Zündstoff - PAN - Lost in Neverland UA - Theaterpädagogisches Material zum Aufhorchen, Anpacken, Abschweifen
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Zündstoff. Theaterpädagogisches Material zum Aufhorchen, Anpacken, Abschweifen PAN - Lost in Neverland UA von Julia Fischer ~ Mitarbeit Matthias Köhler Schauspiel ~ Studiobühne 12+ Theaterpädagogisches Begleitmaterial kinder- und jugendtheater dresden PAN – Lost in Neverland UA theatre for children and young audiences
Auf die Plätze – Zündstoff – los! Ein Theaterbesuch – egal ob im Klassenverbund, als Familie oder mit Freund*innen – schafft Begegnungen und regt zum gemeinsamen Austausch über das Erlebte an: Wir möchten Sie und Euch mit diesem Material dazu einladen, sich aufhorchend einen ersten Impuls zur Inszenierung zu holen, sich anpackend in direkte thematische Auseinandersetzungen zu stürzen oder sich abschweifend zu theoretischen Exkursen verführen zu lassen. Aufhorchen Anpacken Abschweifen Wir wünschen Ihnen und Euch eine gute Lektüre, erfrischende Gespräche und einen anregenden Theaterbesuch. Das Team der tjg.-Theaterakademie #tjgtheaterakademie Theaterpädagogisches Begleitmaterial PAN – Lost in Neverland UA
Das Schlimmste an meiner Kindheit war, dass ich wusste, es würde einmal die Zeit kommen, da ich das Spielen aufgeben musste, und wie das gehen sollte, war mir schleierhaft (dieses Entsetzen sucht mich noch immer in meinen Träumen heim, wenn ich mich selbst dabei ertappe, wie ich mit Murmeln spiele, und es mit kaltem Misstrauen betrachte); ich begriff, dass ich heimlich würde weiterspielen müssen. Mathew Barrie kinder- und jugendtheater dresden theatre for children and young audiences
Zur Inszenierung Sehr viele Menschen wünschen sich einen Ort, an dem sie frei sind von allen Ver- pflichtungen, von Alltagsroutinen und Erwartungen, die an sie gestellt werden. Für den Autor Mathew Barrie lag dieser Ort in der Kindheit. In seinem 1911 veröffentli- chen Kinderbuch „Peter Pan“ fand diese Sehnsucht ihren Ausdruck. Er schuf mit dem gleichnamigen Protagonisten eine Figur, die beschlossen hat, niemals erwachsen zu werden. Doch diese Entscheidung hat ihren Preis: Sie macht einsam. Deshalb scharrt Peter Pan Kinder um sich, die seine Erfahrungen, seinen Drang nach Vergnügen und Abenteuer teilen. Die Stückvorlage der Inszenierung Pan - Lost in Neverland UA ist eine freie Bearbeitung des Stoffes. Die Autorin Julia Fischer und Regisseur Matthi- as Köhler haben keine neue Interpretation des Kinderbuchs erarbeitet, sondern für ihre Bearbeitung einzelne Motive aufgegriffen. Auch sind es in ihrem Text keine Kinder, die Pan in sein Neverland einlädt. Es sind Jugendliche, die sich nicht mehr im sicheren Gerüst ihrer Kindheit bewegen und dem Alltag nicht mehr mit kindlicher Unbefangenheit begegnen. Sie alle haben Probleme, sie sind verunsichert und auf der Suche danach, wer sie sind bzw. sein können. Dabei geben ihnen auch ihre Eltern keinen Halt. Das Leben an der Schwelle zum Erwachsenwerden ist anstrengend und überfordernd. Die Einladung Pans an die Jugendlichen, im Neverland zu bleiben und für eine Weile ihrem Alltag zu entfliehen, entspricht insofern ihrem unausgespro- chenen Bedürfnis nach Rückzug. Die jugendlichen Figuren sind in der Inszenierung nicht als psychologisch ausformu- lierte Charaktere, sondern eher als Vertreter*innen für Probleme wie z.B. Mobbing, Leistungsdruck, Körpergefühl, Elternkonflikte und Anpassungsdruck geschrieben. Die Konflikte werden dabei assoziativ als Erinnerungsfetzen in die Handlung einge- woben, bleiben aber für die jungen Zuschauer*innen lesbar, weil sie stark an deren Lebenswirklichkeit anschließen. Gerade das Gefühl von Einsamkeit und Isolation entspricht den Erfahrungen vieler Jugendlicher in und nach der Pandemie. Neben diesen inhaltlichen Anknüpfungspunkten zielt die Inszenierung auch forma- lästhetisch auf die Lebenswelt der jugendlichen Zuschauer*innen. Neben popkul- turellen Referenzen im Soundkonzept und TikTok-Anleihen liegt die Attraktivität von Neverland vor allem in der Optik des Bühnenraums, der die Verführungskraft der Oberfläche ins Zentrum stellt. Durch ein System glänzender Vorhänge können geheime Räume und überraschende Atmosphären geschaffen werden. Es entsteht ein Raum voller Künstlichkeit, ein glänzendes Paradies, dessen Grenzen für die Zuschauer*innen aber immer sichtbar bleiben. Neverland ist also auch im Kunstraum des Theaters keine wirkliche Alternative zur realen Welt, sondern nur ein temporärer Rückzugsort. #tjgpan Theaterpädagogisches Begleitmaterial PAN – Lost in Neverland UA
Fragen für davor, danach und mittendrin Welche Figuren treten in der Inszenierung auf? Was weißt Du über sie? Mit welchen Erfahrungen kommen die Jugendlichen im Neverland an und mit welchen Erfahrungen verlassen sie es wieder? Wer ist Pan und was will er von ihnen? Wie hast Du Dir das Neverland vorgestellt? Wie wird es in der Inszenierung PAN dargestellt? An welche verschiedenen Musik- und Soundstücke erinnerst Du Dich noch? Kanntest Du einige davon bereits? Was passiert mit den Jugendlichen im Laufe der Inszenierung? Was verändert sich? Was würdest Du machen, wenn Du fliegen könntest? An welche Regeln im Neverland kannst Du Dich noch erinnern? Welche davon würdest Du abschaffen? Welche findest Du grundsätzlich sinn- voll? Welche Erinnerungen würdest Du niemals vergessen wollen? Und welche Erinnerungen würdest Du liebend gerne PAN überlassen? Würdest Du all Deine Erinnerungen für Neverland hergeben? Mit welcher Figur aus der Inszenierung fühlst Du Dich am meisten verbunden? Was passiert am Ende der Inszenierung? Wie würdest Du das Geschehen interpretieren? Was ist Deiner Meinung nach mit den anderen Kindern, von denen Pan spricht, passiert? Was macht Dich am aller-, allerglücklichsten? Wahrheit oder Pflicht? kinder- und jugendtheater dresden theatre for children and young audiences
Pflic Erzähle etw Fantasiesp as in einer rache! fie, ht gra C h oreo ok- ! n e TikT einfällt e e i a n Zeig ir spont D die Tu so, als könntest Du fliegen! n Lehrer*in! Imitiere eine* er Stelle je d e m aus Dein Di einem ch mit Dei Mach e ent! Grupp ner G e e in Komplim enfot ruppe Grupp o zus zu amm en Tausche m it jemande Umkreise alle aus Deiner Gruppe Gruppe ein n aus der Kleidungss einmal so schnell Du kannst! tück! noch nie nem t w a s , was Du egeln zu Dei Erzähle e ast! Erkläre die R nnst! z u v o r erzählt h g ss p ie l so schnell Du ka jemande n Lieblin Spiele de n Song, Dein Ha zum Beis ndy, den piel über gehört h Du als le Tu so, als würdest Du lau ast ab od t z tes t schreien! laut vor! er singe ihn Theaterpädagogisches Begleitmaterial PAN – Lost in Neverland UA
Wahrheit oder Pflicht? Übung für Großgruppen Art Vor- und Nachbereitung Dauer 45 Minuten Anforderungen Platz im Raum, eine Bühnenfläche, Schere, Stifte, Stoppuhr, Klebeband oder Kreide Ziel die eigenen Grenzen auf der Bühne austesten, (biografische) Erzählmöglichkeiten ausprobieren Um sich die Zeit im Neverland zu vertreiben, spielen Lizzie, Maja, Aaron, Elif und Josua „Wahrheit oder Pflicht“. Habt Ihr dieses Spiel schon einmal gespielt? Solche Spiele eigenen sich auch sehr gut, um eigene Theaterszenen zu entwickeln und (biografische) Geschichten auf einer Bühne zu erzählen. Vorbereitung: Teilt Euch dazu in Kleingruppen von jeweils fünf bis sechs Leuten ein. Immer eine Gruppe ist nun auf Eurer Bühne aktiv, die anderen bilden das Publi- kum. Schneidet die Wahrheit- und Pflichtzettel auf der nächsten Seite aus. Gerne könnt Ihr noch eigene Ideen ergänzen. Dabei solltet Ihr jedoch keine Fragen oder Aufgaben stellen, mit denen sich Mitglieder Eurer Gruppe unwohl fühlen könnten. Legt dann alle Zettel auf der Bühnenfläche verteilt aus. Markiert außerdem am vorderen Rand Eurer Bühne mit Kreide oder Klebestreifen zwei Kreuze auf dem Boden. Ablauf: Stellt Eure Stoppuhr auf 5min. Sobald die Zeit läuft, können alle Gruppen- mitglieder die Zettel aufheben und anschauen. Die Aufgabe der Gruppe besteht nun darin, auf eines der Kreuze zu gehen, um dort jeweils eine Aufgabe zu erfüllen. Wichtig ist dabei, dass die Aufgaben nicht laut vorgelesen werden. Achtet außer- dem darauf, dass Ihr die Wahrheitsaufgaben immer mit einem längeren Satz, statt nur mit einem kurzen Ja oder Nein beantwortet. Wenn Dinge hierbei parallel pas- sieren, ist das nicht schlimm, sondern – im Gegenteil – vielleicht sogar interessant für die Zuschauer*innen. Ziel der Gruppe ist es, in der angegebenen Zeit, möglichst viele der Aufgaben zu erledigen. Wenn alle Gruppen an der Reihe waren, kommt zu einer gemeinsamen Auswer- tung zusammen. Was habt Ihr beobachtet? Welche Aktionen haben sich gegensei- tig gut ergänzt? Was habt Ihr über die Menschen auf der Bühne erfahren? Erinnert Ihr Euch noch, was Ihr über die Figuren der Inszenierung durch das Spiel erfahren konntet? kinder- und jugendtheater dresden theatre for children and young audiences
olz? Hast Du schon mal ers st sond Du be etwas gestohlen? ber bist Worü Würde Was macht Dich am glücklichsten? st Du li Wahrh eber fü eit sag r imme lügen? e n oder r die für imm er Welches Tie r wärst Du g ern? n? Was willst Du mal werde Welche Erinnerung willst Sc hule hon mal die Du niemals vergessen? Hast Du sc zt? geschwän Wie sähe Dein Was is Neverland aus? tD Ziel im ein wichtig Leben stes ? test, iegen könn Wenn Du fl st Du tun? Wa was würde hr Wenn D u wüsst auf der est, das hei Erde mo s das Le was wü rgen end ben rdest Du en würd tun? e, Theaterpädagogisches Begleitmaterial PAN – Lost in Neverland UA t
Erinnerungs-Salat Übung für Großgruppen Art Vor- und Nachbereitung Dauer 90 Minuten Anforderungen Platz im Raum, eine Bühnenfläche Ziel Erinnerungen auf die Bühne bringen, verschiedene Erzähl-Modi ausprobieren Nach und nach verlieren die Jugendlichen im Neverland Ihre Erinnerungen an ihr vorheriges Leben. Könnt Ihr Euch noch daran erinnern, wie genau dieser Erinne- rungsverlust passiert ist? Erinnungen und die Erzählungen darüber sind ein häufiges Mittel auf Theaterbüh- nen, vor allen Dingen, wenn es darum geht, etwas über die Spieler*innen oder die Figuren zu erfahren. Eine von vielen Möglichkeiten, auf einer Bühne Erinnerungen zu inszenieren, möchten wir Euch in der folgenden Übung vorstellen. Theater kann dabei auch immer mit fiktiven Elementen spielen – nicht alles, was Ihr auf einer Bühne erzählt, muss 100% der Wahrheit entsprechen. Dazu bildet Ihr wieder Kleingruppen von ca. 3 bis 5 Personen pro Gruppe. Erzählt Euch im ersten Schritt erst einmal reihum von jeweils einer Erinnerung, die Euch als erstes in den Sinn kommt oder die Euch besonders wichtig ist. Wenn Ihr ver- schiedene Erinnerungen gesammelt habt, dann einigt Euch in der Gruppe auf eine Eurer Erinnerungen, mit der Ihr in der folgenden Übung auf der Bühne beginnen wollt. Sobald Ihr Euch entschieden habt, bereitet Euch auf folgende zwei Modi vor: Modus 1: Eine Person erzählt die Erinnerung aus der Ich-Perspektive nach. Dabei muss es sich nicht zwangsläufig um die Person handeln, die die Erinnerung auch wirklich erlebt hat. Versucht jedoch, so viele Details wie möglich in Eure Erzählung einzubauen, damit es glaubwürdig rüberkommt. Modus 2: Spielt die Erinnerung nach. Solltet Ihr zu viele Personen sein, könnt Ihr noch neue Charaktere dazu erfinden. kinder- und jugendtheater dresden theatre for children and young audiences
Präsentation: Sobald Ihr Euch auf beide Modi vorbereitet habt, können sich die Gruppen gegenseitig einen Erinnerungs-Salat präsentieren. Dafür kommt eine Gruppe nach vorne auf die markierte Bühnenfläche. Die*Der erste Ich-Erzähler*in stellt sich in die Mitte des Geschehens. Bestimmt nun noch jemanden aus dem Publikum, der*die über den Wechsel der Modi bestimmen kann. Dies geschieht per Klatsch-Zeichen. Sobald Eure Szene beginnt – startet dabei immer im Modus 1 – kann diese Person in die Hände klatschen und Euch damit dazu zwingen, blitz- schnell in den anderen Modus zu springen. Sobald Ihr im Modus 1 seid, müssen alle anderen Beteiligten auf der Bühne einfrieren. Variation: Erinnerungen können sich verändern und werden in manchen Situa- tionen oder aus anderen Perspektiven häufig ganz anders erzählt. Sobald nun zweimal in die Hände geklatscht wird, wechselt nicht nur der Modus, sondern auch die Ich-Erzähler*in. Plötzlich kann zum Beispiel die beste Freundin oder ein Igel aus der eigenen Erinnerungserzählung zur neuen Hauptperson werden und wir hören und sehen, wie sich die Erinnerung dieser Figur entwickelt. Dabei könnt Ihr jederzeit auch mit Erzählungen aus der Gruppe arbeiten, die Euch in Eurer Samm- lung vom Beginn begegnet sind. Applaus bitte!: Die klatschende Person kann auch darüber entscheiden, wann die gesamte Szene beendet ist, indem sie beginnt zu applaudieren. Wenn alle Gruppen einen Erinnerungs-Salat auf der Bühne gezeigt haben, kommt in einer großen Runde zusammen: Wie haben die verschiedenen Modi auf Euch gewirkt? Was hat der Wechsel für Euch bedeutet? Wie haben sich die verschie- denen Ebenen miteinander ergänzt? Was glaubt Ihr, könnte wirklich so passiert sein und welche Erinnerungen waren komplett frei erfunden? Könnt Ihr Euch noch daran erinnern, wie die Erinnerungen der Figuren in PAN - Lost in Neverland UA bauf der Bühne erzählt und gezeigt wurden? Und wie könnte man Erinnerungen auf der Bühne Eurer Meinung nach noch darstellen? Theaterpädagogisches Begleitmaterial PAN – Lost in Neverland UA
land! Welcome to my Never Regel Nummer 1: Regel Nummer 2: Regel Nummer 3: Regel Nummer 4: Regeln Nummer 5: kinder- und jugendtheater dresden theatre for children and young audiences
Welcome to my Neverland! Übung für Klein- und Großgruppen Art Nachbereitung Dauer 20 Minuten Anforderungen Klebestreifen, Schere, Stifte, ggf. auch Lametta oder ähnliches Ziel Eigene Neverland-Regeln aufstellen, sein eigenes Neverland finden Neverland ist ein Ort der Sehnsucht. An diesem Ort sind alle Sorgen klein, alle schlechten Erinnerungen bleiben fern, man streitet nie und man ist einfach nur glücklich. Wie würdet Ihr diesen Ort noch beschreiben? Könnt Ihr Euch noch an die Regeln von Pan erinnern? Wie würde Dein eigenes Neverland aussehen und welche Regeln würden hier gelten? Fülle Deinen eigenen Neverland-Regel-Zettel auf der Rückseite aus und schneide ihn anschließend aus. Überlege Dir nun einen Ort, an den Du Dich gerne zurück- ziehst. Wo fühlst Du Dich besonders sicher? Wo kannst Du besonders gut ent- spannen? Wo kannst Du alle Sorgen und Probleme zumindest für einen Moment vergessen? Schneide das Glitzerpapier auf der nächsten Seite in Streifen! Wahlweise und falls vorhanden kannst Du dafür zum Beispiel auch Lametta oder eigenes Glitzer-Papier verwenden. Klebe den Glitzervorhang zusammen mit Deinem Regelzettel an Dei- nen Neverland-Ort. Dabei ist es ganz egal, ob sich dieser Ort in Deiner Schule, an einem öffentlichen Platz oder bei Dir zu Hause befindet! Hier herrschen nun Deine Regeln! Theaterpädagogisches Begleitmaterial PAN – Lost in Neverland UA
em PAN´s Regeln in sein Neverland: Regel Nummer 1: gt nie! Wer morgen gt, sa sa Regel Nummer 2: d hier Wir sind jetzt un ich! und Du bist glückl Regel Nummer 3: Kein Streit, n ie m als! Regel Nummer 4: icht Der Koffer wird n berührt! er 5: Regeln Nummfl ! Alle werden iegen kinder- und jugendtheater dresden theatre for children and young audiences
Adoleszenz in und nach Corona Von Ulrike Leßmann, Dramaturgin Das Alter zwischen dem 12. und dem 24. Lebensjahr eines Menschen bezeichnet man als Adoleszenz. Es ist die Lebensphase, die durch das Ausloten von Grenzen und das Erkunden neuer und spannender Erfahrungen entscheidend dazu beiträgt, wesentliche Züge der eigenen Individualität zu entwickeln. Innerhalb weniger Jah- re vollziehen sich im Gehirn der Jugendlichen Veränderungen, die bewirken, dass sich ihr Erleben fundamental von demjenigen während der Kindheit unterscheidet. Es ist ein Balanceakt, den Heranwachsende und ihre Umwelt mit Eintritt in die Pubertät vollführen müssen: das Streben nach Unabhängigkeit, das Verlangen nach neuen Erfahrungen und die jugendliche Kreativität so zu managen, dass sich ihr Leben positiv verändert. Die Corona-Pandemie hat dazu geführt, dass alles, was die Jugendphase in Hin- sicht auf Fremd- und Selbstzuschreibung auszeichnet, ihr gemeinhin Attraktivität verleiht und sie als Lebensphase des Aufbruchs bekannt gemacht hat, außer Kraft gesetzt wurde. Die Alltagsrealitäten der Jugendlichen waren geprägt durch Ver- zögerung in einer Lebensphase, in der es ein verstärktes Bedürfnis nach Beschleu- nigung gibt. Begrenzungen galten bzw. gelten in Bereichen, die als Freiräume erobert werden sollten, Spielräume für aktive Gestaltung, in denen experimentiert, Neues ausprobiert und entdeckt werden kann, schwanden. Dort, wo Jugendliche also durch die Erfahrung von Neuem Entwicklungsanregungen bekommen sollten, mussten sie in alten Gewohnheiten und Sozialstrukturen verharren. Die familiäre Bindung, aber auch die elterliche Kontrolle wurden enger. Als Folgen der vergangenen zwei Jahre beschreiben Eltern, Lehrer*innen und Psycholog*innen eine Tendenz zur Weltabgewandtheit und -entfremdung: Die Reduktion von sozialen Kontakten begünstigt Momente, in denen Jugendliche auf sich selbst zurückgeworfen werden. Statt der Sorge um die Welt, für die man vor der Corona-Pandemie durchaus einige Sensibilität diagnostizieren konnte, nicht nur, aber etwa auch im Zuge der „Fridays for Future“-Bewegung, legt die Corona-Pandemie es nahe, dass Bildungsprozesse im Jugendalter deutlicher am eigenen Selbst orientiert sind. Beobachtet werden extreme Rückzugstendenzen, Ängste und ein Anstieg von Depressionen. Theaterpädagogisches Begleitmaterial PAN – Lost in Neverland UA
Besonders betroffen sind Jugendliche in der frühen oder Vorpubertät, also im Alter von 11 bis 14 Jahren. In diesem Alter sind Jugendliche durch die Hirnentwicklung und die veränderten Bindungen besonders verunsichert: Sie verstehen ihre Ge- fühle oftmals selbst nicht, sie wollen selbstständig und autonom sein, ihre Kompe- tenzen hierfür sind jedoch noch nicht ausgereift. Deshalb brauchen sie besonders dringend den Kontakt zu Freunden zur Stabilisierung ihrer Identität. Der Kontakt mit Gleichaltrigen bietet Orientierung und unterstützt den Abnabelungsprozess von den Eltern, weil sie dabei Sozialverhalten erproben können. Die über 15-Jäh- rigen dagegen sind bereits untereinander gut vernetzt und haben sich miteinander besser über die Zeit gebracht. Zum einen, weil es für sie offensichtlich nicht so ent- scheidend war, sich persönlich zu begegnen, da sie schon zuvor ihre Beziehungen online pflegten. Zum anderen haben sie wohl auch eigene Wege gefunden, sich ohne das Wissen der Erwachsenen zu treffen.° LOST: 2020 wurde „lost“ das Jugendwortes des Jahres: „Lost“ wird aus dem Englischen in der Regel mit „verloren“ übersetzt. In der Jugendsprache steht der Begriff aber für „ahnungslos“, „unsicher“ oder „unentschlossen“. Jemand, der „lost“ ist, gilt als orientierungslos und unwissend, mies drauf oder „hat einfach keinen Plan, was eigentlich gerade abgeht“. In diesem Zusammenhang wird von einer neuen „Lost Generation“ gesprochen werden. Einst galt jene junge Generation nach dem Ersten Weltkrieg als „verloren“. Die aktuell heranwachsende Jugend beschreibt sich zum Teil als ähnlich pessimistisch und unschlüssig in die Zukunft blickend aufgrund der politischen Konflikte in der Welt, des Klimawandels und der Corona-Pandemie. °Quellen: Parvin Sadigh: Wir sorgen uns um Jugendliche in der frühen Pubertät; www.zeit.de/gesellschaft/fami- lie/2020-07/kinder-corona-krise-psychische-folgen-entwicklungspsychologie/komplettansicht (zuletzt aufgerufen am Do 22. Sep 2022, 20:30 Uhr) Stellungnahme der Leopoldina - Nationale Akademie der Wissenschaft: Kinder und Jugendliche in der Coronavi- rus-Pandemie: psychosozi ale und edukative Herausforderungen und Chancen; www.leopoldina.org/uploads/tx_leo- publication/2021_Corona_Kinder_und_Jugendliche.pdf (zuletzt aufgerufen am Do 22. Sep 2022, 20:43) kinder- und jugendtheater dresden theatre for children and young audiences
Neverland als Sehnsuchtsort oder Refugium auf Zeit Von Ulrike Leßmann, Dramaturgin Als Pan Lizzie, Aaron, Elif, Maja und Josua anbietet, bei ihm in Neverland zu blei- ben, kling das fast zu gut, um wahr zu sein: Neverland ist ein Ort, an dem es keine Verpflichtungen gibt außer der, glücklich zu sein. Ein Ort, an dem keine Arbeit geleistet werden muss, an dem keine Aufgaben erledigt, keine Pläne gemacht oder Zukunftsvorstellungen entwickelt werden müssen. Neverland ist ein Ort, an dem sogar die Gesetzmäßigkeiten von Schwerkraft und Zeit außer Kraft gesetzt sind. Pan bietet den Jugendlichen einen Raum außerhalb ihrer Gewohnheiten, Verhal- tensmuster, Alltagsroutinen und Probleme. Das Bedürfnis, sich vor der Wirklichkeit und den realen Anforderungen des Le- bens in eine imaginierte Scheinwirklichkeit zurückzuziehen wird als Eskapismus bezeichnet. Oftmals wird diese Neigung defizitär als eine Charakterschwäche beschrieben: Eskapist*innen gönnen sich eine Auszeit, weil sie ihre Situation nicht mehr auszuhalten glauben. Mit den Anforderungen der Leistungsgesellschaft lässt sich Eskapismus in diesem Verständnis schlecht vereinbaren. Diese Zuschrei- bung lässt außer Acht, dass fast nie der ewige Rausch oder unendliche Urlaub angestrebt werden. Der Fluchtraum erscheint vielmehr nicht als Sehnsuchtsort, sondern als ein Refugium. Im Refugium wird eine Auszeit genommen. Von dort aus kann eine Neuorientierung erfolgen. Gerade bei Jugendlichen, die sich im Übergang von Kindheit zum Erwachsenenalter befinden, der mit zunehmender Autonomie und sich verschärfendem Anpassungsdruck verbunden ist, ist das Bedürfnis nach zeitlich begrenztem Rückzug aus der Realität oft besonders ausge- prägt. Dieser„Jugendeskapismus“ ist weniger Realitätsflucht als Moratorium, um die anstehenden Entwicklungsaufgaben bewältigen zu können, und wird von der Gesellschaft sehr unterschiedlich bewertet: Einerseits wird er durchaus toleriert, solange es sich um eine Phase handelt. Es hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Jugendliche freie, unverplante Zeit brauchen, dass von ihnen nicht die gleiche Zielstrebigkeit und Zuverlässigkeit erwartet werden kann wie von Erwachsenen. Andererseits wird ihnen oft Vergnügungs- und Zerstreuungssucht vorgewor- fen. Nicht nur wenn jugendlicher Eskapismus ein als normal angesehenes Maß überschreitet (z.B. bei selbstschädigendem Verhalten), sondern auch wenn junge Menschen offensichtlich Entwicklungsaufgaben nicht angehen oder dafür viel Theaterpädagogisches Begleitmaterial PAN – Lost in Neverland UA
Zeit benötigen, greifen Sanktionsmechanismen. Eskapistisches Verhalten wird dann zur Legitimation für das Eingreifen in Bereiche, die von jungen Menschen eigentlich autonom gestaltet werden sollten. Und wenn einer ganzen Generation eskapistisches Verhalten unterstellt und vorgeworfen wird, ist dies meist der von konservativ kulturkritischem Denken bestimmte Versuch, die bisherigen gesell- schaftlichen Verhältnisse zu stabilisieren. In den meisten Fällen haben Jugendliche ohnehin eine sehr klare Vorstellung davon, in welchem Verhältnis sich Lebensrealität und Auszeit zueinander befin- den und wo sie die Grenzen ziehen. So stellt schließlich auch Elif in Pan - Lost in Neverland fest: „Das ist nicht unser zu Hause. Wir gehören hier nicht hin, hier ist nichts echt.“° °Quellen: Tobias Wenzel: Weltflucht ist nicht gleich Weltflucht Theoretische Grundlagen des Eskapismus - Weltflucht ist nicht gleich Weltflucht | deutschlandfunkkultur.de (zuletzt aufgerufen am Fr 23. Sep 2023 11:09) Oliver Dimmrich: Juvenilität als Eskapismus; Kostenlos nach Anmeldung abzurufen unter www.reaserchgate.net (zuletzt aufgerufen am Fr 23. Sep 2023 11:12) kinder- und jugendtheater dresden theatre for children and young audiences
Impressum tjg. theater junge generation Kraftwerk Mitte 1 01067 Dresden T 0351. 3 20 42 777 service@tjg-dresden.de tig-dresden.de Spielzeit 2022 2023 Intendantin Felicitas Loewe Redaktion Sophia Keil, Ulrike Leßmann Anfragen Sophia Keil Theaterpädagogin T 0351. 3 20 42 502 sophia.keil@tjg-dresden.de Das Fotografieren sowie Film- und Tonaufnahmen während der Vorstellung sind nicht gestattet. Digitale Kontakte facebook.com/tjg.theaterjungegeneration tjg_dresden tjg.theater junge generation Dresden #tjgdresden Theaterpädagogisches Begleitmaterial kinder- und jugendtheater dresden PAN – Lost in Neverland UA theatre for children and young audiences
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