Sonder-Gemeindebrief Ostern 2020 - Evangelische ...

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Sonder-Gemeindebrief Ostern 2020 - Evangelische ...
Evang. Kirchengemeinde · Lange Straße 68 · 89542 Herbrechtingen · Telefon 07324 919534
Pfarramt.Herbrechtingen-1@elkw.de

Sonder-Gemeindebrief Ostern 2020
 Liebe Gemeindeglieder,
 wir dürfen in diesen Wochen keine Gottesdienste feiern und müssen das
 Gemeindehaus geschlossen halten. Das tut jetzt, wo Ostern bevorsteht,
 besonders weh. Wer Zugang zum Internet hat, kann sich Videos aus der
 Kirche anschauen oder Predigten lesen. Doch nicht jeder nutzt das Inter-
 net. Deshalb dieser schmale Gemeindebrief zu Ostern, mit Gedanken von
 Pfarrerin Susanne Scharpf und Pfarrer Michael Rau.

Pfarrer Michael Rau
                                                  Und er wurde gekreuzigt. Aber er
Karfreitag                                        hat ja auch ein Leben vor dem Tod
                                                  gehabt. Er hat geheilt, getröstet,
In vielen Kirchen hängt zentral der
                                                  Stürme zum Schweigen gebracht.
gekreuzigte Christus. Für regelmä-
                                                  Warum gibt es so wenig Bilder, die
ßige Kirchgänger ist das Bild ver-
                                                  ihn lebendig und vital zeigen?
traut. Doch ich habe immer wieder
erlebt, wie Kinder, die zum ersten                Ich empfinde das tatsächlich als
Mal bewusst eine Kirche wahr-                     Problem. Kann es sein, dass Chris-
nehmen, von diesem Anblick irri-                  ten, nachdem sie nun Jahrhunder-
tiert sind. Und sie haben ja recht:               telang den gestorbenen Jesus an-
ein fast nackter Mann, an das                     geschaut haben, sich einfach nicht
Kreuz genagelt, oft mit geschlosse-               mehr vorstellen können, dass von
nen Augen – tot. Warum tun wir                    ihm noch irgendeine Vitalität oder
uns das an? Natürlich, es ist Jesus.              gar Macht ausgeht?

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Sonder-Gemeindebrief Ostern 2020 - Evangelische ...
Doch in den vergangenen Corona-
Wochen habe ich den gekreuzigten
Jesus auf einmal wieder neu gese-
hen. Vielleicht ist es doch gut, dass
er in so vielen Kirchen hängt.
In den letzten Wochen ist ja etwas
Merkwürdiges passiert: Die Angst
vor dem Sterben hat das Leben
abgewürgt. Aus Angst, dass die
Corona-Epidemie Todesopfer for-
dern könnte, verzichten die Men-
schen auf fast alles, was sonst ihr
Leben lebenswert macht.
Um jeden Preis soll die Ausbreitung
des Virus verhindert und das Leben
der Schwachen geschützt werden.
Doch da hängt nun in der Kirche
der gekreuzigte Jesus. Ausgeliefert,
nackt, gequält. Er hat sein Leben
nicht geschützt. Er ist gestorben –
ganz bewusst.
                                        Weil zum Leben das Sterben da-
Seinen Jüngern hat er es immer          zugehört, manchmal auch ein
wieder gesagt: „Wir gehen nach          schlimmes Sterben. Das ist einfach
Jerusalem. Dort werden sie mich         so.
verspotten, misshandeln, anspu-
                                        So hat es Jesus wohl gesehen. Aber
cken, auspeitschen und töten.“
                                        wie kann man leben, wenn man
„Nein!“, haben die Jünger gerufen.      immer ans Sterben denkt?
Aber Jesus ist trotzdem gegangen.
                                        Oh, Jesus hat bestimmt nicht im-
Warum? Seltsamerweise hat Jesus         mer ans Sterben gedacht. Er hat
das seinen Jüngern nie wirklich klar    unglaublich gern gefeiert. Und da-
gesagt. Nur: „Es muss so sein!“         bei hat er es wohl auch richtig kra-
Vielleicht lässt sich die Frage „Wa-    chen lassen. So dass die, die ihn
rum?“ auch gar nicht so glatt be-       nicht so leiden konnten, gesagt
antworten. Es muss so sein – weil       haben: „Er ist ein Fresser und
das Leben so ist.                       Weinsäufer!“
                                                                          2
Sonder-Gemeindebrief Ostern 2020 - Evangelische ...
Das war natürlich nicht nett und        Wo wir etwas riskieren, können wir
bestimmt übertrieben. Aber es war       intensives, echtes Leben gewinnen.
schon was dran: Jesus konnte fei-
                                        Ich habe den gestorbenen Jesus in
ern. Und dann war er bereit zum
                                        unserer Kirche oft angeschaut in
Sterben, als es sich nicht mehr hat
                                        den letzten Wochen. Er erinnert
vermeiden lassen.
                                        mich daran, dass es einfach so sein
Leben aus dem Vollen und Sterben        muss: Sterben ist normal. Ja, ich
war für ihn kein Widerspruch, son-      liebe mein Leben. Aber ich zahle
dern hat zusammengehört. „Wer           nicht jeden Preis, um dieses Leben
sein Leben erhalten will, wird’s        zu schützen. Gerade weil ich mein
verlieren; und wer es verlieren wird,   Leben liebe.
der wird es gewinnen“ , hat Jesus
gesagt (Lukas 17, 33).
Und ich denke, den ersten Teil er-
leben wir gerade: Im Versuch, le-       Ostern
ben zu schützen, würgen wir das         Hätte es damals, beim allerersten
Leben ab. Wir sind sicher in unse-      Ostern,    schon    die    Corona-
rer Wohnung. Aber die Langeweile        Verordnung gegeben, wüssten wir
lähmt und macht trübsinnig. Alles       gar nicht, dass Jesus auferstanden
natürlich in der Hoffnung, dass es      ist.
bald wieder normal ist. Aber wir
ahnen schon, dass es nie mehr so        Zwei Jünger waren unterwegs zu
sein wird, wie vor Corona.              ihrem Heimatort Emmaus und ha-
                                        ben deprimiert gegrübelt, was jetzt
Die Frage ist nur, was dann anders      werden soll, nachdem Jesus zwei
wird. Wird die Angst vor einem          Tage vorher gestorben ist. Da hat
tödlichen Virus permanent präsent       sich ihnen ein dritter angeschlos-
bleiben und damit die Bereitschaft,     sen. „Wir dürfen nur zu zweit un-
sich jederzeit wieder einsperren zu     terwegs sein. Drei sind verboten“,
lassen?                                 hätten sie sagen müssen. „Gut“,
Oder wird mehr Menschen als bis-        hätte der dritte wahrscheinlich
her klar, dass wir das Leben, das       geantwortet, „ich will euch ja nicht
wir schützen wollen, durch die          in Schwierigkeiten bringen.“ Und
Schutzmaßnahmen erst recht ver-         wäre gegangen. Der Dritte war
lieren? Vielleicht werden wir dann      Jesus. Und die zwei hätten nie
einige mutig, riskieren etwas. Wie      erfahren, dass Jesus auferstanden
Jesus gesagt hat:                       ist.
                                                                          3
Sonder-Gemeindebrief Ostern 2020 - Evangelische ...
Maria von Magdala war allein, auf      Versammlungen gingen nicht. Doch
den Friedhof am Ostermorgen, als       in den kleinen Gemeinschaften war
sie den auferstandenen Jesus ge-       die Kraft. Sie wussten miteinander:
sehen hat. „Maria!“, hat er sie an-    „Wer an mich glaubt, wird leben,
gesprochen. Und sie: „Mein Meis-       auch wenn er stirbt!“
ter!“ Sie ist sofort zu den anderen
                                       Miteinander haben sie sich erin-
Jüngern gerannt: „Der Herr ist auf-
                                       nert, was Jesus getan hat und ge-
erstanden!“ Aber die haben ihr
                                       sagt hat. Und im Erzählen haben
bloß den Vogel gezeigt. Und wahr-
                                       sie auch verstanden, wie Jesus
scheinlich hätte sie es bald selbst
                                       früher so frei und furchtlos sein
nicht mehr geglaubt. Weil sich die
                                       konnte – zugleich feiern und wis-
anderen alle einig waren: „Maria
                                       sen, dass er bald sterben muss.
spinnt. Es ist noch keiner zurückge-
kommen. Das weiß doch jeder.“          Früher haben sie den letzten Teil
                                       überhört, weil sie nichts damit
Wie heute auch. Der Druck derer,
                                       anfangen konnten: „Sie werden
die mit wissenschaftlicher Autorität
                                       mich verspotten, misshandeln, an-
erklären, wie die Welt funktioniert,
                                       spucken, auspeitschen und töten.
ist übermächtig.
                                       Und dann werde ich auferstehen!“
Doch dann ist der auferstandene        Jetzt ist ihnen klar geworden: am
Jesus mitten in der Jüngergruppe       letzten Teil, am Auferstehen, hängt
aufgetaucht. Und da war es anders.     alles. Das ganze Leben. Das Leben
Da konnten sie einander fragen:        von Jesus und mein eigenes Leben.
„Hast du es auch gesehen? War er
                                       Und da sind sie selbst frei und
das wirklich?“ „Ja, ich habe ihn
                                       furchtlos geworden. „Man muss
gesehen. Ich begreif es nicht. Und
                                       Gott mehr gehorchen als den Men-
du hast ihn tatsächlich auch gese-
                                       schen“, hat Petrus den obersten
hen?“
                                       Behördenvertretern ins Gesicht
Einer allein hat keine Chance gegen    gesagt. Gerade ein Vierteljahr,
die vielen, die sagen: mit dem Tod     nachdem er bei der Verhaftung von
ist es aus! Nur wenn mehrere ihre      Jesus behauptet hat: „Ich gehöre
Erlebnisse teilen, bekommt der         nicht dazu! Ich habe diesen Mann
Glaube an die Auferstehung Raum.       noch nie gesehen.“
Und in diesem Raum der Gemeinde
                                       Ostern ist die Geschichte, wie eine
entwickelt sich eine Kraft.
                                       kleine Gemeinschaft die Angst vor
Es waren nur wenige, damals.           dem Sterben verloren hat. Eine alte
Christ sein war gefährlich. Große      Geschichte.
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Sonder-Gemeindebrief Ostern 2020 - Evangelische ...
Aber für mich ist sie jetzt wieder
ganz aktuell geworden. Denn die
Angst vor dem Sterben ist mit einer
Wucht zurückgekommen, wie ich
das nicht für möglich gehalten hät-
te. Sie schneidet vom Leben ab,
legt die Wirtschaft lahm, zerstört
Existenzen. Nur die Angst. Eine
gewaltige Macht. Eine selbstzerstö-
rerische Macht.
Doch die alte Geschichte hält
stand. Weil sie eine uralte Ge-
schichte ist, eine ewige Geschichte:
das Leben selbst.
Was die Bibel „ewiges Leben“
nennt, ist nicht eine besondere
Zugabe für besonders Fromme.
Ewiges Leben ist das Leben selbst –
unzerstörbar. „Der Tod ist eine
große Lüge“, hat jemand gesagt.
Es gibt Leute unter uns, die haben
die Macht des Lebens erlebt – die
Macht der Auferstehung, Leute die
keine Angst vor dem Sterben ha-
ben.                                    Der Herr ist auferstanden. Wirklich!
Ihre Furchtlosigkeit und Freiheit ist
ansteckend. In kleinen Gemein-
schaften, im Reden, Erzählen, Aus-
tauschen kann sie Raum bekom-
                                        Pfarrer Michael Rau
men. Gerade unter dem Regime
der Angst.
                                        Telefon 07324 919534
                                        E-Mail: Michael.Rau@elkw.de

                                                                          5
Sonder-Gemeindebrief Ostern 2020 - Evangelische ...
Pfarrerin Susanne Scharpf
                                       Eigenartigerweise jedoch ist gerade
Liebe Gemeindeglieder,                 dadurch ein ganz neuer Zusam-
„das hat es nicht einmal am Kriegs-    menhalt unter uns Menschen ent-
ende gegeben, dass alle Gottes-        standen. So war beispielsweise
dienste ausgefallen sind“ – sagte in   dieser Tage zu lesen, dass es in
diesen Tagen ein älteres Gemein-       Berlin sogenannte „Gabenzäune“
deglied am Telefon zu mir und war      gibt, an die Menschen Tüten und
zugleich irritiert und erstaunt dar-   Taschen mit Gemüse, Kleidern,
über, wie eingeschränkt wir Chris-     Cremes, Tampons und andere
ten derzeit unseren Glauben leben      Spenden hängen, um Obdachlose,
müssen, wenn der Zuspruch und          die keine Tafeln und Suppenküchen
die Stärkung durch das Wort Got-       mehr besuchen können und des-
tes im wöchentlichen Sonntagsgot-      halb hungern und frieren, wenigs-
tesdienst, auch die Gemeinschafts-     tens notdürftig zu versorgen. Auch
erfahrung mit den anderen plötz-       die Solidarität in unseren eigenen
lich wegfallen. In den Zeiten der      Nachbarschaften ist groß. Alleinle-
Corona-Pandemie, wo es so wichtig      bende, ältere Menschen in unserer
wäre, zusammen zu sein und ei-         Gemeinde werden von Jüngeren
nander beizustehen, werden wir         angerufen und gefragt, ob sie zu-
gezwungen, uns sozial zu isolieren     rechtkommen und wie sie sie un-
und voneinander fernzuhalten.          terstützen können.

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Sonder-Gemeindebrief Ostern 2020 - Evangelische ...
Gerade um der Schwachen und             Stefan Kornelius in der Süddeut-
Älteren willen in unserer Gesell-       schen Zeitung: „Menschenleben
schaft nehmen wir alle im Moment        oder Wirtschaftsleben – für Trump
große Einschränkungen in Kauf.          ist die Entscheidung klar. Es geht
Damit nicht zu viele infiziert wer-     um die Wirtschaft und diejenigen,
den und den wirklich Bedürftigen        die überleben werden. Zu Ostern:
geholfen werden kann, bleiben wir       Auferstehung.“
soweit es geht zu Hause.
                                        Mich erinnert diese Sicht und Hal-
Ich frage mich in diesen Tagen, ob      tung an die der korinthischen Ge-
das Christentum in seinen Anfän-        meinde, wie sie in der Bibel be-
gen nicht gerade auch deshalb für       schrieben wird, eine christliche
die Menschen so attraktiv war, weil     Gemeinde, für die die Auferste-
es gegenüber der griechischen           hung ein Geschehen war, das sich
Philosophie in der Antike den Blick     nur noch im Hier und Jetzt vollzog.
auf die Schwachen und Bedürftigen       Man feierte das Leben, das eigene
ganz neu eröffnet hat. Die Christen     Überleben. Man feierte schon jetzt
kümmerten sich umeinander, auch         den Himmel auf Erden, und deswe-
um ihre Witwen, Waisen, Kranken         gen war einem die Erde egal. Die
und Sterbenden, und das war im-         Christen in Korinth waren einander
ponierend und wirkte anziehend.         gleichgültig geworden und deshalb
Und dieser Geist scheint bis heute      haben sie aufgehört, sich umei-
unsere Gesellschaft zu prägen –         nander zu kümmern und füreinan-
Gott sei Dank.                          der Sorge zu tragen.
Gewiss, es gibt Ausnahmen. Der          Der Apostel Paulus aber wider-
Gouverneur von Texas ließ vor           spricht ihnen: Wir haben eine
einigen Tagen verlauten, man kön-       Hoffnung über alles Leid, allen
ne aus wirtschaftlichen Gründen         Schmerz, allen Tod hinaus, sagt er.
nicht allzu viel Rücksicht auf dieje-   Das heißt Auferstehung. Gott steht
nigen nehmen, die wenig Chancen         zu dem, der schwach und ausgelie-
haben, das Corona-Virus zu überle-      fert am Kreuz gestorben ist. Er hat
ben. Und ebenso sprach der ameri-       Christus, der scheinbar gescheitert
kanische Präsident entgegen allen       ist, beglaubigt und bejaht. Dem
wissenschaftlichen Erkenntnissen        Schwachen und Ausgelieferten gilt
und Bedenken davon, dass an Os-         seine ganze Solidarität. Deswegen
tern wieder alles so sein müsse wie     kann uns Christen diese Erde nicht
vorher. Dazu schrieb der Journalist     egal sein.

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Sonder-Gemeindebrief Ostern 2020 - Evangelische ...
Wir sind Hoffende darauf, dass Leid   ben, füreinander einstehen – gera-
und Tod nicht das letzte Wort in      de in schwerer Zeit.
unserem Leben haben, und des-
                                      Ich wünschen Ihnen viel Kraft in
halb sind wir immer auch Wider-
                                      diesen Tagen und das unbeirrbare
ständige gegen Leid und Tod.
                                      Vertrauen in Gottes großes Ja, das
Liebe Gemeindeglieder, gerade         unsere Jahre umschließt, unser
weil wir sie an den kommenden         Glück und unsere Sorgen, unser
Feiertagen im Gottesdienst nicht      Kommen und Gehen, unser Lachen
hören können, soll sie in diesen      und Weinen und unser Sterben
Zeilen erklingen, die Botschaft von   auch.
Karfreitag und Ostern, die Bot-
                                      Es grüßt Sie herzlich
schaft von Gottes großem Ja, das
unser aller Leben umspannt, mit       Ihre Pfarrerin Susanne Scharpf
seinen Höhen und Tiefen, seinen
Sonnenseiten und auch seinen
Todesschatten. In allem, was uns
gerade bedrängt und ängstigt,
können wir ruhig, gelassen und
                                      Telefon 0731 5097843
mutig sein, einen Schritt nach dem
andern tun, einander im Blick ha-     E-Mail: Susanne.Scharpf@elkw.de

 Herbrechtingen hilft!
 Sie trauen sich in diesen Tagen nicht aus dem
 Haus, brauchen aber jemand, der für Sie Ein-
 käufe oder kleine Erledigungen macht?
 Oder Sie wollen einfach mal reden.
 Rufen Sie an. Wir versuchen zu helfen!
 Vermittlung über
 Gabi Thorbahn: 07324-987207
 Martina Bierkant: 07324-983884

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