Zinedine Zidane Zwischen Genie und Wahnsinn
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magazine PORTRÄT Zinedine Zidane Zwischen Genie und Wahnsinn Mal göttlich, mal teuflisch, Zinedine Zidane hat bei dieser WM bewiesen, dass Himmel und Hölle nahe beieinander liegen. Ein begnadeter Spieler im Fegefeuer! VON JEAN VIREBAYRE 1890 - 22 footballers use net for first time. 2006 - Millions of fans use net billions of times. 20 million fans visited the Yahoo! hosted 2002 FIFAworldcup.com site 2.4 billion times. We’re ready for more, are you? SEPTEMBER 2006 15
magazine PORTRÄT Zidanes wichtigste Tore T alent ist unvergänglich, wie die Wahl des 34-jährigen Zinedine Zidane zum besten Spieler der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Deutschland 2006™ eindrucksvoll ge- nen kontrollierten und geschmeidigen Bewegungen und seinem unglaub- lichen Spielinstinkt ein ganzes Stadion in Ekstase versetzen konnte. Doch der bescheidene Star hat sich selbst nie als Euro 2000 haben daran nichts geän- dert. „Ich bin noch immer der gleiche. Ich habe mich nicht verändert, da man sich immer treu bleiben muss“, so der Franzose. Das erste Tor: Cannes, 8. Februar 1991: Beim 2:1-Sieg gegen Nantes erzielt Zinedine Zidane in der 56. Minute sein erstes Tor als Profi. „Der Präsident von Cannes, Alain Pedretti, hatte mir für mein erstes Tor ein Auto versprochen“, erinnert er sich. „Er hielt sein Wort: Bei einer Feier zeigt hat. Nach seiner Meisterleistung besten Spieler der Welt gesehen: „Mir In La Castellane im Norden der fuss- mit meinen Teamkollegen schenkte er mir mein erstes Auto: einen roten Clio.“ gegen die brasilianischen Ballzauberer fehlt so viel ... vor allem die Konstanz. ballverrückten Stadt Marseille als Sohn im Viertelfinale, die er schon 1998 fast In jeder Saison habe ich mit einigen eines kabylischen Einwanderers gebo- Sein internationales Debüt: im Alleingang bezwungen hatte, sollte Problemen zu kämpfen.“ Seine Sprache ren, schien „Yazid“, wie er von Familie Bordeaux, 17. August 1994: Vor heimischem Publikum bestreitet Zidane gegen die Tsche- das Finale der krönende Abschluss einer ist einfach und ehrlich; heilig ist ihm und Freunden genannt wird, anfangs chische Republik sein erstes Länderspiel. Beim Spielstand von 0:2 in der 63. Minute von aussergewöhnlichen Karriere – dieje- die Ehre seiner Familie. Selbst der Welt- kaum Aussicht auf eine grosse Karri- Aimé Jacquet eingewechselt, wird Zidane in den letzten fünf Minuten zum Helden des nige eines Fussballgenies, so die Worte meistertitel 1998 und der Gewinn der ere zu haben, zumal er auch noch an Spiels. Mit einem Heber und per Kopf holt er für sein Team in diesem Freundschaftsspiel der brasilianischen Fussballlegende Pelé Thalassämie, einer im Mittelmeerraum noch ein Unentschieden heraus – seine erste Grosstat für die „Bleus“. – werden. verbreiteten Form von Blutarmut, litt, Zidane als junger Spund: bei Doch wie so oft im Leben liegen Ge- die bei ihm zwar nicht stark ausgeprägt Cannes 1991 (ganz oben) Auf dem Fussballolymp: nie und Wahnsinn eng beieinander. war, aber an seinen Kräften zehrte. und in der französischen Paris, 12. Juli 1998: Im Finale der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft™ im Stade de France Vor den Augen von Milliarden von Nur mit Mühe konnte er der kör- Nationalmannschaft 1994. läuft Zidane nach harzigem WM-Start zu Hochform auf, so wie es sich für einen echten Fernsehzuschauern rammt Zidane perlichen Belastung standhalten. Star gehört. Zidane ist allgegenwärtig und fegt Brasilien praktisch im Alleingang vom dem Italiener Marco Materazzi Platz. Zweimal trifft er in der ersten Halbzeit per Kopf und legt damit den Grundstein kurz vor Schluss der Verlängerung MIT TALENT GESEGNET für den 3:0-Triumph der Franzosen. Ein neuer Nationalheld ist geboren. den Kopf gegen die Brust: rote Technisch ist er heute nahezu Karte, die 14. in seiner Karriere, perfekt. Auf seinem Weg nach Europäische Bestätigung: für die Wahnsinnstat, die die Welt oben hat er sich aber nie allein Rotterdam, 2. Juli 2000: Die Franzosen sind noch dominanter als 1998 und werden entsetzt und für die es keine Ent- auf sein Talent verlassen, sondern nach 1984 wiederum Europameister, auch wenn der Sieg letztlich an einem seidenen schuldigung gibt, provozierende immer auch hart gearbeitet, um Faden hängt. Gegen die hartnäckigen Italiener bringt erst das Golden Goal zum 2:1 die Worte des Italieners hin oder her. dereinst das Publikum mit seinen Entscheidung zugunsten Frankreichs. Obwohl er dieses Mal nicht zu den Torschützen Mit Zidane ist der letzte grosse formvollendeten Kunststücken und zählt, ist Zidane, von den Italienern gleichermassen geliebt wie gefürchtet, wiederum Künstler abgetreten, der mit sei- Pirouetten zu verzücken. „Ich habe Baumeister des Erfolgs. viel gearbeitet, viel ausprobiert und andere herausgefordert. Ich habe von Meisterprüfung: morgens bis abends Fussball gespielt, Glasgow, 12. Mai 2002: In seinem dritten Finale, dieses Mal mit Real Madrid, gelingt auch um mich zu beschäftigen. Wa- Zidane endlich der erste Erfolg in der UEFA Champions League. Unvergessen ist nicht ren wir zu wenige für ein richtiges so sehr der 2:1-Triumph gegen Bayer Leverkusen, sondern Zidanes Siegestor: Flanke von Spiel, spielten wir eins gegen Roberto Carlos, messerscharfer Volleyschuss mit links – ein Tor für die Ewigkeit, vielleicht der schönste Treffer seiner Karriere. eins, zwei gegen zwei oder halt Fussballtennis. Oder Die Rückkehr: wir zielten auf Gegen- Montpellier, 17. August 2005: Bedrohlich wankt Frankreich in der Qualifikation für die stände. Da lernt man FIFA Fussball-Weltmeisterschaft 2006™. Retter in der Not ist Zidane, der ein Jahr zuvor von alleine viel dazu. aus dem Nationalteam zurückgetreten ist. Im Freundschaftsspiel gegen die Elfenbeinküste Wenn ich das Ziel zu Wichtige und schöne Treffer: lässt er Frankreich auferstehen. 3:0 lautet das überzeugende Resultat, an dem Zidane oft verfehlte, machte Zidane trifft im WM-Finale 1998 massgeblichen Anteil hat. Nach einem Eckball von Wiltord trifft Zidane, der am langen ich weiter, bis es klapp- per Kopf und erzielt 2002 im Pfosten sträflich alleine gelassen wird, zum 2:0. te“, erinnert er sich. Finale der UEFA Champions Sensibel und schüch- League ein Traumtor. Das letzte Tor: tern hatte Zidane das Berlin, 9. Juli 2006: Nach seinen entscheidenden Toren im Achtelfinale gegen Spanien Glück, zum richtigen Zeit- und im Halbfinale gegen Portugal trägt sich Zidane auch im Endspiel der FIFA WM 2006™ punkt auf Menschen zu treffen, gegen Italien in die Torschützenliste ein – und wie. Mit seinem Elfmeter nach dem Vorbild die ihn verstanden und förderten. de Bordeaux, wo er abseits vom grossen Panenkas lässt er Gianluigi Buffon keine Chance. Nie zuvor hat ein Strafstossschütze in Da war etwa Jean Varraud, Zidanes Fussballrummel zu einem grossen Spie- einem WM-Finale einen solchen Heber gewagt. „spiritueller Vater“, der während der ler heranreifen konnte. Weltmeisterschaft leider verstorben Noch während seiner Zeit bei Cannes ist. Er war es, der ihn in die Fussball- ereilte ihn der Ruf von Nationaltrainer schule der AS Cannes holte und ihm Aimé Jacquet, der um Zidane herum zösischen Team. Vergessen war Eric mit 16 Jahren den Weg in die Pro- eine neue „Equipe tricolore“ aufbauen Cantona, der von Jacquet für die Euro- fimannschaft ebnete. Es folgte wollte. Bei der Euro 1996 war Zidane pameisterschaft gar nicht erst berück- der Wechsel zu Girondins bereits Dreh- und Angelpunkt im fran- sichtigt worden war. 16 SEPTEMBER 2006 SEPTEMBER 2006 17
magazine PORTRÄT Zidanes Rekorde Mit seinem Tor im Endspiel gegen Italien hat sich Zinedine Zidane weitere Einträge in das Buch der WM-Rekorde gesichert. Ein Zauberer am Ball, erfolgreich, Zidane als Kapitän der „Equipe tricolore“, im Training - Zusammen mit seinen zwei Toren im Finale aber meist öffentlichkeitsscheu. von Real Madrid, als Schminkvorlage und mit seinem 1998 gegen Brasilien ist Zidane erst der vierte Ausnahmsweise posiert Zidane im Juni Freund und Mitspieler bei Real, Ronaldo. Spieler, der in zwei Endspielen getroffen hat. 2005 beim French Open mit dem Sieger Dieses Kunststück ist vor ihm nur den Brasili- des Turniers, Rafael Nadal (rechts). anern Pelé (1958 und 1970) und Vava (1958 und 1962) sowie dem deutschen Verteidiger Paul Breitner (1974 und 1982) gelungen. ZINEDINE ZIDANE - Mit drei Finaltoren zieht er mit den bishe- Geboren am: 23. Juni 1972 in Marseille rigen Rekordhaltern Pelé und Vava (Brasilien) Nach dem Wechsel zum italienischen erreicht habe, denn ich weiss, was Not Rücktritt vom Rücktritt ist nicht ohne (Frankreich) sowie dem Engländer Geoff Hurst gleich, der Klub Juventus Turin, der noch immer heisst. Für mich ist es ganz im Gegenteil Risiko, aber allein mit seiner Präsenz Position: Mittelfeld seine Treffer allesamt 1966 erzielte. Michel Platini nachtrauerte, gelang Zi- zusätzlicher Ansporn, mich noch mehr haucht er den Franzosen neues Leben Karriere: 1986–1992: AS Cannes - Mit seinem 31. Treffer im Nationalmann- dane bei der Weltmeisterschaft 1998 gegen Armut einzusetzen. Im Fussball ein, die sich im letzten Spiel doch noch (Frankreich). 1992–1996: Girondins de schaftsdress zieht er in der Torschützenwer- auch international der grosse Durch- habe ich mehrere Kollegen, etwa in der für die Endrunde in Deutschland qua- Bordeaux (Frankreich). 1996–2001: Juven- tung der „Equipe tricolore“ an den beiden bruch. Seine beiden Kopfballtore im französischen Nationalmannschaft, die lifizieren. tus Turin (Italien). 2001–2006: Real Madrid französischen Fussballlegenden Just Fontaine Finale gegen Brasilien gingen um die sich ebenso stark engagieren, wenn auch Es war eine Rückkehr auf Zeit: Die (Spanien). und Jean-Pierre Papin vorbei und figuriert ganze Welt und machten „Zizou“, wie auf andere Weise“, betont Zidane. WM soll zum Entsetzen seiner Lands- Erfolge: 1998: Weltmeister. 2006: nun auf Platz vier hinter Michel Platini (41 er fortan genannt wurde, zum Liebling Zidane weiss um die Strahlkraft sei- leute zur endgültigen Abschiedsvorstel- WM-Finalist. 2000: Europameister. 2002: Tore), Thierry Henry (36) und David Trézé- einer ganzen Nation, zum Ideal eines nes Namens und will ihn deshalb nicht lung werden – und sie wird es, auch Gewinn der UEFA Champions League. guet (32). multikulturellen Frankreich, zum Aus- für alles hergeben. „Jeder hat es in der wenn ihm der krönende Abschluss im 1996 und 2002: Gewinn des Toyota- hängeschild der Stadt Marseille und zur Hand, etwas zu tun. Natürlich werde Finale verwehrt bleibt. Gegen die brasi- Pokals. 1996 und 2002: Gewinn des Werbeikone, deren Image als braver Fa- ich benutzt, aber nur so, wie ich es will“, lianischen Ballkünstler spielt er wie von europäischen Superpokals. 1997 und milienvater Millionen wert war. stellt er klar. einem anderen Stern. Es ist die vielleicht 1998: Finalist der UEFA Champions Selbst der Wechsel 2001 zu Real Nach dem WM-Triumph 1998 in beste Leistung seiner Karriere, nahe der League. 1996: Finalist des UEFA-Pokals. Madrid für die Rekordsumme von 75 Frankreich sollte der Höhenflug auch Perfektion. Seine millimetergenauen 2003: spanischer Landesmeister. 1997 und Millionen Euro konnte nicht an seinem beim FIFA-Weltpokal Korea/Japan Pässe, seine unglaublichen Körpertäu- 1998: italienischer Landesmeister. 2001 Bild kratzen. Zu glaubhaft waren seine 2002™ weitergehen. Doch Zidane, schungen und seine Geistesblitze ermög- und 2003: Gewinn des spanischen Super- wiederkehrenden Beteuerungen, dass mit Real Madrid soeben Champions- lichen Frankreich den Weg ins Halbfina- pokals. 1997: Gewinn des italienischen Geld für ihn nur Nebensache sei. Und League-Sieger geworden, trifft nach der le. Nachdem er bereits im Achtelfinale Superpokals. 1998, 2000 und 2003: FIFA- so sieht er auch keinen Widerspruch Geburt seines dritten Sohnes verspätet gegen Spanien als Torschütze zum 3:1 Weltfussballer des Jahres. 2006: Gewinn zwischen den astronomischen Summen, im WM-Lager ein und verletzt sich im glänzte, gelingt ihm auch gegen Portugal des Goldenen Balls als bester Spieler der die im Profifussball gezahlt werden, und letzten Testspiel so schwer am linken der entscheidende Treffer: per Elfmeter WM. 1998 und 2002: Europas Fussballer dem Kampf gegen die Armut, den er Oberschenkel, dass er fürs Auftakt- zum 1:0-Endstand. des Jahres. 108 Länderspiele, 31 Tore. neben Ronaldo als Botschafter der Ver- spiel ausfällt. Seiner Seele beraubt, geht Im Finale gegen Italien ist wiederum einten Nationen unterstützt. „Das hat Frankreich in Fernost mit fliegenden Zidane der Motor im französischen Stand: 11. Juli 2006 nichts miteinander zu tun. Das Geld Fahnen unter. Auch die Euro zwei Jahre Team. Per Strafstoss, den er nonchalant als Fussballer ist redlich verdient, denn später gerät zur grossen Enttäuschung, als Heber spielt, bringt er sein Team in im Fussball werden keine Geschenke worauf Zinedine Zidane seinen Rück- Führung und hat in der 104. Minute verteilt. Ich bin stolz auf das, was ich tritt aus dem Nationalteam erklärt. nach einem Zuspiel von Willy Sagnol gar das 2:1 auf dem Kopf, doch Gian- Hoch dekoriert: DIE RÜCKKEHR luigi Buffon ist nicht umsonst der beste unvermittelt verlassen muss. Die Vor- Zidane als FIFA-Weltfussballer Der letzte Torjubel: Zidane dreht nach Nach der harzig angelaufenen Qua- Torhüter der Welt. stellung ist aus – nach einem drama- des Jahres 2003 (oben) seinem verwandelten Elfmeter im lifikation für die FIFA Fussball-Welt- Aus und vorbei, das weiss keiner bes- tischen letzten Akt mit einem gefallenen und bei der Verleihung des Finale der WM 2006 jubelnd ab. In meisterschaft 2006™ kommt Zidane ser als Zidane selbst, der sich frustriert, Helden, dem der Applaus der Zuschauer „Ballon d’or“ 1998. der 110. Minute dann der Schock: Der im Sommer 2005 jedoch auf seine Ent- ausgepumpt und ohnmächtig kurz dar- dennoch gewiss ist, denn nur wenige FOTOS: FOTO-NET (12), IMAGO (5) französische Spielmacher sieht nach scheidung zurück und nimmt die Zügel auf zu einer grenzenlosen Dummheit haben dem Fussball so viel gegeben wie einem Kopfstoss die rote Karte. bei den „Bleus“ wieder in die Hand. Der hinreissen lässt und die grosse Bühne Zinedine Zidane. 18 SEPTEMBER 2006 SEPTEMBER 2006 19
magazine INTERVIEW Joseph S. Blatter „Das kann nur der Fussball schaffen“ FIFA magazine: Wenn Sie die FIFA WM in Deutschland auf einer Notenskala von eins bis zehn beur- teilen, wie fällt Ihre Einschätzung aus? Joseph S. Blatter: Die Organi- sation und die Stimmung würde ich mit FIFA-Präsident Joseph S. Blatter einer neun bewerten, den fussballerischen Gehalt mit einer acht. Ich hätte mir in der besuchte während der Weltmeis- zweiten Phase des Turniers offensiveren Fussball gewünscht. Nach meinen Ein- terschaft in Deutschland Spiele von drücken war das Ziel der meisten Teams, in der K.-o.-Runde nicht zu verlieren. 31 Mannschaften. Seine Bilanz des Deswegen konnten die Stars auch nicht so glänzen, wie das hier und da erwartet Turniers fällt ausgesprochen positiv worden war. Sie wirkten blockiert, weil sie zu sehr in den Zwängen steckten, die aus, auch wenn er sich in den K.-o.- ihnen die Trainer aufbürdeten. Und viele Coaches traten jeweils mit nur einem Runden etwas offensiveren Fussball Stürmer an. Das ist nicht viel. Dafür Zinedine Zidane: Der spielte wie vor acht gewünscht hätte, wie er im Interview Jahren bei der WM im eigenen Land! sagt. Wie viele Weltmeisterschaften haben Sie aktiv verfolgt? Blatter: Seit 1978 bin ich für die VON GEORG HEITZ FIFA bei den Turnieren vor Ort. Die erste WM, für die ich mich interessierte, war aber jene 1950 in Brasilien. 1954 in der Schweiz war ich dann live dabei. Ich kaufte mir für sechs Franken und zehn Rappen eine Karte für das Finale. Dieses Ticket habe ich heute noch. Wenn Sie die rasante Entwicklung des Fussballs sehen, haben Sie dann manchmal nicht Sehnsucht nach der Vergangenheit? Blatter: Der Fussball hat sich in und mit der Gesellschaft entwickelt. Es gab eine Zeit, da wurden die Spielfelder durch Zäune vom Publikum abgetrennt. Das war schlimm, es führte sogar dazu, dass Menschen sterben mussten. Heute sitzen die Zuschauer wieder nahe am Gesche- hen, was auch ein Verdienst der Engländer Der Präsident und der Pokal: ist, die eine Vorreiterrolle gespielt haben. Joseph S. Blatter posiert in Berlin mit der Der Komfort in den Stadien ist hoch. begehrten Trophäe. Rechts: Blatter mit dem ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton, mit Und ausserhalb der Arenen feiern Pelé und mit Partnerin Ilona Boguska. die Leute in den Fanmeilen … 20 SEPTEMBER 2006 SEPTEMBER 2006 21
Blatter magazine INTERVIEW Blatter: Diese Idee stammt von in der Partie zwischen Deutschland und des Interesses zu stehen als Sie Blatter: Oft halfen sich die Spieler Blatter, der Marathonmann Gregor Lentze, einem FIFA-Mitarbeiter Frankreich. Leider werden heute in der selbst. Hat Sie das gestört? gegenseitig dabei aufzustehen. Zudem in Deutschland. Durch diese Fanmeilen Verlängerung kaum mehr Tore erzielt. Ich Blatter: Nein. Er war überall, er hat gab es schöne Szenen nach dem Schluss- Die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Deutschland 2006™ war für FIFA-Präsident Joseph S. werden auch die Fans, die kein Ticket habe keine Lösung bereit, aber ich versi- seine WM gefeiert. Er ist eine grossartige pfiff, beispielsweise zwischen den Brasili- Blatter überaus hektisch. Mit Spielen, Medienkonferenzen und Gesprächen mit zahlreichen kaufen konnten, in die WM einbezogen. chere, dass ich jedes Mal mit den Spielern Persönlichkeit, deren Anwesenheit bei anern und den Franzosen oder zwischen Persönlichkeiten war sein Terminkalender randvoll, wie folgender Ausschnitt (ohne offizielle Die Bilder, die uns von diesen Fanmeilen leide, wenn es zu einem Elfmeterschiessen den Spielen nötig war. Meine Aufgaben den Engländern und den Portugiesen. Sitzungen) zeigt: erreichten, sind fantastisch. Der Fussball kommt – und zwar mit den Torhütern und waren andere. Ich konnte – bis auf die Nur die Argentinier und die Deutschen hat diesbezüglich eine erfreuliche Ent- den Schützen. schwedische – jede der Delegationen gingen am Ende aufeinander los. Grund- 9. Juni 18.00 Uhr München Deutschland – Costa Rica wicklung genommen. Seit dem Turnier besuchen und mit den Verbandsvertretern sätzlich wurde aber das Fairplay im Sinne 10. Juni 15.00 Uhr Frankfurt England – Paraguay in Frankreich 1998 ist die Atmosphäre Zurück zur WM in Deutschland. diskutieren. der FIFA gelebt. 11. Juni 15.00 Uhr Leipzig Serbien und Montenegro – Niederlande 12. Juni 21.00 Uhr Hannover Italien – Ghana freundschaftlich. Beispielhaft war dies Ab dem Halbfinale verkam sie zur 13. Juni 21.00 Uhr Berlin Brasilien – Kroatien in Korea und Japan zu beobachten, aber Europameisterschaft. Wie sehr ärgerte Sie der Verband Die FIFA initiierte eine Antirassis- 14. Juni 21.00 Uhr Dortmund Deutschland – Polen, Treffen mit der Familie von auch dieses Jahr in Deutschland. Blatter: Nein, da wehre ich mich Togos mit all den Turbulenzen, die musaktion, bei der die Kapitäne Daniel Nivel entschieden dagegen. Es ist eine Welt- er auslöste? vor dem Anpfiff der Viertelfinal- 15. Juni 15.00 Uhr Nürnberg England – Trinidad und Tobago Gibt es für Sie in der Fussballge- meisterschaft, bei der sich zwei europä- Blatter: Das war sehr traurig. Da partien jeweils eine Erklärung 16. Juni 18.00 Uhr Stuttgart Niederlande – Elfenbeinküste, Besuch des schichte das Spiel schlechthin? ische Teams im Viertelfinale gegen die kam ein WM-Neuling und produzierte verlasen. Sind Sie mit dem Effekt Landtags von Baden-Württemberg, Eintrag ins goldene Blatter: Jede Partie bedeutet Emo- zwei grossen Mannschaften aus Süd- fast nur Negativschlagzeilen. Schliesslich zufrieden? Buch von Baden-Württemberg, Treffen mit Minister- tionen und Leidenschaft. Der Fussball amerika durchsetzten. Letztmals hatten mussten wir in den Prämienstreit zwi- Blatter: Ja, denn der Fussball wirkt präsident Oettinger kann zu einem Drama werden oder gar wir 1982 die Situation, dass unter den schen dem Verband und den Spielern verbindend. Ich freue mich über jede 17. Juni 15.00 Uhr Kaiserslautern Enthüllung des Fritz-Walter-Denkmals im Fritz-Walter- zu einer Tragödie, dann nämlich, wenn letzten vier kein südamerikanisches Land eingreifen. Die Verantwortlichen haben Mannschaft, die Spieler mit verschiedener Museum zusammen mit dem rheinland-pfälzischen es zu einem Elfmeterschiessen kommt. mehr war. sich nachträglich per Brief bei der FIFA Hautfarbe vereint. Der Fussball hat inte- Ministerpräsidenten Kurt Beck 17. Juni 21.00 Uhr Kaiserslautern Italien – USA In dieser Kurzform der Entscheidung entschuldigt. grative Fähigkeiten. 18. Juni 21.00 Uhr Leipzig Frankreich – Korea Republik verliert er auch seinen Charakter als Wie wichtig ist es für ein solches 19. Juni 18.00 Uhr Hamburg Saudiarabien – Ukraine Mannschaftssport. Denn es gibt nur noch Turnier, dass der Gastgeber mög- Diego Maradona war eine der Was für Lehren zieht die FIFA aus 20. Juni 16.00 Uhr Berlin Ecuador – Deutschland Duelle zwischen dem Torhüter und dem lichst lange dabei ist? auffälligen Figuren auf den Tri- dem Turnier in Deutschland im 21. Juni 16.00 Uhr Leipzig Iran – Angola Elfmeterschützen. Blatter: Wichtig sind diesbezüg- bünen. Was sagen Sie zu seinem Hinblick auf die Weltmeisterschaft 22. Juni 21.00 Uhr Dortmund Japan – Brasilien, Besuch des Frauenfussballturniers lich die Gruppenspiele und die erste Verhalten? 2010 in Südafrika? in der adidas World of Football in Berlin Wie kann man das ändern? K-o.-Runde. Da hilft ein erfolgreiches Blatter: Ich habe ihn getroffen, und er Blatter: Wir werden uns den dor- 23. Juni 16.00 Uhr Berlin Ukraine – Tunesien Blatter: Nun, wir führten vor einigen Abschneiden des Heimteams, um ein hat mir zum 30. Mal versichert, er komme tigen Gegebenheiten anpassen müssen, 23. Juni 21.00 Uhr Köln Togo – Frankreich Jahren das Golden Goal ein, wonach bei stimmungsvolles Ambiente zu erzeugen. bald zu einem Besuch an den FIFA-Haupt- aber die Fanmeilen beispielsweise wollen 24. Juni 21.00 Uhr Leipzig Argentinien – Mexiko einem Tor in der Verlängerung die Partie Danach aber spielt das keine Rolle mehr, sitz in Zürich und werde für unseren Ver- wir unbedingt beibehalten, denn es ist 25. Juni 21.00 Uhr Nürnberg Portugal – Niederlande sofort beendet war. Dann kamen aber die weil die Fans einfach den Fussball im band arbeiten … Maradona ist Maradona, besonders wichtig, in Südafrika das Volk 26. Juni 17.00 Uhr Kaiserslautern Italien – Australien 26. Juni 21.00 Uhr Köln Schweiz – Ukraine Traditionalisten und wiesen darauf hin, dass Allgemeinen feiern. mehr gibt es dazu nicht zu sagen. zusammenzubringen. Sie haben es mit 27. Juni 17.00 Uhr Dortmund Brasilien – Ghana einige der berühmtesten Spiele der Historie einer Rugby- und einer Kricket-Welt- 28. Juni Medienkonferenz zum FIFA-Tag gegen erst wirklich packend wurden, nachdem in Franz Beckenbauer, der Präsident Haben Sie während der WM eine meisterschaft versucht, aber das Vorhaben Diskriminierung der Verlängerung der erste Treffer gefallen des lokalen Organisationskomi- Geste gesehen, die Sie besonders misslang. Nur der Fussball kann das 30. Juni 17.00 Uhr Berlin Deutschland – Argentinien war. Etwa bei der WM 1982 in Spanien tees, schien fast mehr im Zentrum freute? schaffen. 1. Juli 17.00 Uhr Gelsenkirchen Portugal – England, Fotoaufnahmen mit dem britischen Sportminister Richard Caborn und englischen Schulkindern, die von der FIFA Eintrittskarten erhalten haben 2. Juli Berlin Strassenfussballturnier 4. Juli 21.00 Uhr Dortmund Deutschland – Italien 5. Juli 21.00 Uhr München Frankreich – Portugal, Übergabe eines Schecks an SOS- Kinderdorf International, Treffen mit Spike Lee, Besuch bei iSe Hospitality 6. Juli Berlin Fotoaufnahmen mit First National Bank (Sponsor der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft 2010), Begrüssung durch den deutschen Bundespräsidenten Horst Köhler 7. Juli Berlin Lancierung von „Afrika ruft”, Unterzeichnung eines neuen Sponsorenvertrags, Empfang des Bundesver- dienstkreuzes im deutschen Bundeskanzleramt 8. Juli Stuttgart Deutschland – Portugal, Unterzeichnung eines Spon- sorenvertrags mit McDonald’s 9. Juli Berlin Italien – Frankreich, Medienkonferenz und Unterzeichnung einer FIFA/EU-Vereinbarung, Blatter mit Franz Beckenbauer, mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, vor dem Berliner FOTOS: FOTO-NET Empfang durch den deutschen Bundespräsidenten Olympiastadion und beim Empfang von Kindern. 22 SEPTEMBER 2006 SEPTEMBER 2006 23
magazine FIFA FUSSBALL-WELTMEISTERSCHAFT DEUTSCHLAND 2006™ Die Gefahr droht von rechts Die technische Studiengruppe (TSG) der FIFA hat alle 64 Spiele der WM in Deutschland genau analysiert und ist zu interessanten Erkenntnissen gelangt. Das FIFA magazine präsentiert einige der Ergebnisse. VON HOLGER OSIECK* DIE SPIELSYSTEME Absolute Neuheiten waren beim Turnier in Deutschland nicht zu beobachten. 28 der 32 teilnehmenden Teams spielten mit einer Viererkette in der Abwehr. Japan, das mit einer Dreierab- wehr begann, wechselte später ebenfalls zu einer Viererkette. Die Mittelfeldformationen zeigten jedoch unterschiedliche Formen. Die klassische Anordnung des 4-4-2 mit zwei zen- tralen und zwei äusseren Mittelfeldspielern praktizierten unter anderen Brasilien, Deutschland, England und die USA, wobei im Viertelfinale sowohl Brasilien als auch England ihr norma- les System modifizierten, indem sie einen zusätzlichen defensi- ven Mittelfeldspieler aufboten. Andere Teams spielten mit nur einem defensiv ausgerich- teten Aufbauer vor der Abwehr. Dies traf beispielsweise auf Argentinien und Ghana zu. Hierbei konnte man bei den Süd- amerikanern eine „Diamantformation“ im Mittelfeld ausma- chen, während die Afrikaner eine Dreierreihe vor dem defensi- ven Mittelfeldspieler positionierten. Interessant war zudem, dass mit Portugal, Frankreich und Italien drei der vier Halbfinalisten mit einer ähnlichen Spiel- philosophie antraten: Vor den beiden defensiven zentralen Mittelfeldspielern spielte eine Dreierreihe, während vorne nur Kompaktes Abwehrverhalten: Die Italiener Gennaro Gattuso (links) und Fabio Cannavaro eine einzige Sturmspitze aufgeboten wurde. gegen Australiens Stürmer Mark Viduka. Bezüglich Spielanlage gab es das ganze Spektrum verschie- dener Spielstile zu beobachten. Aufgrund ihrer Tradition be- vorzugten Teams wie Portugal, Argentinien oder auch Mexiko DAS DEFENSIVVERHALTEN ein schnelles Kurzpassspiel, man war aber auch in der Lage, die Angriffe mit weiten, spielöffnenden Pässen auf die Flügel Bei dieser WM war in erster Linie ein kompaktes, auf Torsi- Der Einfluss des zentralen defensiven Mittelfeldspielers vorzutragen, wobei dann die kopfballstarken Spieler im Zen- cherung bedachtes Abwehrverhalten zu erkennen. Nur selten bei der Angriffsauslösung gewinnt immer mehr an Bedeu- trum gesucht wurden. Andere, etwa die Schweden, suchten wurde ein Pressing im vorderen Spielfeldbereich durchgeführt. tung. Spieler wie der Italiener Andrea Pirlo oder der Ghanaer mit langen Bällen oft den direkten Weg in die Spitze. Man wollte somit bei einem eventuellen Ballverlust mögliche Michael Essien sind beispielsweise keine reinen Defensivspieler Bei aller Vielfalt der Spielsysteme entschied letztlich die in- Konter des Gegners verhindern. Es war meist so, dass sich bei mehr, sondern in der Lage, dank ihrer guten Technik und ih- dividuelle Klasse über Erfolg oder Misserfolg. gegnerischem Spielaufbau der erste Angreifer zum ballführen- ren kreativen Pässen das Angriffsspiel der eigenen Mannschaft den Akteur hin orientierte und der Rest der Mannschaft einen mitzugestalten. Sie bauen aber nicht nur den Angriff auf, son- defensiven Block bildete. Die Abwehrreihen standen tenden- dern bestimmen auch den Spielrhythmus. Situationsbedingt Die meisten Teams – hier Deutschland – spielten mit ziell recht tief, nach der Balleroberung wurde ein möglichst spielen sie entweder lange Bälle auf die Stürmer oder bevorzu- einer Viererkette in der Abwehr. schnelles Umschalten auf Angriff angestrebt. gen einen gesicherten Spielaufbau mit Querpässen. 24 SEPTEMBER 2006 SEPTEMBER 2006 25
magazine FIFA FUSSBALL-WELTMEISTERSCHAFT DEUTSCHLAND 2006™ © 2005 adidas-Salomon AG. adidas, the adidas logo and the 3-Stripes mark are registered trademarks of the adidas-Salomon AG group. DAS OFFENSIVVERHALTEN Grundsätzlich waren alle Teams bemüht, die Räume auf den Seiten zu nützen. In der Regel waren die Aussenspieler schnell und dribbelstark. Man wollte sich so den Angriffsraum auf den Seiten nutzbar machen, um in den Rücken der gegnerischen Abwehr zu gelangen und dann mit Flanken oder Zuspielen die zentralen Angreifer in Abschlussposition zu bringen. Bei Mannschaften, die mit zwei zentralen Mittelfeldspielern spielten, zum Beispiel Torsten Frings und Michael Ballack bei Deutschland, rückten die Aussenspieler (etwa Bernd Schnei- der) als Anspielstation mehr ins Zentrum, um so die Verbin- dung zwischen Mittelfeld und Angriff herzustellen. Bei Argen- tinien spielte Juan Román Riquelme im zentralen offensiven Mittelfeld und leitete in dieser Funktion die meisten Angriffe seines Teams ein. Dabei wurde er von Javier Mascherano, der ihm den Rücken freihielt, wirkungsvoll unterstützt. Positionswechsel fanden vor allem über aussen statt: Der linke und der rechte Mittelfeldspieler tauschten die Seiten. Ex- emplarisch dafür waren die Portugiesen mit Cristiano Ronaldo und Luis Figo. Man wollte so Verwirrung stiften und die geg- nerische Abwehr vor Probleme stellen. Ein Detail am Rande: Über die rechte Seite wurden deutlich mehr Tore vorbereitet als über links (15 Treffer von rechts, 4 von links). DIE STANDARDSITUATIONEN Bei Standardsituationen ist ein neuer Trend festzustellen. Vor allem bei Freistössen von der Seite spielen Spezialisten wie Da- vid Beckham oder Riquelme den Ball mit Effet („Inswing“) in den Strafraum, wo dann die geringste Berührung zu einem Tor führen kann. Dabei spielt es keine Rolle, ob ein Mitspieler oder ein gegnerischer Verteidiger den Ball berührt, wie am Beispiel von Englands Führungstreffer gegen Paraguay zu sehen war. Bei Freistössen in der zentralen Position gab es nur wenig Torerfolge. Es wird immer schwieriger, Freistösse direkt zu verwandeln, weil die Schützen genauestens studiert werden, die Torhüter deswegen bestens vorbereitet sind und die Mauer meistens sehr klug stellen. Auffällig bei indirekten Freistössen war der Umstand, dass kaum Finten versucht wurden; die Spieler liefen nicht über den Ball oder spielten ihn durch die Beine des Teamkollegen, um einen Dritten in eine bessere Abschlussposition zu brin- gen. Vielmehr verliess man sich auf die Schusstechnik der Spe- zialisten. Der Ball wurde angetippt oder kurz gepasst, und der Schütze suchte dann direkt den Weg aufs Tor. Tauschte oft die Position mit Cristiano Ronaldo: Portugals Kapitän Luis Figo. adidas.com/football SEPTEMBER 2006 27
magazine FIFA FUSSBALL-WELTMEISTERSCHAFT DEUTSCHLAND 2006™ DAS TORWARTSPIEL Generell waren die gezeigten Torwartleistungen hervorragend. Die durch die Rückpassregel erforderlich gewordene Umstel- lung bei den Torhütern hat sich sichtbar vollzogen: Viele der Schlussmänner – Edwin van der Sar, Jens Lehmann und auch andere – sind in der Lage, zurückgespielte Bälle sicher mit dem Fuss anzunehmen und entsprechend präzise wieder nach vorne zu spielen, um so das Angriffsspiel der eigenen Mannschaft einzuleiten. Die Tatsache, dass bei dieser WM wenig Tore fielen, ist ne- ben der kompakten Defensivarbeit fast aller Teams dem ver- besserten Torhüterspiel zuzuschreiben. Gute Reaktion auf der Linie sowie sichere Strafraumbeherrschung waren herausra- gende Merkmale des Torhüterverhaltens. Die Genauigkeit der Abstösse, die die Männer zwischen den Pfosten in der Regel selbst ausführten, sowie die Zuwürfe zu Mitspielern waren wesentliche Elemente beim Spielaufbau ei- ner Mannschaft. Interessant auch die Abschläge aus der Hand bei süd- und mittelamerikanischen Torhütern, die den Ball meist „über die Hüfte“ schlagen und dadurch dem Ball eine flachere Flugkurve geben, so dass er schneller und präziser zum Mitspieler gelangt. Eine Randbemerkung zum neuen Ball „adidas+Teamgeist™“: Zwar wurde von einigen Torhütern ein verändertes Flugverhal- ten zur Sprache gebracht, gesicherte Erkenntnisse dazu liegen aber (noch) nicht vor. *Holger Osieck war Leiter der 14 Mitglieder umfassenden tech- nischen Studiengruppe (TSG) der FIFA bei der Weltmeisterschaft 2006. Osieck war von 1987 bis 1990 Trainer der deutschen Nationalmannschaft. 1990 gewann er in Italien als Assistent von Teamchef Franz Beckenbauer den Weltmeistertitel. Stark auf der Linie, stark am Ball: Edwin van der Sar, Torhüter der Niederlande. FOTOS: FOTO-NET (3), IMAGO Technische Studiengruppe FIFA WM 2006™ 1. Reihe (v. l. n. r.): Andy Roxburgh, Holger Osieck (FIFA, TSG-Leiter), Roger Milla, Jürg Nepfer (FIFA, TSG-Koordinator). 2. Reihe: Jim Selby, Josef Venglos, Roberto T. Brantschen (FIFA, TSG-Koordinator). 3. Reihe: Kim Chon Lim, Kalusha Bwalya, Teofilo Cubillas, Rodrigo Kenton. 4. Reihe: Francisco Maturana, Ka-Ming Kwok, Roy Hodgson, Alvin Corneal. 5. Reihe: Walter Gagg (FIFA, Direktor Stadien und Sicherheit), Gyorgy Mezey, Philipp Mahrer (FIFA, Produktion technischer Bericht). SEPTEMBER 2006 29
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