Zusatznutzen Berg? Argumente für den Konsum von Bergprodukten Mountains as added benefit? Arguments for choosing mountain food products

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Agrarwirtschaft 58 (2009), Heft 2

Zusatznutzen Berg?
Argumente für den Konsum von Bergprodukten
Mountains as added benefit? Arguments for choosing
mountain food products
Anja Matscher und Markus Schermer
Universität Innsbruck, Österreich

Zusammenfassung                                                        Flächen, den Einsatz von Maschinen, während klimatische
                                                                       Bedingungen (kürzere Vegetationsdauer, extreme Witte-
Die reichhaltige Angebotspalette im Lebensmittelhandel führt dazu,     rungsverhältnisse) und geringere Bodenbonität zu niedrige-
dass sich die Lebensmittelbranche zunehmend mit Produktdifferen-
                                                                       ren Erträge führen (GROIER und HOVORKA, 2007: 31). Die
zierung beschäftigt. In diesem Zusammenhang kommt dem (emoti-
onalen) Zusatznutzen, der über unterschiedlichste Produkteigen-        Empfehlung seitens der landwirtschaftlichen und politischen
schaften vermittelt werden kann, eine wichtige Bedeutung zu. Der       Interessensvertretung an die LandwirtInnen lautet daher,
vorliegende Beitrag geht der Frage nach, inwieweit die Herkunft aus    über die Herstellung und die Vermarktung von Qualitäts-
dem Berggebiet für KonsumentInnen einen derartigen Zusatznutzen        produkten ihr Einkommen abzusichern (DAX und WIESINGER,
darstellt und welche Argumente KonsumentInnen für den Konsum           2007: 13; GROIER, 1993: 183).
von Bergprodukten anführen. Dazu werden die Ergebnisse von vier
                                                                       Um Qualitätsprodukte aus dem Berggebiet höherpreisig zu
Fokusgruppen mit unterschiedlichen KonsumentInnengruppen aus
Österreich (Tirol) und Deutschland dargestellt. Die Analyse der        vermarkten, soll neben dem technisch-funktional ausgerich-
Fokusgruppen erfolgte mittels der Convention Theory und zeigt,         teten Grundnutzen ein (emotionaler) Zusatznutzen1, wie z.B.
dass die Bergherkunft nicht einen singulären Zusatznutzen darstellt,   Herkunft, eine ansprechende Verpackung, ein Gütesiegel
sondern sich aus einer Summe von Komponenten zusammensetzt,            oder die Anpreisung einer spezifischen Herstellungsweise,
die jeweils mit der Bergherkunft in Verbindung gebracht werden und     zum Kauf bzw. Konsum animieren. VON ALVENSLEBEN
deren Kombination je nach Fokusgruppe variiert. Damit liefern die      (2000a: 399) spricht in diesem Zusammenhang auch von
Aussagen der FokusgruppenteilnehmerInnen Hinweise für verbes-          Produkten mit emotionalen Qualitäten. Ziel des vorliegen-
serte Vermarktungsstrategien von Lebensmitteln aus dem Berg-           den Beitrages ist es darzustellen, welche Argumente Kon-
gebiet.
                                                                       sumentInnen für den Konsum von Produkten aus dem
Schlüsselwörter                                                        Berggebiet anführen und inwieweit die Produktherkunft aus
                                                                       dem Berggebiet einen Zusatznutzen darstellt bzw. welche
Lebensmittel aus dem Berggebiet; Rechtfertigungen/Argumenta-           Zusatznutzen mit Lebensmitteln aus dem Berggebiet ver-
tionen; Zusatznutzen; Convention Theory; Käse; Mineralwasser
                                                                       bunden werden.
Abstract                                                               Die empirische Basis der vorliegenden Arbeit bilden vier
                                                                       Fokusgruppen mit TeilnehmerInnen ländlicher und städti-
Given the broad range of products in food retailing, actors are
increasingly aiming to differentiate their products by promoting       scher Herkunft, welche im Sommer 2007 in Tirol/Österreich
certain features as added benefits. This means that any added          durchgeführt wurden. Das Augenmerk wurde dabei auf die
(emotional) benefit, whichever way it is communicated, becomes         zwei Produktgruppen Käse und Mineralwasser gelegt, die
significant. In this article we investigate inhowfar the fact that a   stellvertretend für die im Berggebiet produzierten Lebens-
product originates from a mountain region constitutes such an          mittel ausgewählt wurden. Beide Produktgruppen können
added benefit for consumers and what arguments support their           als charakteristische Lebensmittel aus dem Berggebiet an-
choice of mountain food products. We present results of four focus     gesehen werden. So ist die im Berggebiet vorherrschende
groups with participants from Austria (Tyrol) and Germany, ana-        Grünlandwirtschaft zumeist mit der Milchproduktion ge-
lysed by using Convention Theory. Our findings suggest that the
                                                                       koppelt (GROIER und HOVORKA, 2007: 15), über deren Ver-
origin of a food product in a mountain region does not constitute a
singular added benefit but rather the sum of several components        arbeitung zu Käse eine höhere Wertschöpfung erreicht
associated with a mountain origin, in varying combinations, depend-    werden kann, während Wasser zum gegenwärtigen Zeit-
ing on the specific focus group. The statements gathered in the        punkt als das „Kapital der Zukunft“ in den Alpen bezeich-
focus groups may thus provide some indication on how to improve        net wird (BACHMANN, 1998; MEERKAMP VAN EMBDEN,
the communication strategy for mountain products.                      1998: 257). In unsere Untersuchung wurde Mineralwasser
                                                                       als Konsumprodukt stellvertretend für Wasser aus dem
Key words                                                              Berggebiet einbezogen.
mountain food products; justification; added benefit; Convention
Theory; cheese; mineral water                                          1
                                                                           BÖCKER (1996: 203) umschreibt den Zusatznutzen eines Pro-
                                                                           duktes mit der „Befriedigung seelisch-geistiger Bedürfnisse“.
                                                                           Der Zusatznutzen bzw. die seelisch-geistigen Bedürfnisse kön-
1. Einleitung                                                              nen dabei in ästhetische Bedürfnisse, Bedürfnisse nach Selbst-
                                                                           verwirklichung (Hobby, Bildung etc.), Bedürfnisse des Wohl-
Im Berggebiet sind die Möglichkeiten der landwirtschaft-                   befindens (Förderung von Sicherheit, Gesundheit etc.) und
lichen Produktionsausweitung durch natürliche Faktoren                     Bedürfnisse nach sozialer Integration und sozialer Anerkennung
stark begrenzt: So begrenzen topografische Gegebenheiten,                  (Besitz von Prestigeobjekten, Förderung zwischenmensch-
wie etwa starke Hangneigung der landwirtschaftlichen                       licher Kommunikation etc.) unterteilt werden.

                                                                   125
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Der vorliegende Beitrag gibt zunächst einen Überblick über      Auch außerhalb des deutschsprachigen Raums liegt der
den Stand der Forschung und die bestehende Literatur im         Fokus in der Literatur auf regionalen Lebensmitteln bzw.
Hinblick auf Lebensmittel aus dem Berggebiet. Anschlie-         „local food“ (KUZNESOF, TREGEAR und MOXEY, 1997; LA
ßend wird auf die diesem Forschungsvorhaben zugrunde            TROBE, 2001; HOLT und AMILIEN, 2007).
liegende Convention Theory und die methodische Vorge-           Spezifische Literatur zum Konsum von Bergprodukten ist
hensweise eingegangen. Im Ergebnisteil werden die Argu-         demnach spärlich, weshalb der vorliegende Beitrag weitge-
mentationslinien vorgestellt, die KonsumentInnen für den        hend Neuland betritt.
Konsum von Lebensmitteln aus dem Berggebiet vorbringen
und beschrieben, inwieweit bzw. welche Zusatznutzen aus
der Bergherkunft von Lebensmitteln resultieren. Dabei wird      3. Zum Forschungsansatz der Studie
nicht nur nach den besprochenen Lebensmitteln (Käse und
                                                                Theoretisch und methodisch ist der vorliegende Beitrag im
Mineralwasser), sondern auch nach der Zusammensetzung
                                                                Bereich der qualitativen Sozialforschung angesiedelt. Im
der Fokusgruppen differenziert. In der anschließenden Dis-
                                                                folgenden Abschnitt wird nun zunächst auf die Convention
kussion werden Schlussfolgerungen gezogen, worauf bei
                                                                Theory, die im deutschsprachigen Raum bisher wenig Be-
der Vermarktung von Lebensmitteln aus dem Berggebiet
                                                                achtung gefunden hat, eingegangen. Anschließend wird die
verstärktes Augenmerk gelegt werden könnte, um einen
                                                                methodische Vorgehensweise bei der Durchführung der
höheren Produktpreis für Lebensmittel aus dem Berggebiet
                                                                Fokusgruppen und die Analyse der Ergebnisse mittels der
zu erzielen bzw. zu rechtfertigen.
                                                                Convention Theory erläutert.

2. Lebensmittel aus dem Berggebiet:                             3.1 Die Convention Theory
   Stand der Forschung                                          Die Convention Theory wurde gemeinsam von Ökonomen
                                                                und Soziologen zu Beginn der 1980er Jahre in Frankreich
Obwohl in verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen zum            entwickelt. Ziel war es auf jene Fragen Antworten zu fin-
einen sehr viel über die Vermarktung und den Konsum von         den, die mit Hilfe des Konzepts des vereinfachten und abs-
Lebensmitteln, zum anderen sehr viel über Berge, Almen          trakten Marktes der Neoklassischen Wirtschaftslehre unbe-
und Berggebiete geschrieben wird, findet sich kaum Litera-      antwortet geblieben waren (KIRWAN, 2006: 302). Als Bei-
tur, die diese zwei Themenbereiche direkt miteinander           spiel sei an dieser Stelle die Lebensmittelqualität angeführt:
verknüpft. So gibt es z.B. in der soziologischen und kultur-    So kann die Qualität eines Lebensmittels nicht allein über
wissenschaftlichen Literatur eine Reihe von Abhandlungen,       den Preis evaluiert werden (RAIKES, JENSEN und PONTE,
die entweder die ökonomische Vereinnahmung des alpinen          2000: 408). Vielmehr besteht die Notwendigkeit, die Kon-
Raums und insbesondere der Almen zum Inhalt haben (z.B.         struktion und Vermittlung von Lebensmittelqualität in ei-
TSCHOFEN, 1999; KIRCHENGAST, 2008; STREMLOW, 1998)              nem ökonomischen, sozialen und politischen Kontext zu
oder sich mit dem Konsum, der Identität oder Symbo-             betrachten (KIRWAN, 2006: 302; DIAZ-BONE, 2007: 498).
lik von Lebensmitteln befassen (z.B. BARLÖSIUS, 1999;           Als Standardwerk für die Convention Theory gilt das Buch
TEUTEBERG, NEUMANN und WIERLACHER, 1997; WARDE,                 De la Justification. Les economies de la grandeur von
1997; KAUFMANN, 2006; BELASCO und SCRANTON, 2002).              BOLTANSKI und THÉVENOT (1991), das erst 2007 in deut-
Arbeiten, die die zwei Bereiche verbinden, finden sich aber     scher Übersetzung erschienen ist (BOLTANSKI und THÉVENOT,
kaum.                                                           2007). Die Convention Theory geht der Frage nach, mit
Ähnlich sieht es in den Wirtschaftswissenschaften aus. Auch     welchen Rechtfertigungspraktiken bzw. Argumentationen
hier ist die Literatur zur Vermarktung, zum Konsum              Personen Einstellungen, Meinungen und Aktionen rechtfer-
oder Zusatznutzen von Lebensmitteln aus dem Berggebiet          tigen bzw. wodurch sich ihre Motive äußern (BOLTANSKI
dürftig. In jüngerer Vergangenheit wurden an einigen            und THÉVENOT, 1991, 2007). Diese Rechtfertigungsprak-
Schweizer Hochschulen Arbeiten zur Vermarktung von              tiken basieren auf Prinzipien und Modellen, die beurteilen,
Alp- bzw. Bergkäse und Bergmilch veröffentlicht (SCHILLING,     was gut, wertvoll und richtig ist (THÉVENOT, MOODY und
2005; RAAFLAUB, DURGIAI und GENONI, 2006; MÜHLE-                LAFAYE, 2000: 236). Menschen und Objekten werden
THALER, 2006). Dabei wird vornehmlich die Sicht der Pro-        mit Bezug auf solche Prinzipien Wertigkeiten zuerkannt
duzentInnen zu spezifischen Herkunftsbezeichnungen bzw.         (BOLTANSKI und THÉVENOT, 2007: 182f.; DIAZ-BONE,
Vermarktungsstrategien erforscht. Lediglich MÜHLETHA-           2007: 496). Die Rechtfertigungsweisen werden als Wertig-
LER (2006) beschäftigt sich mit der Bereitschaft von Kon-       keitsordnungen oder Konventionen bezeichnet (BOLTANSKI
sumentInnen, für Bergmilch mehr zu bezahlen, geht aber          und THÉVENOT, 1999: 367). In der Vernetzung von Akteu-
auf die Begründungen bzw. Rechtfertigungen dafür nicht          ren, Handlungen, Konzepten und Objekten realisieren sich
näher ein.                                                      diese Wertigkeitsordnungen zu Welten (DIAZ-BONE, 2007:
Reichhaltiger ist die Literatur, die sich mit der Vermarktung   496). BOLTANSKI und THÉVENOT (2007: 222f.) beschreiben
und dem Konsum biologischer bzw. regionaler Lebensmit-          insgesamt sechs Welten, innerhalb derer Menschen argu-
tel beschäftigt. Ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit zu     mentieren: Die Welt des Marktes, die Welt der Industrie,
erheben, seien hier einige Beispiele angeführt: SPILLER         die staatsbürgerliche Welt, die Welt des Hauses, die Welt
(2006) gibt einen umfassenden Forschungsüberblick über          der Inspiration und die Welt der Meinung. THÉVENOT,
„Zielgruppen im Markt für Bio-Lebensmittel“, während            MOODY und LAFAYE (2000: 236) führen eine siebte Kate-
sich VON ALVENSLEBEN (2000a, b) mit der Vermarktung             gorie, Green genannt, ein, die wir für den vorliegenden Bei-
von und Verbraucherpräferenzen für regionale Produkte           trag mit Welt des Umweltbewusstseins übersetzen.
beschäftigt. Mit zielgruppenspezifischen Motiven für den        Die Welt des Marktes bezieht sich u.a. auf Preis und Wirt-
Kauf von Biolebensmitteln befasst sich BARANEK (2007).          schaftlichkeit. Die Welt der Industrie nimmt Bezug auf

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Produktion, Verarbeitung, technische Ausstattung und lang-      Qualitätswahrnehmung (TRUNNINGER, 2008: 113). TRUN-
fristige Planung. Mit staatsbürgerliche Welt sind soziale       NINGER   (2008: 111f.) untersucht vor dem Hintergrund der
Gerechtigkeit und Wohlfahrt gemeint, wobei sich der Beg-        Konventionalisierung des biologischen Lebensmittelmarktes,
riff staatsbürgerlich nicht auf eine Nation bezieht, sondern    welche der sieben Welten von Groß- und KleinhändlerIn-
die Zivilgesellschaft insgesamt meint. Die Welt des Hauses      nen mit den unterschiedlichen Formen des Biolandbaus in
spricht das Familiäre, Heimische, Regionale, Vertrauen          Verbindung gebracht werden. VITTERSØ et al. (2005: 1)
vermittelnde an. Die Welt der Inspiration bezieht sich auf      befassten sich mit norwegischen und dänischen Vertriebs-
Kreativität, Ästhetik und Emotionen, während die Welt der       wegen biologischer Lebensmittel, die nicht nur ökologische
Meinung auf die öffentliche Meinung und das Image Bezug         und regionale, sondern auch ökonomische, soziale und
nimmt (BOLTANSKI und THÉVENOT, 2007; THÉVENOT,                  kulturelle Qualitätsaspekte mit einschließen. Im Bereich
MOODY und LAFAYE, 2000). Die Welt des Umweltbewusst-            alternativer Vertriebswege für Lebensmittel analysierte
seins umschreibt ein umweltfreundliches und nachhaltiges,       KIRWAN (2006: 306) die Beziehungen zwischen Direkt-
ethisch-moralisch geprägtes (Konsum-)Verhalten.                 vermarkterInnen und KundInnen auf Bauernmärkten in
BOLTANSKI und THÉVENOT (2007: 190) konstatieren, dass           Großbritannien und deren Qualitätswahrnehmungen inner-
Rechtfertigungen nicht nur in einer, sondern auch in mehre-     halb der staatsbürgerlichen Welt und der Welt des Hauses.
ren Welten gleichzeitig vonstatten gehen können. Sichtwei-      DIAZ-BONE (2007: 498) untersuchte u.a. mittels der Con-
sen und Aktionen können in unterschiedlichen Situationen        vention Theory Qualitätskonventionen auf dem deutschen
mit unterschiedlichen Sets von Welten gerechtfertigt wer-       Weinmarkt.
den. Andererseits können die Welten durchaus auch in            Auch der vorliegende Beitrag verfolgt das Ziel, Argumente
Konkurrenz zueinander stehen (RAIKES, JENSEN und PONTE,         für Qualitäten aufzudecken, im Unterschied zu obigen Un-
2000: 408). Es gibt jedoch auch Situationen, in denen gar       tersuchungen jedoch nicht mit Blick auf Produktion und
nicht die Notwendigkeit besteht, sich zwischen der einen        Vermarktungswege, sondern auf den Konsum von Lebens-
oder anderen Welt zu entscheiden. In solchen Fällen wer-        mitteln bzw. Lebensmitteln aus dem Berggebiet. Es geht im
den zwischen den Welten Kompromisse geschlossen, die            vorliegenden Beitrag also um die Sichtweisen der Konsu-
gegebenenfalls aber wieder zerbrechen und neu angepasst         mentInnen, die in Verbindung mit der Convention Theory
werden können (WILKINSON, 1997: 322).                           bislang vielfach vernachlässigt wurden.
Die Convention Theory impliziert eine wertbasierte Heran-
gehensweise. Werte sind Vorstellungen von Wünschens-            3.2 Methodische Vorgehensweise
wertem, von grundlegenden Zielvorstellungen, die eine
Vielzahl von Motiven sowie Einstellungen und in Abhän-          3.2.1 Fokusgruppen
gigkeit davon, eine Vielzahl von beobachtbaren Verhal-          In der Konsumentenforschung gibt es eine Reihe verschie-
tensweisen bestimmen. So führt etwa der Wert Familienori-       dener Methoden zur Erhebung von Einstellungen, Meinun-
entierung zu speziellen Einstellungen und Verhaltensweisen      gen, Motiven oder Argumentationsmustern. In der vorlie-
hinsichtlich Wohnen, Essen und Trinken, Freizeit usw. und       genden Untersuchung wurde die Methode der Fokusgrup-
damit zu konkreten Verhaltensmustern (KROEBER-RIEL und          pen angewandt, die sich als sorgfältig geplante Gruppen-
WEINBERG, 2003: 559). Werte können für ein Individuum           diskussion umschreiben lässt (LAMNEK, 1995: 125). Im
oder für eine ganze Gruppe kennzeichnend sein und spielen       Gegensatz zu assoziativen Techniken, wie dem Concept
bei den Konsumaktivitäten einer Person eine sehr wichtige       Mapping (z.B. JOINER, 1998) oder der Means-End-Chain
Rolle. Es wird nämlich davon ausgegangen, dass eine Per-        (Laddering) (z.B. REYNOLDS und OLSON, 2001), werden
son mit dem Kauf von bestimmten Produkten und Dienst-           Fokusgruppen mit miteinander in dynamischer Interaktion
leistungen ein Ziel erreicht, das sich auf die Wertvorstel-     stehenden Personen durchgeführt (MORGAN, 1997a: 2).
lungen dieser Person bezieht. Die Wertvorstellungen unter-      Diese Personen führen einen Diskurs zu einem bestimmten
scheiden sich von Kultur zu Kultur. So z.B. ist Sicherheit in   Themenbereich, der vom/von der FokusgruppenleiterIn
Deutschland und Amerika ein wichtiger Wert, während dies        vorgegeben wird (MORGAN, 1997b: 1). In Fokusgruppen
in Norwegen eine untergeordnete Rolle spielt (SOLOMON,          erhalten die TeilnehmerInnern die Gelegenheit, auf die
BAMOSSY und ASKEGAARD, 2001: 133f.). Aufgrund der Be-           Aussagen der anderen zu reagieren und die weitere Diskus-
deutsamkeit von Werten für das KonsumentInnenverhalten          sion darauf aufzubauen. Dies kann Informationen liefern,
werden persönliche Werthaltungen dazu herangezogen, um          die in Einzelinterviews möglicherweise nicht entdeckt wor-
auf indirekte Weise den Lebensstil von KonsumentInnen           den wären (STEWART und SHAMDASANI, 1990: 16). Wäh-
auszudrücken und Trends sichtbar zu machen (KROEBER-            rend beim Concept Mapping oder dem Laddering kognitive
RIEL und WEINBERG, 2003: 559). Praktisch jede Art der           Strukturen (JOINER, 1998: 311) bzw. Motive (GREBITUS
Konsumentenforschung hängt mit der Identifizierung und          und BRUHN, 2008: 88) von Einzelpersonen ermittelt wer-
Messung von Werten zusammen (SOLOMON, BAMOSSY und               den, können in einer Diskussion Argumentationslinien bzw.
ASKEGAARD, 2001: 135). Auch in der Convention Theory            Rechtfertigungspraktiken der TeilnehmerInnen offen gelegt
geht es um die Identifikation von Werten bzw. Argumenta-        werden. Das Zusammenführen bzw. der Vergleich unter-
tionen und Rechtfertigungen, wobei versucht wird, be-           schiedlicher Perspektiven kann ein umfassenderes bzw.
stimmte Werthaltungen Wertigkeitsordnungen bzw. Welten          breiteres Bild des Untersuchungsgegenstandes liefern
zuzuordnen.                                                     (THRELFALL, 1999: 102). Nach Auffassung von THRELFALL
In den letzten Jahren wurde die Convention Theory verstärkt     (1999: 103) eignet sich der Einsatz von Fokusgruppen ganz
auch zur Untersuchung des Lebensmittelbereichs ange-            besonders dann, wenn kaum erforschte Themengebiete
wandt. Der Fokus liegt dabei auf der sozialen Konstruktion      untersucht werden. Dies trifft in besonderem Maß auf den
von Lebensmittelqualität und dem komplexen System der           vorliegenden Untersuchungsgegenstand zu.

                                                            127
Agrarwirtschaft 58 (2009), Heft 2

3.2.2 Auswahl der FokusgruppenteilnehmerInnen                     gruppen unterschied sich insofern, als die Gruppe der Fein-
                                                                  schmeckerInnen von Anfang an über den Untersuchungs-
Ziel der Fokusgruppen war es herauszufinden, welche Ar-
                                                                  gegenstand Bescheid wusste und die übrigen Fokusgrup-
gumente KonsumentInnen für den Konsum von Lebens-
                                                                  penteilnehmerInnen erst im zweiten Abschnitt der Fokus-
mitteln aus dem Berggebiet vorbringen. Um ein möglichst
                                                                  gruppe (etwa nach Ablauf der Hälfte der Zeit) davon erfuh-
breites Spektrum an Argumentationen zu gewinnen, wurden
                                                                  ren. Die Daten, die in die vorliegende Abhandlung einflossen,
Personen mit sehr unterschiedlichen Hintergründen zur Teil-
                                                                  stammen allerdings größtenteils aus dem zweiten Abschnitt
nahme eingeladen. Insgesamt wurden vier Fokusgruppen
                                                                  der Fokusgruppen. Die Fokusgruppen wurden jeweils von
mit KonsumentInnen durchgeführt. Während eine Fokus-
                                                                  zwei Personen moderiert, gefilmt und mittels eines digita-
gruppe in einer ländlichen2 Tiroler Ortschaft organisiert
                                                                  len Aufnahmegerätes aufgezeichnet. Im Anschluss an die
wurde, wurden zwei weitere Fokusgruppen mit städtischen
                                                                  Fokusgruppen transkribierte und kategorisierte eine der
TeilnehmerInnen aus der Landeshauptstadt Innsbruck durch-
                                                                  beiden ModeratorInnen die Gespräche, wobei die Auswer-
geführt. Eine der beiden städtischen Fokusgruppen wurde
                                                                  tungsergebnisse in regelmäßigen Abständen mit dem zwei-
bewusst mit FeinschmeckerInnen besetzt. Als Feinschmecker-
                                                                  ten Moderator der Fokusgruppen besprochen wurden.
Innen gelten dabei jene Personen, die aus beruflichen
Gründen mit Lebensmitteln (aus dem Berggebiet) arbeiten           3.3 Die Convention Theory als Rahmen der
bzw. KonsumentInnen, die regelmäßig in Spezialläden, auf              Inhaltsanalyse
Märkten oder direkt bei Bauern/Bäuerinnen (Berg)produkte
einkaufen. Eine vierte Fokusgruppe wurde in einer typischen       Bei jeder Form der Interpretation bzw. Analyse von Fokus-
Urlaubsregion im Berggebiet Tirols mit deutschen Gästen,          gruppen handelt es sich letztendlich um eine Analyse des
die ihren Urlaub auf Bauernhöfen verbrachten, durchgeführt.       Inhalts (STEWART und SHAMDASANI, 1990: 105f.). Auch die
Auch die letztgenannten TeilnehmerInnen können großteils          Ergebnisse der vier Fokusgruppen wurden einer Inhaltsana-
einem städtischen Hintergrund zugeordnet werden.                  lyse unterzogen, wobei die sieben Welten von BOLTANSKI
Die sechs bis elf AnsprechpartnerInnen pro Gruppe waren           und THÉVENOT (1991) als Strukturierungs- bzw. Kodierungs-
zwischen 20 und 71 Jahre alt. Obwohl darauf geachtet wer-         gerüst dienten. Für die Kodierung wurde die von THÉVENOT,
den sollte, ein Geschlechterverhältnis von 50:50 zu errei-        MOODY und LAFAYE (2000: 241) entwickelte und für die
chen (MORGAN, 1997a: 34), überwogen bei den städtischen           vorliegende Fragestellung adaptierte Matrix herangezogen
Fokusgruppen die Frauen. Vermutlich lässt sich dies auch          (vgl. Tabelle 1).
auf die Tatsache zurückführen, dass vielfach (immer noch)         Die Zuordnung der Argumente der Fokusgruppenteilneh-
Frauen mit der Lebensmittelversorgung der Familie be-             merInnen erwies sich nicht immer als einfach, da sich die
schäftigt sind. Auch hinsichtlich Schulbildung bzw. zurzeit       Argumentationen zum Teil überlappen und aufgrund dessen
ausgeübtem Beruf wurde versucht, eine möglichst breit
                                                                    Tabelle 1.      Die sieben Welten nach BOLTANSKI und
gefächerte Variation zu erreichen. Mit Ausnahme einiger
                                                                                    THÉVENOT (1991) sowie Beispiele für
Personen in der ländlich geprägten Ortschaft verfügte kei-
                                                                                    Indikatoren zum Konsum von
ne/r der TeilnehmerInnen über einen landwirtschaftlichen
                                                                                    Lebensmitteln aus dem Berggebiet
Hintergrund.
                                                                        Welten                  Beispiele für Indikatoren
3.2.3 Durchführung der Fokusgruppen                                                   Wirtschaft, Erreichbarkeit, Produktions-
                                                                     Welt des         volumen, Preis, konkurrenzfähiger Preis,
Die Teilnehmenden erhielten eine schriftliche Einladung
                                                                     Marktes          Preis-Leistungs-Verhältnis, Preis-
mit organisatorischen Informationen (Veranstaltungsort,                               würdigkeit, Kosten.
Zeit usw.) sowie den Hinweis, dass in der Fokusgruppe
                                                                                      Technische Effizienz, technische Standards,
über österreichische Lebensmittel im Allgemeinen disku-              Industrielle     Professionalität, Erfahrung, Hygiene,
tiert werden sollte. Nur in der Einladung für Feinschmecke-          Welt             Lebensmittelsicherheit, Uniformität,
rInnen wurde darauf verwiesen, dass es sich um Lebensmit-                             Nährwert, Inhaltsstoffe.
tel aus dem Berggebiet handelt. Die unterschiedliche Vor-                             Wohlfahrt, soziale Gerechtigkeit, gerechter
gehensweise wurde getroffen, um für diese Gruppe auch                Staatsbürger-    Preis, ländliche Entwicklung, regionale
wirklich FeinschmeckerInnen bzw. KonsumentInnen von                  liche Welt       Wertschöpfung, Unterstützung kleiner
Lebensmitteln aus dem Berggebiet zu finden.                                           bäuerlicher Betriebe.
Der Ablauf der Fokusgruppen orientierte sich an einem                                 Regionalität, Vertrautheit, Vertrauens-
                                                                     Häusliche
detaillierten Leitfaden. Dieser beinhaltete die wichtigsten                           beziehungen, Geschmack, Tradition,
                                                                     Welt
Fragestellungen, die Zielsetzungen, welche erreicht werden                            handwerkliche Produktion.
sollten, und das methodische Vorgehen. Der Vorteil solcher                            Kreativität, Selbstverwirklichung, persön-
strukturierter Fokusgruppen ist, dass die Diskussion nicht           Welt der         liche Bereicherung, Wohlbefinden,
                                                                     Inspiration      Gesundheit, Natürlichkeit, Authentizität,
zu sehr vom Thema abweicht und eine erhöhte Vergleich-
                                                                                      Reinheit, Harmonie, Kultur.
barkeit im Zuge des Auswertungsprozesses gewährleistet
                                                                     Welt der         Ruf, Name, Prestige, Rarität, hoher
ist (MORGAN, 1997a: 39). Der Leitfaden der vier Fokus-
                                                                     Meinung          Bekanntheitsgrad, Spezialität, Saisonalität.
2                                                                                     Umweltfreundlichkeit, ökologische
    Wie die Grenzen zwischen Stadt und Land generell (BORSDORF,      Welt des
                                                                                      Produktion, Nachhaltigkeit, Saisonalität,
    2006: 89), verschwimmt auch die Grenze zwischen städtischer      Umwelt-
                                                                                      Landschaftspflege, Tiergerechtigkeit,
    und ländlicher Bevölkerung in Tirol immer stärker, da mitt-      Bewusstseins
                                                                                      Gentechnikfreifreiheit.
    lerweile viele Menschen aus dem ländlichen Raum nach Inns-
    bruck pendeln und daher verstärkt Kontakt zur städtischen       Quelle: nach THÉVENOT, MOODY und LAFAYE (2000): 241, ver-
    Bevölkerung und Bezug zum städtischen Umfeld haben.                     ändert

                                                              128
Agrarwirtschaft 58 (2009), Heft 2

mehreren Welten zugewiesen werden können. THÉVENOT et          Ein weiteres Argument, das vor allem von städtischen Kon-
al. (2000: 237) sprechen von einem Kompromiss den es ein-      sumentInnen angeführt wird, bezieht sich auf die Erreich-
zugehen gilt (siehe auch BOLTANSKI und THÉVENOT, 2007:         barkeit und Verfügbarkeit bestimmter Lebensmittel, insbe-
367). Die Ergebnisse wurden getrennt nach Fokusgruppen         sondere von Käsespezialitäten. Produkte müssen in den
(UrlauberInnen, Herkunft ländlich, Herkunft städtisch, Fein-   regelmäßig aufgesuchten Einkaufsstätten verfügbar sein.
schmeckerInnen) und Produktgruppen (Käse, Mineralwasser)       Dies gilt insbesondere für Produkte, die nur ab Hof oder
analysiert und interpretiert.                                  ausschließlich auf Bauernmärkten angeboten werden, aber
In den Fokusgruppen wurden die verschiedenen Argumen-          auch für Bergprodukte, die im deutschen Lebensmittelein-
tationslinien der sieben Welten mit unterschiedlicher Inten-   zelhandel kaum angeboten werden. Auch die Bequemlich-
sität bzw. teilweise gar nicht diskutiert. Daher folgt die     keit wird als Argument angeführt. Während die Tiroler Dis-
Darstellung der Ergebnisse innerhalb der jeweiligen Welt       kussionsteilnehmerInnen gegen den Konsum von Mineral-
der Bedeutung, die die einzelnen Fokusgruppen den jewei-       wasser u.a. den umständlichen Transport anführen, achten
ligen Argumentationslinien zugeordnet haben.                   die deutschen MineralwasserkonsumentInnen beim Kauf
                                                               neben dem Preis auch auf Gewicht und Gebindegröße. Je
                                                               leichter Mineralwasser transportiert werden kann, umso
4. Der Berg als Konsumargument                                 eher wird es gekauft. Dieses wichtige Argument entspricht
Das Datenmaterial soll einerseits darüber Auskunft geben,      übrigens ganz dem Trend „weg von Glas- und hin zu PET-
welche Argumentationen und Rechtfertigungen Konsumen-          Flaschen“ auf dem österreichischen Mineralwassermarkt,
tInnen für den Konsum von Lebensmitteln aus dem Berg-          der in den vergangenen Jahren hohe Wachstumsraten erzielte3
gebiet äußern. Andererseits gilt es herauszufinden, inwie-     – im Widerspruch zu den Angaben der Tiroler Fokus-
weit die Herkunft Berg einen Zusatznutzen und eine Moti-       gruppenteilnehmerInnen.
vation für den Kauf darstellt. Die vorliegenden Ergebnisse
zeigen, dass sich die KonsumentInnen beim Kauf von Le-         Die industrielle Welt
bensmitteln (aus dem Berggebiet) zumeist in mehreren           Die Argumente der KonsumentInnen innerhalb der indus-
Welten bewegen (siehe auch BOLTANSKI und THÉVENOT,             triellen Welt beziehen sich auf Inhaltsstoffe, Produktions-
2007: 190) und damit auch unterschiedliche Werthaltungen       weise, Hygiene bei der Verarbeitung sowie die Gewährleis-
bei ihrer Kaufentscheidung heranziehen. In Abhängigkeit        tung charakteristischer Produkteigenschaften.
von der jeweiligen Produktgruppe (Käse oder Mineral-
                                                               Das Thema Inhaltsstoffe wird von den deutschen Gästen als
wasser) bzw. Fokusgruppe argumentieren die Diskussions-
                                                               auch von den Tiroler KonsumentInnen angesprochen. Be-
teilnehmerInnen zum Teil in sehr unterschiedlichen Welten.
                                                               sonders ausführlich gehen die Gäste aus Deutschland auf
Vorausgeschickt sei, dass ein prägnanter Unterschied im        die Inhaltsstoffe von Mineralwasser ein. Sie achten beim
Konsum von Mineralwasser zwischen den vier Fokusgrup-          Kauf auf den Salzgehalt des Mineralwassers und ziehen
pen festgestellt wird. Während die überwiegende Mehrheit       salzarme (natriumarme) Mineralwässer vor. Indirekt äußern
der Tiroler TeilnehmerInnen angibt, so gut wie nie Mine-       sich auch die Tiroler KonsumentInnen zum Thema Inhalts-
ralwasser zu kaufen, konsumiert die Mehrheit der deut-         stoffe, wenn sie sagen, sie konsumieren Leitungswasser vor
schen Gäste regelmäßig Mineralwasser. Daher wurden von         allem deshalb, weil es sich dabei um Quellwasser handelt,
Seiten der Tiroler TeilnehmerInnen nur sehr spärlich Ar-       das als unbehandelt und besonders rein eingestuft wird.
gumente für und gegen den Konsum von Mineralwasser             Damit spricht der Grad an Belastung (mit Schwermetallen,
geäußert.                                                      Salzen usw.) gegen den Kauf bzw. Konsum von Mineral-
Im Folgenden werden nun die Argumentationen der einzel-        wasser. Der Konsum von Grundwasser wird von der Mehr-
nen FokusgruppenteilnehmerInnen, gemäß den sieben Wel-         heit der DiskussionsteilnehmerInnen aller vier Gruppen
ten von BOLTANSKI und THÉVENOT (2007: 222f.) bzw.              abgelehnt, da dieses als stark belastet wahrgenommen wird.
THÉVENOT, MOODY und LAFAYE (2000: 236), vorgestellt.           Die Tiroler KonsumentInnen geben an, beim Kauf von Le-
                                                               bensmitteln verstärkt auf die Verwendung naturnah produ-
Die Welt des Marktes                                           zierter Zutaten zu achten. Die naturnahe Produktion werde
Die Argumentationen der FokusgruppenteilnehmerInnen            durch eine kleinstrukturierte Produktionsweise, wie sie im
innerhalb der Welt des Marktes beziehen sich auf den Preis,    Berggebiet vorherrscht, gewährleistet. Fokusgruppenteilneh-
die Erreichbarkeit und Verfügbarkeit von Lebensmitteln         merInnen aus Österreich und Deutschland begründen den
sowie die Bequemlichkeit beim Transport.                       Konsum von Tiroler Käse u.a. auch damit. Massenprodukte
Für alle TeilnehmerInnen ist ein angemessenes Preis-           bzw. Milch von Kühen aus Massentierhaltung gelten aus
Leistungsverhältnis die Voraussetzung für den Kauf eines       Sicht aller FokusgruppenteilnehmerInnen weder als gehalt-
bestimmten Käses oder Mineralwassers. Die Preissensibili-      voll noch naturnah. Zwar wird Mineralwasser von der Mehr-
tät steigt bei den KonsumentInnen, wenn größere Mengen         zahl der TeilnehmerInnen als ein industrielles Massenpro-
an Käse bzw. Mineralwasser benötigt werden, zum Beispiel       dukt wahrgenommen, trotzdem geben vor allem die deut-
bei Mehr-Personen-Haushalten. Aus Sicht der Diskussions-       schen Gäste an, Mineralwasser regelmäßig zu konsumieren.
gruppe der Tiroler FeinschmeckerInnen ist die Preissensibi-
lität bei Produkten heimischer (regionaler) sowie bergbäu-     3
                                                                   Im Jahre 1996 wurden in Österreich für die Abfüllung von
erlicher Betriebe geringer. Dem entsprechen auch die Aus-          Getränken insgesamt rund 7 000 Tonnen PET eingesetzt, 2002
sagen von deutschen UrlauberInnen, die angeben, für Pro-           lag die Marktmenge bei rund 26 800 Tonnen. 2005 erreichte
dukte aus dem Berggebiet, die unter schwierigen Bewirt-            die Marktmenge an PET-Flaschen in Österreich eine Menge
schaftungsbedingungen produziert worden sind, mehr be-             von rund 36 400 Tonnen (WIRTSCHAFTSKAMMER ÖSTERREICH,
zahlen zu wollen.                                                  2006: 8).

                                                           129
Agrarwirtschaft 58 (2009), Heft 2

Der Kauf von Lebensmitteln mit chemischen bzw. künstli-              Die häusliche Welt
chen Zusätzen (z.B. Konservierungsstoffe und Geschmacks-
                                                                     Die häusliche Welt enthält Argumente, wie Geschmack, re-
verstärker) oder die Behandlung von Lebensmitteln mit
                                                                     gionale Herkunft, Vertrauen in den Produzenten/die Produ-
chemischen Substanzen stößt bei den Diskussionsteilneh-
                                                                     zentin, Nähe zum/zur Produzenten/Produzentin, traditionelle
merInnen erwartungsgemäß auf Ablehnung. Einige Produkte,
                                                                     Herstellungs- bzw. Bewirtschaftungsweise, Produktion von
insbesondere holländisches und spanisches Obst und Ge-
                                                                     Naturprodukten, Heimatverbundenheit oder Frische.
müse, die nach Aussage der FokusgruppenteilnehmerInnen
in sehr intensiven Kulturen angebaut werden und nicht                Nach Ansicht aller FokusgruppenteilnehmerInnen stellt der
selten chemische Rückstände aufweisen, genießen dabei ein            Geschmack eines Lebensmittels, insbesondere des Käses,
sehr negatives Image. Neben der hygienischen Verarbei-               ein grundlegendes Konsumargument dar. Die weiteren Ar-
tung bzw. Herstellung muss der Käse eine sortentypische              gumente der häuslichen Welt scheinen besonders für die
Eignung hinsichtlich der Beschaffenheit des Käseteigs,               Tiroler FokusgruppenteilnehmerInnnen ländlicher Herkunft
Geschmack, Konsistenz, Kocheigenschaften usw. aufweisen,             relevant zu sein. Der Regionsbegriff erweist sich in diesem
da gewisse Gerichte nach speziellen Käsesorten verlangen.            Zusammenhang jedoch als sehr vage definiert, wobei die
So bedarf es für Käsespätzle und Käseknödel z.B. eines               räumliche Regionsauffassung von Bezirks- über Landes-
würzigen Bergkäses, in die Zillertaler Krapfen gehört wür-           bis hin zu nationalstaatlicher Ebene variiert. Mehrheitlich
ziger Graukäse und für Spaghetti wird Parmesan benötigt.             beziehen sich die TeilnehmerInnen jedoch auf das Bundes-
Schließlich wird in allen vier Fokusgruppen auch Conve-              land als Region. Von unterschiedlicher Relevanz zeigen
nience als Konsumargument angeführt. Vor allem die jün-              sich Bergherkunft und regionale Herkunft für die Tiroler
geren KonsumentInnen tendieren dazu, Lebensmittel zu                 KonsumentInnen. So führen diese häufig nicht die Herkunft
kaufen, die schnell und einfach zubereitet werden können,            aus dem Berggebiet als Argument an, sondern die inländi-
und dazu gehört eben auch Käse.                                      sche bzw. regionale Herkunft. Die einheimischen Konsu-
                                                                     mentInnen geben z.B. an, bewusst regelmäßig Käse aus der
Die staatsbürgerliche Welt                                           Region zu kaufen. Dies schließt Argumente, wie Vertrauen
                                                                     in den/die HerstellerIn und in die traditionelle Herstellungs-
Die Argumente innerhalb der staatsbürgerlichen Welt4 neh-
                                                                     weise, mit ein. Vertrauen bedeutet in diesem Zusammen-
men auf soziale Gleichberechtigung und solidarischem Ver-
                                                                     hang, dass die KonsumentInnen bei regionalen Hersteller-
halten in unserer Zivilgesellschaft Bezug. In den vier Fokus-
                                                                     Innen glauben, die Verhältnisse ausreichend zu kennen, um
gruppen sprechen die KonsumentInnen diesbezüglich
                                                                     die verwendeten Zutaten, die Hygiene, den Geschmack
Aspekte, wie die Unterstützung und Förderung von Berg-
                                                                     oder den Wahrheitsgehalt der Angaben auf der Verpackung
bauern/Bergbäuerinnen, die regionale Wertschöpfung sowie
                                                                     beurteilen zu können. So meint ein einheimischer Fein-
den Erhalt des ländlichen Raumes durch den Kauf regiona-
                                                                     schmecker: „Allein der Geschmack reicht nicht aus, man
ler Produkte, an.
                                                                     muss dem Hersteller schon auch Vertrauen entgegenbringen.“
Während die deutschen Gäste und die Tiroler Feinschmecker-
                                                                     Besonders für die FeinschmeckerInnen und die Gäste aus
Innen zum Teil sehr ausführlich auf diese Thematik einge-
                                                                     Deutschland ist die Nähe zum/zur Produzenten/Produzentin
hen, scheint sie für die ländlichen als auch städtischen Fo-
                                                                     wesentlich. Beispielhaft werden hierfür Direktvermarktung
kusgruppenteilnehmerInnen aus Tirol von geringer Relevanz
                                                                     und Almausschank angeführt – also möglichst kurze Wert-
zu sein. Nur ein Fokusgruppenteilnehmer ländlicher Her-
                                                                     schöpfungsketten mit keinen bzw. wenigen Zwischenhänd-
kunft gibt an, der regionalen Wertschöpfung wegen aus-
                                                                     lerInnen. Allerdings scheinen die TeilnehmerInnen der Ur-
schließlich Mineralwasser aus Tirol zu kaufen. Solidari-
                                                                     laub am Bauernhofgruppe vor allem während des Urlaubs
sches Verhalten wird ansonsten weniger produktbezogen,
                                                                     Produkte aus der Region, in der sie ihren Urlaub verbrin-
sondern vielmehr allgemein diskutiert. Die Tiroler Fein-
                                                                     gen, zu bevorzugen, während sie zu Hause für den alltägli-
schmeckerInnen geben an, Lebensmittel auch zur Unter-
                                                                     chen Konsum weniger auf die regionale Produktherkunft
stützung und Förderung heimischer Bergbauern/Berg-
                                                                     achten.
bäuerinnen bzw. der regionalen Wertschöpfung wegen zu
kaufen. Dies soll langfristig auch zur Erhaltung der Kultur-         Regionalität impliziert für die Tiroler Diskussionsteilneh-
landschaft bzw. des Berggebiets beitragen. Einige der Fein-          merInnen auch Frische und Schmackhaftigkeit. Genau diese
schmeckerInnen würden daher eine Marke für Produkte aus              Eigenschaften verbinden die deutschen UrlauberInnen mit
dem Berggebiet befürworten, wenn sie vor allem den Berg-             Lebensmitteln aus dem Berggebiet. Dazu ein deutscher Ur-
bauern/Bergbäuerinnen zugute käme, die ihre Höfe unter               lauber: „Je höher, je älter, desto herzhafter der Käse.“
schwierigsten Bedingungen bewirtschaften. Während die                Die traditionelle Bewirtschaftungsweise der Tiroler Bauern-
einheimischen FeinschmeckerInnen jedoch angeben, der                 höfe sowie die traditionellen Erzeugungsmethoden (z.B. die
regionalen Wertschöpfung wegen regelmäßig lokale Pro-                Käse- und Butterherstellung auf der Alm) sind wichtige
dukte zu kaufen, tun dies die deutschen Gäste eher gele-             Teile der Argumentation Tiroler und deutscher Diskussions-
gentlich, das heißt, sie kaufen während ihres Urlaubs Pro-           teilnehmerInnen. Die KonsumentInnen gehen davon aus,
dukte aus der Region, in der sie ihren Urlaub verbringen zu,         dass bei der traditionellen Bewirtschaftung, Produktherstel-
wie z.B. regionale Spezialitäten aus Tirol. Dabei argumen-           lung und -verarbeitung auf chemische bzw. künstliche Zu-
tieren sie ähnlich wie die FeinschmeckerInnen mit der Un-            sätze jeglicher Art verzichtet wird und daraus gesunde Natur-
terstützung der Bauern und Bäuerinnen im Berggebiet und              produkte hergestellt werden. Diese dürfen geschmacklich
der Erhaltung der dortigen Kulturlandschaft.                         durchaus auch variieren, wie etwa im Fall von Graukäse,
                                                                     der von Alm zu Alm verschieden schmecken kann. Nach
4
    Wie bereits erwähnt, bezieht sich der Begriff staatsbürgerlich   Angabe der Tiroler KonsumentInnen, ländlicher als auch
    nicht auf eine bestimmte Nation, sondern spricht die Zivilge-    städtischer Herkunft, vermittelt der Konsum von Bergpro-
    sellschaft als Ganzes an.                                        dukten zudem ein Gefühl der Heimatverbundenheit.

                                                                 130
Agrarwirtschaft 58 (2009), Heft 2

Bei Mineralwasser, das, wie bereits erwähnt, als Massenpro-    nehmerInnen auf die Bedeutung des Prestiges beim Kon-
dukt wahrgenommen wird, spielt die häusliche Welt bzw.         sum von Lebensmitteln, auf lokale Spezialitäten, die Saiso-
das Argument der Regionalität so gut wie keine Rolle.          nalität sowie auf den Bekanntheitsgrad der Produkte ein.
                                                               In den Diskussionsrunden zeigen sich produktgruppenspe-
Die Welt der Inspiration                                       zifische Unterschiede: Während das Prestige eines be-
In der Welt der Inspiration argumentieren die Fokusgruppen-    stimmten Käses in allen vier Fokusgruppen durchaus ein
teilnehmerInnen mit dem gesundheitlichen Wohlbefinden,         Konsumargument darstellt, spielt das Prestige bei Mineral-
den Emotionen, die durch die Produktverpackung oder die        wässern des täglichen Gebrauchs nur eine untergeordnete
Produktpräsentation hervorgerufen werden, sowie den posi-      Rolle. So sind Mineralwässer aus Sicht der deutschen Teil-
tiven Aspekten, die mit dem Berggebiet in Verbindung ge-       nehmerInnen generell untereinander austauschbar, während
bracht werden, wie z.B. Reinheit, Authentizität, Harmonie.     einzelne Käsesorten Spezialitäten darstellen. Berühmte
                                                               italienische und französische Käse werden nicht nur auf-
Obwohl nicht immer klar zuordenbar, sind Argumente, die
                                                               grund ihres Geschmacks, sondern auch ihres Namens bzw.
der Welt der Inspiration entsprechen, in ihrer Bedeutung
                                                               Bekanntheitsgrades wegen gekauft, wobei Mundpropagan-
nicht zu unterschätzen (THÉVENOT, MOODY und LAFAYE,
                                                               da eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt. Auch Bergkäse
2000: 252). Städtische KonsumentInnen aus Tirol argumen-
                                                               genießt bei deutschen Urlaubsgästen den Ruf einer Spezia-
tieren mit dem gesundheitlichen Wohlbefinden beim Kauf
                                                               lität, die – sofern in Deutschland erhältlich – nur zu beson-
von Käse. Käse wird als ein gesundes und bekömmliches
                                                               deren Anlässen gekauft wird. Auch die Saisonalität wird
Produkt wahrgenommen und von zahlreichen städtischen
                                                               von den FokusgruppenteilnehmerInnen im Zusammenhang
FokusgruppenteilnehmerInnen aus Tirol vermehrt anstelle
                                                               mit dem Konsum von Graukäse, einem traditionellen Tiro-
von Wurst bzw. Fleisch konsumiert. Im Gegensatz dazu
                                                               ler Käse angesprochen. Die Tiroler wie auch die deutschen
wird Mineralwasser, wie bereits erwähnt, von der Mehrzahl
                                                               KonsumentInnen nehmen Graukäse als ein Produkt wahr,
der TeilnehmerInnen als ein industrielles Produkt wahrge-
                                                               das traditionellerweise im Sommer auf Almen gegessen
nommen, mit dem keinerlei Emotionen verbunden werden.
                                                               wird und dort auch am besten schmeckt.
Die Emotionalität eines Produktes wird häufig über das
                                                               Bei Mineralwasser wird das Image vor allem über das Fla-
Verpackungsdesign, die Etikette oder die Produktpräsenta-
                                                               schendesign vermittelt. Nach Angabe einiger Diskussions-
tion vermittelt (PEPELS, 2004: 136). Diesbezüglich äußern
                                                               teilnehmerInnen werden Mineralwässer, deren Namen,
TeilnehmerInnen in allen vier Fokusgruppen Kritik an der
                                                               Etikette und/oder Flaschenform ein gewisses Prestige aus-
überwiegend lieblosen Verpackung und Präsentation von
                                                               strahlen, für den täglichen Konsum abgelehnt. Einige Tiroler
Lebensmitteln in Supermärkten ebenso wie an den teilweise
                                                               KonsumentInnen städtischer Herkunft geben an, ein solches
„kitschig gestalteten“ Etiketten bei Käse mit überzeichneten
                                                               Mineralwasser nur zu besonderen Anlässen zu kaufen, um
Almmotiven. Einige dieser TeilnehmerInnen würden sich
                                                               den geladenen Gästen zu „imponieren“. So ergänzt eine junge
verstärkt Lebensmittelverpackungen wünschen, die den
                                                               Frau städtischer Herkunft: „Jeder, der etwas auf sich hält,
KonsumentInnen vermitteln, dass das Produkt mit Liebe
                                                               hat so ein prestigeträchtiges Mineralwasser zu Hause!“5 Für
produziert worden ist.
                                                               einige der Tiroler FeinschmeckerInnen spielt auch der Be-
Abbildungen mit Bergen und Almen rufen unter den Fokus-        kanntheitsgrad des Mineralwassers beim Kauf eine Rolle.
gruppenteilnehmerInnen besonders starke Emotionen her-
vor. Die TeilnehmerInnen aus allen vier Fokusgruppen ver-      Die Welt des Umweltbewusstseins
binden mit Bergen, Bergbauernhöfen oder Almen eine schier
endlose Liste an positiven Aspekten und Gefühlszuständen,      Die Welt des Umweltbewusstseins schließt umweltfreund-
wie etwa Gemütlichkeit, Ruhe, glückliche Tiere, glückliche     liche und tiergerechte Produktions- und Verarbeitungsme-
Menschen, harmonisches Ambiente, Einfachheit, Heimat,          thoden ebenso mit ein, wie Aspekte der Nachhaltigkeit in
Reinheit, Produktqualität, biologische Herstellungsweise       Form von kurzen Transportwegen und umweltfreundlichen
und Authentizität, um nur einige der Aussagen zu nennen.       Verpackungsmaterialien.
Ein deutscher Urlauber deklariert die Almen und Berge gar      Umweltaspekte werden von den städtischen KonsumentInnen
als „letzte globalisierungsfreie Zone“.                        beim Konsum von Lebensmitteln weit häufiger genannt, als
Die FokusgruppenteilnehmerInnen scheinen aber auch eine        von den KonsumentInnen ländlicher Herkunft. Bis auf
genaue Vorstellung davon zu haben, welche Ortschaften,         einen Diskussionsteilnehmer, der den Konsum von einhei-
Regionen, Länder usw. mit Berg in Verbindung stehen; so        mischem Mineralwasser u.a. mit der Vermeidung „tausen-
werden z.B. Produkte aus der Schweiz grundsätzlich als         der Transport-Kilometer“ begründet, geht kein weiterer
Bergprodukte wahrgenommen, unabhängig davon, ob sich           Teilnehmender aus dem ländlichen Raum auf Aspekte des
im Produktnamen oder auf der Produktverpackung ein Berg        Umweltschutzes ein.
befindet oder erwähnt wird.                                    Ökologische Aspekte werden von Tiroler KonsumentInnen
Mit Almen und Bergen verbundene Emotionen wirken sich          städtischer Herkunft wie auch von den deutschen Gästen
nach Aussagen der KonsumentInnen indirekt auch positiv         angeführt. Während für die Tiroler Diskussionsteilnehme-
auf die Wahrnehmung der Produktqualität aus. Vermutlich        rInnen kurze Transportwege im Vordergrund stehen, äußern
werden Lebensmittel aus dem Berggebiet auch deshalb von        sich Gäste aus Deutschland sehr ausführlich zur umwelt-
den DiskussionsteilnehmerInnen als gesunde Lebensmittel        freundlichen und tiergerechten Produktionsweise von Le-
empfunden.
                                                               5
Die Welt der Meinung                                               Als Einstieg in die Thematik wurden verschiedene Mineral-
                                                                   wässer und Käse angeboten. Diese Aussage bezieht sich auf
Innerhalb der Welt der Meinung gehen die Diskussionsteil-          eines der servierten Mineralwässer.

                                                           131
Agrarwirtschaft 58 (2009), Heft 2

bensmitteln. Dabei wird die Alpung als besonders tierge-       naturbelassenen Lebensmitteln könnte dieser Konsument-
recht empfunden. Die KonsumentInnen vermuten, dass in          Innenerwartung verstärkt Rechnung getragen werden. In
Bergregionen mit Umwelt und Tieren besser umgegangen           diese Diskussion spielen auch die Zusatznutzen Gesundheit,
wird, als im intensiver bewirtschafteten Flachland. Die        Reinheit und Natürlichkeit hinein. In den Augen der Kon-
Tiroler FeinschmeckerInnen setzen die traditionelle Bewirt-    sumentInnen aller vier Fokusgruppen zeigen sich Bergpro-
schaftungsform auf Bergbauernhöfen häufig mit einer bio-       dukte als Naturprodukte, die aufgrund der naturnahen Pro-
logischen Bewirtschaftungsweise gleich.                        duktion, des begrenzten Einsatzes von chemischen Mitteln
Transportweg und Verpackung kommen besonders beim              sowie der intakten Umwelt im Berggebiet ganz einfach
Kauf von Mineralwasser zum Tragen. TeilnehmerInnen in          gesund sein müssen.
allen vier Fokusgruppen plädieren dafür, regionales Mine-      Besonders häufig genannt werden auch Zusatznutzen wie
ralwasser zu kaufen, um unnötige Transportkilometer zu ver-    Regionalität, Vertrauen in die ProduzentInnen, traditionelle
meiden. Tiroler KonsumentInnen bezeichnen die Abfüllung        Herstellung, Frische, guter Geschmack oder kleine Produk-
von Mineralwasser in Plastikflaschen wörtlich als „kom-        tionsmengen. Hier hinein spielt auch der Zusatznutzen der
pletten Schwachsinn“ und sehen darin eine starke Belastung     Authentizität, der vor allem seitens der Tiroler Feinschme-
der Umwelt, da sich bestes Quellwasser in nächster Nähe        ckerInnen genannt wird. Die Tiroler KonsumentInnen so-
befindet bzw. aus der Wasserleitung fließt.                    wohl ländlicher als auch städtischer Herkunft ergänzen diese
                                                               Liste noch mit der Heimatverbundenheit, welche Bergpro-
5. Diskussion der Ergebnisse und                               dukte vermitteln.
                                                               Die Unterstützung der ProduzentInnen im Berggebiet stellt
   Schlussfolgerungen für die Vermarktung                      vor allem aus Sicht der deutschen Diskussionsteilnehmer-
Die Aufgliederung und Zuweisung von Konsumargumenta-           Innen und der Tiroler FeinschmeckerInnen einen weiteren
tionen zu den einzelnen Welten der Convention Theory           Zusatznutzen dar. Nach Meinung der deutschen Urlauber-
erlaubt es, die verschiedenen Zusatznutzen zu kategorisie-     Innen pflegen die Bäuerinnen und Bauern im Berggebiet
ren und Kundengruppen wie auch Produktgruppen zuzu-            die Landschaft, deretwegen TouristInnen ihren Urlaub dort
ordnen. Dies kann dazu genutzt werden, Produkte aus Berg-      verbringen. Um dies tun zu können, müssen die Bauern und
regionen entsprechend spezifischer Kundenerwartungen           Bäuerinnen aber auch ein ausreichendes Einkommen aus
besser zu vermarkten und einen eventuellen Mehrpreis zu        der Vermarktung ihrer Produkte erzielen. Auch nach Auf-
rechtfertigen.                                                 fassung der Tiroler FeinschmeckerInnen trägt der Kauf
                                                               lokaler Lebensmittel zur regionalen Wertschöpfung im
Die Ergebnisse zeigen, dass die Argumentationen für Käse
                                                               Berggebiet bei, wodurch die im Berggebiet lebende bäuer-
weitaus breiter gefächert sind als für Mineralwasser. Wäh-
                                                               liche Bevölkerung unterstützt wird. Verstärkt hervorgeho-
rend für Käse in allen sieben Welten Argumentationen
                                                               ben werden könnte diese unterstützende Nutzenkomponente,
gefunden werden können, kommen diese für Mineralwasser
                                                               indem der Zusammenhang zwischen der Arbeit der Berg-
in der staatsbürgerlichen Welt, der Welt des Hauses und der
                                                               bauern/Bergbäuerinnen und der Erhaltung der Kulturland-
Welt der Inspiration überhaupt nicht bzw. kaum vor. Damit
                                                               schaft in der Produktbewerbung besonders hervorgehoben
kann Käse in der Vermarktung auch leichter an die Berg-
                                                               wird.
herkunft gebunden werden als Mineralwasser. In Abhän-
gigkeit von der jeweiligen Produktgruppe offenbaren sich       Besonderen Wert auf das Verpackungsdesign und die Pro-
also unterschiedliche Argumentationsmuster. Dies ent-          duktpräsentation legt die Fokusgruppe der städtischen Kon-
spricht den Ergebnissen von SPILLER, LÜTH und ENNEKING         sumentInnen aus Tirol, die ein „kitschiges“ Design, wie es
(2004: 31) sowie BÄHR et al. (2004: 124ff.), die mittels der   häufig für Bergprodukte verwendet wird, ablehnt. Daneben
Laddering-Methode Motive für bzw. gegen den Kauf von           scheinen auch Prestige und Bekanntheitsgrad eines Pro-
Öko-Produkten untersuchen. Die AutorInnen empfehlen            dukts die städtischen KonsumentInnen in ihrem Kaufver-
daher produktspezifisch unterschiedliche Positionierungs-      halten zu beeinflussen.
strategien (SPILLER, LÜTH und ENNEKING, 2004: 32), was         Weniger für die Tiroler, dafür aber umso mehr für die deut-
auch für Bergprodukte Gültigkeit haben dürfte.                 schen KonsumentInnen spielt der Zusatznutzen „lokale
Die Herkunft aus dem Berggebiet allein stellt jedoch noch      Spezialität“ beim Kauf von Bergprodukten eine Rolle. Dies
keinen singulären Zusatznutzen dar, sondern setzt sich aus     ist umso verständlicher, als es für viele deutsche Konsu-
mehreren Aspekten bzw. Zusatznutzen zusammen, die von          mentInnen insbesondere aus den nördlicheren Regionen
den FokusgruppenteilnehmerInnen jeweils mit der Berg-          Deutschlands schwierig sein dürfte, Lebensmittel aus dem
herkunft in Verbindung gebracht werden. Der Mehrwert der       Berggebiet zu erstehen. Bergprodukte könnten daher im
Bergherkunft lässt sich also auf eine Kombination von          Ausland als Spezialitäten in Delikatessenläden vermarktet
emotionalen und rationalen Argumenten, die den sieben          werden. Ebenso von den deutschen Urlaubsgästen ange-
Welten zugeordnet werden können, zurückführen. So ergibt       sprochen und befürwortet wird der Versand von Käsespezi-
sich der von den DiskussionsteilnehmerInnen angeführte         alitäten über Internet, und auch der Markt für Bergprodukte
Zusatznutzen „ohne künstliche Aromastoffe“ bzw. „ohne          als Urlaubssouvenirs erscheint weiter ausbaufähig.
künstliche Zusätze“ eines Bergprodukts aus der Tatsache        Umweltfreundlichkeit und Tiergerechtigkeit stellen vor allem
heraus, dass die KonsumentInnen aller vier Fokusgruppen        für die deutschen Gäste und die Tiroler FeinschmeckerIn-
davon ausgehen, Lebensmittel aus dem Berggebiet seien          nen einen Zusatznutzen beim Kauf von Lebensmitteln aus
per se ohne Verwendung künstlicher Zusätze hergestellt         dem Berggebiet dar. Die Aussagen der deutschen Gäste
worden. Tatsächlich wird dies in der Produktbewerbung oft      drehen sich insbesondere um den Zusatznutzen der Tierge-
vorgegeben, ohne den Tatsachen zu entsprechen. Durch die       rechtigkeit, wobei sie diesen wiederum in Unterkategorien,
Abgrenzung und bewusste Bewerbung von tatsächlich              wie tiergerechte Haltungsbedingungen, Weidehaltung oder

                                                           132
Agrarwirtschaft 58 (2009), Heft 2

kleine Viehzahlen, aufschlüsseln. Besonders angepriesen wird         DAX, T. und G. WIESINGER (2007): Der Marginalisierung entge-
dabei die Weidehaltung auf der Alm. Die Tiroler Fein-                    genwirken: Nachhaltige Entwicklung der Berglandwirtschaft.
schmeckerInnen sprechen daneben auch die umweltfreund-                   In: Ländlicher Raum - Online-Fachzeitschrift des Bundesminis-
liche Produktion an, die Komponenten, wie Verzicht auf                   teriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasser-
                                                                         wirtschaft. URL: http://www.laendlicher-raum.at/article/article
Kunstdünger, Verzicht auf Pestizide oder kurze Transport-                view/53548/1/10402, Stand: 2.7.2008.
wege, umfasst. Diese zwei KonsumentInnengruppen könn-
                                                                     DIAZ-BONE, R. (2007): Qualitätskonventionen in ökonomischen
ten sich daher möglicherweise durch die Anpreisung be-                   Feldern. In: Berliner Journal für Soziologie 17 (4): 489-509.
sonders umweltfreundlicher und tiergerechter Produktions-            GREBITUS, C. und M. BRUHN (2008): Analyzing semantic networks
methoden im Berggebiet angesprochen fühlen.                              of pork quality by means of concept mapping. In: Food Quality
Zusammenfassend scheinen einige der Komponenten, wie                     and Preference 19 (1): 86-96.
etwa Gesundheit, Reinheit und Natürlichkeit, traditionelle           GROIER, M. (1993): Bergraum in Bewegung. Almwirtschaft und
Herstellung und kleine Produktionsmengen allen vier Fo-                  Tourismus – Chancen und Risiken. Forschungsbericht 31. Bun-
kusgruppen wichtig zu sein. Andere Zusatznutzen, wie zum                 desanstalt für Bergbauernfragen, Wien.
Beispiel Heimatverbundenheit und Regionalität, verbunden             GROIER, M. und G. HOVORKA (2007): Innovativ bergauf oder tra-
mit Vertrauen in die ProduzentInnen, spielen vornehmlich                 ditionell bergab? Politik für das österreichische Berggebiet am
bei den Tiroler KonsumentInnen eine Rolle, während der                   Beginn des 21. Jahrhunderts. Forschungsbericht 59. Bundes-
                                                                         anstalt für Bergbauernfragen, Wien.
Status des Bergproduktes als Spezialität insbesondere die
                                                                     HOLT, G. und V. AMILIEN (2007): Introduction: from local food to
deutschen Urlaubsgäste anspricht. Die städtischen Fein-
                                                                         localised food. In: Anthropology of food – Special issue S2.
schmeckerInnen aus Tirol und die deutschen Urlaubsgäste                  URL: http://aof.revues.org/document405.html.
sprechen im Gegensatz zur ländlichen Bevölkerung auf
                                                                     JOINER, C. (1998): Concept Mapping in Marketing: A Research
Argumente, wie Tiergerechtigkeit und umweltfreundliche                   Tool for Uncovering Consumers’ Knowledge Structure Associa-
Produktion, an und wollen die Pflege der Kulturlandschaft                tions. In: Advances in Consumer Research 25: 311-317.
im Berggebiet durch den Kauf von Produkten unterstützen.             KAUFMANN, J. (2006): Kochende Leidenschaft. Soziologie vom
Diese Argumente könnten in der Bewerbung von Produkten                   Kochen und Essen. Uvk, Konstanz.
aus dem Berggebiet verwendet werden, um einerseits ihre              KIRCHENGAST, C. (2008): Über Almen – Zwischen Agrikultur und
Austauschbarkeit auf dem gesättigten Lebensmittelmarkt zu                Trashkultur. Innsbruck University Press, Innsbruck.
vermindern, andererseits um einen möglicherweise höheren             KIRWAN, J. (2006): The interpersonal world of direct marketing:
Produktpreis für Lebensmittel aus dem Berggebiet rechtfer-               Examining conventions of quality at UK farmers´ markets. In:
tigen zu können, zu dem, wie MÜHLETHALER (2006: 43) in                   Journal of Rural Studies 22 (3): 301-312.
seiner Erhebung feststellt, KonsumentInnen durchaus bereit           KROEBER-RIEL, W. und P. WEINBERG (2003): Konsumentenver-
sind.                                                                    halten. 8. aktualisierte und ergänzte Auflage. Verlag Franz
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