Wissen - Praxis für Tierphysiotherapie Interlaken - Animove ...

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Wissen - Praxis für Tierphysiotherapie Interlaken - Animove ...
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                          Medical Training (MT)
             Kooperation bei Untersuchung und Behandlung

Das Medical Training (MT) hat seine Wurzeln im Zootiertraining. Dort ist es je nach Gat-
tung und Grösse des Tieres eine Grundvoraussetzung, dass das Tier trainiert wird, aktiv
an Pflegemassnahmen teilzunehmen. In den letzten Jahren fand das MT auch in der
Haus- und Kleintierhaltung immer mehr Beachtung und Bedeutung. Als Tierphysiothera-
peutin erlebte ich in immer wieder erstaunliche Resultate, wenn ein Tierbesitzer mit sei-
nem Tier konsequent MT aufbaut und dieses Konzept in der Physiotherapie oder auch
bei Heimübungen angewandt wird. Die Behandlungen werden absolut stressfrei für Tier
und Mensch und der Erfolg ist deutlich sichtbar!

Gerade für Tiere, welche schon negative Erfahrungen gemacht haben, bringt das MT
grosse Vorteile. Nicht zu vergessen sind dabei auch einfache Alltagshandlungen wie
Bürsten, Abtrocknen, Brustgeschirr oder Halsband anziehen, Pfoten putzen u.a.
Wer mit seinem Tier nach dem Konzept des MT arbeiten will, wird nicht darum herum
kommen etwas Fleissarbeit zu leisten und eine Portion Geduld aufzubringen.
Die einzelnen oft sehr kleinen Trainingsschritte müssen konsequent eingehalten werden.
Der Mensch muss dabei sehr achtsam vorgehen und feinste Signale seines Tieres erken-
nen und deuten können.

Im Internet kursieren viele Beiträge zum MT. Leider handelt es sich dabei oft um falsche
Informationen und Anleitungen, die zwar ein Tier dazu bringen eine Behandlung zu
„erdulden“ indem es abgelenkt wird oder entsprechende Hilfsmittel eingesetzt werden.

Medical Training kann grundsätzlich mit allen Tierarten erlernt und angewandt werden.
Der Einfachheit halber beziehe ich mich im Folgenden auf das MT mit einem Hund.

Fragestellung:

   -   Wie kann ich ein Tier dazu bringen aktiv bei einer Behandlung/ Pflegemassnah-
       me einzuwilligen?
   -   Wie kann ich dem Tier Verhaltensweisen beibringen, von denen es im Endeffekt
       selber profitiert?

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-   Ist es möglich, einem Tier zu lernen an Alltagshandlungen (Pflege, Physiothera-
       pie, Tierarzt, etc. möglichst stressfrei teilzunehmen?

Die Antwort ist : JA, mit Medical Training!

Vorteile des Medical Trainings:

   -   Stressreduktion für alle Beteiligten
   -   Tolle geistige Auslastung vom Tier
   -   Ein Vertrauensverlust kann vermieden werden
   -   Der Sicherheitsfaktor für Mensch und Tier ist grösser

Die drei Säulen des Aufbaus des MT:

Das Konzept, welches in diesem Artikel vorgestellt wird basiert auf drei Pfeilern:

   1. Klassische Konditionierung oder systematische Desensibilisierung
   2. Training von konkreten nützlichen Verhaltensweisen
   3. Aufbau von Kooperationsverhalten/ Kooperationssignal

Alle drei Pfeiler werden einzeln trainiert, wobei es wichtig vom erwünschten Ziel eine
klare Vorstellung zu haben und dementsprechend Material, Ausgangsstellung und Auf-
bau zu definieren.

                    (nach S. Fasel und N.Hehli, www.hunde-leben.ch)

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1. Klassische Konditionierung / systematische Dessensibilisierung

Die Unterscheidung ob es sich um eine klassische Konditionierung oder systematische
Desensibilisierung handelt basiert im Medical Training darauf, ob das Tier mit einem op-
tischen, taktilen, akustischen Reiz bereits Erfahrung gemacht hat oder nicht. Verein-
facht ausgedrückt programmiert man bei der Desensibilisierung um während bei der
Konditionierung ein neues Programm angelegt wird. Beiden liegt jedoch zu Grunde,
dass auf einen gewissen Reiz unverzüglich positives Signal folgt und der Aufbau erfolgt
in den gleichen Schritten. Wenn auf einen Reiz SOFORT ein positives Signal (meist Fut-
ter) folgt, entsteht eine positive Verknüpfung mit dem Reiz! Dabei ist es wichtig zu wis-
sen, dass ein Tier nicht gleichzeitig aufgeregt und entspannt sein kann. Wenn mit Fut-
terbelohnung gearbeitet wird, bedeutet dies, dass wenn das Tier frisst befindet sich sein
Körper neurophysiologisch im „Entspannungs-Modus“.

Der Reiz wird entsprechend des angestrebten Behandlungszieles ausgewählt.

   Beispiele dafür sind:

   -   das Duschwasser läuft (Ziel: den Hund duschen können)  Futter!
   -   Das Krallenschleifgerät surrt (Ziel: Krallenpflege)  Futter!
   -   Hund wird am Halsband gegriffen (Ziel: jederzeit auch schnell den Hund am
       Halsband greifen können) Futter

Auch Tiere, die bei der entsprechenden Massnahme bereits schlechte Erfahrung ge-
macht haben, können diese mit einer systematischen Desensibilisierung
„umprogrammieren“. Der Aufbau muss so oder so in kleinen Schritten erfolgen!!! Am
Beispiel des Verwendens einer Zeckenzange werden diese Schritte hier erklärt:

   Neutrales Objekt in der Hand halten  Zeckenzange (ZZ) ist während dem Training
   im Raum  ZZ wird zuerst ungewohnt, dann normal in der (falschen) Hand gehal-
   ten  ZZ zuerst ungewohnt, dann normal in der Arbeitshand halten  näher beim
   Tier  noch näher  feine Berührung mit ZZ  intensivere Berührung mit ZZ  kleiner
   „Pieks“  Zeitdauer der Berührung erweitern.
   Jeder einzelne Schritt wird wiederholt und positiv belohnt bevor zum nächsten
   Schritt weitergegangen wird. Das Tier verknüpft somit den Einsatz der Zeckenzange
   positiv.

Merke: Man kann die Tiere gut mit den Gegenständen vertraut machen, wenn diese
im Alltag integriert sind! Zum Beispiel hängen die Maulkörbe meiner Hunde gleich bei
den Leinen. Nehme ich die Leine, was Spazieren ankündigt, verknüpft der Hund auch
den bemerkten Maulkorb als etwas Positives.

Analog zum Aufbau der Zeckenzange kann der Maulkorb, Krallenschleifen ua auftrai-
niert werden.

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2. Training von konkreten (nützlichen) Verhaltensweisen

Die Liste der „nützlichen Verhaltensweisen“ , die auch während der Physiotherapie gut
eingesetzt werden können ist lang. Hier ein paar Ideen:

   -   Target - Verhalten (Nasentarget, Pfoten - Target, Kinntarget, Bodentarget)
   -   Hund platziert sich (auf Harasse, in Schachtel, vorne auf Schemel stehen)
   -   Entspannte Seitenlage
   -   Sich Hochheben oder Tragen lassen

Zum Erlernen eines Verhaltens wählt man die Methode, mit der Hund und Besitzer ver-
traut sind. Wenn die Clicker - Methode bekannt ist eignet sich deren Einsatz bestens.

   3. Aufbau Kooperationsverhalten

Der anspruchsvollste Pfeiler ist der Aufbau des Kooperationsverhaltens. Das Tier lernt,
dass es ein Mitspracherecht hat und selber entscheiden kann, wie weit eine Untersu-
chung oder Behandlung zugelassen wird.

Ausschlaggebend dabei ist, dass das Tier sein Mitspracherecht auch zu nutzen erlernt.
Beim Kooperationsverhalten / Kooperationssignal zeigt das Tier seinem Menschen ein
bestimmtes Verhalten, was soviel bedeutet wie „ich bin bereit“. Zum Beispiel begibt es
sich auf ein Bodentarget, fixiert den Futterautomaten oder macht ein definiertes Na-
sentarget an einem Gegenstand. Dieses Zeichen wird NIE auf Signal ausgeführt und
das Tier muss IMMER die Wahl haben, d.h. quasi ein Mitspracherecht und zeigt dies
durch sein Kooperationssignal! Häufig wird fälschlicherweise „Erdulden“ als Kooperati-
on gedeutet.

In der Physiotherapie verwende ich oft das sogenannte „Bucket game“. Im Internet
findet man schöne Videos dazu. In der Praxis fixiert der Hund in der gewünschten Aus-
gangsstellung eine Schale mit Belohnungsfutter. Daraus wird er auch fleissig belohnt,
solange ich zum Beispiel isometrische Übungen mache. Löst der Hund den Blick oder
bewegt sich weg, stoppe ich die Übung sofort und setze sie erst fort, wenn der Hund
seine Kooperation wieder signalisiert.

Weiter Kooperationssignale könnten sein: Futterautomat anschauen, Handtarget,
Maulkorbtarget, Pfoten - Target, auf Kooperationsmatte stehen etc.

Zum Üben eines Kooperationssignals wird die Situation in der Praxis günstig eingerich-
tet. Am besten übt man das Verhalten zuerst an einem vertrauten Ort und beginnt mit
der Generalisierung (an anderen Orten) in kleinen Schritten. In meiner Physiothera-
piepraxis lernen die Hunde sich zum Beispiel ohne Signal auf dem Behandlungstisch in
die entspannte Seitenlage zu legen. Zeigt das Tier dieses Verhalten, darf mit der Be-
handlung gestartet werden. Zeigt es Verhalten nicht mehr und hebt zum Beispiel den
Kopf, muss SOFORT gestoppt werden und meine Hände entfernen sich. Zeigt es Ver-
halten erneut, darf weitergefahren werden, etc....

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Schlussfolgerung

In der Tierphysiotherapie ist die Verwendung des MT- Konzeptes sehr sinnvoll. Sei es für
die Behandlung in der Praxis oder auch für Heimübungen. Welche Verhaltensweisen
dabei erlernt werden und welches Kooperationssignal vom Tier erlernt wird ist abhän-
gig vom Ziel der Behandlung / Übung. Die genaue Instruktion der Tierbesitzer ist dabei
wichtig. Es braucht wie am Anfang erwähnt am Anfang tägliche kleine Übungsse-
quenzen (max. 10 Min) zum schrittweisen Erreichen des Ziels. Von meinen Tierbesitzern
lasse ich mir immer kurze Videosequenzen vom Training daheim schicken. Damit lässt
es sich oft vermeiden, dass sich Fehler einschleichen und Fehlverhalten gefördert wird.

Umso grösser ist die Freude dann, wenn dank MT ein Hund, der mit Maulkorb zur ersten
Sitzung kam und sich sogleich in die hinterste Ecke der Praxis verkroch nach einem hal-
ben Jahr konsequentem Training in die Praxis marschiert und sich freiwillig auf die Be-
handlungsliege auf die Seite legt und mich mit dem Blick „Das Gleiche vom letzten Mal
nochmals bitte“ anschaut.

Berufskolleginnen und Berufskollegen, Tierbesitzerinnen und Tierbesitzer und v.a. auch
Tierärztinnen und Tierärzte möchte ich im Sinne unserer Patienten einladen sich mit
dem Konzept des Medical Trainings auseinanderzusetzten, denn ich bin überzeugt,
dass unsere Behandlungen viel wertvoller und effizienter werden können dadurch.

      7 monatiger Junghund macht Kinntarget bei Untersuchung der Hinterhand

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Vorderpfotentarget als Behandlungsposition

Der Hund lernt seinen Fang freiwillig in einen am Stuhl befestigten Maulkorb
zu stecken als Kooperationszeichen. Während der Behandlung bleibt der
Fang im Korb solange der Hund dies als sein erlerntes Kooperationssignal
zeigt.

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Podest als Target. Hier am Beispiel der isometrischen Trainings als Heim-
      übung bei medialer Schulterinstabilität

Kooperationsmatte. Solange alle 4 Pfoten auf der Matte sind, darf behandelt werden.
Verlässt das Tier die Matte wird sofort die Behandlung/ Untersuchung gestoppt. Ich setz-
te dieses Target oft zur Befunderhebung ein.

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Entspannte Seitenlage, die der Hund zur Behandlung freiwillig einnimmt

Target Futterautomat. Setzte ich oft für isometrisches üben ein. Ebenfalls geeignet für
Tierbesitzer zum Ausführen von Heimübungen.
Vorteil: Der Behandler kann seine Position ändern, das Tier bleibt inPosition.

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Mythos lernt als Kooperationssignal das Nasentarget an einer Fliegen-
klatsche

                           Text und Bilder:
  Praxis für Tierphysiotherapie Judith Hettich / www.animove.ch

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