpflegungsangebot die ausgewo­
Bundesprogramm „KitaPlus“ etablierte Elternver­         gene Ernährung der Kinder erleichtert. Sie
anstaltungen am Wochenende. Pädagoginnen und            berichten, wie ihnen diese Mahlzeiten in der
Pädagogen bestärken und beraten Eltern und              Kindertagesbetreuung den zeitlichen Druck zum
helfen ihnen so, Vorbehalte abzulegen. Neben der        Beispiel bei der Abendgestaltung mindert. Sie
Kommunikation mit den Eltern regen die Pädago­          brauchen sich dann nicht so zu beeilen und zu
ginnen und Pädagogen in den Fallstudien auch die        Hause schnell etwas zubereiten. So können sie
Kommunikation der Eltern untereinander an,              entspannter einen gemeinsamen Abend verbrin­
indem sie zum Beispiel ein Elterncafé veranstal­        gen. Der Einbezug der Eltern und die gegenseitige
ten. Dort sorgen sie für eine familiäre Atmosphäre      Trans­parenz ermöglichen eine optimale Versor­
und stehen den Kindern und Eltern offen und             gungsplanung. An den Modellstandorten werden
zugewandt zur Verfügung.                                die Essenssituationen dabei immer so gestaltet,
                                                        dass die Kinder in Ruhe und gemeinsam mit ande­
In den Fallstudien wird aufgezeigt, dass Kinder         ren Kindern, den Pädagoginnen und Pädagogen
(auch) in den erweiterten Zeiten qualitativ hoch­       oder auch den Eltern essen können.

                                                                                                         15
2 Bedarf von Familien nach erweiterten ­Öffnungszeiten anerkennen und Vertrauen schaffen

2.7 Kontakt- und                                      „Man bekommt immer Antworten, das ist sehr
                                                        hilfreich.“ (Mutter)
­Beratungsangebote für
E
­ ltern schaffen                                      Neben der Unterstützung der Eltern nutzen die
                                                      Pädagoginnen und Pädagogen die vertrauensvolle
                                                      Beziehung zu den Eltern, um mit ihnen das Wohl
„Es kommt vor allem drauf an, dass wir mit den       der Kinder gemeinsam im Blick zu behalten.
  Eltern in gutem Kontakt sind.“ (Kitaleitung)        Pädagoginnen und Pädagogen beschreiben in den
                                                      Fallstudien, wie sie aktiv auf die Eltern zugehen,
Durch die gemeinsamen Absprachen und Planun­          um sie zu stärken und gemeinsam zu überlegen,
gen der Betreuungszeit kennen die Pädagoginnen        welches Betreuungsangebot für das jeweilige Kind
und Pädagogen die Lebenssituation der Familien        angemessen ist.
meist gut. So können sie gemeinsam individuelle
Betreuungslösungen erarbeiten und einen regel­        „Bei Kitas ohne Schließzeiten ist es gegeben, dass
mäßigen Austausch etablieren. Niedrigschwellige         die Kinder auch ab und zu raus sind. Hier habe
Kontaktmöglichkeiten, zum Beispiel via Smart­           ich das Gefühl, dass es für Eltern nicht unbedingt
phone empfinden die Eltern als hilfreich, um            selbstverständlich ist, dass Kinder auch mal
beispielsweise bei der Übernachtbetreuung               Urlaub machen. Da muss man dann auch daran
nochmal zurückzumelden, dass das Kind gut               erinnern. Auch was Nächte und Wochenenden
schläft. Durch den vertrauensvollen und profes­         angeht. Und da muss man dann schon sensibel
sionellen Kontakt zu den Pädagoginnen und               sein, indem man sie darauf hinweist: Hör mal,
Pädagogen werden Eltern häufig auf weitere,             dein Kind hatte ein Wochenende Arbeit sozusa­
beratende Angebote aufmerksam und nutzen                gen, es braucht auch einen Ausgleich, genau wie
diese.                                                  du.“ (Pädagogin)

„Die Elternberatung ist sehr gut. Ich erfahre        In den Fallstudien wird deutlich, dass die erweiter­
  schnell, wenn es bei meinem Kind Auffälligkeiten    ten Zeiten das Potenzial bieten, den Alltag der
  gibt, positive wie negative.“ (Vater)               Pädagogen und Pädagoginnen in Kindertagesein­
                                                      richtungen oder Kindertagespflege zu entzerren.
Die Fallstudien zeigen, dass Angebote zur Bera­       So wurde es möglich, Entwicklungsgespräche oder
tung von den Familien stark in Anspruch genom­        Eingewöhnungen und Beratungen an manchen
men und nachgefragt werden. In einigen Einrich­       Standorten auch an Samstagen oder zu späteren
tungen haben die Pädagoginnen und Pädagogen           Tageszeiten anzubieten. Durch die Möglichkeit,
deshalb Aus- und Weiterbildungen für die Bera­        flexiblere Termine anbieten zu können, sind Eltern
tung von Familien absolviert. Zum Teil wurden         zum Teil erstmals in der Lage, an diesen Angebo­
(zusätzlich) Sprechzeiten für eine offene Beratung    ten gemeinsam teilzunehmen.
geschaffen. In anderen Einrichtungen wurden
Gelegenheiten für das gemeinsame Verweilen und        „Wir dachten immer: Die Väter wollen sowieso
den Austausch in der Einrichtung eröffnet: Kaffee       nicht. Jetzt stellen wir fest: Die wollen, sie hatten
und Tee für die Eltern, gemeinsame Beobach­             nur nicht die Möglichkeit.“ (Pädagogin)
tungs- oder Spielzeiten oder Beratungsangebote
zu anderen Zeiten, zum Beispiel am Abend und
am Wochenende.

16
3              Bedarfsgerechte Öffnungszeiten
                  organisieren

Die Fallstudien zeigen, dass auf dem Weg zu          Sicht der Kinder, Eltern und Pädagoginnen und
erweiterten Öffnungszeiten die Organisation ein      Pädagogen einbezogen werden.
zentraler Baustein ist. Denn je nach Erweiterungs­
dauer müssen Dienstpläne völlig neu entwickelt       Erweiterte Öffnungszeiten in Kindertageseinrich­
werden, Abstimmungsprozesse mit Eltern oder          tungen und Kindertagespflege gelingen, wenn die
Unternehmen zu möglichen Betreuungszeiten            Verantwortlichen
sind teilweise notwendig.
                                                     •• die Work-Life-Balance von Pädagoginnen und
Insbesondere bei der Einführung der erweiterten         Pädagogen im Blick behalten,
Öffnungszeiten ist es wichtig, die Mitarbeitenden    •• Dienstpläne partizipativ erstellen,
mit einzubeziehen. Die Pädagoginnen und Päda­        •• neue Pädagoginnen und Pädagogen einbinden,
gogen tragen das Konzept mit, wenn auch ihre         •• an Erfahrungen anknüpfen,
Lebensbedingungen berücksichtigt werden und          •• Übergabe durch Dokumentation unterstützen,
sie mitentscheiden können, zu welchen Schichten      •• das pädagogische Konzept im Dialog weiter­
sie arbeiten. An vielen Modellstandorten berichten      entwickeln,
die Pädagoginnen und Pädagogen von anfängli­         •• bedarfsgerechte Öffnungszeiten auf die
chen Vorbehalten oder Sorgen zum Beispiel darü­         pädagogische Konzeption beziehen.
ber, wie häufig Spät-, Früh- oder Nachtdienste zu
leisten sind. Diese konnten sich in der Umsetzung
überwiegend auflösen. Gleichzeitig kommen die        3.1 Work-Life-­Balance von
anderen Öffnungszeiten einigen Pädagoginnen
und Pädagogen entgegen, zum Beispiel wenn sie
                                                     Pädagoginnen und Pädago-
studieren.                                           gen im Blick behalten
Die Pädagoginnen und Pädagogen knüpfen bei
der Einführung und Umsetzung an Erfahrungen          „Ich bin eher eine Langschläferin, und gehe da
aus bereits durchlaufenen Veränderungsprozessen        eher entspannt ran. Durch das Rotieren in der
an. Ebenso liegt ein Augenmerk darauf, neue            Gruppe, und der spätere Beginn einiger Kollegen
Mitarbeitende in der Entwicklung miteinzubin­          in der Gruppe müssen wir uns neu sortieren und
den. Dabei gilt es, die bestehende pädagogische        der Tagesablauf ändert sich dadurch. Aber das ist
Konzeption als Grundlage zu nehmen und ent­            jetzt so eine Findungsphase, wo wir schauen
sprechend auf die erweiterten Öffnungszeiten zu        müssen, wie wir das organisieren könnten.“
beziehen. Dies gelingt, wenn alle Beteiligten die      (Pädagogin)
erweiterten Zeiten im Dialog entwickeln und die

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3 Bedarfsgerechte Öffnungszeiten organisieren

Die Perspektiven von Pädagoginnen und Pädago­        Öffnungszeiten dezidiert auf die Lebenslagen der
gen auf das Bundesprogramm „KitaPlus“ sind sehr      Pädagoginnen und Pädagogen eingegangen wird.
vielschichtig und verändern sich im Verlauf des      In zahlreichen Kindertageseinrichtungen gelingt
Bundesprogramms. In Fokusgruppen und situati­        die Abdeckung der Dienste erweiterter Zeiten am
ven Gesprächen berichten Pädagoginnen und            Morgen, am Abend, am Wochenende oder der
Pädagogen von positiven Veränderungen, die sich      Nacht über Freiwillige des Kernteams. Dafür
im Programmverlauf für sie ergeben haben:            wurde zuvor innerhalb der Teams besprochen, für
                                                     wen eine Tätigkeit während der neuen „Kita­
•• Eine befragte Pädagogin hebt hervor, dass sie     Plus“-Zeiten mit der derzeitigen Lebenssituation
   aufgrund von „KitaPlus“ nun gemeinsam mit         zu vereinbaren ist. In einem Fall beteiligt sich
   ihrem schulpflichtigen Kind in den Tag starten    beispielsweise eine Pädagogin an der Erweiterung
   kann,                                             am Tag, jedoch übernimmt sie keine Nachtdienste,
                                                     da sie sich während der Nacht um ihren kranken
•• eine andere Pädagogin genießt die freien          Vater kümmern muss. An anderen Modellstand­
   Nachmittage mit ihrem Kind,                       orten wird darauf geachtet, dass Pädagoginnen
                                                     und Pädagogen, die selbst Kinder haben, zu für sie
•• für eine kinderlose Pädagogin passt insbeson­     passenden Zeiten arbeiten. Als weitere Variante
   dere die Arbeit am Abend gut zu ihrer derzeiti­   werden Pädagoginnen und Pädagogen, denen es
   gen Lebenssituation                               schwerfällt, sehr früh auszustehen, bevorzugt für
                                                     den Spätdienst eingeteilt. Leitungskräfte in den
•• und eine Pädagogin, die studiert, nutzt die       Kindertageseinrichtungen der Fallstudien mode­
   freien Morgenstunden zur Teilnahme an             rieren diesen Aushandlungsprozess und haben
   Seminaren und Vorlesungen.                        sensibel die Bedingungen der Mitarbeitenden im
                                                     Blick.
Ebenso erkennen Pädagoginnen und Pädagogen
die neuen Optionen als positiv, weil sie zum Bei­    Wird den Teammitgliedern die Möglichkeit gebo­
spiel durch einen erhöhten Stellenumfang oder        ten, ihre Anliegen oder Sorgen offen zu äußern,
Wochenend- und Nachtzuschläge das eigene             beispielsweise durch Formen kollegialen Aus­
Einkommen erhöhen. Auch die Möglichkeiten,           tauschs wie Supervision, Coaching oder Teamsit­
den Nachmittag für private Termine, Sport und        zungen (s. Kapitel 3.6), fördert dies die Akzeptanz
Freizeit zu nutzen oder den arbeitsfreien frühen     erweiterter Zeiten unter den Pädagoginnen und
Morgen bzw. Vormittag für Arzttermine und            Pädagogen. Zusätzlich sollten die Anliegen auch
Behördengänge wahrzunehmen, werden in den            bei der Dienstplangestaltung berücksichtigt
Fallstudien als Gewinn gesehen.                      werden (s. Kapitel 3.2).

Diese persönlichen Vorteile waren indes den          In der Kindertagespflege legen die Kindertages­
Pädagoginnen und Pädagogen im Vorfeld bzw. zu        pflegepersonen die Betreuungszeiten in enger
Beginn des Bundesprogramms „KitaPlus“ nicht          Abstimmung mit den Eltern fest. In den Fallstu­
immer offensichtlich. Beispielsweise wurde zuvor     dien zeigt sich, dass die Kindertagespflegeperso­
die Frage geäußert, wie Familienleben und Frei­      nen die Arbeit in den erweiterten Zeiten schätzen.
zeitgestaltung unter den neuen Arbeitsbedingun­      Gründe hierfür sind unter anderem ein finanziel­
gen gut zu organisieren seien.                       ler Bonus für die Arbeit in den neuen Zeiten und
                                                     die Möglichkeit, private Termine in die Morgen-
In den Fallstudien wird deutlich, dass es gelingen   bzw. Abendstunden zu legen. Im Sinne der Selbst­
kann, der Skepsis von Pädagoginnen und Pädago­       fürsorge müssen sie ihre eigene Work-Life-Balan­
gen mit Blick auf das eigene Privatleben zu begeg­   ce gut im Blick behalten und im Zusammenspiel
nen und ihre Akzeptanz für bedarfsgerechte           mit den Familien und deren Arbeitgebern sensibel
Öffnungszeiten in der Kindertagesbetreuung zu        austarieren. Das folgende Beispiel eines Modell­
erhöhen. Möglich wird dies insbesondere dann,        standortes verdeutlicht, wie Kindertagespflegeper­
wenn bei der Implementierung erweiterter             sonen Grenzen setzen müssen, um sich selbst, aber
                                                     auch Eltern zu schützen.

18
3 Bedarfsgerechte Öffnungszeiten organisieren

  BEISPIEL
  Eine im Einzelhandel arbeitende Mutter wird         In den Fallstudien verweisen die Gesprächspart­
  seit der Inanspruchnahme des Übernach­              nerinnen und Gesprächspartner darauf, dass die
  tungsangebots regelmäßig kurzfristig als            Erweiterung der Öffnungszeiten insbesondere
  Wochenendvertretung für krankgeschriebene           dann erfolgreich realisiert werden kann, wenn
  Mitarbeitende aus anderen Filialen in der           das Wohl und die Zufriedenheit der angestellten
  Region eingeteilt. Diese Praxis ist für die         Pädagoginnen und Pädagogen bei der Dienstplan­
  Mutter belastend und hat bedeutende Konse­          gestaltung im Blick behalten wird. Entsprechend
  quenzen für die Kindertagespflegeperson: Sie        wird darauf verwiesen, dass bei der Gestaltung
  fühlt sich der Mutter verpflichtet und über­        des Dienstplans auf Ressourcen, Vorlieben und
  nimmt ebenso kurzfristig die Betreuung.             ­Bedürfnisse im Team zu achten ist. Die bisherigen
  Allerdings wird dadurch die Work-Live-Balan­         Erfahrungen aus den Modellstandorten zeigen,
  ce der Kindertagespflegeperson stark strapa­         dass dies durchaus gelingen kann.
  ziert. Als Reaktion hierauf grenzt die Kinder­
  tagespflege ihr Betreuungsangebot ein, indem
  beispielsweise die Anzahl an Wochenenden im           BEISPIEL
  Monat für eine Übernacht- und Tagesbetreu­            An einigen Modellstandorten haben Päda­
  ung festgelegt wird. Die Mutter signalisiert          goginnen und Pädagogen sehr schnell be­
  ihrem Arbeitgeber gegenüber nun, dass sie             merkt, dass es die Kinder ihrer Einrichtung
  durch das (nunmehr eingeschränkte) Angebot            besser finden, wenn die morgendliche bzw.
  nicht frei verfügbar ist. Als positives Ergebnis      abendliche „KitaPlus“-Betreuung nicht, wie
  zeigt sich, dass die Mutter nun nicht mehr            teilweise in der „KitaPlus“-Anfangszeit
  übermäßig als Vertretung eingeteilt wird. Für         geplant, täglich wechselt. Die Pädagoginnen
  die Kindertagespflegeperson ergibt sich               und Pädagogen beobachteten, dass die Kinder
  hierdurch die Möglichkeit einer größeren              einen Wunsch nach Betreuungskontinuität
  Planbarkeit bzw. Regelmäßigkeit in der                in der Erweiterung haben. Diese Beobachtung
  pädagogischen Praxis und der Vereinbarkeit            hatte zur Konsequenz, dass sich die Dienst­
  mit dem eigenen Familienleben.                        plangestaltung änderte und Pädagoginnen
                                                        und Pädagogen nun über einen längeren
                                                        Zeitraum in der „KitaPlus“-Erweiterung, bei­
                                                        spielsweise für eine gesamte Woche arbeiten.
3.2 Dienstpläne partizi­                                Exemplarisch wird hier deutlich, dass Päda­
                                                        goginnen und Pädagogen bei der Realisierung
pativ erstellen                                         von „KitaPlus“ darauf achten, wie es den
                                                        Kindern geht. Davon abhängig gestalten sie
„Für mich ist hier das wichtige Schlüsselwort:         Abläufe und Strukturen neu.
  Dienstplan. Denn jede Kollegin hat hier einen
  anderen Stundenumfang und es ist die Aufgabe
  unserer Leitung, das zu durchdenken und             Beispiele anderer Modellstandorte zeigen aber
  sinn­volle Dienstzeiten festzulegen.“ (Pädagogin)   auch, dass Kinder diese Form personeller Konti­
                                                      nuität nicht unbedingt benötigen, da sie die in
Die Gestaltung der Dienstpläne stellt eine beson­     der Einrichtung tätigen Pädagoginnen und
ders komplexe Herausforderung für Kindertages­        Pädagogen aufgrund eines offenen Arbeitsprinzips
einrichtungen dar. Vor allem, weil es im Praxisbe­    gut kennen und mit dem Wechsel zufrieden sind.
trieb mit der Implementierung von „KitaPlus“ oft
zur Einführung eines (Mehr-)Schichtsystems und        Aus der Perspektive der Eltern ist besonders
teilweise zu Wochenend- sowie Nachtarbeit             bedeutsam, dass die Kindertageseinrichtungen
kommt.                                                oder Kindertagespflegepersonen flexibel sind und

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3 Bedarfsgerechte Öffnungszeiten organisieren

auch kurzfristige Änderungen der Nutzungsdauer       Als wir das ausgerechnet hatten, dann hörte
ermöglichen.                                         es sich auch gar nicht mehr so schlimm an.“
                                                     ­(Pädagogin)
„Ich hatte es auch schon das ein oder andere Mal,
  dass sich meine Schicht geändert hat von Freitag   An vielen Modellstandorten herrscht das Rota­
  zu Montag und ich dann herkommen musste und        tionsprinzip in der Erweiterung an Werktagen.
  gesagt habe, dass ich für Montagnacht eine Be­     Dabei übernehmen Pädagoginnen und Pädagogen
  treuung brauche. Das ging schnell, zwei Stunden    im wöchentlichen Wechsel beispielsweise den
  später war es erledigt. (…) Ich fand das richtig   Früh- bzw. den Spätdienst. Je nach Gesetzeslage in
  klasse.“ (Mutter)                                  den Bundesländern erfolgt die Betreuung in den
                                                     erweiterten Zeiten durch eine pädagogische
„Ich habe von denen auch schon oft gehört: Sagen    Fachkraft, andernorts mindestens durch zwei
  Sie nur Bescheid! Und auch wenn sich kurzfristig   Pädagoginnen und Pädagogen. An letzteren
  was ändert, dann kriegen wir das auch hin. Also    Modellstandorten ist meist eine Person zuständig
  die sind sehr flexibel.“ (Mutter)                  für die unmittelbare pädagogische Arbeit. Die
                                                     andere Person ist für Notfälle anwesend und nutzt
Notwendig wird eine flexible Nutzung erweiterter     die Zeit für mittelbare pädagogische Arbeit. An
Betreuungszeiten für Eltern beispielsweise dann,     einem Modellstandort wird die zweite Fachkraft
wenn sie wegen Krankheitsausfällen in ihrem          immer dann in der unmittelbaren pädagogischen
Betrieb einspringen müssen oder ungeplant            Arbeit aktiv, wenn ein Kind mit Behinderung für
Mehrarbeit auf sie zukommt. In der Modellpraxis      die erweiterten Zeiten angemeldet wird. Woche­
wird deutlich, dass aufgrund des oftmals nicht       nend- und Übernachtbetreuungen werden durch
planbaren Bedarfs und entsprechend spontaner         Bereitschaftsdienste sichergestellt und erfolgen,
Nutzung der Eltern die Dienstpläne häufig auch       wenn Kinder von ihren Eltern angemeldet
kurzfristig geändert werden müssen. An den           werden.
Modellstandorten zeigt sich, dass die Einrichtun­
gen auf den elterlichen Wunsch nach Flexibilität     Beim Thema „krankheitsbedingte Ausfälle“
angemessen reagieren. Etwa indem sie unter           betonen die in den Fallstudien befragten Personen
anderem frühzeitig einteilen, wer in welcher         eine hohe Kooperationsbereitschaft im Team als
Woche für den Früh- bzw. Spätdienst zuständig ist,   wichtigen Aspekt, um möglichst schnell zu
oder Bereitschaftsdienste für die Wochenend-         beidseitig akzeptablen Lösungen zu kommen.
bzw. Nacht­betreuung festlegen. Das bedeutet, ein    Eben solches kooperativ-kollegiale Verhalten
Teil des Teams steht in den entsprechenden Zeiten    macht die Umsetzung erweiterter Zeiten in der
für den Betreuungsdienst bereit und muss in den      Praxis häufig erst möglich. Ergänzend wird an
anderen Zeiten nicht damit rechnen, Dienst zu        manchen Modellstandorten für die erweiterten
haben.                                               Zeiten jeweils eine Vertretungskraft eingeteilt, die
                                                     für etwaige Ausfälle bereitsteht und telefonisch
Auf Seiten der Pädagoginnen und Pädagogen            erreichbar ist.
besteht das Bedürfnis nach Planungssicherheit
ihrer Arbeitszeiten. Entsprechend besteht der
Wunsch, dass der Dienstplan auch unter Bedin­        3.3 Neue Pädagoginnen
gungen bedarfsgerechter Öffnungszeiten langfris­
tig erstellt wird. Möglich wird das, indem Leitung
                                                     und Pädagogen einbinden
und Team verbindlich vorausplanen. Einige
Einrichtungen teilen etwa die Zeiten der Bereit­     „Es ist freiwillig, in den neuen Zeiten zu arbeiten
schaftsdienste für ein ganzes Kalenderjahr vorab       und die, die darin arbeiten, finden es gut.“
ein. Langfristige Planungen haben den Vorteil, die     (Pädagogin)
Akzeptanz erweiterter Zeiten im Team zu fördern.
                                                     An einigen Modellstandorten wurden neue
„Wir sind ja sehr viele und jeder ist alle zehn     pädagogische Fachkräfte eingestellt, die haupt­
  Wochen mit dem Spät- oder Frühdienst dran.         sächlich die erweiterten Zeiten abdecken sollten.

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