Zum Weizs ackerschen Weltbild der Physik

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Zum Weizsäckerschen Weltbild der Physik

                Vorwort zu: C. F. von Weizsäcker, Das Weltbild der Physik,
               Hirzel, Stuttgart, 14. Auflage 2002 (zitiert nach 13. Aufl. 1990)

    Als “Zum Weltbild der Physik” 1943 in erster Auflage mit vier Aufsätzen – den ersten
beiden, dem vierten und fünften der jetzigen, 14. Neuauflage – erschien, war es nicht nur
Carl Friedrich von Weizsäckers erstes Buch über die Philosophie der Physik, sondern eines
der ersten Bücher über Grundlagenfragen der Quantentheorie überhaupt – ein Buch, das
diese Thematik einem breiteren Publikum zugänglich zu machen versuchte, ohne schon im
Bereich desjenigen zu liegen, was man heute als “Populärwissenschaft” bezeichnet. Sein
Autor war zu diesem Zeitpunkt gerade einmal 31 Jahre alt und zählte doch schon zu den
bekannten Namen seines Faches. Ein Jahr zuvor war Weizsäcker auf seine erste Professur,
ein Extraordinariat für Physik in Straßburg, berufen worden. Er hatte sich 1936 mit einer
Arbeit zur Spinabhängigkeit der Kernkräfte bei Werner Heisenberg in Leipzig habilitiert
und gehörte somit zu den ersten Vertretern der noch jungen Kernphysik, eines in der
damaligen Physik an der Forschungsfront liegenden Arbeitsgebietes – dessen unerwartet
schicksalhafte technische Folgen in den kommenden Jahren unter den Wirrungen des
Krieges das Leben aller an dieser Forschung beteiligten Physiker (diesseits und jenseits des
Atlantiks) im Guten wie im Schlechten nachhaltig bestimmen sollte. Weizsäcker führten
diese schwierigen Erfahrungen, wie bekannt, nach dem Kriege in ein weithin sichtbares,
lebenslanges Engagement für Friedens- und Abrüstungsfragen.
    Aus Weizsäckers Habilitationsschrift erwuchs 1937 seine erste Buchpublikation “Die
Atomkerne”. Zu den bedeutendsten Entdeckungen, die Weizsäcker in der Kernphysik
machte, zählen die Bethe-Weizsäcker-Massenformel, eine halbempirische Abschätzung der
Kernbindungsenergien, und der Bethe-Weizsäcker-Zyklus, ein erstes Modell zur Bestim-
mung der Energieerzeugung in Sternen – Ergebnisse, die seither dem Grundbestand des
Fachbuchwissens angehören. Und wie die Bezeichnungen andeuten, hatte zeitgleich zu
Weizsäcker, aber in getrennter Arbeit, auch Hans Bethe in Amerika dieselben qualita-
tiven Ergebnisse gefunden, wenngleich in mathematisch ausgearbeiteterer Form. Hierfür
wurde 1967 Bethe allein der Nobelpreis zuerkannt.
    Waren die Kernphysik und ab den vierziger Jahren zunehmend die Astrophysik seine
nominellen Arbeitsgebiete, so interessierten Weizsäcker jedoch mehr als alle technisch-
mathematischen Fragen die begrifflichen Grundlagen seines Faches – und dies bedeutete
vor allem eine Auseinandersetzung mit den tiefen Problemen, die die Quantenmechanik
aufwarf und aufwirft. Das “Weltbild der Physik” ist Weizsäckers erstes, in Buchform ge-
fasstes Zeugnis dieses ihn eigentlich umtreibenden Interesses. Von der Erstauflage bis zur
7. Auflage im Jahr 1957 nutzte er es als im Umfang von 4 auf letztlich 18 Beiträge (und ein
Nachwort) wachsende Publikationsplattform seiner Aufsätze in diesem Bereich – wie er
überhaupt auch später fast sämtliche seiner großen Buchpublikationen als Aufsatzsamm-
lungen komponiert hat. Weizsäcker denkt schreibend – das stetige Niederschreiben seiner
Überlegungen begleitet ihn. Bücher in Auftragsform und aus einem Guss sind da eher
unpassend.
    1957 wechselte Weizsäcker auch akademisch sichtbar von der Physik auf einen
Philosophie-Lehrstuhl in Hamburg. Mehr als anderthalb Jahrzehnte der ‘Abnabelung’
von der professionellen Physik lagen nun hinter ihm, und die seit der siebten Auflage un-
geänderte Form des “Weltbildes” kann auch als ein Spiegel dieses Abnabelungsprozesses
gesehen werden. Ein solcher Prozess wurde und wird einem Physiker von seiner eigenen
Zunft durchaus nicht leicht gemacht. Wieso sollte einer, so die manchmal unverhohlene
Meinung, der bewiesen hat, dass er zu produktiven Leistungen in einer exakten Wissen-
schaft fähig ist, sich an eine ‘weiche’ Wissenschaft wie die Philosophie – und sei es auch die
Wissenschaftsphilosophie – ‘verschwenden’ ? In einer Rezension (Physikalische Zeitschrift
44, 1943) zur Erstauflage des “Weltbildes” drückte es der bedeutende mathematische Phy-
siker Arnold Sommerfeld so aus: “Wenn wir auch aus der Feder des Verfassers lieber eine
2. Auflage seines Buches über die Kernphysik oder eine Zusammenfassung seiner Studien
über Kosmologie zur Besprechung erhalten hätten, so begrüßen wir doch auch diese natur-
philosophische Bekenntnisschrift, die durchweg originell und wohl durchdacht ist.” Halten
wir uns von nun an an den letzten Relativsatz!
    In der Tat zeigt sich in den in diesem Buch versammelten Aufsätzen die Ausnahmestel-
lung Weizsäckers als einem der ganz wenigen Denker im 20. Jahrhundert, die kompetent
einen universellen Bogen von der Naturwissenschaft zur historischen und systematischen
Philosophie und Religion zu schlagen in der Lage sind. Die Qualitäten dieser Universalge-
lehrsamkeit finden sich vornehmlich in denjenigen Aufsätzen, die das Wissen der Physik
in Beziehung setzen mit der Religion (“Naturgesetz und Theodizee” und “Säkularisierung
und Naturwissenschaft”) oder etwa dem Denken Heideggers. Nun hat der Autor eigens
der 7. Auflage ein Nachwort hinzugefügt, das einen Wegweiser durch die verschiedenen
Themen darstellt, so dass dies hier nicht wiederholt werden muss. Statt dessen mag man
heute mit beinahe 60 Jahren Abstand zur Erstauflage fragen, was denn der Ertrag eines
solchen Klassikers für den modernen Leser sein kann. Zu diesem Zweck wird man etwas
spezieller auf die zentralen Beiträge des Bandes mit der Frage eingehen müssen, welche
der in Weizsäckers späteren physik-philosophischen Arbeiten entscheidenden Motive hier
schon angelegt sind. Wie sich dabei zeigt, ist tatsächlich schon der gesamte Entwurf seiner
späteren Arbeiten im “Weltbild” anzutreffen.
    Eine erste Aufmerksamkeit gilt dem Aufsatz “Das Verhältnis der Quantenmecha-
nik zur Philosophie Kants”. Zunächst zeigt sich hier der ‘Kopenhagener’ Hintergrund
Weizsäckers in Deutungsfragen der Quantenmechanik, also die inhaltliche Nähe zu den
Auffassungen Bohrs und Heisenbergs – speziell verdichtet in der These, dass der Ausgang
von Messungen in Begriffen der klassischen Physik kommunikabel sein muss. Anderer-
seits formuliert Weizsäcker kantische Gedanken in einer Weise neu, für die er Originalität
beanspruchen kann: Mit Kant übernimmt er – noch deutlicher in späteren Arbeiten –
den Ansatz, die fundamentalen Naturgesetze auf Bedingungen der Möglichkeit a priori
gründen zu wollen, ohne aber am Dogmatismus der Lehre apriorischer Erkenntnisformen
festzuhalten. Unterstellt man, was schon damals unterstellt werden konnte, und was nach
unserer heutigen Kenntnis des phantastischen experimentellen und technisch-praktischen
Erfolgs der Quantentheorie gewissermaßen unterstellt werden muss, dass nämlich die
Quantentheorie in ihren wenigen, abstrakt formulierbaren Grundgesetzen die zentrale Fun-
damentaltheorie der Physik darstellt, so erhebt sich die Frage, wieso sie dann andererseits
nicht leistungsfähig genug ist, auch ihre eigenen Messungen vollständig zu beschreiben;
denn technisch gesprochen kennt die Quantentheorie keine definiten Objektzustände –
von einem Messgerät muss man aber erwarten, sich nach der Messung in einem defini-
ten Zeigerzustand zu befinden. Dies so genannte Messproblem gehört bis heute zu den
konzeptionellen Kernproblemen der Quantentheorie.
    Der Kopenhagener Interpretation wird in diesem Zusammenhang häufig die Vorhal-
tung gemacht, das Messproblem unter ontologischer Inanspruchnahme der klassischen
Physik lösen zu wollen, d.h. die Welt willkürlich in den Seinsbereich der Quantensysteme
und der klassischen Messapparate zu trennen (wobei zudem die Grenze zwischen beiden
undefinierbar ist). Mag dies etwa für Bohrs Position zutreffend gewesen sein, so macht
Weizsäcker deutlich, dass er die klassische Physik nur als ein “methodisches Apriori” zur
Quantenmechanik auffassen möchte, dass aber das inhaltliche – und damit eben auch das
ontologische – Verhältnis gerade umgekehrt ist. “In diesem spezifischen Sinn erklärt also
die Erkenntnis a posteriori nachträglich erst, was in der Erkenntnis a priori schon voraus-
gesetzt war. Es ist ein Fehler vieler erkenntnistheoretischer Ansätze, diesen fruchtbaren
Zirkel aller Erkenntnis nicht beachtet zu haben” (S. 111). Es ist eben dieser Erkenntniszir-
kel, der zu einem Leitmotiv Weizsäckerschen Denkens geworden ist, und den er später als
Philosophieren im ‘Kreisgang’ bezeichnet. In pointierter Form, wie etwa auch im Nach-
wort des vorliegenden Bandes, drückt Weizsäcker den Gedanken oft so aus: “Die Natur
ist älter als der Mensch, aber der Mensch ist älter als die Naturwissenschaft” (S. 369).
Der Kreisgang ist der Versuch, die Beschreibung der Welt und des Menschen als Objekte
empirischer Wissenschaft in Einklang zu bringen mit der transzendentalphilosophischen
Reflexion auf die methodischen Vorbedingungen der Möglichkeit dieses Unternehmens.
    Überdeutlich ist, dass Weizsäckers Position keinen Positivismus darstellt, wie er der
Kopenhagener Deutung gelegentlich – dann aber naiverweise – unterstellt wird. Auch der
dogmatische Empirismus im Sinne des für die Wissenschaftstheorie im 20. Jahrhundert
prägenden Wiener Kreises greift zu kurz, da er einen mit der Quantentheorie unvereinba-
ren metaphysischen Realismus impliziert. Weizsäcker konnte noch in den vierziger Jahren
zu Recht hervorheben, dass die empiristische Wissenschaftstheorie sich zwar am Ideal der
Naturwissenschaften zu orientieren suchte, aber deren größte Entdeckung, die Quanten-
theorie, nicht in den Blick nahm. Dies änderte sich erst ab den fünfziger Jahren, und seit
dieser Zeit entwickelte die analytische Wissenschaftsphilosophie auch aus sich heraus Kri-
tik am allzu naiven Realismus des Wiener Kreises – vor allem durch die Arbeiten Quines
und seiner Schüler. Hilary Putnam vertritt heute die Position eines ‘internen Realismus’,
der ebenfalls Anleihen bei Kant macht, ohne in dogmatischen Kantianismus zu verfallen.
Wir sehen aber, dass Weizsäcker genau diesen Pfad schon sehr viel früher betreten hat.
     Ein zweites Augenmerk sei auf den Aufsatz “Kontinuität und Möglichkeit” gelenkt,
eine Studie, wie es im Untertitel heisst, “über die Beziehung zwischen den Gegenständen
der Mathematik und der Physik”. Der hier gesondert in Rede stehende Gegenstand der
Betrachtung ist das Kontinuum. Bestehen bereits innerhalb der (Meta-) Mathematik
Einwände gegen die Cantorsche transfinite Mengenlehre und den Begriff des aktual Unend-
lichen, so hebt Weizsäcker hervor, dass dessen Anwendung auf die vermeintlichen Kontinua
der Physik, vor allem Raum und Zeit, mit der Quantentheorie in Strenge nicht vereinbar
ist. Für die Physik sollte man vielleicht gerade umgekehrt versuchen, die ihr eigene Mathe-
matik auf die Grundannahmen der Quantentheorie zu gründen. Dabei wird der Begriff der
Elementarlänge (heute üblicherweise definiert über die Planckskala) eine zentrale Rolle
spielen, ohne dass naiv das klassische Kontinuum durch ein ebenso klassisches Diskretum
zu ersetzen wäre. Moderne Programme zur Quantisierung der Raumzeit greifen hier an
(besonders zu nennen ist in diesem Zusammenhang vielleicht die nicht-kommutative Geo-
metrie nach Alain Connes). Weizsäckers eigener Entwurf einer Quantengeometrie findet
in diesem Aufsatz von 1951 einen programmatischen Vorlauf, der zentrale Schritt sollte
aber noch folgen.
    Der Aufsatz “Komplementarität und Logik” von 1955 ist einer der wichtigsten
Aufsätze Weizsäckers – sein Eintritt in ein eigenes Begründungsprogramm der Physik.
Der Titel ist aus späterer Sicht verwirrend, da Weizsäcker noch sehr stark vom Kom-
plementaritätsgedanken Bohrs ausgeht, dem er im Zusammenspiel mit der Birkhoff-von
Neumannschen Entdeckung von 1936, dass nämlich der Quantentheorie mathematisch die
Struktur einer nicht-klassischen Logik unterliegt, eine neue Wendung geben wollte. Die
klassische Logik ist demnach die Metasprache – und insofern eine methodisches Apriori
– der Quantenlogik (Weizsäcker spricht noch von Komplementaritätslogik) als Objekt-
sprache im Tarskischen Sinne. Gleichwohl enthält die Quantenlogik die klassische Logik
als einen Grenzfall. Weizsäcker wird an diesem Gedanken später festhalten, ihn aber un-
ter Berufung auf den fundamentalen Unterschied von – klassisch zu beschreibender –
Vergangenheit und – quantentheoretisch zu beschreibender – Zukunft als zeitliche Logik
weiterzuentwickeln versuchen.
    Der entscheidende Gedanke von “Komplementarität und Logik” findet sich im ach-
ten Abschnitt des Textes. Der Gesichtspunkt der Logik bringt Weizsäcker dazu, das lo-
gisch einfachste Objekt, eine binäre Alternative, zu betrachten. Deren Quantentheorie
entspricht rein mathematisch einer “... Mannigfaltigkeit von Zuständen, die der der Punk-
te im dreidimensionalen Raum zugeordnet werden kann” (S. 323). Und dann folgt die
kühne These: “Ich möchte vermuten, daß die mathematischen Eigenschaften des wirk-
lichen Raumes auf diese Weise aus der Komplementaritätslogik folgen.” Technisch ge-
sprochen wird hier der mathematisch tiefliegende Zusammenhang zwischen Spinoren und
Tensoren ausgenutzt, um die Struktur des Raumes aus der Spinstruktur abzuleiten. In
zwei Folgearbeiten gleichen Titels (Zeitschrift für Naturforschung 13a, 1958, 245-253 und
705-721, letztere Arbeit gemeinsam mit Erhard Scheibe and Georg Süßmann) kann der
Gedanke mathematisch weiter ausgebaut werden. Die Spinorgruppe SL(2,C) wird nun di-
rekt als homogene Lorentzgruppe interpretiert, und somit eine Begründung der speziellen
Relativitätstheorie aus der Quantentheorie binärer Alternativen versucht.
    Seit der Arbeit über “Komplementarität und Logik” steht der Ausbau des dort gefas-
sten Grundgedankens – die Begründung nicht nur der Relativitätstheorie, sondern der ge-
samten Physik aus der Quantentheorie binärer Alternativen – im Zentrum des Weizsäcker-
schen Lebenswerks. Das sachliche Argument für diesen Ansatz lautet, dass, insofern die
physikalische Beschreibung der Welt auf binäre Alternativen zurückgeführt werden kann
(wobei es logisch trivial ist, dass dies grundsätzlich immer möglich ist), die Quantentheorie
essentiell die Darstellung in einem dreidimensionalen Raum erlaubt. Dies lässt sich bei-
nahe a priori herleiten, und es ist dann als reiner Konsistenzabgleich anzusehen, dass die
physikalische Welt auch in empirischer Hinsicht räumlich dreidimensional gegeben ist. Die
Ausdehnung dieser Grundsatzüberlegungen auf die Raumzeit, auf Teilchenbeschreibungen
und deren Anzahlabschätzungen und einiges mehr ist in den beiden späteren zentralen
Buchveröffentlichungen Weizsäckers über Grundlagen der Physik, “Die Einheit der Natur”
(1971) und “Aufbau der Physik” (1985), dargestellt. Die binären Quantenalternativen als
Elementarbausteine seines Ansatzes nennt er seither “Ur-Alternativen”, ein Ausdruck,
der bereits im letzten Aufsatz dieses Bandes, “Gestaltkreis und Komplementarität”, auf-
taucht. Das gesamte Programm trägt dann den Namen “Ur-Theorie”. Ur-Alternativen,
oder kurz Ure, können in moderner Sprechweise als Quantenbits angesehen werden, die
Weizsäckersche Physik ist demnach eine fundamental orientierte Quantentheorie der In-
formation.
    Obwohl in der mathematischen Weiterentwicklung der Ur-Theorie interessante Erfol-
ge erzielt werden konnten, leidet das Programm bis heute an technischen Mängeln, und
es fehlt an einer überzeugenden, empirisch überprüfbaren Vorhersage, die durch ande-
re Programme oder das Standardmodell nicht vorgenommen werden kann. Gleichwohl
ist es bemerkenswert, dass Weizsäcker mit der Verknüpfung von Spinormathematik und
Raumzeit-Physik bereits in den fünfziger Jahren einen Zusammenhang herausgearbeitet
hat, der heute in einer ganzen Reihe von avancierten Quantengravitations-Programmen
von Bedeutung ist. Vielleicht liegt die Stärke des Ansatzes eher in seinem begrifflichen
Abstraktionsgrad, innerhalb dessen sich Grundlagenprobleme der modernen Philsophie
der Physik angemessen – und nicht bloß vereinfachend angepasst – studieren lassen. Ei-
ne ganz besondere philosophische Option des Ansatzes – und gewiss charakteristisch für
Weizsäckers universale Perspektive – ist die folgende ontologische Überlegung zur, modern
gesprochen, Philosophie des Geistes, die in “Gestaltkreis und Komplementarität” so for-
muliert ist: “Es eröffnet sich die Aussicht auf die Möglichkeit, daß alle Gesetze der Physik
Konsequenzen eines einfachen logisch-ontologischen Grundansatzes wären, den wir selbst
vorerst nur auf Grund empirischer Hinweise teilweise erraten haben. Die Antwort auf
die Frage: warum genügt die Materie der Physik? wäre dann: weil sie der Logik genügt.
Umgekehrt wäre man versucht zu sagen: wenn es wahre Aussagen über die Seele gibt, die
der Logik genügen, so wird man erwarten, daß die Seele ebensoweit der Physik genügt,
also sich als Körper zeigt” (S. 363). Weizsäckers Entwurf beinhaltet also einen einzigarti-
gen Monismus, der den Leib-Seele- oder modern Gehirn-Geist-Dualismus auf eine einzige
Grundgröße, nämlich Information – welche sich dann notwendig im Raum bzw. der Raum-
zeit konstituiert –, zurückzubeziehen sucht!
    Die vorliegende 14. Neuauflage des Klassikers “Zum Weltbild der Physik” wird sicher
von all denen willkommen geheißen, deren Interesse an den Grundlagen der Physik histo-
risch orientiert ist. Aber auch Neueinsteiger können die hier versammelten Texte aufgrund
ihrer Ursprünglichkeit und Unbeladenheit als idealen Lesestoff ansehen. Hier findet sich
das Werk Carl Friedrich von Weizsäckers, der in diesem Jahr seinen 90. Geburtstag feiern
durfte, noch in seinen Anfängen und doch schon mit all seinen entscheidenden Motiven
vor. Und da man einem Wissenschaftler kein größeres Geschenk machen kann, als seinem
Werk Aufmerksamkeit und Anerkennung zu zollen, wünsche ich dem Jubilar von Herzen
eine nach wie vor begeisterte Leserschaft.

   Bonn, im August 2002                                                   Holger Lyre
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