Zum Ausmaß von und Umgang mit Nordkoreas Nuklearwaffen- und Raketenprogrammen - ein Literaturbericht - De Gruyter

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SIRIUS 2017; 1(4): 367–378

Sven-Eric Fikenscher*

Zum Ausmaß von und Umgang mit Nordkoreas
Nuklearwaffen- und Raketenprogrammen – ein
Literaturbericht
https://doi.org/10.1515/sirius-2017-0087                               bündeten vorbeiführte, entschloss sich das nord-
                                                                       koreanische Regime am 28. August und 15. September zu
                                                                       erneuten Provokationen, als es Mittelstreckenraketen
                                                                       über Japan hinweg feuern ließ.3 Am 3. September gipfelte
1 Aktuelle Entwicklungen im                                            Nordkoreas Militanz in der Explosion eines nuklearen
  Konflikt über Nordkoreas                                             Sprengsatzes. In offiziellen Stellungnahmen behauptete
                                                                       die nordkoreanische Führung, es habe sich dabei um eine
  militärische Ambitionen                                              Wasserstoffbombe, ein besonders komplexes und zer-
                                                                       störerisches Modell, gehandelt.4
Nordkorea betreibt seit vielen Jahren ein weitreichendes                   All diese Entwicklungen werfen zwei zentrale Fragen
Nuklearwaffen- sowie ein paralleles Raketenprogramm.                   auf, nämlich einerseits nach dem tatsächlichen Ausmaß
Die damit einhergehende internationale Krise hat in den                der Bedrohung sowie andererseits nach dem best-
letzten Monaten einen neuen Höhepunkt erreicht. Bereits                möglichen Umgang mit ihr. Dieser Literaturbericht gibt
in einer Ansprache an Neujahr gab der nordkoreanische                  einen Überblick darüber, wie beide Fragen in der Strategic
Führer Kim Jong-un bekannt, dass sein Land in absehba-                 Community diskutiert werden. In diesem Zusammenhang
rer Zeit erstmals Interkontinentalraketen (der gängigen                werden zunächst die Analysen ausgewertet, die die
westlichen Definition zufolge versteht man darunter Ra-                Reichweite und Leistungsfähigkeit von Pjöngjangs neu-
keten mit einem Radius von über 5.500 km) testen werde.1               esten Mittelstreckenraketen und der Hwasong-14 sowie
Im ersten Halbjahr 2017 nahm Pjöngjang eine ganze Reihe                den aktuellen Stand des Nuklearwaffenprogramms be-
von neuen Raketentests vor, bei denen es sich jedoch                   leuchten. Anschließend kommen die Argumente für und
ausnahmslos um Trägersysteme mit geringerer Reich-                     gegen vier konkrete Handlungsoptionen – die zur Not
weite gehandelt hat. Im Juli ordnete Kim Jong-un                       gewaltsame Ablösung des Regimes, der Ausbau der Ra-
schließlich zwei Tests der Hwasong-14 an, der von den                  ketenabwehrsysteme, eine Verschärfung der Sanktionen
Medien ein interkontinentaler Radius bescheinigt worden                sowie direkte Verhandlungen – zur Sprache.
ist.2 Während die Flugbahn der Raketen bei all diesen
Tests an dem Territorium der US-amerikanischen Ver-

1 Sang-Hun, Choe: Kim Jong-un Says North Korea Is Preparing to
Test Long-Range Missile, New York Times, 1. Januar 2017.
2 Chang, Gordon G.: Top U.S. General Hints at Military Action
Against North Korea in a ‘Few More Monthsʼ, The DailyBeast, 25. Juli
2017, http://www.thedailybeast.com/top-us-general-hints-at-milita-
ry-action-against-north-korea-in-a-few-more-months; Panda, Ankit:
North Korea Just Tested a Missile That Could Likely Reach Washing-
ton DC With a Nuclear Weapon, The Diplomat, 29. Juli 2017, http://
thediplomat.com/2017/07/north-korea-just-tested-a-missile-that-        3 CBSNews.com: North Korea fires missile over Japan, Pentagon
could-likely-reach-washington-dc-with-a-nuclear-weapon/;               says, 28. August 2017, https://www.cbsnews.com/news/north-ko-
BBCNews.com: North Korea: US not seeking regime change, says Rex       rea-missile-launch-over-japan-live-updating/; Griffiths, James/Co-
Tillerson, 2. August 2017, http://www.bbc.com/news/world-us-ca-        hen, Zachary/Berlinger, Joshua: North Korea launches missile over
nada-40797613.                                                         Japan, CNN.com, 15. September 2017, http://edition.cnn.com/2017/
                                                                       09/14/asia/north-korea-missile-launch/index.html.
* Kontaktperson: Sven-Eric Fikenscher, non-resident fellow, ISPK.      4 Berlinger, Joshua/Lee, Taehoon: Nuclear test conducted by North
E-Mail: svfikensch@aol.com                                             Korea, country claims; South Korea responds with drills, CNN.com,
Für hilfreiche Hinweise und Kommentare bedankt sich der Autor bei      4. September 2017, http://edition.cnn.com/2017/09/03/asia/north-
Jonas Schneider.                                                       korea-nuclear-test/index.html.
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                                                                         noch weitere technologische Herausforderungen zu
2 Die nordkoreanische Bedrohung                                          meistern, vor allem den Bau eines verlässlichen Motors.
                                                                                                                                 9

                                                                         Die deutschen Raketenexperten Robert Schmucker und
2.1 Neue Entwicklungen im Bereich der                                    Markus Schiller halten es gar für unwahrscheinlich, dass
    Mittelstreckenraketen                                                es in Nordkorea überhaupt eine umfassende eigene Ra-
                                                                         ketenproduktion gibt. Für sie kommen die Raketen aus
                                                                                        10
Die meisten Experten stimmen darin überein, dass bereits                 dem Ausland.
mit den neuen Mittelstreckenraketen Nordkoreas eine                           Mit der Hwasong-12 ist 2017 eine weitere Mittel-
gestiegene Gefahr einhergeht. Pjöngjang führte in diesem                 streckenrakete erstmals getestet worden. Erst der vierte
Jahr erstmals zwei Tests einer Landversion der see-                      von insgesamt sechs Tests hat sich dabei als Erfolg he-
gestützten KN-11 beziehungsweise der Pukguksong-2                        rausgestellt. Die Reichweite der Rakete ist aus Sicht der
durch, wie sie in der nordkoreanischen Diktion genannt                   Analysten deutlich höher als bei der KN-15 und beträgt
                                                                                                                          11
wird. In der Fachliteratur wird das neue landgestützte                   laut mehrheitlicher Schätzung etwa 4.500 km. Ein sol-
Modell im Regelfall als KN-15 bezeichnet, dessen Reich-                  cher Radius würde die US-amerikanische Insel Guam
weite überwiegend zwischen 1.200 km und 1.300 km                         einschließen, die für kaum eine der restlichen Mittel-
               5                                                                                                      12
verortet wird. Nordkorea könnte demnach ein Gebiet                       streckenraketen Nordkoreas erreichbar ist. Allerdings
unter Beschuss nehmen, das nahezu das gesamte Ter-                       stellt sich auch hier die Frage nach der Nutzlast. Sollte
ritorium Japans einschließt. Sollte die Nutzlast allerdings,             diese auf 650 kg steigen, könnte sich die Reichweite zwei
                                                                                                                         13
wie bei vergangenen Tests auch, vergleichsweise über-                    Studien zufolge auf rund 3.700 km verringern, was aber
schaubar gewesen sein, würde die Reichweite der KN-15                    immer noch ausreichen würde, um Guam anzugreifen.
spürbar abnehmen, sobald sie mit einem entsprechend                      Angesichts der Probleme bei den ersten Testversuchen
                                                 6
schweren Sprengkopf bestückt werden sollte.                              dürfte aber auch die Hwasong-12 noch zu unzuverlässig
     Die KN-15 hat im Vergleich zu fast allen anderen                    sein, um in Serienproduktion zu gehen. Weitere Tests gab
nordkoreanischen Raketen den Vorteil, dass sie mit Fest-                 es mit Scud-Raketen mit erweiterter Reichweite (Extended-
stoff angetrieben wird. Feststoff ist bereits in Raketen an-             Range Scud oder Scud-ER), deren Radius wohl mit dem der
                                                                                                 14
gebracht, während Flüssigstoff-Raketen erst betankt wer-                 KN-15 vergleichbar ist. Anders als die KN-15 und die
den müssen, nachdem man sie in Stellung gebracht hat.                    Hwasong-12 ist die Scud-ER allerdings kein neues Rake-
Der Gebrauch von Feststoff reduziert somit die Vorbe-                    tensystem, sondern lediglich eine leicht modernisierte
                                                                                                               15
reitungszeit sowie das Risiko einer Entdeckung durch                     Version eines altbewährten Modells.
ausländische Nachrichtendienste und Aufklärungs-                              Die Hwasong-12, hat vor allem das Drohpotenzial
          7
einheiten. Eine weitere Errungenschaft der KN-15 ist ihre                Pjöngjangs gegenüber den Vereinigten Staaten deutlich
moderne Abschussvorrichtung, die den mobilen Trans-                      erhöht. Die Gefahr eines Angriffs auf Guam, den Kim Jong-
port der Rakete – auch auf nicht asphaltierten Straßen –                 un vor Kurzem androhte, wird mittlerweile von vielen
ermöglicht, womit sich die KN-15 aus der Deckung heraus                  Experten für realistisch gehalten. Allerdings bestehen
                8
abfeuern lässt.                                                          Zweifel an der Genauigkeit und Verlässlichkeit der beiden
                                                                                                       16
     Obwohl somit offensichtlich Grund zur Sorge besteht,                neuen Mittelstreckenraketen. Sie stellen dennoch ein
hält Michael Elleman, der Raketenexperte des Inter-                      profundes Druckmittel dar, das zum Zweck der Er-
national Institute for Strategic Studies, eine baldige Mas-              pressung von politischen Konzessionen wie auch der Ab-
senproduktion der KN-15, wie sie Nordkorea angekündigt                   schreckung, vor allem gegenüber Seoul und Tokio, in be-
hat, für unwahrscheinlich. Die Ergebnisse beider Tests
legen nahe, dass es Abweichungen bei der Reichweite um
rund 20 km gegeben habe, was die Genauigkeit und Zu-                     9 Elleman 2017a.
verlässigkeit der Rakete in Zweifel ziehe. Zudem gelte es                10 Siehe deren Beitrag in diesem Heft.
                                                                         11 CSIS Missile Defense Project 2017b; Schilling 2017a; Wright 2017c.
                                                                         Lediglich Michael Elleman (2017b; 2017c) weicht von diesem Beina-
5 Elleman 2017a; Wright 2017a; 2017b. Nur das Missile Defense Pro-       he-Konsens geringfügig ab und beziffert die Reichweite der Rakete
ject von dem Center for Strategic and International Studies (CSIS Mis-   zunächst auf 4.000 km – 4.500 km und wenig später schließlich
sile Defense Project 2017a) weist darauf hin, dass zumindest die ma-     auf 4.000 km.
ximale Reichweite höher sein könnte. Der konkret angegebene Rah-         12 Nuclear Threat Initiative 2017a; Savelsberg 2017.
men ist jedoch sehr breit und reicht von 1.200 km bis zu 2.000 km.       13 CSIS Missile Defense Project 2017b; Savelsberg 2017.
6 Wright 2017b.                                                          14 Wright 2017d.
7 Wright 2017b.                                                          15 Schiller/Schmucker 2016.
8 CSIS Missile Defense Project 2017a.                                    16 Cordesman 2017a; 2017b.
Umgang mit Nordkoreas Nuklearwaffen- und Raketenprogrammen      369

grenzterem Maße aber auch gegenüber Washington, ge-               Wright geht in einer Analyse des zweiten Tests sogar
nutzt werden kann.                                           noch weiter. In diesem Zusammenhang räumt er ein, die
                                                             Folgen der Erdrotation in seinem vorherigen Kommentar
                                                             außer Acht gelassen zu haben. Eine nach Osten abge-
2.2 Nordkoreas interkontinentale                             schossene Rakete gewinne durch die Erdrotation an zu-
    Kapazitäten                                              sätzlicher Dynamik und könne Ziele erreichen, die au-
                                                             ßerhalb ihrer rein technischen Reichweite liegen. Mit an-
Weiter drängt sich die Frage auf, inwiefern Nordkoreas       deren Worten: Das tatsächliche Bedrohungsausmaß für
interkontinentale Ambitionen diese Drohkulisse noch          die USA ist noch gravierender als ursprünglich ange-
vergrößern. Eine klare Antwort darauf ist in der Strategic   nommen, da jede von Nordkorea in Richtung der Verein-
Community nicht zu finden, denn die Einschätzungen zur       igten Staaten abgefeuerte Rakete logischerweise ostwärts
Reichweite der Hwasong-14 gehen weit auseinander.            fliegt. Unter Berücksichtigung der Erdrotation und der
Theodor A. Postol, ein Physiker am Massachusetts Insti-      deutlich höheren Flugbahn bei dem zweiten Test be-
tute of Technology, sowie Markus Schiller und Robert         fürchtet Wright, dass die Hwasong-14 über 11.000 km weit
Schmucker äußern die mit Abstand größten Zweifel an der      fliegen könnte. Dies hänge jedoch sehr stark von dem
                                                                                   23
Leistungsfähigkeit der Hwasong-14. Ihrer Meinung nach        konkreten Zielort ab.
war die Rakete mit einer ungewöhnlich geringen Nutzlast           Die deutlich divergierenden Angaben hinterlassen
ausgestattet, was deren Reichweite im Ernstfall maß-         einen mehr als verwirrenden Eindruck, insbesondere bei
geblich reduzieren würde. Bei dem zweiten Test der           den Beobachtern, die selbst keine Fachkenntnisse in
Hwasong-14 sei die Nutzlast sogar noch kleiner als bei dem   Physik mitbringen. Zudem lassen sich die enormen Un-
ersten Abschuss gewesen, weshalb die Rakete eine noch        terschiede nicht auf eine klar erkennbare Ursache zu-
höhere Flugbahn erreicht habe. Selbst unter den günst-       rückführen. Eine plausible Erklärung könnte beispiels-
igsten Bedingungen halten Postol, Schiller und Schmu-        weise in dem Einfluss der Nutzlast auf den Radius der
cker höchstens eine Reichweite von rund 6.000 km für         Rakete liegen, den Postol, Schiller und Schmucker in ih-
realistisch, die sich gegebenenfalls durch den Einbau ei-    rem Beitrag betonen. Bezeichnenderweise liegt das von
                                                    17
nes effizienteren Motors noch etwas steigern ließe.          ihnen geschätzte Nutzlast-Gewicht (Sprengkopf plus wei-
     David Wright von der Union of Concerned Scientists      tere essentielle Komponenten) aber keinesfalls oberhalb
geht in einer kurzen Analyse des ersten Tests dagegen von    der Angaben ihrer Kollegen. Die drei Autoren halten es
                                         18
einer Reichweite von rund 6.700 km aus. John Schilling,      momentan für sehr unwahrscheinlich, dass die Nutzlast
der die beiden Tests für 38 North, eine Website des US-      der Hwasong-14 im Falle einer nuklearen Bewaffnung
Korea Institutes an der Johns Hopkins School of Advanced     weniger als 500 kg betragen würde, vermutlich sei min-
International Studies, analysiert hat, hält angesichts der   destens ein Wert zwischen 500 kg und 600 kg zu er-
                                                                      24
durch den ersten Test generierten Daten sogar bis zu         warten. Auch Schilling hält diesen Rahmen für realis-
                        19                                         25
8.000 km für denkbar. Der zweite Test habe eine noch         tisch. Ellemans Berechnungen basieren sogar auf einem
                                                                                                             26
größere Reichweite bewiesen. Schilling beziffert den         reinen Sprengkopf-Gewicht von bis zu 650 kg. David
neuen Radius zwar nicht genauer, merkt aber an, dass         Wright geht auf die Nutzlast-Frage dagegen nicht näher
sogar Ziele im Zentrum des Landes und an der fast            ein. Zwar finden sich in der Literatur einige weitere An-
11.000 km entfernten Ostküste nicht mehr zwangsläufig        haltspunkte, die die unterschiedlichen Angaben zur
              20
sicher seien. Michael Elleman zieht ähnliche Schluss-        Reichweite zumindest teilweise erklären könnten, wie et-
folgerungen. Demnach lasse der erste Test eine Reich-        wa die Leistungsfähigkeit des Antriebssystems oder das
weite jenseits der 7.500 km und der zweite Abschuss ei-      zusätzliche Gewicht weiterer Raketenbestandteile. Diese
nen Radius zwischen 9.000 km und 10.000 km ver-              Aspekte werden jedoch nur von Postol, Schiller und
        21
muten. In einer späteren Publikation korrigiert er diese     Schmucker im Detail diskutiert, so dass sich die Dis-
Schätzungen geringfügig auf 7.000 km beziehungsweise         krepanz zwischen den einzelnen Einschätzungen nicht
           22
9.000 km.                                                    nachvollziehen lässt.

17 Postol/Schiller/Schmucker 2017.                           22   Elleman 2017b.
18 Wright 2017e.                                             23   Wright 2017f.
19 Schilling 2017b.                                          24   Postol/Schiller/Schmucker 2017.
20 Schilling 2017c.                                          25   Schilling 2017c; 2017d.
21 Elleman 2017d.                                            26   Elleman 2017d.
370          Sven-Eric Fikenscher

     Eine deutlich größere Einigkeit besteht hinsichtlich     Elleman argumentiert ähnlich und hält eine umfassende
der Schlussfolgerung, dass Kim Jong-uns Regime noch           Stationierung der Hwasong-14 frühestens im Jahre 2018
                                                                           35
nicht am Ende seiner interkontinentalen Ambitionen an-        für denkbar.
gelangt ist. Von einer Serienproduktion der Hwasong-14             Ungeachtet der enormen Diskrepanz zwischen den
                                                     27
ist das Land laut Expertenurteil noch weit entfernt. Zu-      einzelnen Angaben zum Radius der Rakete und der be-
dem sei die Steuerung des Gefechtskopfes eine weitere         stehenden Zweifel an ihrer Zuverlässigkeit lässt sich zu-
technologische Hürde. Selbst nach weiteren Tests wäre         mindest festhalten, dass die Hwasong-14, wenn man die
unklar, ob die Hwasong-14 ihre Ziele treffen würde. Ein       zuvor aufgegriffene Standard-Grenze von 5.500 km zu-
zentrales Problem scheint in diesem Zusammenhang die          grunde legt, definitiv eine interkontinentale Reichweite
                                                                      36
Konstruktion eines passenden Re-Entry Vehicles zu sein,       besitzt. Ebenso unstrittig ist die konkrete Bedrohung für
das ist der Bestandteil der Rakete, der mit dem Sprengkopf    die Vereinigten Staaten, die teilweise innerhalb des Ra-
wieder in die Erdatmosphäre eintritt. Bei dem zweiten Test    dius der Rakete liegen. Selbst der niedrigsten Schätzung
ist das Re-Entry Vehicle zwei Analysen zufolge mit hoher      zufolge sind mindestens Guam und möglicherweise auch
                                                 28
Wahrscheinlichkeit        auseinandergebrochen.         Ein   das Zentrum Alaskas der Gefahr eines nordkoreanischen
Sprengkopf hätte eine solche Entwicklung vermutlich           Raketenangriffs ausgesetzt. Sollten sich Analysen, die
                                    29
nicht unbeschadet überstanden. Postol, Schiller und           Reichweiten von bis zu rund 8.000 km prognostizieren,
Schmucker weisen diese Schlussfolgerungen allerdings          als zutreffend herausstellen, wäre auch Hawaii bedroht,
zurück. Ihren Beobachtungen zufolge sind gänzlich an-         während andere Studien in der Hwasong-14 eine konkrete
dere Teile der Rakete zerbrochen und nicht das Re-Entry       Gefahr für Ziele im Westen und Zentrum des Landes se-
         30                                                        37
Vehicle.                                                      hen, wenn nicht sogar für den nördlichen Teil der Ost-
                                                                                                             38
     Mit Blick auf die Frage, bis wann sich diese und an-     küste, inklusive New York City und Boston. Welche
dere Schwierigkeiten beheben lassen, nennen die meisten       Bundesstaaten nun auch immer in Reichweite von Nord-
Studien kein klares Zeitfenster. Dieser Umstand dürfte in     koreas Interkontinentalrakete liegen, das zuvor ange-
erster Linie den vielen unbekannten Größen geschuldet         sprochene Drohpotenzial Pjöngjangs gegenüber den Ver-
sein, die solche Berechnungen beeinflussen. Laut Elle-        einigten Staaten wird durch die Hwasong-14 in jedem Fall
mans Analyse wären auch die letzten Quantensprünge            erkennbar gestärkt.
ohne die mutmaßliche Akquise von einem hochmodernen
Antriebssystem auf dem ukrainischen oder russischen
                                         31
Schwarzmarkt nicht möglich gewesen. Schmucker und             2.3 Die nukleare Bedrohung
Schiller gehen – wie gesagt – noch weiter. Ihnen zufolge
ist das gesamte Raketenprogramm ohne Lieferanten, die         Die entscheidende Frage hierbei ist jedoch, ob sich die
in China und im Bereich der ehemaligen Sowjetunion zu         jeweiligen Trägersysteme mit nuklearen Sprengköpfen
                               32
suchen sind, nicht denkbar. Der Bezug weiterer Be-            bestücken lassen. Die nordkoreanische Führung hat
standteile aus dem Ausland könnte das nordkoreanische         mehrfach verlauten lassen, die technologischen Barrieren
Raketenprogramm auch in Zukunft deutlich ankurbeln.           auf dem Weg dahin überwunden zu haben, was insbe-
Anthony H. Cordesman, ein renommierter Militärexperte         sondere bedeutet, dass es Nordkorea gelungen sein
vom Center for Strategic and International Studies, spricht   müsste, die Kernwaffen so zu verkleinern, dass sie in Ra-
– vermutlich unter anderem deshalb – nur sehr vage von        keten passen. Der Wahrheitsgehalt derartiger Be-
einem Zeitrahmen von einigen „Monaten beziehungs-             hauptungen ist allerdings auch für führende Experten
                33
weise Jahren“, die noch notwendig seien, um Ziele auf         kaum zu beurteilen.
dem kontinentalen Gebiet der USA treffen zu können.               Im Lichte der bisherigen Nukleartests ist lediglich er-
Schilling wird etwas konkreter und vermutet, dass Nord-       wiesen, dass Nordkorea über Kernwaffen verfügt. Am
                                                         34
korea dafür noch ein bis zwei Jahre brauchen werde.           3. September führte Nordkorea seinen insgesamt sechsten
                                                              Test durch, bei dem es sich vermutlich – wie von Nord-
27 Elleman 2017b; Hecker 2017; Schilling 2017c.
28 Elleman 2017e; Schilling 2017c.
29 Schilling 2017c.                                           35 Elleman 2017b.
30 Postol/Schiller/Schmucker 2017.                            36 Postol, Schiller und Schmucker (2017) bezeichnen sie als „nicht
31 Elleman 2017b.                                             ganz ausgereifte“ beziehungsweise „sub-level“ Interkontinentalra-
32 Siehe deren Beitrag in diesem Heft.                        kete.
33 Cordesman 2017a.                                           37 Schilling 2017c.
34 Schilling 2017b; 2017c.                                    38 Wright 2017f.
Umgang mit Nordkoreas Nuklearwaffen- und Raketenprogrammen           371

korea behauptet – um die Explosion einer Wasserstoff-                      technologie sei dies auch den äußerst komplexen Anfor-
                        39
bombe gehandelt hat. Diese Einschätzung wird unter                         derungen an das Sprengkopf-Design geschuldet. Der
anderem durch die ungewöhnlich hohe Sprengkraft der                        nukleare Sprengkopf samt seiner Materialien müsse re-
Detonation untermauert. Eine detailliertere Analyse wird                   sistent genug gestaltet werden, um der extremen Hitze
durch einen Mangel an Informationen immens erschwert.                      während des Sinkflugs standhalten zu können. Zudem
Jeffrey Lewis hat mit einigen Kollegen am James Martin                     müsse der Detonationszeitpunkt exakt terminiert werden.
Center for Nonproliferation Studies ein verkleinertes 3-D                  All dies sei deutlich schwieriger, als einen unterirdischen
                                                                                                 46
Modell des nordkoreanischen Testgeländes gebaut, das                       Test durchzuführen. Mit anderen Worten: Nicht nur der
aufzeigt, wie die enorm hohen Berge die genaue Spreng-                     Bau eines passenden Re-Entry Vehicles für die Hwasong-14
                                         40
kraft der Nuklearwaffen verschleiern. Die Schwank-                         ist mit technologischen Schwierigkeiten verbunden, son-
ungsbreite der Schätzungen mit Blick auf den letzten Test                  dern auch die Konstruktion des dazugehörigen Spreng-
ist entsprechend groß. Die südkoreanische Regierung                        kopfes. Diese Beobachtungen schließen indes keinesfalls
sprach zunächst von einer Detonationskraft von 50 Kilo-                    aus, dass Raketen mit geringerer Reichweite als Träger-
                                                                                                                                      47
tonnen, Japan von 70 Kilotonnen und Medienberichte, die                    systeme für Nuklearwaffen genutzt werden können,
sich auf US-amerikanische Nachrichtendienste berufen,                      worauf Hecker jedoch nicht eingeht.
                                                   41
bringen einen Wert von 140 Kilotonnen ins Spiel. Lewis                          David Albright, der Gründer und Leiter des Institutes
selbst hält es nicht einmal für ausgeschlossen, dass die                   for Science and International Security, teilt Heckers Skepsis
tatsächliche Detonationskraft bei über 300 Kilotonnen                      mit Blick auf die Funktionalität der Hwasong-14 als Trä-
    42
lag.                                                                       gersystem, schließt einen entsprechenden Durchbruch
     Von den oben genannten Autoren ist sich im Lichte                     aber keinesfalls kategorisch aus. Die größte Gefahr geht
der unklaren Informationslage lediglich John Schilling                     Albrights Meinung nach aber von einer älteren Mittel-
„ziemlich sicher“, dass Nordkorea seine Raketen mit län-                   streckenrakete, der Nodong, aus. Nordkorea könnte, so
gerer Reichweite – inklusive der Hwasong-14 – mit nuk-                     seine äußerst vorsichtige Analyse, mittlerweile in der Lage
                                            43
learen Sprengköpfen bestücken könnte. Auch Lewis                           sein, Letztere mit einem Plutonium-Sprengkopf zu be-
befürchtet, dass Nordkorea bereits genug know-how ak-                      stücken, wofür rund „eine Handvoll“ passender Modelle
                                                                                            48
quiriert hat, um einen miniaturisierten Sprengsatz bauen                   bereit stünden. Mit dem Verweis auf die Anzahl ver-
             44
zu können. Die damit verbundenen Schwierigkeiten                           fügbarer Sprengköpfe schneidet Albright ein neues The-
werden seiner Argumentation nach oftmals überschätzt.                      ma an, nämlich den Umfang von Nordkoreas Nuklear-
Ein Blick in die Geschichte zeige, wie schnell andere                      waffenprogramm, der sich von außen ebenfalls nur sehr
Staaten die Konstruktion eines entsprechenden Spreng-                      schwer analysieren lässt. Albright versucht deshalb, im
                                 45
kopf-Designs beherrscht haben.                                             Lichte der mutmaßlichen Uran- und Plutoniumpro-
     Siegfried Hecker, der frühere Direktor des Los Alamos                 duktion eine Schätzung vorzunehmen. Leider kann man
National Laboratorys, der Nordkoreas Nuklearanlagen                        jedoch offenbar nicht einmal die Anzahl der entsprech-
insgesamt siebenmal besichtigen durfte, ist dagegen                        enden Nuklearanlagen zweifelsfrei identifizieren. So sei
deutlich skeptischer. Das Regime Kim Jong-uns sei noch                     beispielsweise unklar, ob Nordkorea über eine oder zwei
weit davon entfernt, einen nuklearen Sprengkopf mit ei-                    Anlagen zur Anreicherung von Uran verfüge.
ner Interkontinentalrakete transportieren zu können. Ne-                        Albright sieht sich deshalb dazu gezwungen, seine
ben den oben aufgelisteten Problemen mit der Raketen-                      Schätzung breit zu staffeln und geht von mindestens 13
                                                                           und maximal 30 Nuklearwaffen aus. Da diese Be-
                                                                           rechnungen nur die Entwicklungen bis Ende 2016 be-
39 Hass/OʼHanlon 2017; Revere/Pollack 2017.                                rücksichtigen, könnte das aktuelle Arsenal geringfügig
40 Lewis 2017a.                                                            größer sein. Bei einer jährlichen Produktion von drei bis
41 CBSNews: North Korea nuclear test was 10 times bigger than Hiros-       fünf weiteren Nuklearwaffen, die Albright vermutet,
hima blast, U.S. says, 6. September 2017, https://www.cbsnews.com/         weicht aber auch der momentane Wert klar von den 60
news/north-korea-nuclear-test-was-10-times-bigger-than-hiroshima-
                                                                           Sprengköpfen ab, die unter Berufung auf nachrichten-
blast-u-s-says/; Panda, Ankit: US Intelligence: North Koreaʼs Sixth Test                                                              49
                                                                           dienstliche Quellen in der Presse genannt worden sind.
Was a 140 Kiloton 'Advanced Nuclear' Device, The Diplomat, 6. Sep-
tember 2017, https://thediplomat.com/2017/09/us-intelligence-north-        Auf eine solche Anzahl könne Pjöngjang, so Albright,
koreas-sixth-test-was-a-140-kiloton-advanced-nuclear-device/.
42 Lewis 2017b.
43 Schilling 2017d.                                                        46 Hecker 2017.
44 Lewis 2017a.                                                            47 Cordesman 2017a.
45 Lewis 2015.                                                             48 Albright 2017a.
372          Sven-Eric Fikenscher

frühestens 2020 kommen, sofern in der Zwischenzeit ein              zufolge setzt eine Lösung der Nordkorea-Krise zwingend
weiterer Reaktor, an dem Nordkorea gegenwärtig arbeite,             die Absetzung des Regimes voraus. Diese Entwicklung
                               50
in Betrieb genommen werde. Auch Hecker kommt zu                     lasse sich nur durch eine gütliche Wiedervereinigung der
ähnlichen Ergebnissen und beziffert die Anzahl an Nuk-              beiden Koreas, einen Putsch oder eben Krieg herbeifüh-
learwaffen mit 20 bis 25 (ebenfalls auf Basis der Uran- und         ren.53 Sollten sich die ersten beiden Szenarien als nicht
                         51
Plutoniumproduktion). Leider finden sich keine Infor-               realistisch herausstellen, was Bolton für wahrscheinlich
mationen darüber, ob sich – außer den oben genannten                hält,54 bliebe nur noch ein Militärschlag.55 Andernfalls
Plutonium-Sprengköpfen – noch weitere Bestandteile des              drohe ständig eine Eskalation der Spannungen mit einem
Arsenals mit Raketen transportieren lassen.                         unberechenbaren Diktator, der über Nuklearwaffen ver-
    Es ist jedoch alarmierend, dass die hier aufgeführten           füge und offenbar sogar bereit sei, diese an andere zu
Experten bereits eine erfolgreiche Miniaturisierung eines           verkaufen.56
Teils der nuklearen Sprengköpfe für wahrscheinlich hal-                  Die überwiegende Mehrheit der Experten hält dage-
ten (beziehungsweise einer solchen Einschätzung mit                 gen militärische Gewalt, ob sie nun auf die Ablösung des
Blick auf Pjöngjangs Mittelstreckenraketen zumindest                Regimes oder die Zerstörung der Nuklearwaffen und Ra-
nicht explizit widersprechen). Auch wenn sich ein solcher           keten abzielen würde, für unverantwortlich. In diesem
Durchbruch auf die Nodong beschränken sollte, wäre dies             Zusammenhang kommt unter anderem zur Sprache, dass
bereits eine dramatische Entwicklung, da die Nodong mit             Nordkoreas militärisches Potenzial auch eine beein-
einer geschätzten Reichweite von deutlich über 1.000 km             druckende Artillerie umfasst, die jederzeit den Großraum
                      52
einen Radius besitzt, der Südkorea und große Teile Ja-              Seoul – eine sehr dicht besiedelte Region mit rund 25
pans einschließt. Demnach wären beide Länder im Falle               Millionen Einwohnern – unter Beschuss nehmen könnte.
einer militärischen Eskalation der Gefahr eines Angriffs            Auf diesem Wege könnte das nordkoreanische Militär im
mit Kernwaffen ausgesetzt. Die Vereinigten Staaten                  Falle einer Eskalation seinem südlichen Nachbarn extrem
könnten schon bald derselben Bedrohung gegenüber-                   hohe Verluste zufügen, ohne seine neuesten und be-
stehen, wenn dies nicht bereits der Fall ist.                       drohlichsten Waffen einsetzen zu müssen.57 Mit Blick auf
                                                                    die Folgen einer solchen Konfrontation wird in der Lite-
                                                                    ratur unter anderem auf eine Studie des US-Ver-
                                                                    teidigungsministeriums Bezug genommen, die bereits
3 Die Diskussion der Strategic                                      1994 – mehr als zehn Jahre vor Nordkoreas erstem Nuk-
  Community über geeignete                                          leartest – davon ausging, eine militärische Auseinander-
                                                                    setzung könnte rund eine Million Opfer fordern.58
  Gegenmaßnahmen                                                         Die zuvor beschriebenen Entwicklungen im Nuklear-
                                                                    und Raketenbereich kommen mittlerweile natürlich er-
Die Frage nach den Maßnahmen, die der Westen, insbe-
                                                                    schwerend hinzu. Nordkorea verfügt insgesamt aber nach
sondere die Vereinigten Staaten, ergreifen sollte, um
                                                                    wie vor nur über eine begrenzte Anzahl funktionsfähiger
Pjöngjang in Schach zu halten ist innerhalb der Strategic
                                                                    Raketen. Sollten die Schätzungen Albrights und Heckers
Community strittig. Es sind mehrere Vorschläge zum Um-
                                                                    zutreffen, gilt dasselbe für Pjöngjangs Nuklearwaffen. Un-
gang mit Nordkorea gemacht worden, die auf die – gege-
                                                                    ter diesen Umständen würde bei der konkreten Gefahr eines
benenfalls gewaltsame – Ablösung des Regimes von Kim
                                                                    Militärschlags der baldige Verlust großer Teile beider Be-
Jong-un, oder den Ausbau der Raketenabwehrsysteme,
oder eine erneute Verschärfung der Sanktionen, oder di-
rekte Verhandlungen mit Pjöngjang abzielen.
    Mit Blick auf die Regime Change-Option vertritt der
                                                                    53 Bolton 2017.
frühere US-amerikanische Botschafter bei den Vereinten
                                                                    54 Vgl. John Bolton: The Military Options for North Korea, Wall
Nationen und jetzige Senior Fellow am American Enter-               Street Journal, 2. August 2017.
prise Institute John Bolton die radikalste Position. Bolton         55 Solche Angriffe könnten entweder in einem präventiven oder
                                                                    präemptiven Rahmen befohlen werden und die Form gezielter res-
                                                                    pektive umfassender Angriffe oder sogar einer Invasion annehmen
49 Warrick, Joby/Nakashima, Ellen/Fifield, Anna: North Korea now    (Chalmers 2017, S. 10–13).
making missile-ready nuclear weapons, U.S. analysts say, Washing-   56 Bolton 2017.
ton Post, 8. August 2017.                                           57 Wit/Sokolsky 2016; Bader 2017; Bunn 2017; Chalmers 2017, S. 11;
50 Albright 2017a.                                                  Einhorn 2017, S. 13; Hanham/Ji 2017. Für eine weniger dramatische
51 Hecker 2017.                                                     Sichtweise siehe Cordesman 2017a.
52 CSIS Missile Defense Project 2017c; Fitzpatrick 2017a.           58 Hanham/Ji 2017.
Umgang mit Nordkoreas Nuklearwaffen- und Raketenprogrammen           373

stände drohen. Daher könnte Kim Jong-un seinen Truppen                  Die mit einem Militärschlag verbundenen Risiken las-
vergleichsweise schnell den Abschussbefehl geben.59                sen sich mithilfe der Raketenabwehr-Option reduzieren,
     Auch wenn ein unmittelbarer Gegen- beziehungs-                aber nicht vollständig neutralisieren. Das schließt natürlich
weise Präemptivschlag zunächst ausbleiben sollte, wäre             nicht aus, der nordkoreanischen Bedrohung durch eine
damit aber noch nicht garantiert, dass sich alle nord-             Verbesserung der Raketenabwehr-Kapazitäten zumindest
koreanischen Raketen – ihrer geringen Anzahl zum                   entgegenzuwirken.69 Thomas Karako, der Direktor des CSIS
Trotz – zerstören lassen. Einige von ihnen sind in tiefen          Missile Defense Projects, schlägt konkret vor, ein regionales
Bunkern untergebracht beziehungsweise lassen sich auf-             Konzept für Asien – analog zu dem für Europa – zu ent-
grund ihres mobilen Charakters (wie etwa die KN-15) nur            werfen, das vor allem die Schlagkraft der Verbündeten
schwer lokalisieren.60 Der Standort der nuklearen                  stärken und deren Zusammenarbeit optimieren soll. Um
Sprengköpfe ist namhaften Experten zufolge zum Teil                den Schutz der lokalen Bevölkerung sowie der US-ameri-
gänzlich unbekannt.61 Sollten genug Sprengköpfe sowie              kanischen Truppen darüber hinaus zu maximieren, gelte es
passende Raketen einen Angriff überstehen, könnte                  zudem die Anzahl der stationierten Raketenabwehrsysteme
Nordkorea – den zuvor diskutierten Durchbruch bei der              zur See und auf dem Land zu erhöhen. Südkorea könne die
Miniaturisierung der Nuklearwaffen vorausgesetzt – ei-             Gefahr durch die nordkoreanische Artillerie ferner durch
nen nuklearen Vergeltungsschlag gegen Südkorea, Japan              den Aufbau einer neuen Raketenabwehr-Komponente re-
oder gegebenenfalls sogar die Vereinigten Staaten                  duzieren, die auf den Abschuss von Objekten mit kurzer
durchführen.62 Selbst wenn es Nordkorea nicht möglich              Reichweite – ähnlich wie in Israel erfolgreich praktiziert –
sein sollte, Raketen mit nuklearen Sprengköpfen zu be-             abziele.70 Somit ließe sich immerhin der Umfang der nord-
stücken, könnten einige Trägersysteme immer noch che-              koreanischen Bedrohung spürbar begrenzen.
mische Waffen ausbringen.63                                             Damit drängt sich die Frage auf, ob nicht doch ein
     Das wäre eine gigantische Herausforderung für die             Hebel existiert, um an der Wurzel des Übels anzusetzen
US-amerikanischen Raketenabwehrsysteme, mit denen                  und die vollständige Einstellung der Nuklearwaffen- und
die Vereinigten Staaten das eigene Festland, ihre Ver-             Raketenprogramme zu erzwingen, was den Blick unwei-
bündeten Südkorea und Japan sowie die dort stationierten           gerlich auf die Sanktionspolitik lenkt. Das Regime von
Truppen zu schützen versuchen. Vor allem mit Blick auf             Kim Jong-un ist darauf angewiesen, ausländische Devisen
die Bedrohung durch feindliche Interkontinentalraketen             zu generieren, um die Loyalität der militärischen Führung
bestehen ernste Zweifel an der Leistungsfähigkeit der ak-          aufrechtzuerhalten und die Nuklearwaffen- und Rake-
tuellen Systeme.64 Zudem dürfte eine Weiterentwicklung             tenprogramme weiterhin zu finanzieren.71 Wirtschaftliche
der Hwasong-14 ihr Abfangen in Zukunft zusätzlich er-              Zwangsmaßnahmen sind demnach ein naheliegendes In-
schweren.65 Was Kurz- und Mittelstreckenraketen betrifft,          strument, um den Druck auf Pjöngjang zu erhöhen, was
so fällt das Expertenurteil positiver aus. Zwar besteht auch       erklärt, warum der Weltsicherheitsrat die Sanktionen im
in dieser Hinsicht – etwa mit Blick auf das Radar, die             August und September 2017 verschärft hat. Die Experten
Sensoren oder die Frage der Interoperabilität – noch Op-           sind sich allerdings einig, dass die bisherige Sanktions-
timierungsbedarf,66 die entsprechenden Systeme sollten             politik Lücken aufweist und Kim Jong-un kaum zu einer
aber immerhin „einen gewissen Schutz“ bieten, vor allem            Abkehr von seinem aggressiven Kurs bewegen dürfte.72
vor Mittelstreckenraketen mit Kurs auf Japan.67 Die ge-                 Das internationale Sanktionsregime beinhaltete be-
naue Zuverlässigkeit im Ernstfall lässt sich freilich nur          reits vor den jüngsten Eskalationen weitreichende Maß-
schwer prognostizieren.68                                          nahmen, wie etwa ein umfassendes Waffen- und Ban-
                                                                   kenembargo sowie signifikante Beschränkungen des
                                                                   nordkoreanischen Kohle- und Eisenexports.73 Die aktuel-
                                                                   len Beschlüsse des Weltsicherheitsrats haben diese Maß-
                                                                   nahmen noch einmal ergänzt. Mittlerweile gilt ein voll-
59 Fitzpatrick 2017b; Fitzpatrick/Elleman 2017a; Hanham/Ji 2017.   ständiges Ausfuhrverbot für Kohle und auch für Textilien.
60 Wit/Sokolsky 2016; Acton 2017; Chalmers 2017, S. 11.
61 Bunn 2017; Fitzpatrick/Elleman 2017b; Lewis 2017.
62 Acton 2017; Chalmers 2017, S. 12; Lewis 2017.
63 Chalmers 2017, S. 12; Nuclear Threat Initiative 2017b.          69 Mullen/Nunn 2016, S. 40–42.
64 National Academy of Sciences 2012; Grego/Lewis/Wright 2016.     70 Karako 2017.
65 Schilling 2017d.                                                71 Park/Walsh 2016; Mazza 2017; Ruggiero 2017a.
66 Karako 2017.                                                    72 Park/Walsh 2016; Berger 2017; Bolton 2017b; Bunn 2017; Thomp-
67 Fitzpatrick 2017b.                                              son 2017.
68 Fitzpatrick/Elleman 2017a.                                      73 Berger 2017, S. 21–41.
374          Sven-Eric Fikenscher

Zudem hat der Sicherheitsrat den nordkoreanischen Öl-                        Eine Task Force der Council on Foreign Relations sowie
import deutlich beschränkt.74 Aus Expertensicht sind alle               ein Beitrag des ehemaligen CIA-Direktors John Deutch
diese Vorgaben jedoch schwer umzusetzen. Zu den zent-                   und des früheren Rüstungskontroll-Koordinators Gary
ralen Problemen zählen vor allem die großen Chancen, die                Samore schlagen daher vor, die Interessen Chinas stärker
sich dem Regime auf dem Schwarzmarkt bieten, sowie die                  zu berücksichtigen, um Peking doch noch davon zu
Zurückhaltung Chinas bei der Umsetzung der Zwangs-                      überzeugen, den erforderlichen Druck auf Pjöngjang
maßnahmen.75 Peking gilt zwar als besorgt über die Mili-                auszuüben. Das würde schmerzhafte Zugeständnisse –
tanz seines Nachbarn, möchte aber eine Wiederver-                       etwa bei der US-amerikanischen Truppenpräsenz in
einigung Koreas unter Führung des pro-amerikanischen                    Südkorea – erfordern, ist aus Sicht der Autoren aber noch
Südens unbedingt verhindern.76 China beliefert Nord-                    die beste unter den verbliebenen Alternativen.83 Es gibt
korea deshalb weiterhin mit Öl77 und fungiert als zentraler             jedoch auch Stimmen, die davor warnen, den Einfluss
Umschlagplatz für Pjöngjangs (illegale) Maßnahmen zur                   Chinas zu überschätzen. Das Regime von Kim Jong-un
Devisenbeschaffung.78 Unter diesen Umständen dürfte es                  habe demnach wiederholt seine Bereitschaft bewiesen,
auch in Zukunft äußerst schwer – wenn nicht gar                         die eigene Bevölkerung extremen Lebensbedingungen
unmöglich – sein, Kim Jong-un mithilfe von wirt-                        auszusetzen und würde daher wahrscheinlich auch noch
schaftlichem Druck signifikante Zugeständnisse abzurin-                 drastischere Wirtschaftssanktionen sowie deren Folgen in
gen.                                                                    Kauf nehmen.84 Zudem könne Nordkorea, so ein weiteres
     Eine Option besteht darin, so genannte „sekundäre                  Argument, vermutlich selbst einem vollständigen Stopp
Sanktionen“ auszubauen, die sich gegen natürliche und                   der chinesischen Ölzufuhr standhalten. Pjöngjang verfüge
juristische Personen außerhalb der eigenen Jurisdiktion                 über genug Kohle, um einen etwaigen Engpass an Öl zu
richten, die mit Nordkorea (illegalen) Handel treiben be-               verkraften.85
ziehungsweise in Pjöngjangs proliferationsrelevante Ak-                      Wenn diese Einschätzungen stimmen sollten und sich
tivitäten involviert sind.79 In vereinzelten Fällen haben               Nordkorea selbst mithilfe Chinas nicht in die Knie zwingen
die Vereinigten Staaten bereits solche Maßnahmen er-                    ließe, könnte die Aufnahme direkter Gespräche mit Pjöng-
griffen. Zudem sind einige Zivilklagen eingeleitet worden,              jang unausweichlich sein, um eine Kompromiss-Lösung
die zusätzlichen Druck ausüben dürften.80 Es ist aller-                 auszuloten. Selbst manche Experten, die die Chancen auf
dings höchst fraglich, ob sich Nordkoreas Devisenbe-                    einen diplomatischen Durchbruch äußerst skeptisch beur-
schaffung und proliferationsrelevanten Aktivitäten auf                  teilen, halten direkte Gespräche mittlerweile für un-
diesem Wege tatsächlich beikommen lässt. Umfassende                     umgänglich.86 Dahinter steckt zum einen die Über-
sekundäre Sanktionen müssten sich logischerweise in                     zeugung, einer Eskalation und ihren katastrophalen Folgen
erster Linie gegen chinesische Akteure richten. Peking ist              auf diesem Wege am besten vorbeugen zu können. Direkte
wirtschaftlich aber stark genug, gezielten Zwangs-                      Gespräche mögen nicht zwangsläufig einen vertrauens-
maßnahmen standzuhalten und sich gegen sie zur Wehr                     bildenden Charakter haben, sie können aber dazu dienen,
zu setzen.81 China könnte beispielsweise seine Dollar-                  Fehlwahrnehmungen und akute Besorgnisse unmittelbar
Transaktionen zurückfahren, was die US-amerikanische                    zu kommunizieren und gegebenenfalls zu korrigieren.87
Stellung im internationalen Wirtschaftssystem erkennbar                 Zum anderen ist mit der Forderung nach einem neuen dip-
schwächen würde.82                                                      lomatischen Vorstoß aber auch die Hoffnung verbunden,
                                                                        zumindest einen mäßigenden Einfluss auf Nordkoreas
                                                                        Ambitionen im Nuklearwaffen- und Raketenbereich aus-
74 DeThomas 2017a; 2017b.
                                                                        üben zu können.88
75 Park/Walsh 2016, S. 20–30; Berger 2017, S. 13–19; DeThomas
2017a; 2017b; Einhorn 2017, S. 13; Fitzpatrick/Schwartz 2017; Ruggie-        Laut offizieller Linie sind die Vereinigten Staaten nur
ro 2017a; 2017b; 2017c; 2017d; Thompson 2017.                           zu direkten Gesprächen bereit, wenn Nordkorea seine
76 Mullen/Nunn 2016, S. 15; Cordesman 2017b; Deutch/Samore              grundsätzliche Bereitschaft zur nuklearen Abrüstung er-
2017; Einhorn 2017, S. 13; Fitzpatrick/Fryer 2017.                      klärt. Auch Befürworter einer langfristigen Denu-
77 Noel 2017.
78 Mullen/Nunn 2016, S. 16; Berger 2017, S. 13; Ruggiero 2017b;
2017c; 2017d.
79 Einhorn 2017, S. 13; Fitzpatrick/Fryer 2017; Ruggiero 2017b;         83   Mullen/Nunn 2016, S. 30–31; Deutch/Samore 2017.
2017c; 2017d.                                                           84   Einhorn 2017, S. 13; Fitzpatrick 2017b.
80 Arnold 2017; Stricker 2017.                                          85   Noel 2017.
81 Vgl. John Bolton: Asking China to ‘fixʼ North Korea is a waste of    86   Bunn 2017; Fitzpatrick 2017c; Wolfsthal 2017a; 2017b.
time, New York Post, 5. Juli 2017; Einhorn 2017, S. 15.                 87   Bunn 2017; Eaves 2017; Fitzpatrick 2017b; Hecker 2017.
82 Arnold 2017.                                                         88   Hass/OʼHanlon 2017; Wolfsthal 2017b.
Umgang mit Nordkoreas Nuklearwaffen- und Raketenprogrammen           375

klearisierung zweifeln mittlerweile an diesem Kurs. In               Handlungsoptionen momentan zu oft isoliert von-
Anbetracht von Pjöngjangs unnachgiebigen Auf-                        einander diskutiert werden und viel zu selten die Frage
rüstungsbestrebungen, so das Argument, könne man ein                 nach einer kohärenten und umfassenden Strategie gestellt
solches Zugeständnis in absehbarer Zeit schlicht und er-             wird.
greifend nicht erwarten.89 Der frühere Nonproliferations-                 Eine weitere Schwäche der Debatte besteht darin,
experte des US-amerikanischen Außenministeriums, Ro-                 dass die Möglichkeit einer Abschreckungspolitik, die sich
bert Einhorn, schlägt deshalb zumindest kurz- und mit-               im Lichte der nordkoreanischen Bedrohung und der ge-
telfristig einen pragmatischeren Kurs vor. So könnten die            ringen Erfolgschancen anderer Vorgehensweisen gerade-
Vereinigten Staaten Nordkorea in einem ersten Schritt                zu aufdrängt, kaum zur Sprache kommt. Zwar gehen ei-
neue Verhandlungen im Gegenzug für ein nukleares und                 nige Autoren mehr oder weniger beiläufig auf die Not-
raketenbezogenes Testmoratorium anbieten. Sollte sich                wendigkeit einer solchen Politik ein,93 es mangelt aber an
das Regime Kim Jong-uns darauf einlassen, könnten die                ausgereiften Konzepten, die als Orientierung dienen
anschließenden Gespräche darauf abzielen, alle essen-                könnten. In diesem Zusammenhang müssten nicht zuletzt
tiellen nordkoreanischen Aktivitäten im Nuklear- und                 die folgenden Fragen beantwortet werden: Wo sollten die
Raketensektor „einzufrieren“ und entsprechende Verifi-               „roten Linien“ für Nordkorea verlaufen? Welche Konse-
kationsmaßnahmen zu ermöglichen.90 Die Idee eines                    quenzen würde ein Überschreiten solcher Grenzen nach
solchen Einfrierens hat sich als durchaus beliebt erwie-             sich ziehen?94 Und wie rational agiert das Regime Kim
sen, wenngleich sich etwaige Unterschiede zwischen den               Jong-uns überhaupt?
einzelnen Analysen mit Blick auf die Frage finden lassen,
welche Aktivitäten davon genau betroffen sein sollten.91
So innovativ alle diese Vorschläge auch sind, ihr Erfolg
würde letztendlich von der Kompromissbereitschaft des
                                                                     4 Fazit: Eine wachsende Bedrohung
zunehmend aggressiven Regimes in Pjöngjang abhängen,                   und die Frage nach ihren
das alle bisherigen Übereinkünfte gebrochen hat.92
     Es ist lobenswert hervorzuheben, wie klar die Vor-
                                                                       Ursachen
und Nachteile der einzelnen Handlungsoptionen in dem
                                                                     Die aktuellen Studien zum Konflikt über Nordkoreas
Diskurs der Strategic Community benannt werden. Was die
                                                                     Nuklearwaffen- und Raketenprogramme zeichnen somit
erhoffte Lösung des Konflikts über Nordkoreas Nuklear-
                                                                     ein düsteres Bild. Während Pjöngjangs militärische Ka-
waffen- und Raketenprogramme betrifft, so macht die
                                                                     pazitäten immer bedrohlichere Ausmaße annehmen,
Fachliteratur dem Leser indes wenig Hoffnung. Ein ge-
                                                                     scheint es kaum möglich, ein geeignetes Instrument zu
zieltes militärisches Eingreifen wäre mit gigantischen Ri-
                                                                     finden, um Kim Jong-un zu einem Kurswechsel zu be-
siken verbunden, selbst mithilfe von verschärften Sank-
                                                                     wegen. Erst in den letzten Monaten hat Nordkorea neue
tionen ließe sich auf absehbare Zeit vermutlich nicht ge-
                                                                     Mittelstreckenraketen getestet, die Südkorea, Japan und
nug Druck ausüben und zu einer umfassenden
                                                                     teilweise auch die US-amerikanische Insel Guam treffen
diplomatischen Lösung scheint das Regime Kim Jong-uns
                                                                     können. Die Hwasong-14 kann aller Wahrscheinlichkeit
nicht bereit zu sein. Der Ausbau der Raketenabwehr-Ka-
                                                                     nach sogar weitere Teile der Vereinigten Staaten er-
pazitäten würde von vorneherein auf die Begrenzung der
                                                                     reichen. Es ist unklar, welche dieser Raketen bereits mit
Bedrohung durch Nordkoreas Nuklear- und Raketen-
                                                                     Massenvernichtungswaffen bestückt werden können, es
arsenale statt auf deren Abschaffung abzielen (wenn-
                                                                     ist aber davon auszugehen, dass Pjöngjang auch bei der
gleich ein solcher Schritt dennoch einen wichtigen Beitrag
                                                                     Miniaturisierung von Nuklearwaffen erhebliche Fort-
zur Sicherheit Südkoreas, Japans und unter Umständen
                                                                     schritte gemacht hat (der mögliche Einsatz chemischer
auch der Vereinigten Staaten leisten könnte). Ob sich eine
                                                                     Waffen bleibt indes eine Randnotiz der Literatur). Einigen
Verschärfung der Sanktionen mit einer neuen diplomati-
                                                                     Einschätzungen zufolge sind bereits mindestens Südko-
schen Offerte sinnvoll kombinieren ließe, bleibt indes of-
                                                                     rea und Japan der Gefahr eines Nuklearschlags ausge-
fen. Es lässt sich generell sagen, dass die einzelnen
                                                                     setzt. Unter diesen Umständen ist eine militärische Lö-
                                                                     sung nicht zu verantworten und ein diplomatischer Vor-

89 Swaine 2017; Wolfsthal 2017a.
90 Einhorn 2017, S. 16.
91 Mullen/Nunn 2016, S. 33; Albright 2017b; Deutch/Samore 2017;      93 Mullen/Nunn 2016; S. 25–26, 39–41; Acton 2017; Bader 2017;
Fitzpatrick 2017d; 2017e.                                            Bunn 2017; Chalmers 2017, S. 5–8; Wolfsthal 2017a.
92 Mullen/Nunn 2016, S. 19; Fitzpatrick 2017c; Hass/OʼHanlon 2017.   94 Wolfsthal 2017c.
376           Sven-Eric Fikenscher

stoß dürfte kaum zu dem erhofften Durchbruch führen.                     Anderson, Nicholas D. (2017): Explaining North Koreaʼs Nuclear
Verschärfte Sanktionen könnten zwar den Druck auf das                         Ambitions: Power and Position on the Korean Peninsula,
                                                                              Australian Journal of International Affairs, 71 (6), 621–641.
Regime Kim Jong-uns erhöhen, es ist allerdings mehr als
                                                                         Arnold, Aaron (2017): Watch Out for the Blowback of Secondary
fraglich, ob sich die Aktivitäten Nordkoreas auf dem                          Sanctions on North Korea, The Diplomat, 28. April, http://
Schwarzmarkt weit genug eindämmen ließen, um eine                             thediplomat.com/2017/04/watch-out-for-the-blowback-of-
sicherheitspolitische Neuausrichtung zu erzwingen.                            secondary-sanctions-on-north-korea/.
    Unter diesen Umständen gilt es zu erörtern, ob sich                  Bader, Jeffrey A. (2017): Why deterring and containing North Korea is
                                                                              our least bad option, The Brookings Institution: Trump and Asia
die nordkoreanische Bedrohung kurz- und mittelfristig
                                                                              Watch, 8. August, https://www.brookings.edu/blog/order-
zumindest begrenzen lässt und wie der Westen, insbe-
                                                                              from-chaos/2017/08/08/why-deterring-and-containing-north-
sondere die Vereinigten Staaten, langfristig mit ihr um-                      korea-is-our-least-bad-option/.
gehen sollte. Ein solches Konzept könnte verschiedene                    Berger, Andrea (2017): A House Without Foundations: The North
Elemente – nicht zuletzt den Ausbau der Raketenabwehr                         Korea Sanctions Regime and its Implementation, London; Royal
– beinhalten, es kann jedoch nur dann erfolgreich aus-                        United Services Institute (Whitehall Report 3–17).
                                                                         Bolton, John (2017): Trump must stop North Korea from striking
gearbeitet werden, wenn die Motive und strategischen
                                                                              American soil, The Hill, 21. August, http://thehill.com/blogs/
Prioritäten des Regimes von Kim Jong-un besser be-                            pundits-blog/homeland-security/347252-opinion-trump-must-
leuchtet werden. So kenntnisreich und detailliert die ak-                     stop-north-korea-from-striking.
tuelle Debatte über die technologische Dimension von                     Bunn, Matthew (2017): North Korea and America Could Stumble into a
Pjöngjangs Nuklearwaffen- und Raketenprogrammen so-                           Nuclear War, The National Interest, 17. August, http://
                                                                              nationalinterest.org/feature/north-korea-america-could-
wie über etwaige Gegenmaßnahmen auch ist, die an die-
                                                                              stumble-nuclear-war-21942.
ser Stelle besprochenen Studien gehen kaum darauf ein,
                                                                         Chalmers, Malcolm (2017): Preparing for War in Korea, London; Royal
welche Ziele Nordkorea mit dem Ausbau seiner militär-                         United Services Institute (Whitehall Report 4–17).
ischen Kapazitäten verfolgt. Handelt es sich bei Kim Jong-               Cordesman, Anthony H. (2017a): Keeping the North Korean Threat in
un um einen unberechenbaren Aggressor, der die be-                            Proportion, CSIS Commentary, 9. August, https://www.csis.
stehende internationale Ordnung unweigerlich destabili-                       org/analysis/keeping-north-korean-threat-proportion.
                                                                         Cordesman, Anthony H. (2017b): Destabilizing Northeast Asia: The
sieren wird, wie es John Bolton in seiner Charakterisie-
                                                                              Real Impact of North Koreaʼs Nuclear and Missile Programs,
rung des Regimes anklingen lässt?95 Oder haben wir es mit                     CSIS Commentary, 5. September, https://www.csis.org/
defensiven Motiven zu tun und Pjöngjang strebt lediglich                      analysis/destabilizing-northeast-asia-real-impact-north-
nach einem umfassenden Abschreckungspotenzial, um                             koreas-nuclear-and-missile-programs.
die Sicherheit von Land und Regime möglichst optimal zu                  CSIS Missile Defense Project (2017a): Missile Threat: KN-15
                                                                              (Pukkuksong-2) at a Glance, https://missilethreat.csis.org/
gewährleisten? Und welche weiteren Aufrüstungsschritte
                                                                              missile/pukkuksong-2/.
sind aus Sicht Kim Jong-uns erforderlich, um die jeweili-
                                                                         CSIS Missile Defense Project (2017b): Missile Threat: Hwasong-12,
gen Ziele zu erreichen?96 Im Lichte dieser Fragen ist auch                    https://missilethreat.csis.org/missile/hwasong-12/.
die dringend notwendige Diskussion über den Sinn einer                   CSIS Missile Defense Project (2017c): Missile Threat: Missiles of
Abschreckungspolitik gegenüber Nordkorea zu führen.                           North Korea, https://missilethreat.csis.org/country/dprk/.
                                                                         DeThomas, Joseph (2017a): UNSCR 2371: An Invitation to Evasion, 38
                                                                              North, 7. August, http://www.38north.org/2017/08/
                                                                              jdethomas080717/.
Literatur                                                                DeThomas, Joseph (2017b): UNSCR 2375: What Just Happened Here?,
                                                                              38 North, 15. September, https://www.38north.org/2017/09/
                                                                              jdethomas091517/.
Acton, James M. (2017): North Korea: In Deterrence We Trust, The
                                                                         Deutch, John/Samore, Gary (2017): How America Can Thwart North
     Diplomat, 12. September, http://thediplomat.com/2017/09/
                                                                              Koreaʼs Nuclear Threat, The National Interest, 31. Mai, http://
     north-korea-in-deterrence-we-trust/.
                                                                              nationalinterest.org/feature/how-america-can-thwart-north-
Albright, David (2017a): North Koreaʼs Nuclear Capabilities: A Fresh
                                                                              koreas-nuclear-threat-20934.
     Look – with Power Point Slides, Washington, D.C.; Institute for
                                                                         Eaves, Elisabeth (2017): Talk to North Korea to avert a nuclear
     Science and International Security.
                                                                              disaster: an interview with Siegfried Hecker, The Bulletin of
Albright, David (2017b): A Freeze of North Koreaʼs Nuclear Program:
                                                                              Atomic Scientists, 7. August, http://thebulletin.org/talk-north-
     Finding a Definition More Fitting of Todayʼs Reality, Washington,
                                                                              korea-avert-nuclear-disaster-interview-siegfried-hecker10996.
     D.C.; Institute for Science and International Security.
                                                                         Einhorn, Robert (2017): Non-Proliferation Challenges Facing the
                                                                              Trump Administration, Washington, D.C.; The Brookings
                                                                              Institution (Arms Control and Non-Proliferation Series Paper 15).
95 Bolton 2017.                                                          Elleman, Michael (2017a): The Pukguksong-2: Lowering the Bar on
96 Chalmers 2017, S. 5–6; Nilsson-Wright 2017. Zu der Debatte über            Combat Readiness?, 38 North, 25. Mai, http://www.38north.
Nordkoreas Nuklearstrategie und die ihr zugrunde liegenden Motive             org/2017/05/pukguksong2_052517/.
siehe Narang (2015) und Anderson (2017).
Umgang mit Nordkoreas Nuklearwaffen- und Raketenprogrammen                     377

Elleman, Michael (2017b): The secret to North Koreaʼs ICBM success,                1. September, https://www.armscontrol.org/act/2017–08/
     IISS Voices, 14. August, http://www.iiss.org/en/iiss%                         features/advances-north-korea-missile-program-what-comes-
     20voices/blogsections/iiss-voices-2017-adeb/august-2b48/                      next.
     north-korea-icbm-success-3abb.                                           Hass, Ryan/OʼHanlon, Michael E. (2017): Despite H-bomb test,
Elleman, Michael (2017c): North Koreaʼs Hwasong-12 Launch: A                       negotiate with North Korea–but from a position of strength, The
     Disturbing Development, 38 North, 30. August, http://                         Brookings Institution: Trump and Asia Watch, 6. September,
     www.38north.org/2017/08/melleman083017/.                                      https://www.brookings.edu/blog/order-from-chaos/2017/09/
Elleman, Michael (2017d): Early Observations of North Koreaʼs Latest               06/despite-h-bomb-test-negotiate-with-north-korea-but-from-
     Missile Tests, 38 North, 28. Juli, http://www.38north.org/                    a-position-of-strength/.
     2017/07/melleman072817/.                                                 Hecker, Siegfried (2017): If Nixon Went to China, Trump Can Talk to
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