"Wie soll ich das beweisen?" - Neue Wege und Trends aus der Schul- und Hochschuldidaktik zur Didaktik des Beweisens - Fakultät ...
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„Wie soll ich das beweisen?“ – Neue Wege und Trends aus der Schul- und Hochschuldidaktik zur Didaktik des Beweisens Leander Kempen Technische Universität Dortmund leander.kempen@tu-dortmund.de „Einblicke in die moderne Stoffdidaktik“ - 1. Karlsruher Didaktik Workshop, 11.-12.02.2022
Agenda (1) Einführung in die Thematik (2) Neue Wege und Trends aus der Schul- und Hochschuldidaktik a) Generische Beweise b) Transparent-pseudo proofs c) Proofs Without Words d) Proof Frameworks (3) (Gemeinsame) Diskussion 2
Einführung „Beweisführungen sind ein essentieller Bestandteil der Mathematik; ein zu weitgehender Verzicht auf Beweise erzeugt bei den Schülerinnen und Schülern ein falsches (reduziertes) Bild von Mathematik und verstößt damit gegen das didaktische Prinzip der Wissenschaftlichkeit des Unterrichts.“ (Walsch, 2000, S. 25) 3
Einige Schlaglichter zur Thematik Meyer & Prediger (2009, S. 1): Einerseits gilt Mathematik als beweisende Disziplin, andererseits spielen Beweise im Unterricht eine nur untergeordnete Rolle und werden oft als schwierig angesehen. Bauer & Büchter (2018, S. 200) bzgl. des Zentralabiturs [2007 - 2016] in NRW: Insgesamt ergibt sich das Bild, dass mathematische Argumentationen auf höherem Niveau und insbesondere das Beweisen im engeren Sinne – anders als durch die Operatoren zunächst suggeriert wird – doch eher eine untergeordnete Rolle in den Abituraufgaben spielen. Selden (2012, S. 392) zum Übergang Schule/Hochschule: The nature of proofs and proving at tertiary level, with its increased demand for rigour, constitutes a major hurdle for many beginning university students. 4
Vorerfahrungen zum Beweisen bei StudienanfängerInnen • Universität Paderborn, Wintersemester 2014/15 Kempen (2019, S. 332) • Lehramtsstudierende der Mathematik für Sekundarstufe 1 Wie viele Beweise haben Sie in der Schule in der Sekundarstufe 1 (Klasse 5 - 9 bzw. Klasse 5 – 10) kennengelernt? (n=144) 29 % 33 % 23 % 11 % 4% % 0 1-2 3-5 6-10 11-20 mehr als 20 Wie viele Beweise haben Sie in der Schule in der Sekundarstufe 2 (Klassen 10 - 12 bzw. EF, Q1 und Q2) kennengelernt? (n=142) 45 % 18 % 22 % 13 % 11 % 2% 0 1-2 3-5 6-10 11-20 mehr als 20 Wie viele Beweise haben Sie in Ihrer Schulzeit selbst entwickelt (gefunden und aufgeschrieben)? (n=141) 39% 35% 16% 8% 1% 1% 0 1-2 3-5 6-10 11-20 mehr als 20 5
Vorerfahrungen zum Beweisen bei StudienanfängerInnen • Universität Paderborn, Wintersemester 2014/15 Kempen (2019, S. 333) • Lehramtsstudierende der Mathematik für Sekundarstufe 1 Welche Sachverhalte wurden bei Ihnen in der Schule bewiesen? (n=144) 1. Satz des Pythagoras (37x) 2. PQ-Formel (14x) 3. Ableitungsregeln (13x) 4. Satz des Thales (8x) 5. Binomische Formeln (6x) 6
Vorerfahrungen zum Beweisen bei StudienanfängerInnen • Universität Paderborn, Wintersemester 2014/15 Kempen (2019, S. 342) • Lehramtsstudierende der Mathematik für Sekundarstufe 1 Wie begründen StudienanfängerInnen? Die Summe 11 + 17 ist eine gerade Zahl. Gilt dies für jede Summe von zwei beliebigen ungeraden Zahlen? Begründen Sie überzeugend! 7
Zusammenfassung und Frage an die Lehramtsausbildung Schule Hochschule • Die Studierenden hatten nach eigenen Angaben in ihrer Schulzeit insgesamt eher • Beweise an der Hochschule basieren wenig Kontakt mit Beweisen. dagegen auf anderen Aktivitäten, wie der Operationalisierung von • Prototypen: Beweise aus der Geometrie Definitionen, der Nutzung (Wechselspiel mit einer Beweisfigur) und mathematischer Sätze bzgl. abstrakter im Kontext der Algebra in der Mittelstufe Objekte und deduktives Schließen mit („manipulative proofs“ (Tall, 1995), z. B. formalen/symbolischen Darstellungen Binomische Formeln) (etwa Selden et al., 2015). • Verwendung der Algebra zur Begründung von Sachverhalten eher selten Was tun? Einfache (?) Antwort: Wir müssen (natürlich) Beweise an der Universität thematisieren und unterrichten und die zukünftigen Lehrkräfte derart ausbilden, dass sie in ihrem späteren Unterricht beweisen. Aber das ist gar nicht so einfach… Kotelawala (2016): Die Lehrkräfte aus der Studie (USA; n=78), die mehr universitäre Mathematikkurse besucht hatten, haben weniger Beweise in ihrem Schulunterricht thematisiert. 8
Agenda (1) Einführung in die Thematik (2) Neue Wege und Trends aus der Schul- und Hochschuldidaktik a) Generische Beweise b) Transparent-pseudo proofs c) Proofs Without Words d) Proof Frameworks (3) (Gemeinsame) Diskussion 9
Generische Beispiele Semadeni (1984) Mason & Pimm (1984) Kommutativität der Multiplikation: Summer zweier gerader Zahlen: ...... ... ........ + = ...... ... ........ Abb. ähnlich zu Mason & Pimm (1984, S. 284) Abb. ähnlich zu Semadeni (1984, S. 33) • Welche Einsicht benötigen wir, um zu verstehen, dass der Zusammenhang in dem betrachteten Beispiel gilt? • Welche Idee soll man in dem konkreten Beispiel erhalten, die auf weitere Beispiele übertragen werden kann? • Welche Einsicht benötigen wir, um zu verstehen, dass diese Idee bei allen möglichen Fällen greift? 10
Generische Beweise Biehler & Kempen (2016) Frage aus der (universitären) Lehrpraxis: Wie kann man wissen, ob Lernend ihre „generischen“ Beispiele wirklich generisch verstehen? Behauptung: Die Summe aus einer ungeraden Zahl und ihrem Doppelten ist immer ungerade. Generischer Beweis(?): 5 + 2 ⋅ 5 = 15 Generische Beispiele 13 + 2 ⋅ 13 = 39 u g u + Das Doppelte einer ungeraden Zahl ist immer gerade. Explizierung: Somit erhalten wir immer die Summe aus einer - Warum wahr? ungeraden Zahl (Ausgangszahl) und einer geraden Zahl - Warum immer wahr? (ihr Doppeltes). Da die Summe aus einer ungeraden und einer geraden Zahl immer ungerade ist, muss das Ergebnis immer = ungerade sein. „generischer Beweis“ 11
Generische Beweise: Didaktische Intentionen • Durch die Betrachtung generischer Beweise wird das Verständnis für den allgemeinen Beweis und damit verbunden das „Beweisverständnis“ gestärkt. (Leron & Zaslavsky, 2013; Mason & Pimm, 1984; Rowland, 2002) • Generische Beweise bieten die Möglichkeit, Beweise ohne die Verwendung von mathematischer Symbolik zu formulieren. (Dreyfus et al., 2012) • Damit erscheinen Sie insbesondere geeignet, um im Rahmen der Schulmathematik mathematisch zu argumentieren, wenn die Symbolsprache der Algebra noch nicht zur Verfügung steht. (Biehler & Kempen, 2014; Karunakaran et al., 2014; Meyer & Prediger, 2009; Stylianides, 2010) • Im Zusammenhang mit generischen Beweisen wird … (Kempen & Biehler, 2019; Kempen, 2019) … die Bedeutung der Untersuchung konkreter Beispiele im Beweisprozess hervorgehoben … der Beweisprozess explizit betont … das Verständnis für die zu beweisende Behauptung gestärkt … der Unterschied zwischen rein empirischen Überprüfungen und allgemeingültigen Beweisen hervorgehoben … der Umgang mit nicht-symbolischen Darstellungen geübt Im Übergang zum formalen Beweisen … kann die mathematische Symbolsprache sinnstiftend eingeführt (und beworben) werden kann der Aspekt der Allgemeingültigkeit diskutiert und herausgestellt werden Können Unterschiede zwischen Schul- und Hochschulmathematik erfahren und expliziert werden 12
Lehrveranstaltung „Einführung in die Kultur der Mathematik“ Inhalte: (1) Entdecken und Beweisen in der Arithmetik Biehler & Kempen (2014) (2) Figurierte Zahlen Kempen (2019) (3) Zahlenfolgen und Beweise durch vollständige Induktion (4) Aussagenlogik, logisches Schließen und Beweistypen (5) Mengen und Aussageformen (6) Funktionen und Abbildungen Fachdidaktische Entwicklungsforschung an der Hochschule: Abb. ähnlich zu Kempen & Biehler (2021, S. 481) 13
Kapitel 1: Entdecken und Beweisen in der Arithmetik Jemand behauptet: „Die Summe von 3 aufeinanderfolgenden natürlichen Zahlen ist immer durch 3 teilbar.“ - Stimmt das? Warum (nicht)? 4 + 5 + 6 = (5 − 1) + 5 + (5 + 1) = 3 � 5 Jede Summe von drei aufeinanderfolgenden Zahlen lässt sich schreiben als (mittlere Zahl -1) + mittlere Zahl + (mittlere Zahl +1). durch 3 teilbar Da sich die Einsen gegenseitig aufheben, erhält man als Summe immer das Dreifache der mittlere Zahl. Somit ist das Ergebnis immer durch 3 teilbar. Sei ∈ ℕ beliebig aber fest. Dann gilt: + + 1 + + 2 = 3 + 3 = 3 + 1 . Da + 1 ∈ ℕ, ist die Summe durch drei teilbar. Bei jeder Summe von drei aufeinanderfolgenden natürlichen Zahlen entsteht immer die gleiche Treppenform, da sich die Kästchenreihen jeweils um einen Punkt unterscheiden. Durch Umgruppierung der Punktmuster – die untere Ecke wird oben angelegt – entstehen immer 3 gleich lange Kästchenreihen. Somit muss das Ergebnis immer durch 3 teilbar sein. 14
Kapitel 1: Entdecken und Beweisen in der Arithmetik Der „Forschungsprozess“ wird weitergetrieben: (B4) Die Summe von 4 aufeinanderfolgenden Zahlen ist immer durch 4 teilbar. (B5) Die Summe von 5 aufeinanderfolgenden Zahlen ist immer durch 5 teilbar. (B6) Die Summe von 6 aufeinanderfolgenden Zahlen ist immer durch 6 teilbar. … Thematisierung der Rolle von Gegenbeispielen konsequente Verwendung der vier verschiedenen Beweisformen Erarbeitung und Beweis des Satzes: „Die Summe von k aufeinanderfolgenden Zahlen ist genau dann durch k teilbar, wenn k ungerade ist.“ 15
Kapitel 2: Figurierte Zahlen Exemplarischer Auszug: Wir haben oben schon gesehen, dass ein Zusammenhang zwischen Dreiecks- und Quadratzahlen besteht: Gilt dieser Zusammenhang allgemein? 16
Generische Beweise: Aufgabenbeispiele Kempen (2019, S. 236 f.) Betrachten Sie die folgende (unvollständige) Schülerlösung zu Wir betrachten die folgende Behauptung: einem generischen Beweis: Das Quadrat einer ungeraden Zahl ist immer ungerade. a) Formulieren Sie die Behauptung, die der Schüler hier zu a) Beweisen Sie die Behauptung durch algebraische beweisen versucht. Umformungen und mit Verwendung von Variablen. b) Vervollständigen Sie den generischen Beweis und schreiben b) Die folgende Abbildung strukturiert das Quadrat zu der Sie ihn auf. Zahl 5 in einer Art und Weise, wie es für eine c) Übernehmen Sie Ihre Argumentation aus b) und führen Sie generische Argumentation genutzt werden kann. einen Beweis mit Variablen und algebraischen Umformungen. Verbalisieren Sie diese generische Argumentation, die aus der Strukturierung hervorgeht. Kempen (2019, S. 237) Beweisen Sie die folgende Behauptung a) mit einem generischen Beweis (mit Zahlen) b) mit einem formalen Beweis mit Buchstabenvariablen Die Summe aus einer ungeraden natürlichen Zahl und ihrem Doppelten ist immer ungerade. Kempen (2019, S. 236) 17
Ausgewählte empirische Ergebnisse Kempen (2019, S. 401 ff.) • Universität Paderborn, Wintersemester 2014/15 • Lehramtsstudierende der Mathematik für Sekundarstufe 1 Veränderungen von der Eingangs- zur Ausgangsbefragung zur Lehrveranstaltung (bzw. zur Modulklausur [MK]) „Beweisaffinität: Item EB AB Signifikanz des Medianunterschieds (Effektstärke) Ich sehe das Beweisen als eine intellektuelle Herausforderung, 4 4 --- der ich mich gerne stelle. Ich mag Beweise. 3 4 p=0,067 (r=0,22) Ich sehe keinen Sinn darin, etwas beweisen zu müssen, was 2 2 --- sowieso richtig ist. Ich versuche, Beweise zu verstehen. 5 6 p=0,003 (r=0,34) Ich weiß, wie man einen Beweis führt. 4 5 P
Ausgewählte empirische Ergebnisse Kempen (2019, S. 401 ff.) • Universität Paderborn, Wintersemester 2014/15 • Lehramtsstudierende der Mathematik für Sekundarstufe 1 Veränderungen von der Eingangs- zur Ausgangsbefragung zur Lehrveranstaltung (bzw. zur Modulklausur [MK]) „Selbstwirksamkeitserwartung zum Beweisen“: Skala „Selbstwirksamkeitserwartung zum Beweisen“ N 74 M 5,09 Median 5,17 SD 0,67 Cronbachs Alpha 0,83 Spannweite rit 0,491 – 0,700 Kempen (2019, S. 413) 19
Ausgewählte empirische Ergebnisse Kempen (2019, S. 421) • Universität Paderborn, Wintersemester 2014/15 • Lehramtsstudierende der Mathematik für Sekundarstufe 1 Veränderungen von der Eingangs- zur Ausgangsbefragung zur Lehrveranstaltung (bzw. zur Modulklausur [MK]) Begründungskompetenz: Die Summe 11 + 17 ist eine gerade Zahl. Gilt dies für jede Summe von zwei beliebigen ungeraden Zahlen? Begründen Sie überzeugend! Aufgabe „Summer zweier ungeraden Zahlen“ nicht ohne emp. pseudo fragm. Arg. vollst. bearbeitet Begr. Lücke Arg. Kempen (2019, S. 421) 20
Generische Beweise in der Sek. 1 Bredow & Knipping (2022) Fokus: Übergang von der Arithmetik zur Algebra (Klasse 8) In der vorherigen Stunde wurde ein generischer Beweis erarbeitet, dass die Summe aus einer geraden und einer ungeraden Zahl immer ungerade ist. Die Schülerin Tabea versucht zu beweisen, dass die Summe aus zwei geraden Zahlen immer gerade ist: 14 + 20 = 2 ⋅ 7 + (2 ⋅ 10) = 14 + 20 = 34 Lehrkraft greift Tabeas Idee auf: 14 + 20 = 2 ⋅ 7 + (2 ⋅ 10) = 7 + 10 ⋅ 2 = 34 Schülerin Jasmin Lehrkraft… Schüler Johannes: Also ist 34 durch 2 teilbar. Schüler Christian: Also ist 34 eine gerade Zahl. Problembereiche u.a.: • Keine Loslösung von konkreten Fall • Keine Formulierung der Allgemeingültigkeit • wechselnder Fokus auf Prozess und Objekt (Struktur) • Struktursinn notwendig (bei Umformungen und Ergebnisinterpretation) 21
Agenda (1) Einführung in die Thematik (2) Neue Wege und Trends aus der Schul- und Hochschuldidaktik a) Generische Beweise b) Transparent-pseudo proofs c) Proofs Without Words d) Proof Frameworks (3) (Gemeinsame) Diskussion 22
Transparent-pseudo proofs Malek & Movshovitz-Hadar (2011, S. 42) Behauptung: dimR ℂ = 2 Transparent-pseudo proof Theorem: dimR ℂ = 2 Theorem: dimR ℂ = 2 To prove this, we need to find a basis namely, a set of linearly Let us prove the above for the special case = 4, that is we independent vectors in ℂ which spans ℂ over ℝ. prove that dimR ℂ4 = 2 ⋅ 4 = 8 The form of any vector in ℂ is: To prove this, we need to find a basis namely, a set of linearly 1 , 2 , 3 , … , ∈ ℂ, = 1, 2, 3, … , independent vectors in ℂ4 which spans ℂ4 over ℝ. = ( 1+ 1 , 2 + 2 , 3 + 3 , … , + | , ∈ ℝ, = 1, 2, 3, … , } The form of any vector in ℂ4 is: Since we are looking at ℂ over ℝ we may multiply vectors in ℂ 1 , 2 , 3 , 4 ∈ ℂ, = 1, … , 4 only by real scalars. Hence = ( 1+ 1 , 2 + 2 , 3 + 3 , 4 + 4 | , ∈ ℝ, = 1, … , 4} ( 1+ 1 , 2 + 2 , 3 + 3 , … , + ) = 1 1, 0, 0, … , 0 + 1 , 0, 0, 0 … , 0 + 2 0, 1, 0, … , 0 + 2 0, , 0, … , 0 + …… Since we are looking at ℂ4 over ℝ we may multiply vectors in ℂ4 … only by real scalars. Hence ( 1+ 1 , 2 + 2 , 3 + 3 , 4 + 4 ) = 1 1, 0, 0, … , 0 + 1 , 0, 0, 0 … , 0 + 2 0, 1, 0, … , 0 + 2 0, , 0, … , 0 + …… … 23
Transparent-pseudo proofs Malek & Movshovitz-Hadar (2011, S. 46) • N=10, Erstsemesterstudierende, LinA1 • 5 Einzelsitzungen, je 2 - 3 Stunden, mit den folgenden Phasen: (1) Test über Verstehensgrundlagen der LinA1 (2) Je eine von 5 Beweisaufgaben, z.B. dimR = 2 (3) Als Hilfe: Handout in Form von Formal Proof (FP) oder Transparent-pseudo proof (TPP) zum Durcharbeiten (4) „Ablenkungsaufgabe“ (5) Bearbeitung der Beweisaufgabe aus (2) die Beweisidee den selbst den Beweis zu einem den formalen mündlich geschriebenen Verständnisfragen ähnlichen Sachverhalt Beweis schreiben wiedergeben Beweis erklären beantworten konstruieren Working session devoted to TPP FP TPP FP TPP FP TPP FP TPP FP theorem number ( =number of participants) Theorem 1 1 = 4, 1 = 4 3 (of 4) 1 (of 4) 4 (of 4) 3 (of 4) 3 (of 4) 1 (of 4) 3 (of 4) 1 (of 4) 4 (of 4) 1 (of 4) Theorem 2 2 = 4, 2 = 4 4 (of 4) 1 (of 4) 4 (of 4) 4 (of 4) 4 (of 4) 1 (of 4) 4 (of 4) 0 (of 4) 4 (of 4) 1 (of 4) Theorem 3 3 = 4, 3 = 3 4 (of 4) 3 (of 3) 4 (of 4) 3 (of 3) 3 (of 4) 3 (of 3) 3 (of 4) 2 (of 3) 4 (of 4) 2 (of 3) Theorem 4 4 = 3, 4 = 3 3 (of 3) 3 (of 3) 3 (of 3) 3 (of 3) 3 (of 3) 3 (of 3) 3 (of 3) 3 (of 3) 3 (of 3) 3 (of 3) Theorem 5 5 = 4, 5 = 3 4 (of 4) 2 (of 3) 4 (of 4) 2 (of 3) 4 (of 4) 2 (of 3) 4 (of 4) 2 (of 3) 4 (of 4) 1 (of 3) Total % = , = 94.7% 58.8% 100% 88.2% 89.5% 58.8% 89.5% 47.0% 100% 47.0% 24
Transparent-pseudo proof/generischer Beweis? 2 ∉ ℚ Funktioniert der Beweis auch für … … 3 , 5, … , 6, …? 25
Agenda (1) Einführung in die Thematik (2) Neue Wege und Trends aus der Schul- und Hochschuldidaktik a) Generische Beweise b) Transparent-pseudo proofs c) Proofs Without Words d) Proof Frameworks (3) (Gemeinsame) Diskussion 26
Proofs Without Words Nelsen (1993) und (2000) [LINK] Nelsen (1993, S. 7) Fachdidaktische Entwicklungsforschung • Marco et al. (2021) • Marco et al. (2022) • Marco et al. (under review) 27
Proofs Without Words als didaktisches Instrument Marco et al. (2021, S. 23) Marco et al. (2022, S. 1) Aufgabenstellung (Version 1) Didaktische Intentionen: Discover and write down the proof implied by this diagram. Lernende müssen die Beweisidee nicht alleine „aus heiterem Himmel“ (er)finden; sie werden darin unterstützt, die Beweisidee zu entdecken, den Beweis zu konstruieren Marco (2022, S. 1) und ihn zu verstehen Lily And it comes out to be 2 + 2 = 2 Hey! We are so good! [excitingly, giving high-five] Mika Now we should write it down Lily Right. OK! Mika Wow, I am proud of us. 28
Proofs Without Words als didaktisches Instrument Marco et al. (2022) Aufgabenstellung (Version 1) Didaktische Intentionen: Discover and write down the proof implied by this diagram. Lernende müssen die Beweisidee nicht alleine „aus heiterem Himmel“ (er)finden; sie werden darin unterstützt, die Beweisidee zu entdecken, den Beweis zu konstruieren Marco (2022, S. 1) und ihn zu verstehen Erläuterung Warum sind die Winkel in der Betrachtung Deutung der Bezug der Algebr. der Dreiecke Mittel 90°? Gesamtfigur Formeln Formeln zu den Umformungen Konstruktion kongruent? Flächen Vers. 1 0,02 0,17 0,18 0,24 0,92 0,89 0,78 (n=37) Vergebene Punktzahlen: 1: korrekt gefüllte Lücke 0,5: erkannte Lücke, aber nicht korrekt gefüllt 0: nicht erkannt 29
Proofs Without Words als didaktisches Instrument Marco et al. (2022) Aufgabenstellung (Version 1) Didaktische Intentionen: Discover and write down the proof implied by this diagram. Lernende müssen die Beweisidee nicht alleine „aus heiterem Himmel“ (er)finden; sie werden darin unterstützt, die Beweisidee zu entdecken, den Beweis zu konstruieren Marco (2022, S. 1) und ihn zu verstehen Die kognitiven Aktivitäten der Lernenden werden durch die ‚Lücken‘ in der Darstellung bestimmt. Aufgabenstellung final Frage: Discover and write down the proof implied by this diagram. • Wie viele Lücken? • Welcher Art sollen die Lücken sein? • Wo sollen die Lücken auftreten? • … Was ist das Ziel? Marco (2022, S. 5) 30
Proofs Without Words als didaktisches Instrument Marco et al. (2022) Aufgabenstellung (Version 1) 5 Design-Prinzipien zu PWW: Discover and write down the proof implied by this diagram. 1. Auffindbarkeit der Schlüsselidee(n) – Sicherstellung der Entdeckung der Schlüsselidee(n) des Beweises mit minimalem Scaffolding. 2. Unterscheidbarkeit der Facetten „Gegeben und Gesucht“. Die ‚visuelle Grammatik‘ sollte angeben, welche Teile des Diagramms vorgegeben sind und welche durch Konstruktion Marco (2022, S. 1) entstanden sind. 3. Konstruktive Sichtbarkeit Die erfolgten Konstruktionsschritte sollten erkennbar sein. Auf diese Weise entsteht gleichsam ein Zeitperspektive, in dem die gegebenen Ausgangspunkte den konstruierten Aspekten vorausgehen. 4. Verschleierung der Eigenschaften von Figuren Es sollten keine Eigenschaften benannt werden, die selbst hergeleitet werden könnten/sollten. Wenn Eigenschaften selbst entdeckt werden, veranlasst es Aufgabenstellung final die Lernenden dazu, zu vermuten und zu begründen, dass diese gelten. Discover and write down the proof implied by this diagram. 5. Menschliches Handeln Stellen Sie das Diagramm so dar, als sei es durch menschliches Handeln entstanden. Auf diese Weise wird der Zugang zu der Darstellung erleichtert (vgl. Morgan (2016) und Alshwaikh (2018)). Marco (2022, S. 5) 31
Proofs Without Words als didaktisches Instrument Marco et al. (2022) Discover and write down the proof implied by this diagram. Marco (2022, S. 1) Erläuterung Warum sind die Winkel in der Betrachtung Deutung der Bezug der Algebr. der Dreiecke Mittel 90°? Gesamtfigur Formeln Formeln zu den Umformungen Konstruktion kongruent? Flächen Vers. 1 0,02 0,17 0,18 0,24 0,92 0,89 0,78 (n=37) Vers. final 0,34 0,61 0,50 0,45 0,94 0,93 0,91 (n=72) t-Test p
Agenda (1) Einführung in die Thematik (2) Neue Wege und Trends aus der Schul- und Hochschuldidaktik a) Generische Beweise b) Transparent-pseudo proofs c) Proofs Without Words d) Proof Frameworks (3) (Gemeinsame) Diskussion 33
Proof Frameworks Selden et al. (2018) Möller & Nedrenko (in Druck) Idee: 1. Schritt Untersuchen Sie, welcher Typ von Aussage • Analyse des Satzes: Was ist als gegeben vorausgesetzt und zu beweisen ist. Wählen Sie dann eine geeignete was muss bewiesen werden? Beweistechnik. 2. Schritt Stellen Sie die Grobstruktur des Beweises • Fokus zunächst auf Grobstruktur einzelner Beweismethoden. auf. • Anfang und Ende des Beweises können dann formuliert 3. Schritt Ersetzen Sie definierte Begriffe durch die werden. ursprünglichen Ausdrücke. Wenden Sie passende • Für den Teil ‚dazwischen‘: Sukzessives Ersetzen Sätze aus der Vorlesung an. mathematischer Begriffe durch ihre Definitionen, bis logische 4. Schritt Seien Sie kreativ und beenden Sie den Schlüsse möglich oder Sätze aus der Vorlesung angewendet Beweis. Falls dies nicht klappt, gehen Sie zurück zu Schritt 3. werden können. Möller & Nedrenko (in Druck, S. 4) Beweisen Sie durch Kontraposition: ∀ ∈ ℕ: 2 ⇒ Beweis durch Kontraposition: Z.z.: ∀ ∈ ℕ: ⇒ ² Sei ∈ ℕ beliebig aber fest und ungerade. Dann exist. ∈ ℕ mit = 2 − 1. Wir haben 2 = 2 − 1 2 = 4 2 − 4 + 1 Wir haben 2 = 2 2 2 − 2 + 1 mit 2 2 − 2 ∈ ℕ = 2(… ) ± 1. [mit … ∈ ℕ] Also ist ungerade. Damit ist die Ausgangsbehauptung gezeigt. 34
(Gemeinsame) Diskussion • Was war für Sie neu/bemerkenswert/überraschend? • Welche Ideen nehmen Sie mit? • In welchen Bereichen würden Sie weiterführende Forschung befürworten? • Welche Ansätze halten Sie eher für fragwürdig? • Was hat Ihnen gefehlt? • … 35
Literatur (1) Alsina, C., & Nelsen, R. B. (2010). Charming Proofs: A Journey into Elegant Mathematics (1 ed., Vol. 42). Mathematical Association of America. http://www.jstor.org/stable/10.4169/j.ctt6wpwnz Alshwaikh, J. (2018). Diagrams as communication in mathematics discourse: A social semiotic account. For the Learning of Mathematics, 38(2), 9–13. Bauer, S., & Büchter, A. (2018). „Mathematik ist eine beweisende Disziplin“ – auch im nordrhein-westfälischen Zentralabitur? In Fachgruppe Didaktik der Mathematik der Universität Paderborn (Hrsg.), Beiträge zum Mathematikunterricht 2018 (S. 197-200). WTM-Verlag. Biehler, R., & Kempen, L. (2016). Didaktisch orientierte Beweiskonzepte – Eine Analyse zur mathematikdidaktischen Ideenentwicklung. Journal für Mathematik-Didaktik, 37(1), 141-179. https://doi.org/10.1007/s13138-016-0097-1 Biehler, R., & Kempen, L. (2014). Entdecken und Beweisen als Teil der Einführung in die Kultur der Mathematik für Lehramtsstudierende. In J. Roth, T. Bauer, H. Koch, & S. Prediger (Eds.), Übergänge konstruktiv gestalten. Ansätze für eine zielgruppenspezifische Hochschuldidaktik Mathematik (pp. 121-136). Springer Spektrum. Bredow, F., & Knipping, C. (2022). How teachers address process-product dualities in mathematical argumentation processes. Paper presented at the 12th Congress of the European Society for Research in Mathematics Education (CERME 12). Dreyfus, T., Nardi, E., & Leikin, R. (2012). Forms of proof and proving in the classroom. In G. Hanna & M. de Villiers (Eds.), Proof and Proving in Mathematics Education: The 19th ICMI Study (pp. 191-214). Springer Science + Business Media. Karunakaran, S., Freeburn, B., Konuk, N., & Arbaugh, F. (2014). Improving preservice secondary mathematics teachers’ capability with generic example proofs. Mathematics Teacher Educator, 2(2), 158-170. http://www.nctm.org/publications/article.aspx?id=40725 Kempen, L. (2019). Begründen und Beweisen im Übergang von der Schule zur Hochschule. Theoretische Begründung, Weiterentwicklung und Evaluation einer universitären Erstsemesterveranstaltung unter der Perspektive der doppelten Diskontinuität. Springer Spektrum. https://www.springer.com/gp/book/9783658244149 Kempen, L., & Biehler, R. (2021). Design-Based Research in der Hochschullehre am Beispiel der Lehrveranstaltung „Einführung in die Kultur der Mathematik“. In R. Biehler, A. Eichler, R. Hochmuth, S. Rach, & N. Schaper (Eds.), Lehrinnovationen in der Hochschulmathematik : praxisrelevant – didaktisch fundiert – forschungsbasiert (pp. 477-525). Springer Berlin Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-62854-6_20 Kempen, L., & Biehler, R. (2019). Fostering first-year pre-service teachers’ proof competencies [journal article]. ZDM, 51(5), 731-746. https://doi.org/10.1007/s11858-019-01035-x 36
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„Wie soll ich das beweisen?“ – Neue Wege und Trends aus der Schul- und Hochschuldidaktik zur Didaktik des Beweisens Leander Kempen Technische Universität Dortmund leander.kempen@tu-dortmund.de „Einblicke in die moderne Stoffdidaktik“ - 1. Karlsruher Didaktik Workshop, 11.-12.02.2022
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