Fehlende Glubwürdigkeit wegen Identitätstäuschung - Widerlegung der Verumutungswirkung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG wegen positiver ...

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VG Regensburg, Urteil v. 20.02.2019 – RO 2 K 18.33013

Titel:
Fehlende Glubwürdigkeit wegen Identitätstäuschung - Widerlegung der
Verumutungswirkung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG wegen positiver
politscher Entwicklungen in Äthiopien
Normenketten:
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
AsylG § 3a, § 3c Nr. 3, § 4, § 77 Abs. 1 S. 1, § 83b
RL 2011/95/EU Art. 4 Abs. 4
EMRK Art. 3

Leitsätze:
1. Ungereimtheiten der Angaben des Asylbewerbers zu seiner Identität führen zu einer erschütterten
Glaubwürdigkeit, sodass auch das Vorbringen seiner Fluchtgeschichte nicht geglaubt werden kann.
(Rn. 44 – 49) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG, wonach ein Asylbewerber tatsächlich
Gefahr läuft, bei einer Rückkehr ernsthaften Schaden zu erleiden, ist im Hinblick auf die politischen
Veränderungen in Äthiopien seit Amtsantritt des Premierministers Abiy Ahmed Anfang 2018
gegenwärtig als widerlegt anzusehen (so auch VG Bayreuth BeckRS 2018, 31158; VG Bayreuth
BeckRS 2018, 24038). (Rn. 50 – 67) (redaktioneller Leitsatz)
3. Volkszugehörige der Oromo unterliegen nach der gegenwärtigen Auskunftslage keiner
Gruppenverfolgung. (Rn. 68 – 69) (redaktioneller Leitsatz)
4. Bei Äthiopiern, die sich exilpolitisch in Deutschland engagieren und deren Aktivitäten sich in der
üblichen Mitgliedschaft und Teilnahme an Veranstaltungen erschöpft, ist es gegenwärtig nicht
(mehr) beachtlich wahrscheinlich, dass diesen bei Rückkehr eine Verfolgung aus politischen
Gründen droht. (Rn. 70– 75) (redaktioneller Leitsatz)
5. Ein innerstaatlicher Konflikt im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG ist in Äthiopien nicht ersichtlich.
(Rn. 79) (redaktioneller Leitsatz)

Schlagworte:
Herkunftsland, Flüchtlingseigenschaft, Äthiopien, Wahrscheinlichkeit, Asylvorbringen, Glaubwürdigkeit,
exilpolitische Betätigung, innerstaatlicher Konflikt, Nachfluchtgründe, Widerlegung der Regelvermutung,
Gruppenverfolgung der Oromo

Fundstelle:
BeckRS 2019, 3485

Tenor

I. Die Klagen werden abgewiesen.

II. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Das Urteil ist in Ziffer II. vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Kläger, äthiopischer Staatsangehörigkeit, wenden sich gegen einen ablehnenden Bescheid des
Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) und begehren die Zuerkennung der
Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise die Gewährung subsidiären Schutzes und wiederum hilfsweise die
Feststellung des Vorliegens von Abschiebeverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz
(AufenthG).

2
Der Kläger ist eigenen Angaben zufolge am … 1982 geboren, die Klägerin ihren Angaben zufolge am …
1983. Beide geben an, miteinander verheiratet zu sein. Die Klägerin gebar am … 2014 in C. das erste
gemeinsame Kind. Dieses klagt im Verfahren RO 2 K 16.31475 ebenfalls gegen die Ablehnung seines
Asylantrags.

3
Die Kläger reisten am 24. August 2013 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und
beantragten am 12. September desselben Jahres Asyl. Die persönliche Anhörung beim Bundesamt erfolgte
am 9. Juni 2014.

4
Bei ihrer Asylantragstellung legten beide einen jeweils am 27. Juni 2011 ausgestellten UNHCR
Flüchtlingsausweis vor.

5
Am 5. September 2013 wurden beide Kläger zur Klärung ihrer Identität bei der Regierung von M. befragt.

6
Der Kläger gab hierbei an, Amharisch und ein bisschen Oromo, Tigrinya und Englisch zu sprechen. Seine
Mutter sei Amhara, sein Vater sei Oromo. Einen äthiopischen Reisepass habe er nie besessen. Papiere
habe er nicht dabei. Seinen Personalausweis habe er im Mittelmeer weggeschmissen. Seine
Schulzeugnisse habe ihm im Oktober 2010 der Geheimdienst in Äthiopien abgenommen, er habe keine
Geburtsurkunde besessen. Er könne keine Personalpapiere besorgen. Er wolle nicht nach Äthiopien
telefonieren. In Äthiopien habe er im Stadtteil B., Wereda Kebele … gewohnt. Vom 20. September 2010 bis
zum 20. April 2012 habe er sich in einem Camp im Sudan aufgehalten, dann sei er über Libyen und einen
unbekannten Mittelmeerstaat nach Europa gekommen. Er sei seit dem 12. September 2007 mit der am …
1983 in A. Ab. geborenen Klägerin verheiratet. Sein Vater sei 1957 geboren, seine Mutter sei im Alter von
38 Jahren verstorben. Er habe einen Bruder und zwei Schwestern, diese lebten in Äthiopien. Bis zur 10.
Klasse sei er in Goba in die Schule gegangen. Wehrdienst habe er nicht geleistet. Er sei Mitglied der
Arbegnoca Ginbbar Partei.

7
Die Klägerin gab bei der Regierung von Mittelfranken an, nur Amharisch zu sprechen. Sie sei Amhara.
Einen äthiopischen Reisepass habe sie nie besessen. Papiere habe sie nicht dabei. Ihren Personalausweis
habe sie im Mittelmeer am 20. August 2013 weggeschmissen. Auch ihre Schulzeugnisse habe sie an
diesem Tag im Mittelmeer weggeschmissen. Sie habe eine Geburtsurkunde besessen. Personalpapiere
könne sie nicht besorgen, sie wolle nicht mit ihrer Familie in Äthiopien telefonieren. Als letzte Adresse im
Heimatland gab sie die gleiche Adresse wie der Kläger an. Sie habe sich vom 7. Januar 2011 bis 20. April
2012 im gleichen Camp wie der Kläger im Sudan aufgehalten und sei mit ihm über Libyen und einen
unbekannten Mittelmeerstaat nach Europa gekommen. Sie sei seit dem 12. September 2007 mit dem
Kläger verheiratet. Ihr Vater sei 55 Jahre, ihre Mutter 53 Jahre alt. Sie habe fünf Brüder und eine
Schwester, die Geschwister lebten bei den Eltern in Wello. Sie habe bis zur 10. Klasse in A. Ab. die Schule
besucht.

8
Am 18. September 2013 erfolgte eine Befragung zur Vorbereitung der persönlichen Anhörung vor dem
Bundesamt. Der Kläger gab hierbei an, außer Amharisch noch etwas Tigrinya zu sprechen. Er gehöre zur
Volksgruppe der Oromo. Sein Vater sei Oromo, seine Mutter Amhara. Er habe einen Kebeleausweis
gehabt, der ihm vor ca. 5 Jahren in A. Ab. ausgestellt worden sei. Auf der Flucht habe er diesen Ausweis
verloren. Eine Geburtsurkunde habe er sich nie ausstellen lassen. Die Zeugnisse und seine Heiratsurkunde
seien während seiner Flucht, beim Kentern eines Schlauchbootes, abhandengekommen. Er habe seinen
Wehrpass im Sudan, beim UNHCR abgegeben. Eine Kopie dieses Wehrpasses habe er auf der Flucht in
Libyen zerrissen und weggeschmissen. Er habe in zwei Flüchtlingslagern im Sudan gelebt, am 20.
September 2010 sei er in Gelebat im Sudan eingetroffen. Er habe sich einen Monat lang in einem Lager in
Gedarif aufgehalten. Vom 27. Juni 2011 bis zum 20. April 2012 habe er sich in einem weiteren
Flüchtlingscamp in Shagerab aufgehalten. Mit seiner Frau sei er nach Landesrecht traditionell kirchlich
verheiratet. Er habe 10 Jahre die Schule in Bale-Goba besucht und 1998 die Schule abgeschlossen. Von
Mai 1999 bis 7. Februar 2002 sei er in der äthiopischen Armee als einfacher Soldat gewesen. Er sei am 16.
August 2013 mit seiner Frau und weiteren 96 Flüchtlingen von Tripolis aus mit einem Schlauchboot
losgefahren. Angesichts der vielen Flüchtlinge seien am vierten Tag der Überfahrt die Holzplanken des
Bootes gebrochen, daraufhin hätten die Schleuser gefordert, dass das Gepäck über Bord geworfen werde.
Am 22. August 2013 seien sie in der Nacht in der Nähe einer europäischen Hafenstadt angekommen. Am
24. Mai 2010 sei er von A. Ab. aus nach Debre Markos auf einem Pickup gefahren. Dort habe er ca. 3
Monate bei einem Freund gewohnt. Mit einem Pickup sei er am 18. August 2010 nach Gondor gekommen
und habe anschließend die Grenzstadt Metema erreicht. Zu Fuß habe er die Grenze zum Sudan überquert,
am 20. September sei er in Gelebat angekommen.

9
Auf die Frage, weshalb er nach Deutschland gekommen sei, gab er an, in Äthiopien politisch verfolgt zu
werden. Er sei in der Oppositionspartei und habe sich dort politisch engagiert. Die Partei heiße UDJ. 2002
sei er ein Jahr lang im Gefängnis gesessen, als er beim Versuch aus der Armee zu desertieren erwischt
worden sei. 2005 sei er erneut eingesperrt worden, da er in der Kinigit Partei tätig gewesen sei. Nach der
verlorenen Wahl sei er über ein Jahr lang eingesperrt worden. Er sei im Gefängnis in Shewa-Robit
gesessen. 2010 sei er wegen seines politischen Engagements zwei Tage lang eingesperrt gewesen.

10
Die Klägerin brachte bei der Befragung zur Vorbereitung der Anhörung am 18. September 2013 vor, dass
sie alle ihre Unterlagen auf dem Mittelmeer über Bord habe werfen müssen, weil das Schlauchboot geleckt
habe. Sie sei am 11. Januar 2011 im Sudan im Flüchtlingslager Shegerab angekommen. Am 26. April 2012
sei sie zusammen mit ihrem Mann nach Libyen weiter. Sie habe in Äthiopien 10 Jahre die Mittelschule in A.
Ab. besucht und diese abgeschlossen. Ein Jahr habe sie eine Berufsschule besucht und Hotelfach-
/Servicekraft gelernt. Zuletzt habe sie in einer Stofffabrik gearbeitet und 800 äthiopische Birr verdient. Am 5.
Januar 2011 sei sie von A. Ab. mit einem Reisebus nach Gondor und von dort mit einem Pickup nach
Hamdayit in den Sudan. Über eine weitere Stadt sei sie in das Flüchtlingslager Shegerab gekommen, wo
sie wieder ihren Mann getroffen habe. Am 20. April 2012 hätten sie den Sudan verlassen und seien 6 Tage
später in der Stadt Igidabia in Libyen angekommen. Dort sei ihr Mann eingesperrt worden und sie in ein
Flüchtlingslager des Roten Mondes gebracht worden. Später sei auch ihr Mann in das Flüchtlingslager
gekommen, sie hätten ca. ein Jahr in Bengasi verbracht. Dann seien sie nach Tripolis, wo sie 3 Monate in
einem Auffanglager verbracht hätten. Sie sei mit ihrem Mann aus diesem Lager geflohen und habe 3
Monate als Hausmädchen in einem Privathaushalt gearbeitet. Sie wolle nach Deutschland, weil sie in ihrem
Land nicht leben könne. Sie sei nicht Mitglied einer politischen Partei. Sie unterstütze die Tätigkeit ihres
Mannes. Er sei Mitglied in der Einheit für Demokratie und Gerechtigkeit (Andenet). Ihr Mann sei verfolgt
worden und habe deshalb das Land verlassen. Später habe auch sie ihr Heimatland verlassen. Nachdem
sie sich kennengelernt hätten, sei er nur 2 Tage bei Propagandaarbeiten verhaftet worden. Von anderen
Festnahmen wisse sie nichts. Dass er für Freiheit und Demokratie kämpfe, habe sie aus ihren Medien
entnehmen können. Nachdem er geflohen sei, sei sie für 2 Monate und 6 Tage verhaftet worden. Sie sei im
Zentralgefängnis in der Nähe von Makelawi inhaftiert gewesen.

11
Der Kläger trug bei seiner persönlichen Anhörung am 9. Juli 2014 vor, er sei zunächst von A. Ab. nach
Debre Markos gegangen und habe sich dort 3 Monate aufgehalten, bevor er Äthiopien verlassen habe.
Äthiopien habe er am 18. September 2010 verlassen. Er sei im äthiopischen Jahr 2002 (gemeint ist wohl
2003) im Meskerem ausgereist. Er wisse aber den äthiopischen Kalender nicht mehr. Es sei ihm lieber alle
Zeitangaben nicht umzurechnen. Er sei 27 oder 28 Jahre alt gewesen, als er seine Heimat verlassen habe.
In Äthiopien sei er zuerst Soldat gewesen, dann in Haft und habe danach Gelegenheitsarbeiten ausgeübt.
Am Schluss habe er in einem Fotogeschäft gearbeitet. Seine Frau habe er im Jahr 1999 äthiopischer Zeit
(gregorianisch 2006/2007) kennengelernt. Sie hätten in der gleichen Gegend gewohnt und im Jahr 2000
äthiopischer Zeit geheiratet. Er könne Tigrinya sprechen, weil er als Soldat in dieser Gegend gewesen sei
und dabei die Sprache gelernt habe.

12
Im europäischen Jahr 2010 seien Wahlen in Äthiopien gewesen. Er sei als Wahlbeobachter für Andinet in
Wereda 28 aktiv gewesen. Sie hätten 110 Wahlbezirke gehabt und er habe überall hin gehen müssen und
die Wahlen beobachten und an die Leitung berichten. Ein Wahlbeobachter habe ihn am 15.9.2002
(äthiopische Zeit, 23. Mai 2010 gregorianisch) angerufen und von Unregelmäßigkeiten berichtet. Er habe so
schnell wie möglich vorbeikommen sollen, weil es einen Stimmenbetrug gegeben habe. Tagsüber habe er
die Wahlen beobachtet und er habe schon damals viele Streitigkeiten sehen können. Auf dem Weg zum
Wahlbezirk sei er von zwei Männern überfallen und geschlagen worden. Am 22. Mai hätten alle
Wahlbeobachter ihren Lohn bekommen. Dies hätten zwei Männer fotografiert. Das habe er gemerkt und
diese angesprochen, warum sie jetzt von ihm Bilder machten. Er habe ihnen gesagt, dass er die Polizei
darüber informieren werde. Er habe Polizei auf der Straße gesehen und dieser gesagt, dass diese zwei
Männer ihn fotografierten. Einer der Männer, der das Bild gemacht habe, habe das Bild dem anderen
angegeben. Der andere sei mit dem Bild weggerannt. Der Polizist habe den, der geblieben sei, gefragt,
weshalb er Bilder vom Kläger gemacht habe. Dieser habe alles verneint. Am Tag darauf, nachdem er ein
Telefonat über den Betrug bekommen habe, sei er von diesen zwei Leuten überfallen und verprügelt
worden. Sie hätten Tigrinya gesprochen. Nachdem sie ihn geschlagen hätten, sei er auf den Boden
gefallen. Auf dem Boden liegend habe er einen Stein gefunden und diesen in Richtung eines Mannes
geworfen. Es sei dunkel gewesen, aber er habe ihn voll ins Gesicht getroffen. Dieser habe geschrien und
der andere habe versucht, diesem zu helfen. Es sei ein Auto gekommen, so dass er aufgestanden und von
dort weggelaufen sei. In dieser Gegend gebe es Bäume und einen Wald, wo er sich eine Stunde versteckt
habe. Er habe Angst gehabt, dass sie ihn suchten. Danach sei er in den Stadtteil Kebena gelaufen, dort
habe er eine gute Freundin, die mit ihm in dem Fotoladen gearbeitet habe und dort gewohnt hätte. Er sei zu
ihr gegangen und nicht zurück nach Hause gelaufen, weil sie nach ihm gesucht hätten. Er wolle hier
klarstellen, dass er seit 2001 äthiopischer Zeit für die patriotische Front arbeite und seit 2002 äthiopischer
Zeit für Andinet tätig sei. Zuhause habe er alle Unterlagen der patriotischen Front, wie beispielsweise
Flugblätter, die er nachts in den Kirchen verteilt habe. Gleichzeitig sei er auch für Andinet tätig gewesen. Bei
der Schlägerei hätten ihm diese Männer immer wieder gesagt, dass er für eine andere oppositionelle Partei
und nicht für Andinet arbeite, ihnen sei bekannt, dass er für die patriotische Front tätig sei. Als er bei der
guten Freundin übernachtet habe, habe er seinen Freund in Debre Markos angerufen, der ihn für die
patriotische Front angeworben habe. Dieser habe ihm gesagt, dass sie hinter ihm her seien. Er habe
gesagt, dass der Kläger sofort nach Debre Markos kommen solle, dort werde man schon eine Lösung
finden.

13
Eine Woche vorher seien sie in Feche in einer Nachbarstadt A. Ab.s gewesen. Sie seien dort am 13./14.
Mai wegen Wahlpropaganda gewesen. In dem Hotel, in dem sie untergebracht gewesen seien, sei nachts
das Zimmer von Sicherheitsmännern aufgebrochen worden, die sie später mit Gewalt mitgenommen hätten.
Ihre Kebeleausweise seien ihnen abgenommen worden und sie hätten später eine Auflage unterschreiben
müssen und seien freigelassen worden. Sie seien gegen nachmittags in die Stadt gekommen, essen
gegangen und hätten für die Frau, die dort kandidiert habe, Propaganda machen wollen. Ihr Fahrer sei im
Auto gesessen und von anderen eingeschüchtert worden. Dieser habe Angst gehabt, weil er Kinder gehabt
habe und den Kläger und die anderen dort alleingelassen. In der Stadt hätten sie Wahlzettel für die
Kandidaten verteilen wollen. Laut Gesetz sei Propaganda nach 18:00 Uhr verboten. Sie seien beschuldigt
worden, nach 18:00 Uhr propagiert zu haben und gefragt worden, weshalb sie gekommen seien. Die Frau
habe hier genügend Leute, dass sie das auch ohne sie tun könnte. Sie seien beschuldigt worden,
Menschen zur Unruhe anzustiften. Sie seien zwölf Leute gewesen, die später in einem Zimmer eingesperrt
worden seien. Die anderen seien sehr gewalttätig gewesen und hätten ihnen eine Auflage vorgelegt, dass
sie zu Unruhen aufgerufen und die Uhrzeit nicht beachtet hätten. Es seien keine Polizisten sondern
besondere Sicherheitskräfte gewesen. Sie seien zu zwölft für Propaganda in der Stadt vorgesehen
gewesen. Sechs seien in einem Hotel und die anderen Sechs in einem anderen Hotel untergebracht
gewesen. Zwei seien geflohen. Sie hätten nach A. Ab. telefoniert und am nächsten Tag sei Dr. M. G.
gekommen, der von Medrek gewesen sei, und habe für sie die Freilassung besorgt. Dann seien sie nach A.
Ab. zurückgefahren.

14
Er sei zum Wahlhelfer gewählt worden, weil viele Menschen wegen der Wahlen im Jahr 1997 äthiopischer
Zeit kein Vertrauen mehr gehabt hätten. Weil er für die patriotische Front gearbeitet habe, habe er sich für
Andinet wählen lassen. So habe er verdeckt für die patriotische Front bei Andinet arbeiten können. Er habe
mit allen friedlichen Mitteln versucht, die jetzige Regierung abwählen zu lassen. Die leitenden Personen von
Andinet hätten nicht gewusst, dass er für die patriotische Front arbeite. Er habe aber ein paar Leute für die
patriotische Front angeworben. Der Kläger legte hierzu eine Bestätigung der EPPF aus dem Sudan vor. Die
Stimmabgabe sei von früh morgens 6:00 bis 18:00 Uhr abends. Die Stimmen seien nachts gezählt worden.
Der Anruf wegen des Stimmenbetrugs sei nachts gekommen. Die Stimmzettel seien falsch gezählt worden,
und sie hätten gewollt, dass er das unterschreibe. Er sei zu den Wahlbezirken gegangen und habe alles
beobachtet. Es habe 110 Wahlbezirke gegeben und zu manchen sei er mit dem Taxi gefahren oder zu Fuß
gelaufen. Er habe seinen Ausweis an der Tür gezeigt und später habe er beobachtet, ob alles richtig laufe.
Er sei auch zu Wahlbeobachtern gegangen und habe sich angeschaut, ob die Stimmzettel richtig
abgegeben wurden. Die Leute hätten zwei Zettel bekommen, diese ausfüllen müssen und später
zusammengefaltet in eine Wahlurne reinwerfen. Die Leute der EPRDF bekämen anstatt einem Zettel zwei
Zettel und würfen diese zusammen ein. Als er das Telefonat erhalten habe, sei er zu Hause gewesen, es
sei kurz vor Mitternacht gewesen. Er habe zur Wereda 28, das sei seine Wereda, laufen müssen. Diese sei
ca. 20 Minuten entfernt. Sie seien fünf bewegliche Beobachter von Andinet gewesen. Der Wahlbeobachter,
der ihn angerufen habe, sei ein freiwilliger Beobachter gewesen.

15
In Fecha seien sie zwei Nächte eingesperrt gewesen. Die zwei Geflohenen hätte erst herausfinden müssen,
wo sie seien und hätten erst am Tag danach Herrn M. G. erreicht. Die zwei hätten fliehen können, weil sie
durchs Fenster geflüchtet seien. Nachdem er zu seinem Freund gegangen sei, habe er keinen direkten
Kontakt zu seiner Frau gehabt, sondern nur zu seiner Tante in A. Ab., die er immer angerufen habe. Seine
Frau sei belästigt worden. Bei seinem Freund habe er drei Monate gewartet, bis sich alles beruhigte. Bevor
er nach Debre Markos gegangen sei, habe er kurz seine Frau angerufen und ihr gesagt, dass er für kurze
Zeit untertauchen müsse. Sie habe über alles Bescheid gewusst.

16
Der Kläger gab an, dass auf einem der übergebenen Belege bestehe, dass er am 21.9.2002 (äthiopische
Zeit, gregorianisch 29. Mai 2010) in A. Ab. im Stadtteil Urael Geld für Andinet eingezahlt habe. Auf den
Vorhalt, dass er an diesem Tag bereits in Debre Markos gewesen sei, erwiderte er, dass er nicht zurück
nach A. Ab. gekommen sei, um das Geld in dem Büro abzugeben. Er habe das kurz vor der Wahl bezahlt.

17
Er sei zweimal in Haft gewesen, zweimal für ein Jahr. Das erste Mal weil er versucht habe, zu desertieren.
Das zweite Mal drei Jahre später. Er sei damals sehr misshandelt worden, so dass er selbst urologische
Probleme habe. Hierzu legte er ein Attest vor. Er sei in der Wahlzeit verhaftet und auf die Hoden
geschlagen worden. Anschließend sei er ins Krankenhaus gebracht und dort operiert worden. Nach der
Operation sei er in die Haft nach Shawe Robit gebracht worden. In einer Nacht hätten sie 30 Leute auf
einen Lkw geladen und sie nach A. Ab. gefahren und dort auf der Straße freigelassen. Man habe seine
Rechte verletzt und ihn ohne Gerichtsurteil eingesperrt und misshandelt. Auf die Frage, warum er nicht
2005 nach der zweiten Haft ausgereist sei, gab er an, er habe nicht ausreisen wollen. Die Regierung habe
ein Terrorismusgesetz veröffentlicht und er habe diverse Unterlagen zu Hause gehabt, wenn sie in die
Hände der Regierung gekommen wären, wäre er sicher noch einmal verhaftet worden. Auf ein drittes Mal
habe er nicht warten wollen. Auf den Vorhalt, dass er fünf Jahre gewartet habe, bis er geflüchtet sei, gab er
an, im Untergrund gekämpft zu haben, um die Regierung zu stürzen. Außerdem sei er auch wegen seiner
Oromo-Volkszugehörigkeit unterdrückt worden.

18
Auf die Frage, woher die zwei Leute, die ihn angegriffen hätten, wissen hätten sollen, dass er die
patriotische Front unterstütze, gab er an, die angeworbenen Mitglieder hätten ihn verraten. Es gebe sehr
viele Spione, die sich verdeckt bei Andinet aufhielten und sie beobachteten. Er sei auch öfters telefonisch
bedroht worden. Es sei nicht früher ausgereist, weil er bis zum bitteren Ende, bzw. bis zu seinem Tod habe
kämpfen wollen. Zum Schluss habe er Angst bekommen, weil ihm seine menschliche Seite empfohlen
habe, das Land zu verlassen.

19
In Deutschland sei er exilpolitisch tätig. Er sei bei der EPPF-Germany. Hierzu legte er einen Ausweis dieser
Organisation und einer weiteren Organisation namens EPCOU, sowie Teilnahmebestätigungen von
Versammlungen und Bilder vor. Bis vor kurzem habe er an einem Ort gewohnt, der sehr weit entfernt
gewesen sei und habe nicht regelmäßigen Kontakt zu der Organisation gehabt. Seit zwei Monaten wohne
er aber in einem anderen Camp und engagiere sich mehr für die Partei.

20
Es sei nicht im Sudan geblieben, weil es eine Vereinbarung zwischen der sudanesischen und der
äthiopischen Regierung gegeben habe, wonach alle sich illegal im Sudan aufhaltende Leute nach Äthiopien
zurückgebracht werden müssten. Danach sei er in einem Flüchtlingslager gewesen, er habe Unterlagen
vom UNHCR. Im Sudan gebe es keine Sicherheit. Sie würden von Sicherheitskräften beobachtet, die für
Geld alles verraten würden. Die äthiopische Regierung komme und hole Leute ab. Es gebe keinen Schutz
und keine Sicherheit.

21
Bei ihrer persönlichen Anhörung am 9. Juli 2014 trug die Klägerin vor, dass sie ihre Heimat wegen der
Probleme ihres Mannes verlassen habe. Sie sei in Äthiopien zwei Monate in Haft gewesen und dort
geschlagen und belästigt worden. Deswegen sei sie krank geworden. Sie sei auch schikaniert worden. Sie
sei am 1. Februar 2003 (äthiopischer Kalender, gregorianisch 11. Oktober 2010) verhaftet worden. Hierzu
sei sie von zu Hause von drei zivilgekleideten Sicherheitsleuten abgeholt worden. Es sei kurz vor
Mitternacht gewesen. Sie hätten zuerst das Haus durchsucht und unter dem Fernseher ein Stück Papier
gefunden. Sie hätten ihr gesagt, dass es sicher von ihrem Mann sei und sie solle das Versteck ihres
Mannes verraten. Sie habe gesagt, dass sie nicht wisse, wo ihr Mann sei. Darauf sei ihr geantwortet
worden, dass sie mitkommen müsse. Das gefundene Papier sei von der patriotischen Front gewesen. Sie
sei gefragt worden, woher dieses Papier komme. Sie hätten ihr gesagt, dass sie wisse, wo ihr Mann sei. Sie
habe zwar Unterlagen von ihrem Mann verschwinden lassen, aber das Stück Papier unter dem Fernseher
habe sie vorher nie gesehen. Sie habe viele Unterlagen wie zum Beispiel Zeugnisse oder Unterlagen der
Armee, die sie der Tante ihres Mannes überreicht habe, verschwinden lassen. Auf die Frage, ob darunter
Unterlagen der patriotischen Front gewesen seien, antwortete sie mit ja. Auf die Frage welche Unterlagen
dies gewesen seien, gab sie an, die Unterlagen nicht gesehen zu haben und auch keine Ahnung gehabt zu
haben, dass er zu diesem Zeitpunkt bei der patriotischen Front tätig gewesen sei. Sie habe nur gewusst,
dass sie für die Einheit für Demokratie und Gerechtigkeit arbeite, nicht aber, dass er für die patriotische
Front tätig sei. Telefonisch habe sie mit ihrem Mann nur einmal nach dessen Ausreise Kontakt gehabt,
ansonsten habe er sich bei seiner Tante gemeldet, die sie dann informiert habe. Nach der Verhaftung sei
sie ins Zentralgefängnis nach A. Ab. gebracht worden. Auf die Frage, was ihr während der Haft passiert sei,
antwortete sie, dass die Polizisten sie schikaniert hätten und ihr gesagt hätten, sie wisse, wo ihr Mann sich
aufhalte und dass sie diesen unterstütze. Meistens sei sie von einer Polizistin schikaniert und geschlagen
worden. Auf die Frage, was dies für Schikanen gewesen seien, gab sie an, sie (die Polizistin) habe ihr Angst
gemacht, dass sie wisse, wo sie sei und sie den Aufenthaltsort ihres Mannes verraten solle. Hauptsächlich
habe sie ihr Angst gemacht. Auf die Frage, wie es ihr gelungen sei, das Gefängnis zu verlassen, gab sie an,
sehr krank gewesen zu sein. Sie habe Durchfall gehabt und erbrochen. Sie hätten von der Klägerin nach
zwei Monaten eine Kaution in Höhe von 500.000 äthiopischen Birr verlangt. Am 6.4.2003 (äthiopischer Zeit,
gregorianisch 15. Dezember 2010) sei sie freigelassen worden. Man habe ihr bis zu einem Monat Zeit
gegeben, den Aufenthaltsort ihres Mannes zu verraten. Das Geld sei von der Tante ihres Mannes besorgt
worden. Auf die Frage, weshalb sie nicht zu ihren Eltern in die Provinz Wello gegangen sei, gab sie an, in A.
Ab. geboren worden zu sein. Ihre Mutter habe sie bei einem Onkel in A. Ab. gelassen, bei diesem sei sie
aufgewachsen. Ihre Eltern wohnten in Wello, sie sei dort aber nie gewesen. Ihre Eltern seien zum Besuch
nach A. Ab. gekommen. Der Onkel habe keine eigenen Kinder gehabt. Auf die Frage, weshalb sie nicht
beim Onkel nach Hilfe gesucht habe, gab sie an, dieser habe die Beziehung zu ihrem Mann nicht akzeptiert.
Er glaube noch an die Ethnien und habe sie ständig gefragt, warum sie einen Oromo geheiratet habe,
obwohl sie Amhara sei. Nach der Haftentlassung habe sie sich bei Freunden versteckt und entschieden in
den Sudan zu fliehen. Vor ihrer Verhaftung habe es keine Durchsuchungen gegeben, sie seien gekommen
und hätten sie beobachtet und ausspioniert, aber nicht das Haus durchsucht. Zum 1. Mal seien sie direkt
nach der Wahl am nächsten Tag gekommen. Das sei am 16.9.2002 (äthiopische Zeit, gregorianisch 24. Mai
2010). Sie hätten sich als Freunde ausgegeben und sich mit ihr anfreunden wollen und gefragt, wo ihr Mann
sei. Sie habe nicht gedacht, dass sie verhaftet würde. Sie sei nicht politisch aktiv, sondern nur
Unterstützerin und Sympathisantin. Sie sei Unterstützerin der Partei Andinet. Sie habe diese Partei auch
gewählt, ohne dass jemand davon erfahren habe. Auf die Frage, ob jemand von dieser Partei im Parlament
vertreten sei, antwortete sie, sie kenne sich mit Politik nicht aus. Sie habe die Partei unterstützt, weil ihr ihr
Mann erzählt habe, dass diese für Freiheit und Gerechtigkeit kämpfe. Während der Haft sei sie nicht bei
einem Arzt gewesen. Später sei sie schon zu einem Arzt gegangen. Sie habe eine Magenerkrankung
gehabt und Medikamente bekommen.

22
Unterlagen ihres Mannes, die sie der Tante übergeben habe, habe sie ihrem Mann im Sudan gegeben. Die
Tante habe Kontakt zum Mann gehabt und sie angerufen und ihr gesagt, dass sie alle Unterlagen bei der
Tante abgeben solle. Später habe ihr Mann die Tante angerufen und ihr gesagt, wenn die Klägerin von
Zuhause weggehe, solle sie alle Unterlagen mitnehmen. Sie sei sehr vorsichtig gewesen und habe sich
versteckt. Ihr Mann habe die Reise über Humera in den Sudan arrangiert. In Humera habe sie telefonischen
Kontakt mit ihrem Mann gehabt. Dort habe sich ein Freund des Mannes gemeldet und sie in den Sudan
geschleust, wo sie beim UNHCR nach ihrem Mann gesucht habe. Auf die Frage, weshalb sie beim UNHCR
nach ihrem Mann gesucht habe, wo sie doch telefonischen Kontakt mit ihm gehabt hätte, antwortete sie,
wenn sie in Äthiopien nicht beobachtet geworden wäre, wäre sie dort geblieben. Auf die
Wiederholungsfrage gab sie an, zuerst nach Hamdaid gegangen und dann auf das Rote Kreuz gestoßen zu
sein, diese hätten sie zu ihrem Mann geschickt. Ihr Mann habe ihre Telefonnummer gewusst, weil die Tante
Bescheid gegeben habe, dass die Klägerin ein Handy dabei haben werde. Auf die Frage, warum er sie nicht
früher angerufen habe, gab sie an, dass sie auch seine Telefonnummer gewusst habe. Er habe ihrer Tante
Nachrichten gegeben und diese habe das weitergeleitet. Sie habe selbst nicht telefonieren können, weil sie
beobachtet worden sei. Sie hätten schon miteinander gesprochen, aber selten. Zum Schluss sei sie zu der
Tante gegangen und habe auch mit ihrem Mann gesprochen und ihm gesagt, dass sie ein Handy dabei
haben werde. Ihr Mann habe sie am Tag der Wahlen, als er verschwunden sei, nachts angerufen. Der Anruf
sei kurz vor frühmorgens gekommen. Sie sei noch im Bett gewesen. Ihr Mann habe das Haus am 15. 9.
2002 (äthiopische Zeit, gregorianisch 23. Mai 2010) verlassen. Er sei an diesem Tag Wahlbeobachter
gewesen, frühmorgens gegangen und nicht mehr zurückgekommen. Auf die Frage, ob sie das Gefängnis
beschreiben könne, gab sie an, zuerst zur Zentralpolizei gebracht worden zu sein und dort einen Tag und
eine Nacht verbracht zu haben. Dann sei sie ins Kotebe Gefängnis verlegt worden. Dies sei ein Gefängnis
für Frauen. Es seien sehr viele Frauen gewesen. Es sei ein offener, hallenmäßiger Raum gewesen. Der
Raum habe wie ein Lagerraum ausgesehen. Bis zu 80 Frauen seien dort gewesen. Auf die Bitte, den
Tagesablauf zu beschreiben, trug sie vor, nicht immer rausgedurft zu haben, meistens abends. Sie seien
rumgesessen und hätten sich ihre Geschichten erzählt. Draußen hätten sie eine halbe Stunde laufen
dürfen. Auf die Frage, ob ihr Mann irgendwelche Probleme mit den staatlichen Behörden gehabt habe,
bevor er verschwunden sei, gab sie an, nicht jeden Tag im Gefängnis draußen gewesen zu sein. Auf den
Vorhalt, dass dies nicht die Antwort auf die Frage gewesen sei, erwiderte sie, sie seien nicht zufrieden mit
seinen politischen Aktivitäten gewesen. Er habe so nicht weiterleben können. Auf die Frage, ob ihr Mann
früher Probleme mit staatlichen Behörden gehabt habe, antwortete sie, sie wisse, dass er Soldat gewesen
sei und später fleißig gearbeitet habe und die politische Situation so war. Er sei politisch aktiv gewesen und
habe Flugblätter verteilt, dabei sei er auch verhaftet worden. Flugblätter habe er für Andinet verteilt. Sie
habe sich in Deutschland EPPF-Germany angeschlossen, sei aber nur dreimal wegen ihrer
Schwangerschaft dort gewesen. Hierzu legte sie einen Ausweis der EPPF und einen Ausweis der EPCOU
vor. Zudem übergab sie eine Teilnahmebestätigung vom 5. Oktober 2013. Sie habe sich der EPPF
angeschlossen, weil ihr Mann mit denen zusammenarbeite und diese ihre Ziele mit Mut und Courage
verfolgen würden. Auf die Frage, was sie bei einer Rückkehr nach Äthiopien befürchte, antwortete sie, sie
wisse nicht, was sie dort erwarte. Sie wolle nur nicht, dass die Kinder ohne Eltern aufwüchsen.

23
Der Kläger ließ im Nachgang zu seiner Anhörung diverse Bestätigungen seiner exilpolitischen Aktivitäten
vorlegen.

24
Mit Bescheid vom 5. Juli 2016 lehnte die Beklagte die Schutzbegehren der beiden Kläger ab, stellte fest,
dass Abschiebungsverbote nicht vorlägen und drohte ihnen die Abschiebung nach Äthiopien an.

25
Hiergegen erhoben die Kläger am 15. Juli 2016 Klage.

26
Die Kläger übergaben eine sozialpädagogische Stellungnahme der Caritas C. Auf diese wird verwiesen. Der
Kläger arbeite demnach seit 1. Juli 2016 in einer Schreinerei. In der mündlichen Verhandlung erläuterte er,
dass diese Tätigkeit auf 6 Monate befristet gewesen sei. Der Kläger übergab diverse Unterlagen zum
Nachweis seines exilpolitischen Engagements. Dies sind unter anderem ein Erfahrungsbericht beider
Kläger über die Ereignisse vor ihrer Ausreise aus Äthiopien, eine Bescheinigung, dass der Kläger bereits in
Äthiopien und im Sudan für die EPPF tätig gewesen sei, Aufnahmen, die den Kläger mit führenden
Personen der äthiopischen Exilopposition im Februar 2017 in R. zeigten, eine Zollquittung über eine Flagge,
die sich der Kläger aus den USA habe schicken lassen, Aufnahmen die den Kläger in seiner Rolle als
Vorsitzender der Ginbot 7 R. mit führenden Personen der äthiopischen Exilopposition im Dezember 2017 in
München zeigen, eine Petition und eine Teilnahmebescheinigung für eine Spendenveranstaltung des
äthiopischen Exilrundfunks.

27
Der Kläger trug in seinem Erfahrungsbericht u.a. vor, dass seine Frau wegen ihm für 2 Monate verhaftet
worden sei. Im äthiopischen Jahr 2002 sei in Äthiopien Wahl gewesen. Er sei für Medrek als
Wahlbeobachter in Wereda 28, A. Ab., eingesetzt gewesen. Für den 22. Mai habe er sich mit anderen
Wahlbeobachtern auf einer Straße verabredet, um diesen das Geld für ihre Dienste zu bezahlen. Dabei
seien sie fotografiert worden. Am nächsten Tag, als er noch mit vier anderen Wahlbeobachtern im
Wahllokal auf Ergebnisse gewartet habe, habe er einen Anruf bekommen, dass er umgehend zu einem
anderen Wahllokal kommen solle. Auf dem Weg dorthin sei er von 2 tigrinisch sprechenden Männern
zusammengeschlagen worden. Er habe Angst bekommen, einen Stein genommen und den anderen damit
auf den Hinterkopf geschlagen. Dann sei er geflohen.

28
Die Klägerin gab in ihrem Erfahrungsbericht an, ihr Ehemann sei am 23. Mai zum Wahllokal gegangen, um
dort als Wahlbeobachter zu arbeiten. Er sei danach nicht mehr nach Hause zurückgekommen. Gegen
Mitternacht habe ihr Mann sie angerufen und ihr gesagt, wo er sei. Ab 24. Mai seien an verschiedenen Tage
ihr unbekannte Leute gekommen und hätten sich als Freunde des Mannes ausgegeben und wissen wollen,
wo ihr Mann sei. Am 11. Dezember gegen 0 Uhr hätten fremde Leute geklopft. Sie habe sich erschrocken
und gefragt, wer sie seien und was sie wollten. Daraufhin sei ihr entgegnet worden, dass die Türe mit
Gewalt geöffnet werde, wenn sie nicht aufmache. Sie habe die Türe geöffnet. Als sie in der Wohnung
gewesen seien, hätten sie sofort angefangen diese zu durchsuchen. Drei Männer hätten ihr Fragen bzgl.
ihres Manns gestellt und wo er sei. Später hätten die Männer unter dem TV-Tisch Papiere gefunden und
gefragt, ob sie etwas darüber wisse. Einer der Männer habe ein Papier aus der Tasche geholt und darauf
geschrieben, dass er Beweise sichergestellt habe und sie unterschreiben müsse. Danach sei sie zu einer
Befragung mitgenommen worden. Es sei ein kaltes dunkles Zimmer gewesen. Dort sei sie ca. 4 h gewesen,
bis einer gekommen sei und sie in ein anderes Zimmer gebracht habe. Nach einigen Minuten seien eine
Frau und zwei Männer gekommen. Die Männer hätten Platz genommen. Die Frau sei gestanden und habe
viele Fragen gestellt, ob sie etwas über das Papier wisse. Anschließend sei sie nach Kotebe zur
Polizeiwache gebracht worden. Sie seien öfters in der Nacht gekommen und hätten immer wieder Fragen
über ihren Mann gestellt. Sie habe nichts gesagt, deshalb sei die Situation immer unerträglicher geworden.
Die Frau habe sie gezwungen, ihr Oberteil auszuziehen und sie vor den Männern mit einem Kugelschreiber
am Busen berührt. Dabei hätten alle gelacht. Bis heute leide sie darunter. Sie fühle Angst, wenn sie unter
mehreren Leuten sei. Am 14. Dezember sei sie erneut zur Befragung abgeholt worden. Diesmal sei ihr
gesagt worden, wenn sie binnen 4 Monaten den Aufenthaltsort ihres Mannes verrate und eine Kaution von
5.000 Birr bezahle, werde sie in Ruhe gelassen. Am 15. Dezember sei sie dann freigekommen. Sie habe
das Geld von der Tante ihres Mannes bekommen und die Kaution gezahlt. Sie habe sich trotzdem nicht frei
gefühlt. Später habe sie der Tante ihres Mannes gesagt, dass sie zu ihrem Mann wolle. Die Tante habe
Kontakt zu ihm gehabt und alles arrangiert. Am 5. Januar habe sie ein Ticket nach Gondar gekauft. Dort
habe sie übernachtet. Am nächsten Tag sei sie nach Humera. Von dort aus habe sie telefonisch Kontakt zu
ihrem Mann aufgenommen. Ihr Mann habe ihr gesagt, dass er zwei Leute schicke, die ihr dann hülfen und
sie rangehen solle, wenn eine unbekannte Nummer anrufe. Es sei ein Mann gekommen, sie seien ein Stück
zu Fuß gelaufen. Gegen Abend seien sie über den Tekesesee mit einem Boot in den Sudan gekommen.

29
Weiter übergab der Kläger eine Videoaufzeichnung, die ihn bei einer Konferenz in M. im Dezember 2017
zeigt. Er habe hierbei vor dem Plenum ein Grußwort der Ginbot 7 an den Vorsitzenden der Organisation,
Berhanu Nega, gerichtet. Auf die weiteren übergebenen Unterlagen zum Nachweis der exilpolitischen
Aktivitäten wird verwiesen.

30
Mit Schreiben vom 14. Februar 2019 brachten die Kläger vor, dass der Kläger an einer Anpassungsstörung
mit depressiver Reaktion und die Klägerin an einer posttraumatischen Belastungsstörung erkrankt seien.
Hierzu legten sie Arztbriefe der medbo vom 8. Dezember 2017 (Klägerin) und vom 24. Januar 2018 (Kläger)
vor. Auf beide wird verwiesen.

31
Die Kläger beantragen,

den Bescheid der Beklagten vom 5. Juli 2016, Aktenzeichen* …- 225 entsprechend aufzuheben und die
Beklagte zu verpflichten, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,

hilfsweise, ihnen subsidiären Schutz (§ 4 AsylG) zu gewähren,

weiter hilfsweise, Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz festzustellen.

32
Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

33
Zur Begründung der Beklagten wird auf die Stellungnahme in der mündlichen Verhandlung verwiesen.

34
Mit Beschluss vom 7. Dezember 2018 wurde der Rechtsstreit auf den Berichterstatter als Einzelrichter
übertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Behörden- und Gerichtsakten Bezug
genommen und auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung, in der beide Kläger informatorisch
angehört worden sind, vom 20. Februar 2019 verwiesen.

Entscheidungsgründe

35
Die zulässigen Klagen sind unbegründet und bleiben ohne Erfolg.

36
Die Entscheidung des Bundesamts, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft und den subsidiären
Schutzstatus nicht zuzuerkennen sowie das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und 7
Satz 1 AufenthG zu verneinen und beide Kläger unter Androhung ihrer Abschiebung nach Äthiopien zur
Ausreise aufzufordern, ist rechtmäßig und verletzt die Kläger damit auch nicht in ihren Rechten, § 113 Abs.
1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

37
Die Ziffer 1 des angegriffenen Bescheids verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.

38
Die getroffenen Entscheidungen sind rechtmäßig, da beide keinen Anspruch nach § 3 Abs. 4 Asylgesetz
(AsylG) auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft haben. Weder der Kläger noch die Klägerin sind
Flüchtlinge nach § 3 Abs. 1 AsylG. Hierbei ist der entscheidende Zeitpunkt für das Vorliegen der
Voraussetzungen der Termin der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 S. 1 AsylG).

39
Ein Ausländer ist - unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben - Flüchtling, wenn seine Furcht
begründet ist, dass er in seinem Herkunftsland wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner
Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung
Verfolgungshandlungen im Sinne von § 3a AsylG ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 -
juris). Von einer Verfolgung kann nur dann ausgegangen werden, wenn dem Einzelnen in Anknüpfung an
die genannten Merkmale gezielt Rechtsverletzungen zugefügt werden, die wegen ihrer Intensität den
Betroffenen dazu zwingen, in begründeter Furcht vor einer ausweglosen Lage sein Heimatland zu verlassen
und im Ausland Schutz zu suchen.

40
An einer gezielten Rechtsverletzung fehlt es aber regelmäßig bei Nachteilen, die jemand aufgrund der
allgemeinen Zustände in seinem Herkunftsland zu erleiden hat, etwa infolge von Naturkatastrophen,
Arbeitslosigkeit, einer schlechten wirtschaftlichen Lage oder infolge allgemeiner Auswirkungen von
Unruhen, Revolution und Kriegen (vgl. OVG NRW, U.v. 28.3.2014 - 13 A 1305/13.A - juris).

41
Für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist es nach § 3b Abs. 2 AsylG auch unerheblich, ob die
Furcht des Betroffenen vor Verfolgung begründet ist, weil er tatsächlich die Merkmale besitzt, die zu seiner
Verfolgung führen, sofern der Verfolger dem Betroffenen diese Merkmale tatsächlich zuschreibt.

42
Für die Beurteilung der Frage, ob die Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG begründet
ist, gilt unabhängig davon, ob bereits eine Vorverfolgung stattgefunden hat, der einheitliche Maßstab der
beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 1.6.2011 - 10 C 25.10 - BVerwGE 140, 22). Eine
Privilegierung des Vorverfolgten erfolgt aber durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der
Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011). Eine bereits erlittene Vorverfolgung, ein
erlittener bzw. drohender sonstiger ernsthafter Schaden, sind danach ernsthafte Hinweise darauf, dass die
Furcht vor Verfolgung begründet ist bzw. dass ein Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einen ernsthaften
Schaden zu erleiden. Dies gilt nur dann nicht, wenn stichhaltige Gründe dagegensprechen, dass der
Ausländer erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. In der Vergangenheit
liegenden Umständen ist damit Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beizumessen (vgl. auch
OVG NRW, U.v. 21.2.2017 - 14 A 2316/16.A - juris).

43
Bezüglich der vom Ausländer im Asylverfahren geltend gemachten Umstände, die zu seiner Ausreise aus
dem Heimatland geführt haben, genügt aufgrund der regelmäßig bestehenden Beweisschwierigkeiten des
Flüchtlings die Glaubhaftmachung. Die üblichen Beweismittel stehen ihm häufig nicht zur Verfügung. In der
Regel können unmittelbare Beweise im Verfolgerland nicht erhoben werden. Mit Rücksicht darauf kommt
dem persönlichen Vorbringen des Ausländers und dessen Würdigung eine gesteigerte Bedeutung zu. Dies
bedeutet anderseits jedoch nicht, dass der entscheidende Richter einer Überzeugungsbildung im Sinne des
§ 108 Abs. 1 VwGO enthoben ist (BVerwG, U.v. 16.4.1985 - 9 C 109.84 - juris; BVerwG, U.v. 11.11.1986 - 9
C 316.85 - juris). Eine Glaubhaftmachung in diesem Sinne setzt voraus, dass die Geschehnisse im
Heimatland schlüssig, substantiiert und widerspruchsfrei geschildert werden. Erforderlich ist somit eine
anschauliche, konkrete und detailreiche Schilderung des Erlebten. An der Glaubhaftmachung von
Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Laufe des Verfahrens
unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine
Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer
Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Laufe des
Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich
bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. VG Ansbach, U.v.
24.10.2016 - AN 3 K 16.30452 - juris mit weiteren Nachweisen).

44
Das Vorbringen der Kläger kann wegen der Unglaubwürdigkeit sowohl des Klägers als auch der Klägerin
nicht als glaubhaft gemacht angenommen werden.

45
Der Kläger und die Klägerin sind unglaubwürdig, weil beider persönliche Identität zur Überzeugung des
Gerichts nicht feststeht. Beide sind ausweislos und haben durch Nichtvorlage eines authentischen
äthiopischen Ausweises nicht dazu beigetragen, ihre Identität zu klären.

46
Soweit der Kläger vorträgt, dass er den Kebeleausweis im Mittelmeer weggeworfen habe, um bei der
Rückkehr an Land nicht als Äthiopier erkannt zu werden, ist diese Aussage, da die entsprechende
Geschichte im Widerspruch zur Aussage seiner Frau steht, unglaubhaft und weckt Zweifel an der
Glaubwürdigkeit beider Kläger. Der Kläger hat vorgebracht, die beim Bundesamt vorgelegten Dokumente,
UNHCR-Ausweise, Einzahlungsbeleg Andinet und Mitgliedsbestätigungen hätte seine Frau bei der
Überfahrt übers Mittelmeer in ihrem Dekolleté getragen und deshalb habe er sie beim Bundesamt vorlegen
können. Demgegenüber steht die Aussage seiner Frau, dass die vorgelegten Dokumente der Mann in
seiner Hosentasche getragen habe, sie habe ihre Dokumente in einer über Bord gegangenen Tasche
getragen und deshalb verloren. Auch divergiert das Vorbringen beider Kläger zum Ablauf der Überfahrt.
Während der Mann vortrug, dass sie nach 2 Tagen wegen Bootproblemen zurück an die Küste gemusst
hätten und deshalb alle Angst gehabt hätten, dass sie durchsucht würden und sie zudem nass gewesen
seien, brachte die Frau vor, dass die Probleme mit dem Schiff auf hoher See aufgetreten seien und sie nicht
in Richtung einer Küste abgeschleppt worden seien, sondern ihnen vielmehr auf hoher See von Fischern
geholfen worden sei. Auch dieses Vorbringen lässt sich nicht mit dem des Klägers in Übereinstimmung
bringen und erzeugt weitere Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Kläger.

47
Nach alledem ist bereits völlig offen, ob die Kläger ihre tatsächliche Identität offengelegt, also ihre richtigen
Namen und Daten angegeben haben.

48
Weitere Zweifel an ihrer Identität entstehen durch die Angaben der Kläger zu ihrem Alter und
Geburtsdatum. Der Kläger gab an, er sei 33 Jahre alt, aber im Jahr 1982 geboren. Bereits dies stimmt
rechnerisch nicht. Weiter gab er sein Geburtsdatum im gregorianischen Kalender an, wusste es aber nicht
im äthiopischen. In diesem Kalendersystem schätzte er es auf den 14.4.(Thasas)1974. Diese Schätzung
liegt um ein Jahr falsch und trifft den falschen Tag. Das dem 26.12.1982 entsprechende äthiopische Datum
wäre der 17.4.1975 (Kalenderumrechnung via http://www.nabkal.de/kalrech8.html). Da er selbst gesagt hat,
dass er in Äthiopien beide Kalendersysteme benutzt hätte, ist es unplausibel, dass er sein Geburtsdatum
nur im gregorianischen System kennt. Die Klägerin gab als Geburtsjahr in der mündlichen Verhandlung
zunächst 1993 an, merkte dann, dass dies nicht stimmen konnte und gab - wie beim Bundesamt - 1983 an,
äußerte jedoch zugleich, 37 Jahre alt zu sein, was rechnerisch ebenfalls nicht möglich ist.

49
All diese Ungereimtheiten der klägerischen Angaben zu ihrer jeweiligen Identität führen zu einer
erschütterten Glaubwürdigkeit. Aufgrund der fehlenden Glaubwürdigkeit kann das Vorbringen der Kläger zu
ihrer Fluchtgeschichte nicht geglaubt werden.

50
Selbst wenn man die vorgebrachte Geschichte in Äthiopien als glaubhaft unterstellen wollte, würde sie aber
nicht mehr (§ 77 Abs. 1 S. 1 AsylG) zur Annahme einer beachtlich wahrscheinlichen Verfolgungsgefahr
führen. Zwar wäre dann zugunsten der Kläger Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie) zu
beachten, jedoch wäre ebendiese Vermutung durch die zwischenzeitlich eingetretenen positiven
Veränderungen vor allem im Jahr 2018 erschüttert. Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU sieht selbst vor, dass bei
Vorliegen stichhaltiger Gründe, die gegen eine Verfolgung sprechen, eine Vorverfolgung kein ernsthafter
Hinweis mehr auf eine begründete Furcht vor Verfolgung ist. Solche stichhaltigen Gründe ergeben sich aus
den positiven Veränderungen in Äthiopien seit Amtsantritt des Premierministers Abiy Ahmed (so auch VG
Bayreuth, U.v. 31.10.2018 - B 7 K 17.32826 - juris Rn. 44; VG Bayreuth, U.v. 5.9.2018 - B 7 K 17.33349 -
juris Rn. 50).

51
Dies ergibt sich aus mehreren Entwicklungen seit Anfang 2018 (siehe zu den meisten der im Folgenden mit
Primärquellen zitierten Entwicklungen auch Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Äthiopien,
BFA Österreich vom 8. Januar 2019 und Auswärtiges Amt, Lagebericht Äthiopien vom 17.10.2018, Stand:
September 2018).

52
So wurde der Ausnahmezustand aufgehoben (Meldung der BBC vom 2. Juni 2018, 20:53 Uhr und vom 5.
Juni 11:23 Uhr, https://www.bbc.com/news/world-africa-
44344025?intlink_from_url=https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia& link_location=live-
reporting-story). Der neue Premierminister, Abiy Ahmed, ist oromischer Volkszugehörigkeit (vgl. Meldung
der BBC vom 28. März 2018 10:29 Uhr, https://www.bbc.com/news/world-africa-42716864). Er hat bei
seiner Vereidigung ausdrücklich betont, dass politischer Pluralismus ein Muss sei, das sei ein Grundstein
dafür, dass Demokratie funktioniere. Seine erste Amtsreise führte ihn in einen der Unruheherde des
Landes, die Grenzregion zwischen den Siedlungsgebieten der Oromo und der Somali. Er empfing in A. Ab.
Oppositionspolitiker, Vertreter der Zivilgesellschaft und religiöse Führer. Dass er die Politik der
Regierungskoalition nicht einfach fortsetzen will, hat er vor allem auch dadurch gezeigt, dass unter seiner
Führung Hunderte von Oppositionsanhängern freigelassen worden sind, die nach einer Amnestie im Januar
2018 zwar aus der Haft entlassen, anschließend jedoch teils gleich wieder festgenommen worden waren.
Außerdem wurde inzwischen das berüchtigte Makelawi-Gefängnis in A. Ab. geschlossen (vgl. zum
Vorstehenden die Presseartikel „Halber Machtwechsel“, taz vom 3.4.2018; „Man nennt ihn Äthiopiens
Barack Obama“, FR vom 10.4.2018 und „Äthiopiens neuer Premier wirbt für Zusammenarbeit und
Versöhnung“, DW vom 13.4.2018). Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amts wurden ca. 25.000
teilweise aus politischen Gründen inhaftierte bzw. verdächtige Personen vorzeitig entlassen (vgl. AA,
Lagebericht vom 17. Oktober 2018, Stand September 2018, S. 6). Zugleich teilt der Bericht mit, dass
weiterhin eine unbekannte Zahl von Menschen ohne Anklage inhaftiert sei, Menschenrechtsorganisationen
sprächen von mehreren tausend Betroffenen. Diese Zahlen ließen sich jedoch nicht verifizieren (vgl. AA,
Lagebericht vom 17. Oktober 2018, Stand September 2018, S. 6). Zugleich wird dort festgehalten, dass der
neue Premierminister sich mit Erfolg für einen stärkeren zivilgesellschaftlichen Freiraum bemühe und die
Praxis der Kriminalisierung Oppositioneller und kritischer Medien de facto beendet habe.

53
Der neue Premierminister bezeichnete Folter als Akt des Terrors durch den Staat, warf den eigenen
Sicherheitsbehörden Folter und illegale Inhaftierungen vor und entließ Chefs der Nachrichtendienste und
des Militärs (vgl. Meldung der BBC vom 18. Juni 2018, 18:05 Uhr,
https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia). Die oppositionelle Organisation Ginbot 7 stellte
ihren bewaffneten Widerstand gegen die Regierung ein und bezeichnete die vom neuen Premierminister
angestoßenen Reformen als wirkliche Hoffnung auf Demokratie (Meldung der BBC vom 22. Juni 2018,
https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia). So wurde auch der zum Tode verurteilte
Generalsekretär der Organisation Ginbot 7, Andargachew Tsege, der 2009 in Abwesenheit zum Tode
verurteilt und 2014 auf einem jemenitischen Flughafen auf seinem Weg nach Eritrea festgenommen und
den äthiopischen Behörden ausgehändigt worden war, freigelassen (vgl. Meldung der BBC vom 1. Juni
2018 17:05 Uhr, https://www.bbc.com/news/world-africa-42716864).

54
Es finden Gespräche zwischen Äthiopien und Eritrea statt. Äthiopien kündigte an, die Soldaten an der
Grenze zu Eritrea abzuziehen. Telefonleitungen und Flugverbindungen zwischen beiden Ländern wurden
wiedereröffnet (vgl. Meldung der Süddeutschen Zeitung vom 20. Juli 2018, 11:00 Uhr,
https://www.sueddeutsche.de/politik/aethiopien-und-eritrea-zwei-laender-erwachen-aus-dem-tiefschlaf-
1.4062868; Meldung der BBC vom 10. Juli 2018, 13:01 Uhr,
https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia). Im September 2018 wurde die äthiopische
Botschaft in Asmara wiedereröffnet (Meldung des Portals africanews vom 6. September 2018,
http://www.africanews.com/2018/09/06/ethiopia-reopens-its-embassy-in-eritrean-capital-asmara/?breaking-
news=1).

55
Die Regierungschefs beider Länder feierten bei einem gemeinsamen Besuch an der Grenze das
äthiopische Neujahr und eröffneten einen Grenzübergang bei der äthiopischen Stadt Zalambessa (Meldung
von africanews.com vom 11. September 2018, http://www.africanews.com/2018/09/11/abiy-afwerki-visit-
border-together-to-celebrate-ethiopian-new-year-with-their/; Meldung der B’BC vom 11. September 2018
https://www.bbc.com/news/world-africa-
45475876?intlink_from_url=https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia& link_location=live-
reporting-story).

56
Der Premierminister ließ bisher gesperrte Internetseiten oppositioneller Organisationen freigeben. Das
oromische Medienportal Oromo Media Network (OMN), dem bis vor kurzem noch Terrorvorwürfe gemacht
worden sind, eröffnete in A. Ab. eine Redaktion (vgl. Meldung der BBC vom 26. Juni 2018, 16:16 Uhr,
https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia). Der Gründer dieses Medienportals, Jawar
Mohammed, ist nach Äthiopien zurückgekehrt (vgl. Meldung von „jeune afrique“ vom 5. August 2018, 12:39
Uhr, http://www.jeuneafrique.com/depeches/611340/politique/retour-en-ethiopie-dun-celebre-activiste-de-
lopposition/; Meldung des Guardian https://www.theguardian.com/global-development/2018/aug/20/jawar-
mohammed-return-ethiopia-political-change-oromo). Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe der
Aufwiegelung/Anstiftung zur Gewalt wurden fallen gelassen.

57
Die äthiopische Regierung und die vormals auf der Terrorliste geführte OLF haben eine Vereinbarung
unterzeichnet, um die Feindseligkeiten, bewaffneten Auseinandersetzungen zu beenden (Meldung der BBC
vom 7. August 2018, 16:59 Uhr, https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia). Auch die ONLF,
eine früher als Terrorgruppe bezeichnete Organisation in der Somaliregion unterzeichnete im Februar 2019
mit der Regionalregierung des Bundesstaats Somali eine Vereinbarung über die Entwaffnung und
Integration ihrer Mitglieder in die staatlichen Sicherheitsdienste (vgl. Meldung africanews vom 9. Februar
2019, 4:00 Uhr, http://www.africanews.com/2019/02/09/ethiopia-onlf-rebels-disarm-sign-agreement-with-
somali-state/).

58
Die äthiopische Regierung hieß die Anführer der vormals als Terrorgruppe bezeichneten Ginbot 7, die nach
Äthiopien zurückgekehrt sind, im Land willkommen (vgl Meldung von africanews.com vom 9. September
2018, 13:29 Uhr, http://www.africanews.com/2018/09/09/ethiopia-govt-welcomes-leadership-of-ginbot-7-
back-home/).

59
Im Oktober 2018 kehrten ca. 2.000 äthiopische Rebellen des Tigray People’s Democratic Movements
(TPDM) von Eritrea aus nach Äthiopien zurück. Dieser Rückkehr war die Unterzeichnung einer
Friedensvereinbarung mit der Regierung in A. Ab. im August 2018 vorausgegangen (Meldung der BBC vom
9. Oktober, 17:38 Uhr, https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia; Meldung des Portals
africanews.com vom 10. Oktober 2018, http://www.africanews.com/2018/10/10/about-2000-tigray-rebels-
return-to-ethiopia-from-eritrea/). Laut africanews.com sollen auch Kämpfer von Ginbot 7 und Soldaten der
OLF nach Äthiopien heimgekehrt sein (Meldung des Portals africanews.com vom 10. Oktober 2018,
http://www.africanews.com/2018/10/10/about-2000-tigray-rebels-return-to-ethiopia-from-eritrea/).

60
Abdi Mohammed Omar (alias Abdi Illey), der vormalige Regierungschef der Somaliregion, dem vorgeworfen
wird, dass er unrechtmäßige Rekrutierungen, Verhaftungen, Tötungen und sonstige
Menschenrechtsverstöße seiner Liyu Plizei ermöglicht oder geduldet habe, trat im August 2018 zurück. Er
wurde nach seinem Rücktritt im August 2018 von Seiten der Äthiopischen Bundeskräfte festgenommen und
ist inhaftiert worden. (vgl. Meldung der BBC vom 7. August 2018, 15:24 und vom 27. August 2018, 18:46
Uhr https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia; Meldung des Portals africanews vom 27.
August 2018 http://www.africanews.com/2018/08/27/ethiopia-police-arrest-ex-somali-region-president-abdi-
illey/). Er wurde am Mittwoch, 29. August 2018 vor einem Gericht zusammen mit 6 weiteren Vertretern
seiner Regionalregierung mehrerer Taten beschuldigt, man warf ihm u.a. Menschenrechtsverletzungen,
Tötungen, Vertreibungen, Freiheitsberaubung, Folter und Unterdrückung der Meinungsfreiheit vor. Als sein
Nachfolger wurde einer seiner Kritiker, Mustafa Omer, dem nachgesagt wird, dass er ein Verteidiger der
Menschenrechte sei, bestimmt (Meldung des Portals africanews vom 30. August 2018,
http://www.africanews.com/2018/08/30/ethiopias-somali-regional-politics-new-leader-abdi-illey-charged-liyu-
police/). Shamaahiye Sheikh Farah (alias Shamaahiye), der frühere Chef des Jail Ogaden und Leutnant der
Liyu Miliz wurde ebenfalls festgenommen. Das berüchtigte Gefängnis in Jijiga wurde geschlossen (Meldung
des Portals africanews.com vom 29.9.2018, http://www.africanews.com/2018/09/29/ex-boss-of-ethiopia-s-
notorious-jail-ogaden-arrested/).

61
Der Premierminister gab bei einer Ansprache vor der Regierungskoalition an, dass es das Zeichen eines
wahren Anführers sei, besser qualifizierte Nachfolger hervorzubringen und sich selbst überflüssig zu
machen (Meldung der BBC vom 3. Oktober 2018, 11:25 Uhr
https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia).

62
Im November 2018 ließ der äthiopische Generalstaatsanwalt (Attorney General) Berhanu Tsegaye über 60
Beamte verhaften (vgl. Meldung des Portals africanews vom 17.11.2018, 12:29 Uhr,
http://www.africanews.com/2018/11/17/ethiopians-support-govt-crackdown-on-corruption-rights-abuse/).
Unter den Verhafteten befanden sich ehemals hochrangige Mitglieder der Nachrichtendienste (vgl. Meldung
des Portals africanews vom 15.11.2018, 08:59 Uhr, http://www.africanews.com/2018/11/15/ethiopia-s-
former-deputy-intelligence-chief-arrested-by-police/; BBC vom 15.11.2018,
https://www.bbc.com/news/world-africa-46221238) wie etwa z.B. Yared Zerihun (a former deputy
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