Wie las Jesus die "Bibel"?
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Wie las Jesus die „Bibel“? Einen Bericht über Jesus und die Bibel könnte man als provokativ empfinden. Gab es doch bis zu seiner Zeit lediglich die Schriften des Alten Testaments; das Neue Testament lag noch in weiter Ferne. Wirklich? In einem zeitlosen Plädoyer zeigt der englische Theologe John Stott, wie Jesus sowohl die Autorität des AT anerkannte als auch im Bewusstsein des kommenden NT lebte. Stott fordert die Christen von heute heraus, ihren Umgang mit der Bibel von dem Vorbild prägen zu lassen, das Jesus selbst gegeben hat. alttestamentlichen Schriften seine Das Alte Testament aus der Sicht messianische Rolle verstehen gelernt. Er Jesu wusste von sich selbst, dass er sowohl Jesajas leidender Gottesknecht als auch Es kann kein Zweifel daran bestehen – der Menschensohn des Daniel war. Damit wie jeder sorgfältige Leser der akzeptierte er, dass er nur auf der Evangelien bestätigen wird –‚ dass Jesus Strasse des Leids und des Todes in seine die Autorität des Alten Testaments Herrlichkeit einziehen konnte. Dies respektierte, denn er unterwarf sich erklärt jenes Gefühl der selbst dieser Autorität. Ich will drei Unvermeidlichkeit und des Zwanges, das Beispiele anführen, um dies näher zu ihn bedrängte: «Des Menschen Sohn erläutern. muss viel leiden und verworfen werden… und getötet werden und nach drei Tagen Erstens: Jesus unterwarf sich dem Alten auferstehen.» (Markus 8,31) Testament in seiner persönlichen Lebensführung. So begegnete er jeder Warum «muss»? Weil die Schrift es so Versuchung durch den Teufel mit einem sagte. Freiwillig und bewusst unterwarf treffenden Bibelzitat. Denn als ihm der er sich selbst der Autorität dessen, was Teufel alle Königreiche der Welt anbot, geschrieben stand, und er beschloss, es wenn er nur auf die Knie fallen und ihn zu erfüllen, sowohl in seiner Sendung als anbeten würde, antwortete Jesus: «Hebe auch in seinem Verhalten. Als dann dich weg von mir, Satan! Denn es steht Petrus versuchte, seine Gefangennahme geschrieben: ‹Du sollst anbeten Gott, im Garten von Gethsemane zu deinen Herrn, und ihm allein dienen!›» verhindern, wies er ihn an, sein Schwert (Matthäus 4,10) in die Scheide zurückzustecken. Ihn brauchte kein Mensch zu verteidigen. Jesus wusste aus der Heiligen Schrift, Konnte er nicht seinen Vater um dass Anbetung nur Gott allein gebührt. Legionen von Engeln bitten, die ihn Deshalb wollte er gehorchen. Als Mensch verteidigten? Warum tat er es nicht? Hier wollte er Gott anbeten und nicht Satan. ist die Begründung, die er anführte: Das ein-fache Wort gegraptai («es steht «Wie würde dann aber die Schrift erfüllt, geschrieben») genügte ihm. Es bestand dass es muss also geschehen?» gar keine Notwendigkeit, Satans Angebot (Matthäus 26,54) in Betracht zu ziehen, darüber zu Nach der Auferstehung argumentierte er diskutieren, zu argumentieren oder zu genau gleich, sowohl gegenüber den verhandeln. Die Angelegenheit war beiden Jüngern, die nach Emmaus schon durch die Schriften erledigt. Diese gingen, als auch gegenüber vielen seiner freiwillige, persönliche Unterwerfung des Anhänger: «Musste nicht Christus Sohnes Gottes unter die Autorität des solches leiden und zu seiner Herrlichkeit Wortes Gottes ist ausserordentlich eingehen? – Das ist’s, was ich zu euch bedeutsam. sagte, als ich noch bei euch war: Es muss alles erfüllt werden, was von mir Zweitens: Jesus unterwarf sich dem geschrieben ist im Gesetz des Mose, in Alten Testament in der Erfüllung seines den Propheten und in den Psalmen.» Auftrags. Es hat ganz den Anschein, als (Lukas 24,26.44) habe Jesus durch das Studium der
Drittens: Jesus unterwarf sich dem entsprechend denen des Alten Alten Testament in seinen Testaments, vorausgesehen zu haben. Streitgesprächen. Mit den religiösen Im Alten Testament handelte Gott in Führern seiner Zeit war er ständig in Erlösung und Gericht über Israel, und er Erörterungen verwickelt, und immer, selbst erweckte Propheten, die wenn Meinungsverschiedenheiten wahrheits-getreue Berichte und auftraten, betrachtete er die Schrift als Deutungen seiner Taten geben sollten. die einzig gültige Entscheidungsinstanz. Nun handelte Gott durch Christus, in «Was steht im Gesetz geschrieben?» Erlösung und Gericht über die Welt. (Lukas 10,26) pflegte er zu fragen. «Wie Sollte diese höchste und abschlies-sende liest du?» Und weiter: «Habt ihr nicht Offenbarung Gottes in Christus für gelesen in der Schrift…?» (Markus 12,10) kommende Generationen verloren sein? Einer seiner Hauptangriffspunkte Nein, auch für diese Offenbarung gegenüber seinen Zeitgenossen betraf mussten von Gott beauftragte Schreiber ihre Miss-achtung der Heiligen Schrift. und Interpreten vorhanden sein. So traf Die Pharisäer fügten etliches hinzu, und Jesus genau hierfür Vorsorge. Sorgfältig die Sadduzäer machten Abstriche. (nach einer ganzen Nacht des Gebets) Darum sagte er zu den Pharisäern: «Gar wählte er die zwölf Apostel aus und rief fein hebt ihr Gottes Gebot auf, auf dass sie zu sich. Dann unterwies und ihr eure Satzungen haltet!… und hebt so bevollmächtigte er sie für ihre Aufgabe, Gottes Wort auf durch eure Satzungen, seine Zeugen zu sein, genauso wie Gott die ihr aufgestellt habt.» (Markus 7,9.13) die Propheten im Alten Testament Und zu den Sadduzäern sagte er: «Ist’s erwählt hatte (Lukas 6,12–13). nicht also? Ihr irret darum, dass ihr die Schrift nicht kennt noch die Kraft Gottes.» (Markus 12,24) Die Apostel Jesu scheinen in Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass vierfacher Hinsicht einzigartig Christus jemals den göttlichen Ursprung gewesen zu sein. der Schrift bestritten hätte. Manche Gelehrte haben aus den sechs Antithesen Persönliche Berufung: der Bergpredigt gefolgert, dass er der Die Apostel waren von Christus Schrift widersprochen habe, indem er persönlich berufen und bevollmächtigt sagte: «Ihr habt gehört, dass gesagt worden. Bei den Zwölfen war dies ist… Ich aber sage euch…» (Matthäus eindeutig, und Paulus beanspruchte für 5,18). Es war jedoch nicht das sich etwas Ähnliches. Er unterstrich und mosaische Gesetz, gegen das er sich verteidigte mit Nachdruck seine wandte, sondern die Verdrehung dieses apostolische Autorität, indem er darauf Gesetzes durch die Schriftgelehrten; bestand, seinen Auftrag, ein Apostel zu nicht gegen die Schrift (die Gottes Wort sein, «nicht von Menschen, auch nicht ist), sondern gegen die Tradition (die durch einen Menschen, sondern durch von Menschen gemacht ist) wandte er Jesus Christus und Gott, den Vater» sich. erhalten zu haben (Galater 1,1). Es ist weiterhin bezeichnend, dass wir in einem Jesu Vorsorge für das Neue der Berichte über die Bekehrung des Testament Paulus, den Lukas in der Die Bestätigung des Neuen Testaments Apostelgeschichte gibt, die genauen durch Christus war natürlich anderer Art Worte erfahren, die Jesus gebrauchte, als die des Alten Testaments, denn noch als er ihn beauftragte, nämlich: ego war ja keines der Bücher des Neuen apostello se, «Ich sende dich» oder «Ich Testaments geschrieben. Wenn also die mache dich zum Apostel». Abfassung des Neuen Testaments noch vollständig in der Zukunft lag, wie Augenzeugen: Die Apostel hatten konnte er es überhaupt bestätigen? Christus als Augenzeugen erlebt. Wie Die Antwort auf diese Frage liegt in der Markus schreibt, wurden die Zwölf Berufung der Apostel durch Jesus. Er berufen, «dass sie bei ihm sein sollten scheint die Notwendigkeit von und dass er sie aussende-te, zu neutestamentlichen Schriften, predigen» (Markus 3,13–15). Das Verb
«aussenden» ist wiederum jenes Innewohnung und Erleuchtung durch den apostellein, und die notwendige Heiligen Geist das Privileg aller Qualifikation für den Dienst eines Gotteskinder ist. Dieses Privileg war Apostels war, «bei ihm zu sein». nicht auf die Apostel beschränkt. Ähnliches sagte Jesus zu ihnen kurz vor Dennoch war das Wirken des Geis-tes, seinem Tod. «Und auch ihr werdet meine das Christus den Aposteln versprach, Zeugen sein, denn ihr seid von Anfang etwas Einzigartiges, wie aus folgenden an bei mir gewesen» (Johannes 15,27). Worten klar hervorgeht: «Solches habe ich zu euch geredet, während ich bei Somit bot Jesus ihnen unvergleichliche euch gewesen bin. Aber der Tröster, der Gelegenheiten, sein Wort zu hören und Heilige Geist, welchen mein Vater seine Taten zu sehen, damit sie später senden wird in meinem Namen, der wird Zeugnis davon ablegen konnten, was sie euch alles lehren und euch erinnern alles gesehen und gehört hatten (1. Johannes des, was ich euch gesagt habe. Ich habe 1,1–3). Besonders wichtig war es für sie, euch noch viel zu sagen; aber ihr könnt dass sie Zeugen seiner Auferstehung es jetzt nicht tragen. Wenn aber jener, waren. der Geist der Wahrheit, kommen wird, Es trifft natürlich zu, dass Paulus nicht der wird euch in einer der ursprünglichen Zwölf gewesen alle Wahrheit leiten.» (Johannes 14,25– ist, dass er auch nicht über ihre 26; 16,12–13) Erfahrung als Augenzeuge Christi Was Jesus den Aposteln versprach, war verfügte, und dass er wahrscheinlich ein Zweifaches. Erstens, dass der Heilige nicht einmal Christus im Fleisch gesehen Geist sie an die Lehren, die er ihnen hat. Einige haben vermutet, dass die drei gegeben hatte, erinnern werde, und Jahre, die er in Arabien zubrachte zweitens, dass er diese ergänzen und sie (während denen er nach seinen eigenen in die ganze Worten sein Evangelium «durch eine Wahrheit einführen werde, die sie im Offenbarung Jesu Christi» erhielt; vgl. Moment noch nicht «tragen» konnten. Galater 1,11.12.17.18), bewusst dazu Die Erfüllung dieser Verheissungen bestimmt waren, um ihn für die drei geschah denn auch hauptsächlich durch Jahre des öffentlichen Wirkens Jesu die Niederschrift der Evangelien und der – die er versäumt hatte – zu Briefe des Neuen Testaments. entschädigen. So oder so, er erfüllte jedenfalls jene zweite apostolische Zeichen und Wunder: Die Apostel Qualifikation, indem er Zeuge der hatten die Kraft, Wunder zu wirken. Die Auferstehung war. «Bin ich nicht ein Apostelgeschichte heisst im Englischen Apostel?», rief er aus, «habe ich nicht zu Recht «Die Taten der Apostel» (Apg. unseren Herrn Jesus gesehen?» 1,1.2; 2,43; 5,12), und Paulus (1. Korinther 9,1). Er meinte das kennzeichnet die «Zeichen und Wunder natürlich in Bezug auf seine Begegnung und Taten», die er getan hat, als «eines mit Christus auf der Strasse nach Apostels Zeichen» (2. Korinther 12,12). Damaskus. Obwohl diese nach der Der Zweck dieser wunderbaren Kräfte, Himmelfahrt geschah, nimmt er doch für die den Aposteln verliehen worden sich in Anspruch, dass es eine wirkliche, waren, war es, ihren apostolischen objektive Auferstehungserscheinung Auftrag und ihre Botschaft zu gewesen sei, wobei er hinzufügt, dass es beglaubigen: die letzte war. Am Ende seiner «Wie wollen wir entrinnen, wenn wir ein Aufzählung der Erscheinungen des solches Heil nicht achten, welches zuerst Auferstandenen schreibt er: «Am letzten gepredigt ist durch den Herrn (d. h. den nach allen ist er auch von mir als einer Herrn Jesus) und bei uns bekräftigt unzeitigen Geburt gesehen worden. durch die, die es gehört haben (d. h. die Denn ich bin der geringste unter den apostolischen Augenzeugen)? Und Gott Aposteln.» (1. Korinther 15,8–9) hat dazu Zeugnis gegeben mit Zeichen, Wundern und mancherlei mächtigen Heiliger Geist: Die Apostel hatten eine Taten und mit Austeilung des Heiligen aussergewöhnliche Erleuchtung durch Geistes nach seinem Willen.» (Hebräer den Heiligen Geist erfahren. Wir sahen 2,3–4) im vorhergehenden Kapitel, dass die
Wir halten fest: Christus bestätigt die also, wenn jemand uns ein Prob-lem Autorität des Alten Testaments, und er vorlegt, das die Liebe Gottes betrifft, traf gleicher-massen Vorsorge für das zum Beispiel das Problem des Bösen Neue Testament, indem er die Apostel oder das Problem des unverdienten autorisierte, in seinem Namen zu lehren. Leids? Als Erstes werden wir uns mit Wenn wir uns deshalb der Autorität dem Problem auseinander setzen, und Christi beugen wollen, müssen wir uns vielleicht wird uns etwas mehr Licht der Autorität der Bibel beugen. Nur darüber geschenkt. Aber wir sind sicher wegen Christus unterordnen sich nicht fähig, das Prob-lem völlig zu lösen. Christen dem Alten und dem Neuen Was ist also zu tun? Müssen wir unseren Testament. Glauben an die Liebe Gottes so lange aufgeben, bis wir alle damit Einige Schlussfolgerungen zusammenhängenden Probleme gelöst haben? Nein. Wir werden unseren Erstens: Es ist christlich, die Autorität Glauben an die Liebe Gottes trotz aller der Bibel anzuerkennen. Es ist weder Prob-leme aufrechterhalten, und zwar religiöse Überspanntheit noch ein Fall aus dem einzigen Grund, weil Jesus von Bildungsfeindlichkeit, sondern die diese Liebe lehrte und in seiner Person normale Folge christlichen Glaubens und sichtbar machte. Deshalb glauben wir, christlicher Demut, denn es ist genau dass Gott Liebe ist. das, was Christus selbst von uns verlangt. Die traditionelle Sicht der Schrift (also des geschriebenen Wortes Und die Probleme werfen Gottes) ist die christliche Sicht der unseren Glauben nicht um. Schrift, gerade weil sie Christi Sicht der Genauso verhält es sich mit der Bibel. Schrift ist. Nehmen wir an, jemand trüge ein Problem an uns heran, sei es ein Zweitens: Indem wir akzeptieren, dass scheinbarer Widerspruch oder eine Frage die Schrift göttlichen Ursprungs ist, der Literaturkritik. Wie werden wir uns geben wir nicht vor, es gäbe keine verhalten? Als Erstes werden wir uns mit Probleme. Um ehrlich zu sein, es gibt dem Problem ausein-ander setzen und viele Probleme – literarischer, möglicherweise neues Licht darüber historischer, theologischer und bekommen. Aber wir werden kaum in moralischer Natur. Was sollen wir mit der Lage sein, das Problem ganz zu ihnen tun? Können wir es mit unserer lösen. Was folgt daraus? Müssen wir intellektuellen Ehrlichkeit vereinbaren, unseren Glauben an das Wort Gottes die einzigartige Autorität der Schrift zu aufgeben, bis wir alle Probleme gelöst akzeptieren, wenn sie von so vielen haben? Nein. Wir werden unseren ungelösten Problemen umgeben ist? Ja, Glauben an das Wort Gottes nicht wir können es. aufgeben, genauso wenig wie wir unseren Glauben an die Liebe Gottes Wir müssen lernen, mit den Problemen, aufgeben, trotz aller Probleme, und zwar die mit der Bibel zusammen-hängen, letzten Endes nur aus einem einzigen genauso zu verfahren wie mit den Grund, weil nämlich Jesus Christus sie Problemen, die eine beliebige andere gelehrt und gelebt hat. Es ist kein christliche Lehre mit sich bringt. Jede Zeichen von Dummheit, an diesem und christliche Lehre bringt ihre Probleme mit keinem andern Glauben festzuhalten. sich. Keine Lehre ist völlig frei davon. Christus nachzu-folgen, ist immer eine Man nehme als Beispiel die Lehre von nüchterne und demütige Sache, ist der Liebe Gottes. Jeder Christ–gleich christlicher Realismus. welcher Schattierung–glaubt, dass Gott Liebe ist: Römisch-Katholische, Drittens: Das letzte Problem in der Orthodoxe, Anglikaner, Reformierte, Frage nach der Autorität betrifft die Baptisten, Darbysten. Das ist ein Herrschaft Christi. «Ihr heisst mich grundlegender christlicher Glaubenssatz. Meister und Herr», sprach er, «und sagt Wer ihn bezweifelt, disqualifiziert sich recht daran, denn ich bin’s auch.» selbst als Christ. Doch die Fragen, die (Johannes 13,13) Wenn Jesus Christus mit dieser Lehre zusammenhängen, sind wahrhaftig unser Lehrer und Herr ist, nicht leicht zu beantworten. Was tun wir dann unterstehen wir seiner Lehre und
seiner Autorität. Wir müssen ihm als unserem Lehrer unseren Verstand Mit freundlicher Genehmigung des unterordnen und ihm als unserem Herrn Verlags von uns leicht gekürzter Auszug unseren Willen unterstellen. Darum aus «Die Bibel verstehen», John R. W. beugen wir uns der Autorität der Schrift, Stott, Verlag Bibellesebund, Wuppertal weil wir uns der Autorität Christi beugen. und Winterthur 1975. Titel vergriffen. Mose liest aus einer Schriftrolle. Wandmalerei aus einer Synagoge am Euphrat.
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