Fehlende Glubwürdigkeit wegen Identitätstäuschung - Widerlegung der Verumutungswirkung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG wegen positiver ...
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VG Regensburg, Urteil v. 20.02.2019 – RO 2 K 18.33013 Titel: Fehlende Glubwürdigkeit wegen Identitätstäuschung - Widerlegung der Verumutungswirkung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG wegen positiver politscher Entwicklungen in Äthiopien Normenketten: AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1 AsylG § 3a, § 3c Nr. 3, § 4, § 77 Abs. 1 S. 1, § 83b RL 2011/95/EU Art. 4 Abs. 4 EMRK Art. 3 Leitsätze: 1. Ungereimtheiten der Angaben des Asylbewerbers zu seiner Identität führen zu einer erschütterten Glaubwürdigkeit, sodass auch das Vorbringen seiner Fluchtgeschichte nicht geglaubt werden kann. (Rn. 44 – 49) (redaktioneller Leitsatz) 2. Die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG, wonach ein Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, bei einer Rückkehr ernsthaften Schaden zu erleiden, ist im Hinblick auf die politischen Veränderungen in Äthiopien seit Amtsantritt des Premierministers Abiy Ahmed Anfang 2018 gegenwärtig als widerlegt anzusehen (so auch VG Bayreuth BeckRS 2018, 31158; VG Bayreuth BeckRS 2018, 24038). (Rn. 50 – 67) (redaktioneller Leitsatz) 3. Volkszugehörige der Oromo unterliegen nach der gegenwärtigen Auskunftslage keiner Gruppenverfolgung. (Rn. 68 – 69) (redaktioneller Leitsatz) 4. Bei Äthiopiern, die sich exilpolitisch in Deutschland engagieren und deren Aktivitäten sich in der üblichen Mitgliedschaft und Teilnahme an Veranstaltungen erschöpft, ist es gegenwärtig nicht (mehr) beachtlich wahrscheinlich, dass diesen bei Rückkehr eine Verfolgung aus politischen Gründen droht. (Rn. 70– 75) (redaktioneller Leitsatz) 5. Ein innerstaatlicher Konflikt im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG ist in Äthiopien nicht ersichtlich. (Rn. 79) (redaktioneller Leitsatz) Schlagworte: Herkunftsland, Flüchtlingseigenschaft, Äthiopien, Wahrscheinlichkeit, Asylvorbringen, Glaubwürdigkeit, exilpolitische Betätigung, innerstaatlicher Konflikt, Nachfluchtgründe, Widerlegung der Regelvermutung, Gruppenverfolgung der Oromo Fundstelle: BeckRS 2019, 3485 Tenor I. Die Klagen werden abgewiesen. II. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte. Gerichtskosten werden nicht erhoben. III. Das Urteil ist in Ziffer II. vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Tatbestand 1
Die Kläger, äthiopischer Staatsangehörigkeit, wenden sich gegen einen ablehnenden Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) und begehren die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise die Gewährung subsidiären Schutzes und wiederum hilfsweise die Feststellung des Vorliegens von Abschiebeverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). 2 Der Kläger ist eigenen Angaben zufolge am … 1982 geboren, die Klägerin ihren Angaben zufolge am … 1983. Beide geben an, miteinander verheiratet zu sein. Die Klägerin gebar am … 2014 in C. das erste gemeinsame Kind. Dieses klagt im Verfahren RO 2 K 16.31475 ebenfalls gegen die Ablehnung seines Asylantrags. 3 Die Kläger reisten am 24. August 2013 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragten am 12. September desselben Jahres Asyl. Die persönliche Anhörung beim Bundesamt erfolgte am 9. Juni 2014. 4 Bei ihrer Asylantragstellung legten beide einen jeweils am 27. Juni 2011 ausgestellten UNHCR Flüchtlingsausweis vor. 5 Am 5. September 2013 wurden beide Kläger zur Klärung ihrer Identität bei der Regierung von M. befragt. 6 Der Kläger gab hierbei an, Amharisch und ein bisschen Oromo, Tigrinya und Englisch zu sprechen. Seine Mutter sei Amhara, sein Vater sei Oromo. Einen äthiopischen Reisepass habe er nie besessen. Papiere habe er nicht dabei. Seinen Personalausweis habe er im Mittelmeer weggeschmissen. Seine Schulzeugnisse habe ihm im Oktober 2010 der Geheimdienst in Äthiopien abgenommen, er habe keine Geburtsurkunde besessen. Er könne keine Personalpapiere besorgen. Er wolle nicht nach Äthiopien telefonieren. In Äthiopien habe er im Stadtteil B., Wereda Kebele … gewohnt. Vom 20. September 2010 bis zum 20. April 2012 habe er sich in einem Camp im Sudan aufgehalten, dann sei er über Libyen und einen unbekannten Mittelmeerstaat nach Europa gekommen. Er sei seit dem 12. September 2007 mit der am … 1983 in A. Ab. geborenen Klägerin verheiratet. Sein Vater sei 1957 geboren, seine Mutter sei im Alter von 38 Jahren verstorben. Er habe einen Bruder und zwei Schwestern, diese lebten in Äthiopien. Bis zur 10. Klasse sei er in Goba in die Schule gegangen. Wehrdienst habe er nicht geleistet. Er sei Mitglied der Arbegnoca Ginbbar Partei. 7 Die Klägerin gab bei der Regierung von Mittelfranken an, nur Amharisch zu sprechen. Sie sei Amhara. Einen äthiopischen Reisepass habe sie nie besessen. Papiere habe sie nicht dabei. Ihren Personalausweis habe sie im Mittelmeer am 20. August 2013 weggeschmissen. Auch ihre Schulzeugnisse habe sie an diesem Tag im Mittelmeer weggeschmissen. Sie habe eine Geburtsurkunde besessen. Personalpapiere könne sie nicht besorgen, sie wolle nicht mit ihrer Familie in Äthiopien telefonieren. Als letzte Adresse im Heimatland gab sie die gleiche Adresse wie der Kläger an. Sie habe sich vom 7. Januar 2011 bis 20. April 2012 im gleichen Camp wie der Kläger im Sudan aufgehalten und sei mit ihm über Libyen und einen unbekannten Mittelmeerstaat nach Europa gekommen. Sie sei seit dem 12. September 2007 mit dem Kläger verheiratet. Ihr Vater sei 55 Jahre, ihre Mutter 53 Jahre alt. Sie habe fünf Brüder und eine Schwester, die Geschwister lebten bei den Eltern in Wello. Sie habe bis zur 10. Klasse in A. Ab. die Schule besucht. 8 Am 18. September 2013 erfolgte eine Befragung zur Vorbereitung der persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt. Der Kläger gab hierbei an, außer Amharisch noch etwas Tigrinya zu sprechen. Er gehöre zur Volksgruppe der Oromo. Sein Vater sei Oromo, seine Mutter Amhara. Er habe einen Kebeleausweis
gehabt, der ihm vor ca. 5 Jahren in A. Ab. ausgestellt worden sei. Auf der Flucht habe er diesen Ausweis verloren. Eine Geburtsurkunde habe er sich nie ausstellen lassen. Die Zeugnisse und seine Heiratsurkunde seien während seiner Flucht, beim Kentern eines Schlauchbootes, abhandengekommen. Er habe seinen Wehrpass im Sudan, beim UNHCR abgegeben. Eine Kopie dieses Wehrpasses habe er auf der Flucht in Libyen zerrissen und weggeschmissen. Er habe in zwei Flüchtlingslagern im Sudan gelebt, am 20. September 2010 sei er in Gelebat im Sudan eingetroffen. Er habe sich einen Monat lang in einem Lager in Gedarif aufgehalten. Vom 27. Juni 2011 bis zum 20. April 2012 habe er sich in einem weiteren Flüchtlingscamp in Shagerab aufgehalten. Mit seiner Frau sei er nach Landesrecht traditionell kirchlich verheiratet. Er habe 10 Jahre die Schule in Bale-Goba besucht und 1998 die Schule abgeschlossen. Von Mai 1999 bis 7. Februar 2002 sei er in der äthiopischen Armee als einfacher Soldat gewesen. Er sei am 16. August 2013 mit seiner Frau und weiteren 96 Flüchtlingen von Tripolis aus mit einem Schlauchboot losgefahren. Angesichts der vielen Flüchtlinge seien am vierten Tag der Überfahrt die Holzplanken des Bootes gebrochen, daraufhin hätten die Schleuser gefordert, dass das Gepäck über Bord geworfen werde. Am 22. August 2013 seien sie in der Nacht in der Nähe einer europäischen Hafenstadt angekommen. Am 24. Mai 2010 sei er von A. Ab. aus nach Debre Markos auf einem Pickup gefahren. Dort habe er ca. 3 Monate bei einem Freund gewohnt. Mit einem Pickup sei er am 18. August 2010 nach Gondor gekommen und habe anschließend die Grenzstadt Metema erreicht. Zu Fuß habe er die Grenze zum Sudan überquert, am 20. September sei er in Gelebat angekommen. 9 Auf die Frage, weshalb er nach Deutschland gekommen sei, gab er an, in Äthiopien politisch verfolgt zu werden. Er sei in der Oppositionspartei und habe sich dort politisch engagiert. Die Partei heiße UDJ. 2002 sei er ein Jahr lang im Gefängnis gesessen, als er beim Versuch aus der Armee zu desertieren erwischt worden sei. 2005 sei er erneut eingesperrt worden, da er in der Kinigit Partei tätig gewesen sei. Nach der verlorenen Wahl sei er über ein Jahr lang eingesperrt worden. Er sei im Gefängnis in Shewa-Robit gesessen. 2010 sei er wegen seines politischen Engagements zwei Tage lang eingesperrt gewesen. 10 Die Klägerin brachte bei der Befragung zur Vorbereitung der Anhörung am 18. September 2013 vor, dass sie alle ihre Unterlagen auf dem Mittelmeer über Bord habe werfen müssen, weil das Schlauchboot geleckt habe. Sie sei am 11. Januar 2011 im Sudan im Flüchtlingslager Shegerab angekommen. Am 26. April 2012 sei sie zusammen mit ihrem Mann nach Libyen weiter. Sie habe in Äthiopien 10 Jahre die Mittelschule in A. Ab. besucht und diese abgeschlossen. Ein Jahr habe sie eine Berufsschule besucht und Hotelfach- /Servicekraft gelernt. Zuletzt habe sie in einer Stofffabrik gearbeitet und 800 äthiopische Birr verdient. Am 5. Januar 2011 sei sie von A. Ab. mit einem Reisebus nach Gondor und von dort mit einem Pickup nach Hamdayit in den Sudan. Über eine weitere Stadt sei sie in das Flüchtlingslager Shegerab gekommen, wo sie wieder ihren Mann getroffen habe. Am 20. April 2012 hätten sie den Sudan verlassen und seien 6 Tage später in der Stadt Igidabia in Libyen angekommen. Dort sei ihr Mann eingesperrt worden und sie in ein Flüchtlingslager des Roten Mondes gebracht worden. Später sei auch ihr Mann in das Flüchtlingslager gekommen, sie hätten ca. ein Jahr in Bengasi verbracht. Dann seien sie nach Tripolis, wo sie 3 Monate in einem Auffanglager verbracht hätten. Sie sei mit ihrem Mann aus diesem Lager geflohen und habe 3 Monate als Hausmädchen in einem Privathaushalt gearbeitet. Sie wolle nach Deutschland, weil sie in ihrem Land nicht leben könne. Sie sei nicht Mitglied einer politischen Partei. Sie unterstütze die Tätigkeit ihres Mannes. Er sei Mitglied in der Einheit für Demokratie und Gerechtigkeit (Andenet). Ihr Mann sei verfolgt worden und habe deshalb das Land verlassen. Später habe auch sie ihr Heimatland verlassen. Nachdem sie sich kennengelernt hätten, sei er nur 2 Tage bei Propagandaarbeiten verhaftet worden. Von anderen Festnahmen wisse sie nichts. Dass er für Freiheit und Demokratie kämpfe, habe sie aus ihren Medien entnehmen können. Nachdem er geflohen sei, sei sie für 2 Monate und 6 Tage verhaftet worden. Sie sei im Zentralgefängnis in der Nähe von Makelawi inhaftiert gewesen. 11 Der Kläger trug bei seiner persönlichen Anhörung am 9. Juli 2014 vor, er sei zunächst von A. Ab. nach Debre Markos gegangen und habe sich dort 3 Monate aufgehalten, bevor er Äthiopien verlassen habe.
Äthiopien habe er am 18. September 2010 verlassen. Er sei im äthiopischen Jahr 2002 (gemeint ist wohl 2003) im Meskerem ausgereist. Er wisse aber den äthiopischen Kalender nicht mehr. Es sei ihm lieber alle Zeitangaben nicht umzurechnen. Er sei 27 oder 28 Jahre alt gewesen, als er seine Heimat verlassen habe. In Äthiopien sei er zuerst Soldat gewesen, dann in Haft und habe danach Gelegenheitsarbeiten ausgeübt. Am Schluss habe er in einem Fotogeschäft gearbeitet. Seine Frau habe er im Jahr 1999 äthiopischer Zeit (gregorianisch 2006/2007) kennengelernt. Sie hätten in der gleichen Gegend gewohnt und im Jahr 2000 äthiopischer Zeit geheiratet. Er könne Tigrinya sprechen, weil er als Soldat in dieser Gegend gewesen sei und dabei die Sprache gelernt habe. 12 Im europäischen Jahr 2010 seien Wahlen in Äthiopien gewesen. Er sei als Wahlbeobachter für Andinet in Wereda 28 aktiv gewesen. Sie hätten 110 Wahlbezirke gehabt und er habe überall hin gehen müssen und die Wahlen beobachten und an die Leitung berichten. Ein Wahlbeobachter habe ihn am 15.9.2002 (äthiopische Zeit, 23. Mai 2010 gregorianisch) angerufen und von Unregelmäßigkeiten berichtet. Er habe so schnell wie möglich vorbeikommen sollen, weil es einen Stimmenbetrug gegeben habe. Tagsüber habe er die Wahlen beobachtet und er habe schon damals viele Streitigkeiten sehen können. Auf dem Weg zum Wahlbezirk sei er von zwei Männern überfallen und geschlagen worden. Am 22. Mai hätten alle Wahlbeobachter ihren Lohn bekommen. Dies hätten zwei Männer fotografiert. Das habe er gemerkt und diese angesprochen, warum sie jetzt von ihm Bilder machten. Er habe ihnen gesagt, dass er die Polizei darüber informieren werde. Er habe Polizei auf der Straße gesehen und dieser gesagt, dass diese zwei Männer ihn fotografierten. Einer der Männer, der das Bild gemacht habe, habe das Bild dem anderen angegeben. Der andere sei mit dem Bild weggerannt. Der Polizist habe den, der geblieben sei, gefragt, weshalb er Bilder vom Kläger gemacht habe. Dieser habe alles verneint. Am Tag darauf, nachdem er ein Telefonat über den Betrug bekommen habe, sei er von diesen zwei Leuten überfallen und verprügelt worden. Sie hätten Tigrinya gesprochen. Nachdem sie ihn geschlagen hätten, sei er auf den Boden gefallen. Auf dem Boden liegend habe er einen Stein gefunden und diesen in Richtung eines Mannes geworfen. Es sei dunkel gewesen, aber er habe ihn voll ins Gesicht getroffen. Dieser habe geschrien und der andere habe versucht, diesem zu helfen. Es sei ein Auto gekommen, so dass er aufgestanden und von dort weggelaufen sei. In dieser Gegend gebe es Bäume und einen Wald, wo er sich eine Stunde versteckt habe. Er habe Angst gehabt, dass sie ihn suchten. Danach sei er in den Stadtteil Kebena gelaufen, dort habe er eine gute Freundin, die mit ihm in dem Fotoladen gearbeitet habe und dort gewohnt hätte. Er sei zu ihr gegangen und nicht zurück nach Hause gelaufen, weil sie nach ihm gesucht hätten. Er wolle hier klarstellen, dass er seit 2001 äthiopischer Zeit für die patriotische Front arbeite und seit 2002 äthiopischer Zeit für Andinet tätig sei. Zuhause habe er alle Unterlagen der patriotischen Front, wie beispielsweise Flugblätter, die er nachts in den Kirchen verteilt habe. Gleichzeitig sei er auch für Andinet tätig gewesen. Bei der Schlägerei hätten ihm diese Männer immer wieder gesagt, dass er für eine andere oppositionelle Partei und nicht für Andinet arbeite, ihnen sei bekannt, dass er für die patriotische Front tätig sei. Als er bei der guten Freundin übernachtet habe, habe er seinen Freund in Debre Markos angerufen, der ihn für die patriotische Front angeworben habe. Dieser habe ihm gesagt, dass sie hinter ihm her seien. Er habe gesagt, dass der Kläger sofort nach Debre Markos kommen solle, dort werde man schon eine Lösung finden. 13 Eine Woche vorher seien sie in Feche in einer Nachbarstadt A. Ab.s gewesen. Sie seien dort am 13./14. Mai wegen Wahlpropaganda gewesen. In dem Hotel, in dem sie untergebracht gewesen seien, sei nachts das Zimmer von Sicherheitsmännern aufgebrochen worden, die sie später mit Gewalt mitgenommen hätten. Ihre Kebeleausweise seien ihnen abgenommen worden und sie hätten später eine Auflage unterschreiben müssen und seien freigelassen worden. Sie seien gegen nachmittags in die Stadt gekommen, essen gegangen und hätten für die Frau, die dort kandidiert habe, Propaganda machen wollen. Ihr Fahrer sei im Auto gesessen und von anderen eingeschüchtert worden. Dieser habe Angst gehabt, weil er Kinder gehabt habe und den Kläger und die anderen dort alleingelassen. In der Stadt hätten sie Wahlzettel für die Kandidaten verteilen wollen. Laut Gesetz sei Propaganda nach 18:00 Uhr verboten. Sie seien beschuldigt worden, nach 18:00 Uhr propagiert zu haben und gefragt worden, weshalb sie gekommen seien. Die Frau
habe hier genügend Leute, dass sie das auch ohne sie tun könnte. Sie seien beschuldigt worden, Menschen zur Unruhe anzustiften. Sie seien zwölf Leute gewesen, die später in einem Zimmer eingesperrt worden seien. Die anderen seien sehr gewalttätig gewesen und hätten ihnen eine Auflage vorgelegt, dass sie zu Unruhen aufgerufen und die Uhrzeit nicht beachtet hätten. Es seien keine Polizisten sondern besondere Sicherheitskräfte gewesen. Sie seien zu zwölft für Propaganda in der Stadt vorgesehen gewesen. Sechs seien in einem Hotel und die anderen Sechs in einem anderen Hotel untergebracht gewesen. Zwei seien geflohen. Sie hätten nach A. Ab. telefoniert und am nächsten Tag sei Dr. M. G. gekommen, der von Medrek gewesen sei, und habe für sie die Freilassung besorgt. Dann seien sie nach A. Ab. zurückgefahren. 14 Er sei zum Wahlhelfer gewählt worden, weil viele Menschen wegen der Wahlen im Jahr 1997 äthiopischer Zeit kein Vertrauen mehr gehabt hätten. Weil er für die patriotische Front gearbeitet habe, habe er sich für Andinet wählen lassen. So habe er verdeckt für die patriotische Front bei Andinet arbeiten können. Er habe mit allen friedlichen Mitteln versucht, die jetzige Regierung abwählen zu lassen. Die leitenden Personen von Andinet hätten nicht gewusst, dass er für die patriotische Front arbeite. Er habe aber ein paar Leute für die patriotische Front angeworben. Der Kläger legte hierzu eine Bestätigung der EPPF aus dem Sudan vor. Die Stimmabgabe sei von früh morgens 6:00 bis 18:00 Uhr abends. Die Stimmen seien nachts gezählt worden. Der Anruf wegen des Stimmenbetrugs sei nachts gekommen. Die Stimmzettel seien falsch gezählt worden, und sie hätten gewollt, dass er das unterschreibe. Er sei zu den Wahlbezirken gegangen und habe alles beobachtet. Es habe 110 Wahlbezirke gegeben und zu manchen sei er mit dem Taxi gefahren oder zu Fuß gelaufen. Er habe seinen Ausweis an der Tür gezeigt und später habe er beobachtet, ob alles richtig laufe. Er sei auch zu Wahlbeobachtern gegangen und habe sich angeschaut, ob die Stimmzettel richtig abgegeben wurden. Die Leute hätten zwei Zettel bekommen, diese ausfüllen müssen und später zusammengefaltet in eine Wahlurne reinwerfen. Die Leute der EPRDF bekämen anstatt einem Zettel zwei Zettel und würfen diese zusammen ein. Als er das Telefonat erhalten habe, sei er zu Hause gewesen, es sei kurz vor Mitternacht gewesen. Er habe zur Wereda 28, das sei seine Wereda, laufen müssen. Diese sei ca. 20 Minuten entfernt. Sie seien fünf bewegliche Beobachter von Andinet gewesen. Der Wahlbeobachter, der ihn angerufen habe, sei ein freiwilliger Beobachter gewesen. 15 In Fecha seien sie zwei Nächte eingesperrt gewesen. Die zwei Geflohenen hätte erst herausfinden müssen, wo sie seien und hätten erst am Tag danach Herrn M. G. erreicht. Die zwei hätten fliehen können, weil sie durchs Fenster geflüchtet seien. Nachdem er zu seinem Freund gegangen sei, habe er keinen direkten Kontakt zu seiner Frau gehabt, sondern nur zu seiner Tante in A. Ab., die er immer angerufen habe. Seine Frau sei belästigt worden. Bei seinem Freund habe er drei Monate gewartet, bis sich alles beruhigte. Bevor er nach Debre Markos gegangen sei, habe er kurz seine Frau angerufen und ihr gesagt, dass er für kurze Zeit untertauchen müsse. Sie habe über alles Bescheid gewusst. 16 Der Kläger gab an, dass auf einem der übergebenen Belege bestehe, dass er am 21.9.2002 (äthiopische Zeit, gregorianisch 29. Mai 2010) in A. Ab. im Stadtteil Urael Geld für Andinet eingezahlt habe. Auf den Vorhalt, dass er an diesem Tag bereits in Debre Markos gewesen sei, erwiderte er, dass er nicht zurück nach A. Ab. gekommen sei, um das Geld in dem Büro abzugeben. Er habe das kurz vor der Wahl bezahlt. 17 Er sei zweimal in Haft gewesen, zweimal für ein Jahr. Das erste Mal weil er versucht habe, zu desertieren. Das zweite Mal drei Jahre später. Er sei damals sehr misshandelt worden, so dass er selbst urologische Probleme habe. Hierzu legte er ein Attest vor. Er sei in der Wahlzeit verhaftet und auf die Hoden geschlagen worden. Anschließend sei er ins Krankenhaus gebracht und dort operiert worden. Nach der Operation sei er in die Haft nach Shawe Robit gebracht worden. In einer Nacht hätten sie 30 Leute auf einen Lkw geladen und sie nach A. Ab. gefahren und dort auf der Straße freigelassen. Man habe seine Rechte verletzt und ihn ohne Gerichtsurteil eingesperrt und misshandelt. Auf die Frage, warum er nicht 2005 nach der zweiten Haft ausgereist sei, gab er an, er habe nicht ausreisen wollen. Die Regierung habe
ein Terrorismusgesetz veröffentlicht und er habe diverse Unterlagen zu Hause gehabt, wenn sie in die Hände der Regierung gekommen wären, wäre er sicher noch einmal verhaftet worden. Auf ein drittes Mal habe er nicht warten wollen. Auf den Vorhalt, dass er fünf Jahre gewartet habe, bis er geflüchtet sei, gab er an, im Untergrund gekämpft zu haben, um die Regierung zu stürzen. Außerdem sei er auch wegen seiner Oromo-Volkszugehörigkeit unterdrückt worden. 18 Auf die Frage, woher die zwei Leute, die ihn angegriffen hätten, wissen hätten sollen, dass er die patriotische Front unterstütze, gab er an, die angeworbenen Mitglieder hätten ihn verraten. Es gebe sehr viele Spione, die sich verdeckt bei Andinet aufhielten und sie beobachteten. Er sei auch öfters telefonisch bedroht worden. Es sei nicht früher ausgereist, weil er bis zum bitteren Ende, bzw. bis zu seinem Tod habe kämpfen wollen. Zum Schluss habe er Angst bekommen, weil ihm seine menschliche Seite empfohlen habe, das Land zu verlassen. 19 In Deutschland sei er exilpolitisch tätig. Er sei bei der EPPF-Germany. Hierzu legte er einen Ausweis dieser Organisation und einer weiteren Organisation namens EPCOU, sowie Teilnahmebestätigungen von Versammlungen und Bilder vor. Bis vor kurzem habe er an einem Ort gewohnt, der sehr weit entfernt gewesen sei und habe nicht regelmäßigen Kontakt zu der Organisation gehabt. Seit zwei Monaten wohne er aber in einem anderen Camp und engagiere sich mehr für die Partei. 20 Es sei nicht im Sudan geblieben, weil es eine Vereinbarung zwischen der sudanesischen und der äthiopischen Regierung gegeben habe, wonach alle sich illegal im Sudan aufhaltende Leute nach Äthiopien zurückgebracht werden müssten. Danach sei er in einem Flüchtlingslager gewesen, er habe Unterlagen vom UNHCR. Im Sudan gebe es keine Sicherheit. Sie würden von Sicherheitskräften beobachtet, die für Geld alles verraten würden. Die äthiopische Regierung komme und hole Leute ab. Es gebe keinen Schutz und keine Sicherheit. 21 Bei ihrer persönlichen Anhörung am 9. Juli 2014 trug die Klägerin vor, dass sie ihre Heimat wegen der Probleme ihres Mannes verlassen habe. Sie sei in Äthiopien zwei Monate in Haft gewesen und dort geschlagen und belästigt worden. Deswegen sei sie krank geworden. Sie sei auch schikaniert worden. Sie sei am 1. Februar 2003 (äthiopischer Kalender, gregorianisch 11. Oktober 2010) verhaftet worden. Hierzu sei sie von zu Hause von drei zivilgekleideten Sicherheitsleuten abgeholt worden. Es sei kurz vor Mitternacht gewesen. Sie hätten zuerst das Haus durchsucht und unter dem Fernseher ein Stück Papier gefunden. Sie hätten ihr gesagt, dass es sicher von ihrem Mann sei und sie solle das Versteck ihres Mannes verraten. Sie habe gesagt, dass sie nicht wisse, wo ihr Mann sei. Darauf sei ihr geantwortet worden, dass sie mitkommen müsse. Das gefundene Papier sei von der patriotischen Front gewesen. Sie sei gefragt worden, woher dieses Papier komme. Sie hätten ihr gesagt, dass sie wisse, wo ihr Mann sei. Sie habe zwar Unterlagen von ihrem Mann verschwinden lassen, aber das Stück Papier unter dem Fernseher habe sie vorher nie gesehen. Sie habe viele Unterlagen wie zum Beispiel Zeugnisse oder Unterlagen der Armee, die sie der Tante ihres Mannes überreicht habe, verschwinden lassen. Auf die Frage, ob darunter Unterlagen der patriotischen Front gewesen seien, antwortete sie mit ja. Auf die Frage welche Unterlagen dies gewesen seien, gab sie an, die Unterlagen nicht gesehen zu haben und auch keine Ahnung gehabt zu haben, dass er zu diesem Zeitpunkt bei der patriotischen Front tätig gewesen sei. Sie habe nur gewusst, dass sie für die Einheit für Demokratie und Gerechtigkeit arbeite, nicht aber, dass er für die patriotische Front tätig sei. Telefonisch habe sie mit ihrem Mann nur einmal nach dessen Ausreise Kontakt gehabt, ansonsten habe er sich bei seiner Tante gemeldet, die sie dann informiert habe. Nach der Verhaftung sei sie ins Zentralgefängnis nach A. Ab. gebracht worden. Auf die Frage, was ihr während der Haft passiert sei, antwortete sie, dass die Polizisten sie schikaniert hätten und ihr gesagt hätten, sie wisse, wo ihr Mann sich aufhalte und dass sie diesen unterstütze. Meistens sei sie von einer Polizistin schikaniert und geschlagen worden. Auf die Frage, was dies für Schikanen gewesen seien, gab sie an, sie (die Polizistin) habe ihr Angst gemacht, dass sie wisse, wo sie sei und sie den Aufenthaltsort ihres Mannes verraten solle. Hauptsächlich
habe sie ihr Angst gemacht. Auf die Frage, wie es ihr gelungen sei, das Gefängnis zu verlassen, gab sie an, sehr krank gewesen zu sein. Sie habe Durchfall gehabt und erbrochen. Sie hätten von der Klägerin nach zwei Monaten eine Kaution in Höhe von 500.000 äthiopischen Birr verlangt. Am 6.4.2003 (äthiopischer Zeit, gregorianisch 15. Dezember 2010) sei sie freigelassen worden. Man habe ihr bis zu einem Monat Zeit gegeben, den Aufenthaltsort ihres Mannes zu verraten. Das Geld sei von der Tante ihres Mannes besorgt worden. Auf die Frage, weshalb sie nicht zu ihren Eltern in die Provinz Wello gegangen sei, gab sie an, in A. Ab. geboren worden zu sein. Ihre Mutter habe sie bei einem Onkel in A. Ab. gelassen, bei diesem sei sie aufgewachsen. Ihre Eltern wohnten in Wello, sie sei dort aber nie gewesen. Ihre Eltern seien zum Besuch nach A. Ab. gekommen. Der Onkel habe keine eigenen Kinder gehabt. Auf die Frage, weshalb sie nicht beim Onkel nach Hilfe gesucht habe, gab sie an, dieser habe die Beziehung zu ihrem Mann nicht akzeptiert. Er glaube noch an die Ethnien und habe sie ständig gefragt, warum sie einen Oromo geheiratet habe, obwohl sie Amhara sei. Nach der Haftentlassung habe sie sich bei Freunden versteckt und entschieden in den Sudan zu fliehen. Vor ihrer Verhaftung habe es keine Durchsuchungen gegeben, sie seien gekommen und hätten sie beobachtet und ausspioniert, aber nicht das Haus durchsucht. Zum 1. Mal seien sie direkt nach der Wahl am nächsten Tag gekommen. Das sei am 16.9.2002 (äthiopische Zeit, gregorianisch 24. Mai 2010). Sie hätten sich als Freunde ausgegeben und sich mit ihr anfreunden wollen und gefragt, wo ihr Mann sei. Sie habe nicht gedacht, dass sie verhaftet würde. Sie sei nicht politisch aktiv, sondern nur Unterstützerin und Sympathisantin. Sie sei Unterstützerin der Partei Andinet. Sie habe diese Partei auch gewählt, ohne dass jemand davon erfahren habe. Auf die Frage, ob jemand von dieser Partei im Parlament vertreten sei, antwortete sie, sie kenne sich mit Politik nicht aus. Sie habe die Partei unterstützt, weil ihr ihr Mann erzählt habe, dass diese für Freiheit und Gerechtigkeit kämpfe. Während der Haft sei sie nicht bei einem Arzt gewesen. Später sei sie schon zu einem Arzt gegangen. Sie habe eine Magenerkrankung gehabt und Medikamente bekommen. 22 Unterlagen ihres Mannes, die sie der Tante übergeben habe, habe sie ihrem Mann im Sudan gegeben. Die Tante habe Kontakt zum Mann gehabt und sie angerufen und ihr gesagt, dass sie alle Unterlagen bei der Tante abgeben solle. Später habe ihr Mann die Tante angerufen und ihr gesagt, wenn die Klägerin von Zuhause weggehe, solle sie alle Unterlagen mitnehmen. Sie sei sehr vorsichtig gewesen und habe sich versteckt. Ihr Mann habe die Reise über Humera in den Sudan arrangiert. In Humera habe sie telefonischen Kontakt mit ihrem Mann gehabt. Dort habe sich ein Freund des Mannes gemeldet und sie in den Sudan geschleust, wo sie beim UNHCR nach ihrem Mann gesucht habe. Auf die Frage, weshalb sie beim UNHCR nach ihrem Mann gesucht habe, wo sie doch telefonischen Kontakt mit ihm gehabt hätte, antwortete sie, wenn sie in Äthiopien nicht beobachtet geworden wäre, wäre sie dort geblieben. Auf die Wiederholungsfrage gab sie an, zuerst nach Hamdaid gegangen und dann auf das Rote Kreuz gestoßen zu sein, diese hätten sie zu ihrem Mann geschickt. Ihr Mann habe ihre Telefonnummer gewusst, weil die Tante Bescheid gegeben habe, dass die Klägerin ein Handy dabei haben werde. Auf die Frage, warum er sie nicht früher angerufen habe, gab sie an, dass sie auch seine Telefonnummer gewusst habe. Er habe ihrer Tante Nachrichten gegeben und diese habe das weitergeleitet. Sie habe selbst nicht telefonieren können, weil sie beobachtet worden sei. Sie hätten schon miteinander gesprochen, aber selten. Zum Schluss sei sie zu der Tante gegangen und habe auch mit ihrem Mann gesprochen und ihm gesagt, dass sie ein Handy dabei haben werde. Ihr Mann habe sie am Tag der Wahlen, als er verschwunden sei, nachts angerufen. Der Anruf sei kurz vor frühmorgens gekommen. Sie sei noch im Bett gewesen. Ihr Mann habe das Haus am 15. 9. 2002 (äthiopische Zeit, gregorianisch 23. Mai 2010) verlassen. Er sei an diesem Tag Wahlbeobachter gewesen, frühmorgens gegangen und nicht mehr zurückgekommen. Auf die Frage, ob sie das Gefängnis beschreiben könne, gab sie an, zuerst zur Zentralpolizei gebracht worden zu sein und dort einen Tag und eine Nacht verbracht zu haben. Dann sei sie ins Kotebe Gefängnis verlegt worden. Dies sei ein Gefängnis für Frauen. Es seien sehr viele Frauen gewesen. Es sei ein offener, hallenmäßiger Raum gewesen. Der Raum habe wie ein Lagerraum ausgesehen. Bis zu 80 Frauen seien dort gewesen. Auf die Bitte, den Tagesablauf zu beschreiben, trug sie vor, nicht immer rausgedurft zu haben, meistens abends. Sie seien rumgesessen und hätten sich ihre Geschichten erzählt. Draußen hätten sie eine halbe Stunde laufen dürfen. Auf die Frage, ob ihr Mann irgendwelche Probleme mit den staatlichen Behörden gehabt habe,
bevor er verschwunden sei, gab sie an, nicht jeden Tag im Gefängnis draußen gewesen zu sein. Auf den Vorhalt, dass dies nicht die Antwort auf die Frage gewesen sei, erwiderte sie, sie seien nicht zufrieden mit seinen politischen Aktivitäten gewesen. Er habe so nicht weiterleben können. Auf die Frage, ob ihr Mann früher Probleme mit staatlichen Behörden gehabt habe, antwortete sie, sie wisse, dass er Soldat gewesen sei und später fleißig gearbeitet habe und die politische Situation so war. Er sei politisch aktiv gewesen und habe Flugblätter verteilt, dabei sei er auch verhaftet worden. Flugblätter habe er für Andinet verteilt. Sie habe sich in Deutschland EPPF-Germany angeschlossen, sei aber nur dreimal wegen ihrer Schwangerschaft dort gewesen. Hierzu legte sie einen Ausweis der EPPF und einen Ausweis der EPCOU vor. Zudem übergab sie eine Teilnahmebestätigung vom 5. Oktober 2013. Sie habe sich der EPPF angeschlossen, weil ihr Mann mit denen zusammenarbeite und diese ihre Ziele mit Mut und Courage verfolgen würden. Auf die Frage, was sie bei einer Rückkehr nach Äthiopien befürchte, antwortete sie, sie wisse nicht, was sie dort erwarte. Sie wolle nur nicht, dass die Kinder ohne Eltern aufwüchsen. 23 Der Kläger ließ im Nachgang zu seiner Anhörung diverse Bestätigungen seiner exilpolitischen Aktivitäten vorlegen. 24 Mit Bescheid vom 5. Juli 2016 lehnte die Beklagte die Schutzbegehren der beiden Kläger ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nicht vorlägen und drohte ihnen die Abschiebung nach Äthiopien an. 25 Hiergegen erhoben die Kläger am 15. Juli 2016 Klage. 26 Die Kläger übergaben eine sozialpädagogische Stellungnahme der Caritas C. Auf diese wird verwiesen. Der Kläger arbeite demnach seit 1. Juli 2016 in einer Schreinerei. In der mündlichen Verhandlung erläuterte er, dass diese Tätigkeit auf 6 Monate befristet gewesen sei. Der Kläger übergab diverse Unterlagen zum Nachweis seines exilpolitischen Engagements. Dies sind unter anderem ein Erfahrungsbericht beider Kläger über die Ereignisse vor ihrer Ausreise aus Äthiopien, eine Bescheinigung, dass der Kläger bereits in Äthiopien und im Sudan für die EPPF tätig gewesen sei, Aufnahmen, die den Kläger mit führenden Personen der äthiopischen Exilopposition im Februar 2017 in R. zeigten, eine Zollquittung über eine Flagge, die sich der Kläger aus den USA habe schicken lassen, Aufnahmen die den Kläger in seiner Rolle als Vorsitzender der Ginbot 7 R. mit führenden Personen der äthiopischen Exilopposition im Dezember 2017 in München zeigen, eine Petition und eine Teilnahmebescheinigung für eine Spendenveranstaltung des äthiopischen Exilrundfunks. 27 Der Kläger trug in seinem Erfahrungsbericht u.a. vor, dass seine Frau wegen ihm für 2 Monate verhaftet worden sei. Im äthiopischen Jahr 2002 sei in Äthiopien Wahl gewesen. Er sei für Medrek als Wahlbeobachter in Wereda 28, A. Ab., eingesetzt gewesen. Für den 22. Mai habe er sich mit anderen Wahlbeobachtern auf einer Straße verabredet, um diesen das Geld für ihre Dienste zu bezahlen. Dabei seien sie fotografiert worden. Am nächsten Tag, als er noch mit vier anderen Wahlbeobachtern im Wahllokal auf Ergebnisse gewartet habe, habe er einen Anruf bekommen, dass er umgehend zu einem anderen Wahllokal kommen solle. Auf dem Weg dorthin sei er von 2 tigrinisch sprechenden Männern zusammengeschlagen worden. Er habe Angst bekommen, einen Stein genommen und den anderen damit auf den Hinterkopf geschlagen. Dann sei er geflohen. 28 Die Klägerin gab in ihrem Erfahrungsbericht an, ihr Ehemann sei am 23. Mai zum Wahllokal gegangen, um dort als Wahlbeobachter zu arbeiten. Er sei danach nicht mehr nach Hause zurückgekommen. Gegen Mitternacht habe ihr Mann sie angerufen und ihr gesagt, wo er sei. Ab 24. Mai seien an verschiedenen Tage ihr unbekannte Leute gekommen und hätten sich als Freunde des Mannes ausgegeben und wissen wollen, wo ihr Mann sei. Am 11. Dezember gegen 0 Uhr hätten fremde Leute geklopft. Sie habe sich erschrocken
und gefragt, wer sie seien und was sie wollten. Daraufhin sei ihr entgegnet worden, dass die Türe mit Gewalt geöffnet werde, wenn sie nicht aufmache. Sie habe die Türe geöffnet. Als sie in der Wohnung gewesen seien, hätten sie sofort angefangen diese zu durchsuchen. Drei Männer hätten ihr Fragen bzgl. ihres Manns gestellt und wo er sei. Später hätten die Männer unter dem TV-Tisch Papiere gefunden und gefragt, ob sie etwas darüber wisse. Einer der Männer habe ein Papier aus der Tasche geholt und darauf geschrieben, dass er Beweise sichergestellt habe und sie unterschreiben müsse. Danach sei sie zu einer Befragung mitgenommen worden. Es sei ein kaltes dunkles Zimmer gewesen. Dort sei sie ca. 4 h gewesen, bis einer gekommen sei und sie in ein anderes Zimmer gebracht habe. Nach einigen Minuten seien eine Frau und zwei Männer gekommen. Die Männer hätten Platz genommen. Die Frau sei gestanden und habe viele Fragen gestellt, ob sie etwas über das Papier wisse. Anschließend sei sie nach Kotebe zur Polizeiwache gebracht worden. Sie seien öfters in der Nacht gekommen und hätten immer wieder Fragen über ihren Mann gestellt. Sie habe nichts gesagt, deshalb sei die Situation immer unerträglicher geworden. Die Frau habe sie gezwungen, ihr Oberteil auszuziehen und sie vor den Männern mit einem Kugelschreiber am Busen berührt. Dabei hätten alle gelacht. Bis heute leide sie darunter. Sie fühle Angst, wenn sie unter mehreren Leuten sei. Am 14. Dezember sei sie erneut zur Befragung abgeholt worden. Diesmal sei ihr gesagt worden, wenn sie binnen 4 Monaten den Aufenthaltsort ihres Mannes verrate und eine Kaution von 5.000 Birr bezahle, werde sie in Ruhe gelassen. Am 15. Dezember sei sie dann freigekommen. Sie habe das Geld von der Tante ihres Mannes bekommen und die Kaution gezahlt. Sie habe sich trotzdem nicht frei gefühlt. Später habe sie der Tante ihres Mannes gesagt, dass sie zu ihrem Mann wolle. Die Tante habe Kontakt zu ihm gehabt und alles arrangiert. Am 5. Januar habe sie ein Ticket nach Gondar gekauft. Dort habe sie übernachtet. Am nächsten Tag sei sie nach Humera. Von dort aus habe sie telefonisch Kontakt zu ihrem Mann aufgenommen. Ihr Mann habe ihr gesagt, dass er zwei Leute schicke, die ihr dann hülfen und sie rangehen solle, wenn eine unbekannte Nummer anrufe. Es sei ein Mann gekommen, sie seien ein Stück zu Fuß gelaufen. Gegen Abend seien sie über den Tekesesee mit einem Boot in den Sudan gekommen. 29 Weiter übergab der Kläger eine Videoaufzeichnung, die ihn bei einer Konferenz in M. im Dezember 2017 zeigt. Er habe hierbei vor dem Plenum ein Grußwort der Ginbot 7 an den Vorsitzenden der Organisation, Berhanu Nega, gerichtet. Auf die weiteren übergebenen Unterlagen zum Nachweis der exilpolitischen Aktivitäten wird verwiesen. 30 Mit Schreiben vom 14. Februar 2019 brachten die Kläger vor, dass der Kläger an einer Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion und die Klägerin an einer posttraumatischen Belastungsstörung erkrankt seien. Hierzu legten sie Arztbriefe der medbo vom 8. Dezember 2017 (Klägerin) und vom 24. Januar 2018 (Kläger) vor. Auf beide wird verwiesen. 31 Die Kläger beantragen, den Bescheid der Beklagten vom 5. Juli 2016, Aktenzeichen* …- 225 entsprechend aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise, ihnen subsidiären Schutz (§ 4 AsylG) zu gewähren, weiter hilfsweise, Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz festzustellen. 32 Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. 33 Zur Begründung der Beklagten wird auf die Stellungnahme in der mündlichen Verhandlung verwiesen. 34
Mit Beschluss vom 7. Dezember 2018 wurde der Rechtsstreit auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Behörden- und Gerichtsakten Bezug genommen und auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung, in der beide Kläger informatorisch angehört worden sind, vom 20. Februar 2019 verwiesen. Entscheidungsgründe 35 Die zulässigen Klagen sind unbegründet und bleiben ohne Erfolg. 36 Die Entscheidung des Bundesamts, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft und den subsidiären Schutzstatus nicht zuzuerkennen sowie das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG zu verneinen und beide Kläger unter Androhung ihrer Abschiebung nach Äthiopien zur Ausreise aufzufordern, ist rechtmäßig und verletzt die Kläger damit auch nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). 37 Die Ziffer 1 des angegriffenen Bescheids verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. 38 Die getroffenen Entscheidungen sind rechtmäßig, da beide keinen Anspruch nach § 3 Abs. 4 Asylgesetz (AsylG) auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft haben. Weder der Kläger noch die Klägerin sind Flüchtlinge nach § 3 Abs. 1 AsylG. Hierbei ist der entscheidende Zeitpunkt für das Vorliegen der Voraussetzungen der Termin der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 S. 1 AsylG). 39 Ein Ausländer ist - unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben - Flüchtling, wenn seine Furcht begründet ist, dass er in seinem Herkunftsland wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung Verfolgungshandlungen im Sinne von § 3a AsylG ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 - juris). Von einer Verfolgung kann nur dann ausgegangen werden, wenn dem Einzelnen in Anknüpfung an die genannten Merkmale gezielt Rechtsverletzungen zugefügt werden, die wegen ihrer Intensität den Betroffenen dazu zwingen, in begründeter Furcht vor einer ausweglosen Lage sein Heimatland zu verlassen und im Ausland Schutz zu suchen. 40 An einer gezielten Rechtsverletzung fehlt es aber regelmäßig bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Herkunftsland zu erleiden hat, etwa infolge von Naturkatastrophen, Arbeitslosigkeit, einer schlechten wirtschaftlichen Lage oder infolge allgemeiner Auswirkungen von Unruhen, Revolution und Kriegen (vgl. OVG NRW, U.v. 28.3.2014 - 13 A 1305/13.A - juris). 41 Für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist es nach § 3b Abs. 2 AsylG auch unerheblich, ob die Furcht des Betroffenen vor Verfolgung begründet ist, weil er tatsächlich die Merkmale besitzt, die zu seiner Verfolgung führen, sofern der Verfolger dem Betroffenen diese Merkmale tatsächlich zuschreibt. 42 Für die Beurteilung der Frage, ob die Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG begründet ist, gilt unabhängig davon, ob bereits eine Vorverfolgung stattgefunden hat, der einheitliche Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 1.6.2011 - 10 C 25.10 - BVerwGE 140, 22). Eine Privilegierung des Vorverfolgten erfolgt aber durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011). Eine bereits erlittene Vorverfolgung, ein erlittener bzw. drohender sonstiger ernsthafter Schaden, sind danach ernsthafte Hinweise darauf, dass die Furcht vor Verfolgung begründet ist bzw. dass ein Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden. Dies gilt nur dann nicht, wenn stichhaltige Gründe dagegensprechen, dass der
Ausländer erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. In der Vergangenheit liegenden Umständen ist damit Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beizumessen (vgl. auch OVG NRW, U.v. 21.2.2017 - 14 A 2316/16.A - juris). 43 Bezüglich der vom Ausländer im Asylverfahren geltend gemachten Umstände, die zu seiner Ausreise aus dem Heimatland geführt haben, genügt aufgrund der regelmäßig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Flüchtlings die Glaubhaftmachung. Die üblichen Beweismittel stehen ihm häufig nicht zur Verfügung. In der Regel können unmittelbare Beweise im Verfolgerland nicht erhoben werden. Mit Rücksicht darauf kommt dem persönlichen Vorbringen des Ausländers und dessen Würdigung eine gesteigerte Bedeutung zu. Dies bedeutet anderseits jedoch nicht, dass der entscheidende Richter einer Überzeugungsbildung im Sinne des § 108 Abs. 1 VwGO enthoben ist (BVerwG, U.v. 16.4.1985 - 9 C 109.84 - juris; BVerwG, U.v. 11.11.1986 - 9 C 316.85 - juris). Eine Glaubhaftmachung in diesem Sinne setzt voraus, dass die Geschehnisse im Heimatland schlüssig, substantiiert und widerspruchsfrei geschildert werden. Erforderlich ist somit eine anschauliche, konkrete und detailreiche Schilderung des Erlebten. An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. VG Ansbach, U.v. 24.10.2016 - AN 3 K 16.30452 - juris mit weiteren Nachweisen). 44 Das Vorbringen der Kläger kann wegen der Unglaubwürdigkeit sowohl des Klägers als auch der Klägerin nicht als glaubhaft gemacht angenommen werden. 45 Der Kläger und die Klägerin sind unglaubwürdig, weil beider persönliche Identität zur Überzeugung des Gerichts nicht feststeht. Beide sind ausweislos und haben durch Nichtvorlage eines authentischen äthiopischen Ausweises nicht dazu beigetragen, ihre Identität zu klären. 46 Soweit der Kläger vorträgt, dass er den Kebeleausweis im Mittelmeer weggeworfen habe, um bei der Rückkehr an Land nicht als Äthiopier erkannt zu werden, ist diese Aussage, da die entsprechende Geschichte im Widerspruch zur Aussage seiner Frau steht, unglaubhaft und weckt Zweifel an der Glaubwürdigkeit beider Kläger. Der Kläger hat vorgebracht, die beim Bundesamt vorgelegten Dokumente, UNHCR-Ausweise, Einzahlungsbeleg Andinet und Mitgliedsbestätigungen hätte seine Frau bei der Überfahrt übers Mittelmeer in ihrem Dekolleté getragen und deshalb habe er sie beim Bundesamt vorlegen können. Demgegenüber steht die Aussage seiner Frau, dass die vorgelegten Dokumente der Mann in seiner Hosentasche getragen habe, sie habe ihre Dokumente in einer über Bord gegangenen Tasche getragen und deshalb verloren. Auch divergiert das Vorbringen beider Kläger zum Ablauf der Überfahrt. Während der Mann vortrug, dass sie nach 2 Tagen wegen Bootproblemen zurück an die Küste gemusst hätten und deshalb alle Angst gehabt hätten, dass sie durchsucht würden und sie zudem nass gewesen seien, brachte die Frau vor, dass die Probleme mit dem Schiff auf hoher See aufgetreten seien und sie nicht in Richtung einer Küste abgeschleppt worden seien, sondern ihnen vielmehr auf hoher See von Fischern geholfen worden sei. Auch dieses Vorbringen lässt sich nicht mit dem des Klägers in Übereinstimmung bringen und erzeugt weitere Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Kläger. 47 Nach alledem ist bereits völlig offen, ob die Kläger ihre tatsächliche Identität offengelegt, also ihre richtigen Namen und Daten angegeben haben. 48
Weitere Zweifel an ihrer Identität entstehen durch die Angaben der Kläger zu ihrem Alter und Geburtsdatum. Der Kläger gab an, er sei 33 Jahre alt, aber im Jahr 1982 geboren. Bereits dies stimmt rechnerisch nicht. Weiter gab er sein Geburtsdatum im gregorianischen Kalender an, wusste es aber nicht im äthiopischen. In diesem Kalendersystem schätzte er es auf den 14.4.(Thasas)1974. Diese Schätzung liegt um ein Jahr falsch und trifft den falschen Tag. Das dem 26.12.1982 entsprechende äthiopische Datum wäre der 17.4.1975 (Kalenderumrechnung via http://www.nabkal.de/kalrech8.html). Da er selbst gesagt hat, dass er in Äthiopien beide Kalendersysteme benutzt hätte, ist es unplausibel, dass er sein Geburtsdatum nur im gregorianischen System kennt. Die Klägerin gab als Geburtsjahr in der mündlichen Verhandlung zunächst 1993 an, merkte dann, dass dies nicht stimmen konnte und gab - wie beim Bundesamt - 1983 an, äußerte jedoch zugleich, 37 Jahre alt zu sein, was rechnerisch ebenfalls nicht möglich ist. 49 All diese Ungereimtheiten der klägerischen Angaben zu ihrer jeweiligen Identität führen zu einer erschütterten Glaubwürdigkeit. Aufgrund der fehlenden Glaubwürdigkeit kann das Vorbringen der Kläger zu ihrer Fluchtgeschichte nicht geglaubt werden. 50 Selbst wenn man die vorgebrachte Geschichte in Äthiopien als glaubhaft unterstellen wollte, würde sie aber nicht mehr (§ 77 Abs. 1 S. 1 AsylG) zur Annahme einer beachtlich wahrscheinlichen Verfolgungsgefahr führen. Zwar wäre dann zugunsten der Kläger Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie) zu beachten, jedoch wäre ebendiese Vermutung durch die zwischenzeitlich eingetretenen positiven Veränderungen vor allem im Jahr 2018 erschüttert. Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU sieht selbst vor, dass bei Vorliegen stichhaltiger Gründe, die gegen eine Verfolgung sprechen, eine Vorverfolgung kein ernsthafter Hinweis mehr auf eine begründete Furcht vor Verfolgung ist. Solche stichhaltigen Gründe ergeben sich aus den positiven Veränderungen in Äthiopien seit Amtsantritt des Premierministers Abiy Ahmed (so auch VG Bayreuth, U.v. 31.10.2018 - B 7 K 17.32826 - juris Rn. 44; VG Bayreuth, U.v. 5.9.2018 - B 7 K 17.33349 - juris Rn. 50). 51 Dies ergibt sich aus mehreren Entwicklungen seit Anfang 2018 (siehe zu den meisten der im Folgenden mit Primärquellen zitierten Entwicklungen auch Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Äthiopien, BFA Österreich vom 8. Januar 2019 und Auswärtiges Amt, Lagebericht Äthiopien vom 17.10.2018, Stand: September 2018). 52 So wurde der Ausnahmezustand aufgehoben (Meldung der BBC vom 2. Juni 2018, 20:53 Uhr und vom 5. Juni 11:23 Uhr, https://www.bbc.com/news/world-africa- 44344025?intlink_from_url=https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia& link_location=live- reporting-story). Der neue Premierminister, Abiy Ahmed, ist oromischer Volkszugehörigkeit (vgl. Meldung der BBC vom 28. März 2018 10:29 Uhr, https://www.bbc.com/news/world-africa-42716864). Er hat bei seiner Vereidigung ausdrücklich betont, dass politischer Pluralismus ein Muss sei, das sei ein Grundstein dafür, dass Demokratie funktioniere. Seine erste Amtsreise führte ihn in einen der Unruheherde des Landes, die Grenzregion zwischen den Siedlungsgebieten der Oromo und der Somali. Er empfing in A. Ab. Oppositionspolitiker, Vertreter der Zivilgesellschaft und religiöse Führer. Dass er die Politik der Regierungskoalition nicht einfach fortsetzen will, hat er vor allem auch dadurch gezeigt, dass unter seiner Führung Hunderte von Oppositionsanhängern freigelassen worden sind, die nach einer Amnestie im Januar 2018 zwar aus der Haft entlassen, anschließend jedoch teils gleich wieder festgenommen worden waren. Außerdem wurde inzwischen das berüchtigte Makelawi-Gefängnis in A. Ab. geschlossen (vgl. zum Vorstehenden die Presseartikel „Halber Machtwechsel“, taz vom 3.4.2018; „Man nennt ihn Äthiopiens Barack Obama“, FR vom 10.4.2018 und „Äthiopiens neuer Premier wirbt für Zusammenarbeit und Versöhnung“, DW vom 13.4.2018). Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amts wurden ca. 25.000 teilweise aus politischen Gründen inhaftierte bzw. verdächtige Personen vorzeitig entlassen (vgl. AA, Lagebericht vom 17. Oktober 2018, Stand September 2018, S. 6). Zugleich teilt der Bericht mit, dass weiterhin eine unbekannte Zahl von Menschen ohne Anklage inhaftiert sei, Menschenrechtsorganisationen
sprächen von mehreren tausend Betroffenen. Diese Zahlen ließen sich jedoch nicht verifizieren (vgl. AA, Lagebericht vom 17. Oktober 2018, Stand September 2018, S. 6). Zugleich wird dort festgehalten, dass der neue Premierminister sich mit Erfolg für einen stärkeren zivilgesellschaftlichen Freiraum bemühe und die Praxis der Kriminalisierung Oppositioneller und kritischer Medien de facto beendet habe. 53 Der neue Premierminister bezeichnete Folter als Akt des Terrors durch den Staat, warf den eigenen Sicherheitsbehörden Folter und illegale Inhaftierungen vor und entließ Chefs der Nachrichtendienste und des Militärs (vgl. Meldung der BBC vom 18. Juni 2018, 18:05 Uhr, https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia). Die oppositionelle Organisation Ginbot 7 stellte ihren bewaffneten Widerstand gegen die Regierung ein und bezeichnete die vom neuen Premierminister angestoßenen Reformen als wirkliche Hoffnung auf Demokratie (Meldung der BBC vom 22. Juni 2018, https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia). So wurde auch der zum Tode verurteilte Generalsekretär der Organisation Ginbot 7, Andargachew Tsege, der 2009 in Abwesenheit zum Tode verurteilt und 2014 auf einem jemenitischen Flughafen auf seinem Weg nach Eritrea festgenommen und den äthiopischen Behörden ausgehändigt worden war, freigelassen (vgl. Meldung der BBC vom 1. Juni 2018 17:05 Uhr, https://www.bbc.com/news/world-africa-42716864). 54 Es finden Gespräche zwischen Äthiopien und Eritrea statt. Äthiopien kündigte an, die Soldaten an der Grenze zu Eritrea abzuziehen. Telefonleitungen und Flugverbindungen zwischen beiden Ländern wurden wiedereröffnet (vgl. Meldung der Süddeutschen Zeitung vom 20. Juli 2018, 11:00 Uhr, https://www.sueddeutsche.de/politik/aethiopien-und-eritrea-zwei-laender-erwachen-aus-dem-tiefschlaf- 1.4062868; Meldung der BBC vom 10. Juli 2018, 13:01 Uhr, https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia). Im September 2018 wurde die äthiopische Botschaft in Asmara wiedereröffnet (Meldung des Portals africanews vom 6. September 2018, http://www.africanews.com/2018/09/06/ethiopia-reopens-its-embassy-in-eritrean-capital-asmara/?breaking- news=1). 55 Die Regierungschefs beider Länder feierten bei einem gemeinsamen Besuch an der Grenze das äthiopische Neujahr und eröffneten einen Grenzübergang bei der äthiopischen Stadt Zalambessa (Meldung von africanews.com vom 11. September 2018, http://www.africanews.com/2018/09/11/abiy-afwerki-visit- border-together-to-celebrate-ethiopian-new-year-with-their/; Meldung der B’BC vom 11. September 2018 https://www.bbc.com/news/world-africa- 45475876?intlink_from_url=https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia& link_location=live- reporting-story). 56 Der Premierminister ließ bisher gesperrte Internetseiten oppositioneller Organisationen freigeben. Das oromische Medienportal Oromo Media Network (OMN), dem bis vor kurzem noch Terrorvorwürfe gemacht worden sind, eröffnete in A. Ab. eine Redaktion (vgl. Meldung der BBC vom 26. Juni 2018, 16:16 Uhr, https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia). Der Gründer dieses Medienportals, Jawar Mohammed, ist nach Äthiopien zurückgekehrt (vgl. Meldung von „jeune afrique“ vom 5. August 2018, 12:39 Uhr, http://www.jeuneafrique.com/depeches/611340/politique/retour-en-ethiopie-dun-celebre-activiste-de- lopposition/; Meldung des Guardian https://www.theguardian.com/global-development/2018/aug/20/jawar- mohammed-return-ethiopia-political-change-oromo). Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe der Aufwiegelung/Anstiftung zur Gewalt wurden fallen gelassen. 57 Die äthiopische Regierung und die vormals auf der Terrorliste geführte OLF haben eine Vereinbarung unterzeichnet, um die Feindseligkeiten, bewaffneten Auseinandersetzungen zu beenden (Meldung der BBC vom 7. August 2018, 16:59 Uhr, https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia). Auch die ONLF, eine früher als Terrorgruppe bezeichnete Organisation in der Somaliregion unterzeichnete im Februar 2019
mit der Regionalregierung des Bundesstaats Somali eine Vereinbarung über die Entwaffnung und Integration ihrer Mitglieder in die staatlichen Sicherheitsdienste (vgl. Meldung africanews vom 9. Februar 2019, 4:00 Uhr, http://www.africanews.com/2019/02/09/ethiopia-onlf-rebels-disarm-sign-agreement-with- somali-state/). 58 Die äthiopische Regierung hieß die Anführer der vormals als Terrorgruppe bezeichneten Ginbot 7, die nach Äthiopien zurückgekehrt sind, im Land willkommen (vgl Meldung von africanews.com vom 9. September 2018, 13:29 Uhr, http://www.africanews.com/2018/09/09/ethiopia-govt-welcomes-leadership-of-ginbot-7- back-home/). 59 Im Oktober 2018 kehrten ca. 2.000 äthiopische Rebellen des Tigray People’s Democratic Movements (TPDM) von Eritrea aus nach Äthiopien zurück. Dieser Rückkehr war die Unterzeichnung einer Friedensvereinbarung mit der Regierung in A. Ab. im August 2018 vorausgegangen (Meldung der BBC vom 9. Oktober, 17:38 Uhr, https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia; Meldung des Portals africanews.com vom 10. Oktober 2018, http://www.africanews.com/2018/10/10/about-2000-tigray-rebels- return-to-ethiopia-from-eritrea/). Laut africanews.com sollen auch Kämpfer von Ginbot 7 und Soldaten der OLF nach Äthiopien heimgekehrt sein (Meldung des Portals africanews.com vom 10. Oktober 2018, http://www.africanews.com/2018/10/10/about-2000-tigray-rebels-return-to-ethiopia-from-eritrea/). 60 Abdi Mohammed Omar (alias Abdi Illey), der vormalige Regierungschef der Somaliregion, dem vorgeworfen wird, dass er unrechtmäßige Rekrutierungen, Verhaftungen, Tötungen und sonstige Menschenrechtsverstöße seiner Liyu Plizei ermöglicht oder geduldet habe, trat im August 2018 zurück. Er wurde nach seinem Rücktritt im August 2018 von Seiten der Äthiopischen Bundeskräfte festgenommen und ist inhaftiert worden. (vgl. Meldung der BBC vom 7. August 2018, 15:24 und vom 27. August 2018, 18:46 Uhr https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia; Meldung des Portals africanews vom 27. August 2018 http://www.africanews.com/2018/08/27/ethiopia-police-arrest-ex-somali-region-president-abdi- illey/). Er wurde am Mittwoch, 29. August 2018 vor einem Gericht zusammen mit 6 weiteren Vertretern seiner Regionalregierung mehrerer Taten beschuldigt, man warf ihm u.a. Menschenrechtsverletzungen, Tötungen, Vertreibungen, Freiheitsberaubung, Folter und Unterdrückung der Meinungsfreiheit vor. Als sein Nachfolger wurde einer seiner Kritiker, Mustafa Omer, dem nachgesagt wird, dass er ein Verteidiger der Menschenrechte sei, bestimmt (Meldung des Portals africanews vom 30. August 2018, http://www.africanews.com/2018/08/30/ethiopias-somali-regional-politics-new-leader-abdi-illey-charged-liyu- police/). Shamaahiye Sheikh Farah (alias Shamaahiye), der frühere Chef des Jail Ogaden und Leutnant der Liyu Miliz wurde ebenfalls festgenommen. Das berüchtigte Gefängnis in Jijiga wurde geschlossen (Meldung des Portals africanews.com vom 29.9.2018, http://www.africanews.com/2018/09/29/ex-boss-of-ethiopia-s- notorious-jail-ogaden-arrested/). 61 Der Premierminister gab bei einer Ansprache vor der Regierungskoalition an, dass es das Zeichen eines wahren Anführers sei, besser qualifizierte Nachfolger hervorzubringen und sich selbst überflüssig zu machen (Meldung der BBC vom 3. Oktober 2018, 11:25 Uhr https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia). 62 Im November 2018 ließ der äthiopische Generalstaatsanwalt (Attorney General) Berhanu Tsegaye über 60 Beamte verhaften (vgl. Meldung des Portals africanews vom 17.11.2018, 12:29 Uhr, http://www.africanews.com/2018/11/17/ethiopians-support-govt-crackdown-on-corruption-rights-abuse/). Unter den Verhafteten befanden sich ehemals hochrangige Mitglieder der Nachrichtendienste (vgl. Meldung des Portals africanews vom 15.11.2018, 08:59 Uhr, http://www.africanews.com/2018/11/15/ethiopia-s- former-deputy-intelligence-chief-arrested-by-police/; BBC vom 15.11.2018, https://www.bbc.com/news/world-africa-46221238) wie etwa z.B. Yared Zerihun (a former deputy
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