Pflanzenbetonte Ernährung - Mehr für den Planeten Mark Driscoll - alpro Foundation

Die Seite wird erstellt Marlene Fischer
 
WEITER LESEN
Pflanzenbetonte Ernährung - Mehr für den Planeten Mark Driscoll - alpro Foundation
Mehr
            pflanzenbetonte
               Ernährung
            für den Planeten
                 Mark Driscoll
Juli 2019
Pflanzenbetonte Ernährung - Mehr für den Planeten Mark Driscoll - alpro Foundation
Was ist ein E-Book?
Die Alpro Foundation hat ein E-Book zusammengestellt, das sich mit dem Wechsel zu einer pflanzenbetonteren
    Ernährung beschäftigt, die notwendig ist um die Gesundheit von Mensch und Planeten zu verbessern.

   Dieses Buch ist ein interaktives Dokument, das Sie auf allen digitalen Geräten lesen können. Es enthält
zahlreiche wissenschaftliche Daten, Zahlen und Videos, die Ihnen einen besseren Einblick in dieses komplexe
                                     und herausfordernde Thema geben.

                        Text von Mark Driscoll, Gründer und Direktor, Tasting the Future, UK.
     Zusammengefasst von Prof. Em. Harry Aiking, Institute for Environmental Studies, VU University, The Netherlands.
         Diese Zusammenfassung wird unterstützt von dem wissenschaftlichen Komitee der Alpro Foundation.
                                                    Stand: July 2019
Pflanzenbetonte Ernährung - Mehr für den Planeten Mark Driscoll - alpro Foundation
Inhaltsverzeichnis
1   Einführung                                                                          4

2   Die globalen Nachhaltigkeitsherausforderungen: Ein Überblick                        6
    1.   Kernbotschaften							7
    2.   Was ist ein nachhaltiges Ernährungssystem?				                                 7
    3. 	Wichtige Trends, die sich auf unser Ernährungssystem und die planetare
         Gesundheit auswirken.						                                                    8
    4. 	Ein Überblick über die planetaren Auswirkungen der Ernährung & die
          Vorteile der pflanzenbetonten Ernährung				                                   12
    5.   Internationale Verpflichtungen - Ziele der nachhaltigen Entwicklung (SDGs),
          Pariser Klimaschutzabkommen und Verpflichtungen zur biologischen Vielfalt     13

3   Planetare Auswirkungen von Lebensmittelproduktion und -konsum                       14
    1.   Kernbotschaften							15
    2.   Ernährungssicherheit							15
    3.   Klimawandel und Treibhausgasemissionen					                                    16
    4. 	 Landnutzungsänderung & Biodiversität					17
    5.   Energieverbrauch							19
    6.   Wasserqualität und -quantität						                                            19
    7.   Lebensmittelabfälle, Verpackungsabfälle und Kompromisse			                     20
    8.   Soziale und wirtschaftliche Auswirkungen			                  		                21

4   Die Notwendigkeit einer nachhaltigen Ernährung			                                   22
    1.   Kernbotschaften							23
    2.   Was ist eine nachhaltige Ernährung?					                                       23
    3.   Der EAT-Lancet Commission Report					                                          25
    4.   Nachhaltige Ernährung in der Praxis: Best Case Beispiele			                    27
    5. 	Eine Zusammenfassung von Studien zur Bewertung der Umweltauswirkungen
         einer pflanzenbetonten Ernährung                                               28
    6. 	Eine Zusammenfassung von Studien zur Bewertung der gesundheitlichen
         Auswirkungen nachhaltiger Ernährung                                            32

5   Take Home Messages							34

6   Referenzen								36
Pflanzenbetonte Ernährung - Mehr für den Planeten Mark Driscoll - alpro Foundation
Einführung

4
Pflanzenbetonte Ernährung - Mehr für den Planeten Mark Driscoll - alpro Foundation
E
     s war Michael Pollan, ein amerikanischer Bestseller-          Unser Ernährungssystem leistet einen wesentlichen
     autor und Professor für Journalismus in Berkeley, der         Beitrag zur Überschreitung einer Reihe von Umwelt-
     schrieb: „Essen Sie Lebensmittel, nicht zu viel und           grenzwerten, darunter Verlust der biologischen Vielfalt,
pflanzenbetont“.1 Aus Nachhaltigkeitssicht hat Michael             Störung des Stickstoffkreislaufs und Klimawandel. Unser
Pollan alles richtig gemacht. Der größte Schritt, der die          Ernährungssystem trägt bis zu 29 % zu den globalen
Umweltauswirkungen der Lebensmittel, die wir essen und             Treibhausgasemissionen bei, verbraucht 70 % des ge-
anbauen, deutlich reduzieren wird, besteht darin, sicher-          samten Süßwassers und war der Hauptgrund für den
zustellen, dass wir mehr pflanzliche Proteine in unserer           Verlust von 60 % unserer biologischen Vielfalt in den
Ernährung aufnehmen. Die Erhöhung des Pflanzenanteils              letzten 40 Jahren. Die Umwandlung von Proteinen aus
in unserer Ernährung bei gleichzeitiger Verringerung               Futterpflanzen in tierisches Protein für den menschlichen
des gesamten Fleischkonsums ist der Schlüssel zur                  Verzehr ist von Natur aus ressourcenineffizient und hat
Verbesserung der Gesundheit von Mensch und Umwelt.                 viele dieser Auswirkungen verursacht.

Es gibt drei Hauptpfeiler eines nachhaltigen Ernährungs-           Derzeit erleben wir einen Anstieg von Veganismus,
systems: wirtschaftliche, ökologische und soziale Nach-            Vegetarismus und Flexitarismus sowie Menschen, die den
haltigkeit (einschließlich der menschlichen Gesundheit).           tierischen Lebensmittelkonsum in ganz Europa reduzieren
Wenn eine Säule schwach ist, dann ist das Ernährungs-              wollen, angetrieben von zunehmenden Bedenken der
system nicht nachhaltig. Unsere Ernährungssysteme sind             Verbraucher über die Auswirkungen von Lebensmitteln
der Schlüssel zur Erfüllung einer Reihe internationaler            auf Gesundheit und Nachhaltigkeit.
globaler Verpflichtungen in den Bereichen Gesundheit
und Nachhaltigkeit. Dazu gehören die UN-Ziele für nach-            Dieser Bericht fasst Studien zusammen, die den Nutzen
haltige Entwicklung, die darauf abzielen, die Armut zu             einer pflanzenbetonten Ernährung für die Gesundheit
beenden, den Planeten zu schützen, den Wohlstand für alle          unseres Planeten aufzeigen. Die Herausforderung
und unsere globalen Verpflichtungen zum Klimawandel                besteht heute darin, diese Wissenschaft in die Tat um-
zu gewährleisten und die globale Erwärmung auf unter               zusetzen.
1,5 Grad zu begrenzen.

                            Was ist pflanzenbetonte Ernährung?
       Es gibt verschiedene Formen der pflanzenbetonten Ernährung, von vegan über vegetarisch bis hin
       zu flexitarisch. Pflanzenbetonte Ernährung schließt nicht unbedingt alle tierischen Produkte aus. Im
       Mittelpunkt der Ernährung stehen jedoch pflanzliche Lebensmittel wie Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte,
       Vollkorn, Nüsse, Samen, Pilze, Pflanzenöle und pflanzliche Alternativen zu Fleisch und Milchprodukten.

         FORMEN DER PFLANZENBETONTEN ERNÄHRUNG

                                  LAKTO-                 OVO-LAKTO-
           VEGAN                                         VEGETARIER               PESCETARIER              FLEXITARIER
                                VEGETARIER

       Keine tierischen        Keine tierischen         Keine tierischen         Kein Fleisch, aber     Gelegentlich kleine
          Produkte             Produkte außer           Produkte außer       Fisch und Meeresfrüchte,   Mengen von Fleisch
                                Milchprodukte       Milchprodukte und Eier    Milchprodukte und Eier        oder Fisch

                                                                                                                               5
Pflanzenbetonte Ernährung - Mehr für den Planeten Mark Driscoll - alpro Foundation
Die globalen Nachhaltig-
keitsherausforderungen:
     Ein Überblick
Pflanzenbetonte Ernährung - Mehr für den Planeten Mark Driscoll - alpro Foundation
1. Kernbotschaften

     •   U
          m mehrere Herausforderungen im Bereich der Nachhaltigkeit anzugehen, müssen wir uns mit einer Reihe
         von wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Maßnahmen befassen, die zu vielfältigen Ergebnissen
         führen können, die sowohl der menschlichen als auch der planetaren Gesundheit zugutekommen.
     •   Z
          u den wichtigsten globalen Trends gehören eine Bevölkerung, die bis 2050 9,7 Milliarden Menschen
         erreichen könnte, eine steigende globale Nachfrage nach Fleisch und veränderte Erwartungen der
         Verbraucher.
     •   W
          ir überschreiten die Umweltgrenzwerte, insbesondere in Bezug auf den Verlust der biologischen Vielfalt,
         die Störung des Stickstoffkreislaufs und den Klimawandel. Die weltweite Nachfrage nach Fleisch und an-
         deren tierischen Produkten ist einer der wichtigsten Faktoren, die zur Überschreitung dieser Grenzwerte
         beitragen.
     •   U
          m die planetare und menschliche Gesundheit wiederherzustellen, brauchen wir eine Kombination
         aus größeren Ernährungsumstellungen (ein größerer Anteil von Pflanzen in der Ernährung), einer
         verbesserten Nahrungsmittelproduktion durch verbesserte Landwirtschaft und Technologiewechsel und
         einer geringeren Verschwendung von Lebensmitteln in allen Stufen der Wertschöpfungskette von der
         Produktion bis zum Konsum.

2. Was ist ein nachhaltiges Ernährungssystem?

I
  n dem 1987 erstellten Brundtland-Bericht der Vereinten       wirtschaftliche, ökologische und soziale Nachhaltigkeit
  Nationen (UN) über Umwelt und Entwicklung: „Unsere           (einschließlich der menschlichen Gesundheit). Wenn
  gemeinsame Zukunft" 2 wurde angemerkt, dass eine             eine Säule schwach ist, dann ist das Ernährungssystem
nachhaltige Entwicklung „den Bedürfnissen der Gegen-           als Ganzes nicht nachhaltig.
wart entspricht, ohne das Wohlergehen künftiger
Generationen zu beeinträchtigen". Es gibt keine einzige        Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der
rechtliche oder allgemein akzeptierte Definition von nach-     Vereinten Nationen (FAO) definiert ein nachhaltiges Ernäh-
haltigen Lebensmitteln, und es gibt viele verschiedene         rungssystem als ein „Ernährungssystem, das Ernährungs-
Ansichten darüber, was ein „nachhaltiges“ Ernährungs-          sicherheit und Ernährung für alle so bietet, dass die
system ausmacht. Im Allgemeinen gibt es jedoch drei            wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Grundlagen
Hauptpfeiler 3 eines nachhaltigen Ernährungssystems:           zur Schaffung von Ernährungssicherheit und Ernährung
                                                               für künftige Generationen nicht beeinträchtigt werden“. 5

                                                               Unser Ernährungssystem ist stark vernetzt, so dass
                                                               die Entscheidungen, die alle Beteiligten treffen, ob
         SOZIAL:              ZUGANG           WIRT-             Produzent, Lebensmittelhersteller, Investor, Regierung
                                ZU          SCHAFTLICH:
     GEMEINSCHAFT             LEBENS-                              oder Verbraucher, weitreichende Auswirkungen auf
      VERSORGEN
                              MITTELN         WOHLSTAND             die Umwelt, die Gesellschaft und die Wirtschaft
                                             VORANTREIBEN           auf der ganzen Welt haben werden. Um eine der
                                NACH-
                              HALTIGES                              hier hervorgehobenen Nachhaltigkeitsherausforde-
                               ERNÄH-                               rungen anzugehen, sind Maßnahmen erforderlich,
                               RUNGS-
                               SYSTEM                              die zu mehreren Ergebnissen führen können, von
                                           SINNVOLLE
                NACHHALTIGE                                       denen sowohl die menschliche als auch die planetare
                                         LEBENSMITTEL-
                 & GESUNDE
                                          PRODUKTION            Gesundheit profitieren.
                ERNÄHRUNG
                                         & VERTEILUNG

                      ÖKOLOGISCH:
                                                               Abbildung 1 - Nur wenn wir alle drei Säulen ansprechen,
                         RESSOURCEN                                           ist das Ernährungssystem nachhaltig. Von der Economist
                          SCHONEN                                             Intelligence Unit: UNDP 4

                                                                                                                                       7
Pflanzenbetonte Ernährung - Mehr für den Planeten Mark Driscoll - alpro Foundation
3. W
        ichtige Trends, die sich auf unser Ernährungs-
       system und die planetare Gesundheit auswirken.
    Es gibt eine Vielzahl von Trends, die sich in den nächsten Jahren auf das globale Ernährungssystem auswirken werden.
    Dazu gehören:

    •     D
            EMOGRAFISCHER                  Die Weltbevölkerung wird voraussichtlich von 7,3 Milliarden Menschen
                                            im Jahr 2015 auf 9,7 Milliarden im Jahr 2050 wachsen 6 (zwei Drittel davon
           WANDEL                           leben in Städten). Nach Angaben der Vereinten Nationen muss die Nahrungs-
                                            mittelproduktion bis 2050 um 60 % steigen 7, während viele andere eine
                                            Verdoppelung prognostizieren, basierend auf Business as usual-Szenarien. 8

                                            Projektion des Bevölkerungswachstums 6

                                7.3                                                            9.7
                      MILLIARDEN                                                               MILLIARDEN

                               2015                                                            2050

    •      STEIGENDE                      Bis 2050 wird erwartet, dass der weltweite Konsum von Fleisch und
             NACHFRAGE                      Milchprodukten um 76 % bzw. 65 % gegenüber einem Basiswert von 2005-07
                                            steigen wird, verglichen mit 40 % bei Getreide. 9Die neuesten OECD-FAO
             NACH TIERISCHEN                Agricultural Outlook-Datensätze 10 deuten allein in den nächsten zehn Jahren
             PRODUKTEN                      auf einen Anstieg des weltweiten Fleischkonsums um 15 % hin, der durch die
                                            steigende Nachfrage in Subsahara-Afrika, Indien und China verursacht wird.
                                            Zu den größten Fleisch verbrauchenden Ländern gehören heute China, die
                                            Europäische Union, die Vereinigten Staaten, Australien und Südamerika. 11

                                            Erwarteter Anstieg des globalen Verbrauchs 9

                                                                                            + 76 %
                                                + 65 %
           + 40 %

            GETREIDE                         MILCHPRODUKTE                                    FLEISCH

8
Pflanzenbetonte Ernährung - Mehr für den Planeten Mark Driscoll - alpro Foundation
Fleischproduktion nach Regionen

                                  Abbildung 2 - Von der UN FAO, Our World in Data (2017) 12

In den letzten Jahren hat sich die Art und Weise, wie wir Proteine produzieren und konsumieren, zu einem Schlüs-
selthema entwickelt, das im Mittelpunkt vieler Umwelt- und Gesundheitsauswirkungen der Lebensmittelproduktion
sowie des Lebensmittelkonsums steht. 13,14 Heute nutzt die Weltbevölkerung etwa 50 % der gesamten bewohnbaren
Fläche für die Landwirtschaft. 77 % dieser Fläche werden für die Tierzucht (17 % unserer Kalorien), den Anbau
von Futterpflanzen sowie die Nutzung von Weiden als Weideland und 23 % für den Anbau von Pflanzen für den
menschlichen Verzehr genutzt (83 % unserer Kalorien). 15 Der Übergang zu industrialisierten Tierhaltungssystemen
führt zu einer erheblichen Nachfrage nach Getreide sowie anderen pflanzlichen Proteinen, die als Futtermittel für
Tiere genutzt werden, und trägt zu einer Vielzahl anderer, nachfolgend hervorgehobener Umweltauswirkungen bei. 13

Tierische Lebensmittel haben einen höheren Ressourcenverbrauch als pflanzliche Lebensmittel

                                                                                              Abbildung 3 - Von der WIR (World Resources
                                                                                              Institute) Shifting diets for a sustainable food
                                                                                              future (2016) 16

                                                                                                                                                 9
Pflanzenbetonte Ernährung - Mehr für den Planeten Mark Driscoll - alpro Foundation
•         VIEHZUCHT                                    Es braucht viel mehr Getreide, Land und Wasser, um ein Tier heranzuzüchten,
                                                              um ein Kilo Fleisch zu produzieren, als um die gleiche Anzahl von Kalorien
               FÜHRT ZU                                       in Form von Getreide oder Pflanzen zu produzieren, die direkt gegessen
               INEFFIZIENTER                                  werden. Die Proteineffizienz der Fleisch- und Milchproduktion ist definiert
               FUTTERMITTEL-                                  als der Prozentsatz der Proteininputs als Futtermittel, die effektiv in
               NUTZUNG                                        tierisches Protein umgewandelt werden.

                                                              Geflügel zum Beispiel hat einen Wirkungsgrad von etwa 20 % (pro 5 kg Protein in
                                                              1 kg) und Rindfleisch einen Wirkungsgrad von etwa 3,8 % 16 (siehe Abbildung 4),
                                                              obwohl dies stark von der Art des Produktionssystems abhängt (z. B. extensive
                                                              vs. intensive, organische vs. anorganische etc.). Die zugrunde liegende Ursache
                                                              ist, dass Rinder mehrere Mägen haben, die darauf ausgerichtet sind, resistente
                                                              Lignine von Gräsern zu metabolisieren, anstatt leicht verdauliche Kohlenhydrate
                                                              aus Mais. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit werden sie jedoch mit Mais
                                                              gefüttert, um schneller zu wachsen. Die Kalorien- und Proteineffizienz ist dabei
                                                              aber gering. Tatsächlich dürfen sie nicht länger als etwa drei Monate mit Mais
                                                              gefüttert werden, da es sie sonst krank macht. 17

     Proteineffizienz der Produktion von Fleisch und Milchprodukten

                Eier                                                                                      25%

         Vollmilch                                                                                      24%

          Geflügel                                                                           19.6%

         Schwein                                       8.5%

     Lamm/Schaf                                6.3%

               Rind                   3.8%

                       0%              5%               10%              15%              20%           25%

     Abbildung 4 - Von Alexander, P. (2016) Human appropriation of Land for Food: The role of diet 16

     •         VERÄNDERUNGEN                                Angetrieben von der Sorge um Gesundheit, Nachhaltigkeit und Tierschutz
                 IN DEN ERWAR-                                wenden sich viele Verbraucher in ganz Europa und Nordamerika einer stärker
                                                              pflanzlichen Ernährung zu (flexitarische, vegetarische und/oder vegane
               TUNGEN DER                                     Ernährung) und treffen bewusst Entscheidungen, um die Fleischmengen in
               VERBRAUCHER                                    der Ernährung zu reduzieren. Jüngste europäische Untersuchungen haben
                                                              beispielsweise gezeigt, dass 57 % der Deutschen, 55 % der Polen und 45 %
                                                              der Menschen in Frankreich und Italien bewusst fleischfreie Tage einlegen. 18
                                                              Alle Anzeichen deuten auf ein anhaltend schnelles Wachstum des Umsatzes
                                                              mit pflanzlichen Produkten auf lange Sicht hin, getrieben durch den Anstieg
                                                              der flexitarischen, vegetarischen und veganen Ernährung, da die Verbraucher
                                                              weiterhin nach Produkten suchen, die die Auswirkungen auf Gesundheit und
                                                              Nachhaltigkeit reduzieren. 19

10
ENTDECKE
  Sechs pflanzen-
betonte Innovations-
  Trends für 2019

    ENTDECKE
  Zehn Trends für
nachhaltige Lebens-
  mittel für 2020
4. E
         in Überblick über die planetaren Auswirkungen der
        Ernährung & die Vorteile der pflanzenbetonten Ernährung

     I
       m Jahr 2009 identifizierte eine Gruppe von 29 inter-                 Die Aktivitäten der Gesellschaft haben bereits den
       national renommierten Wissenschaftlern unter der                     Klimawandel, den Verlust der biologischen Vielfalt,
       Leitung von Johan Rockström neun Auswirkungen des                    Verschiebungen in den Nährstoffkreisläufen (Stickstoff
     Menschen auf Prozesse, die die Stabilität und Wider-                   und Phosphor) und die Landnutzung über die Grenzen
     standsfähigkeit des Erdsystems regeln. 20                              hinaus in einen noch nie dagewesenen Bereich
                                                                            getrieben. 21 Unser Ernährungssystem ist einer der
                                                                            wichtigsten Treiber für die Verletzung dieser planetaren
          1.    Klimawandel                                                Grenzen. 22 Sie wurden daraufhin bewertet und einge-
                                                                            stuft, wobei der Verlust der biologischen Vielfalt, die
          2.     	Intaktheit der Biosphäre
                                                                            Störung des Stickstoffkreislaufs und der Klimawandel
          3.     Landnutzungswandel
                                                                            die Top 3 der Gründe für die Überschreitung der Umwelt-
          4.     Süßwassernutzung                                          grenzen sind. 23,24,25 Die weltweite Nachfrage nach
          5.     Biogeochemische Flüsse                                    Fleisch und anderen tierischen Produkten ist einer der
          6.     Versauerung der Meere                                     wichtigsten Faktoren, die zur Überschreitung dieser
          7.    Aerosolgehalt der Atmosphäre                               Grenzwerte beitragen.
          8.     Ozonverlust in der Stratosphäre
          9.     	Neue Substanzen und modifizierte
                    Lebensformen

     Die neun planetaren Grenzen

                               Abbildung 5 - Die neun planetaren Grenzen (Aus: The Stockholm Resilience Centre) 20

12
5. Internationale Verpflichtungen - Ziele der nachhaltigen
       Entwicklung (SDGs), Pariser Klimaschutzabkommen
      und Verpflichtungen zur biologischen Vielfalt

   I
     m Jahr 2015 haben die UN-Mitgliedstaaten zwei             17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung
     globale Abkommen gebilligt, die das internationale
     Interesse an und die Notwendigkeit eines systemischen
   Ansatzes für viele der mit dem Ernährungssystem
   verbundenen Gesundheits- und Nachhaltigkeitschancen
   und -herausforderungen unterstreichen. Dazu gehören
   die Agenda für nachhaltige Entwicklung, 26 in der
   17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung festgelegt
   wurden, und das Pariser Übereinkommen über den
   Klimawandel 27, in dem die Notwendigkeit dringender
   Maßnahmen hervorgehoben wurde, um die globale
   Erwärmung unter der Schwelle von 1,5 Grad zu halten.
   Beide Abkommen erfordern weitreichende Verpflich-
   tungen und Maßnahmen aller Länder der Welt für ihre
   erfolgreiche Umsetzung, wobei ein nachhaltiges System
   der Schlüssel zum Erfolg dieser beiden Abkommen ist.                 Abbildung 6 - Ziele der nachhaltigen Entwicklung 26

   Die Global Nutrition Reports 2017 & 2018 28 betonten,
   dass die SDGs einen beispiellosen Impuls für einen
   universellen und integrierten Wandel darstellen.
                                                                                                       Kennen Sie alle
   Johan Rockström und Pavan Sukhdev stellten des
   Weiteren fest, dass die Umsetzung der gesamten                                                        17 Ziele der
   Palette von SDGs zunächst auf dem Erreichen dessen                                                   nachhaltigen
   basiert, was sie als „biosphärische“ oder ökologische
                                                               SDG Hochzeitstore                        Entwicklung?
   Ziele 29 bezeichneten (6, 13, 14, 15), d. h. es ist eine
   notwendige, aber nicht ausreichende Bedingung für
   das Erreichen sozialer Ziele und der Determinanten der
   Gesundheit (z. B. SDG 1 zur Armut, SDG 4 zur Bildung
   und SDG 10 zur Verringerung der Ungleichheiten) und
   wirtschaftlicher Ziele, dass wir über robuste und stabile
   Ökosysteme verfügen. Dies spiegelt sich in der Struktur
   der „Hochzeitstorte“ in Abbildung 7 wider.

  FÜR WEITERE
INFORMATIONEN:
 Johan Rockstrom
  2018 TED Talk
                                                                Abbildung 7 - SDG Hochzeitstorte 29

                                                                                                                              13
Planetare Auswirkungen
   von Lebensmittel-
produktion und -konsum
1. K
    ernbotschaften

    •   V
         iehzucht trägt mit 14,5 % zu den globalen Treibhausgasemissionen bei und durch den Übergang zu einer
        stärker pflanzlichen Ernährung würden erhebliche Mengen an Land frei werden.
    •   D
         ie Natur und Artenvielfalt geht weltweit in einem Ausmaß zurück, das in der Menschheitsgeschichte
        beispiellos ist, mit über 1 Million vom Aussterben bedrohten Arten. Eine Schätzung besagt, dass 30 % des
        weltweiten Verlusts an biologischer Vielfalt auf die Tierproduktion zurückzuführen sind.
    •   D
         ie Ernährungsumstellung könnte die Gesamtenergiemenge im Lebensmittelsystem deutlich reduzieren,
        die Wasserknappheit reduzieren und die Wasserqualität verbessern.
    •   D
         ie ökologischen und sozialen Auswirkungen der Lebensmittelproduktion und -konsums spiegeln sich nicht
        wirklich in den Lebensmittelpreisen wider, die viele Verbraucher zahlen. Echte Kostenrechnungsansätze,
        die die externen Umwelt- und Gesundheitskosten der Ernährung berücksichtigen, werden die Debatte
        über den Einsatz steuerlicher Maßnahmen, die das Verbraucherverhalten fördern, weiterhin beeinflussen.

Die Produktion, Verteilung und der Konsum von                die eine Vielzahl von Umweltauswirkungen entlang
Lebensmitteln stehen im Mittelpunkt vieler der wicht-        der gesamten Lebensmittelwertschöpfungskette er-
igsten Herausforderungen, denen wir uns heute                fassen, von der Produktion von Betriebsmitteln bis zur
stellen. Lebensmittel sind für einen Großteil der            Landwirtschaft, über Industrie und Einzelhandel bis
Umweltauswirkungen sowohl in Entwicklungsals                 hin zum Haushalt (Endverbraucher). Die wichtigsten
auch in Industrieländern verantwortlich 30, wobei            Nachhaltigkeitsauswirkungen im Zusammenhang mit
bedeutende Fortschritte bei den Methoden der                 der Produktion und dem Konsum von Lebensmitteln
Lebenszyklusanalyse (LCA) 31 zu verzeichnen sind,            werden im Folgenden dargestellt:

2. E
    rnährungssicherheit

E
      rnährungssicherheit ist ein Konzept, das ver-          Belastung durch Hunger und Unterernährung kon-
      wendet wird, um systematisch darüber nachzu-           frontiert, wobei derzeit jeder Dritte auf der Welt an
      denken, wie und warum Unterernährung entsteht          einer Art Mangelernährung leidet. 34 Pflanzenbetonte
und was getan werden kann, um sie zu bekämpfen               Ernährung ist der Schlüssel zu einer langfristigen
und zu verhindern, neben anderen wichtigen Nach-             Ernährungssicherheit. Die Verwendung von Nutz-
haltigkeitsauswirkungen. Ihr liegt das internationale        pflanzen und Ackerland für die Viehzucht stellt die
Ziel von Nahrung als Menschenrecht zugrunde. 32 Die          reichen Fleisch- und Milchverbraucher indirekt in den
FAO gibt diese anerkannte Definition eines Staates mit       Wettbewerb um Kalorien mit denen, die sie am meisten
Ernährungssicherheit vor: „Die Ernährungssicherheit          brauchen. Darüber hinaus werden 6 kg Pflanzeneiweiß
besteht, wenn alle Menschen jederzeit physischen,            benötigt, um durchschnittlich 1 kg Fleischeiweiß zu
sozialen und wirtschaftlichen Zugang zu ausreichender,       erhalten. Infolgedessen werden nur 15 % der Proteine
sicherer und nahrhafter Nahrung haben, die ihren             und Energie, die von Futterpflanzen geliefert werden,
Ernährungsbedürfnissen und Ernährungspräferenzen             indirekt vom Menschen konsumiert. 35 Übrigens tragen
für ein aktives und gesundes Leben entspricht“. 33           die 85 % dieser Nutzpflanzen, die für den menschlichen
Sie spiegelt die Zugänglichkeit von Lebensmitteln für        Verzehr (und damit für die Ernährungssicherheit) verloren
Einzelpersonen wider, wobei die Zugänglichkeit auch          gehen, stark zu den Ammoniakemissionen aus der
die Erschwinglichkeit einschließt. Viele Länder sind         Degradation von Viehdung bei, einem der Hauptgründe
neben Übergewicht und Adipositas mit der doppelten           für den Verlust der biologischen Vielfalt.

                                                                                                                         15
3. K
         limawandel und Treibhausgasemissionen

     L
            ebensmittel und Landwirtschaft tragen in hohem                                             Ackerland aufgegeben werden, was zu einer großen
            Maße zum Klimawandel bei. Einschließlich der Verän-                                        Kohlenstoffaufnahme durch wieder wachsende Vegeta-
            derung der Landnutzung wird geschätzt, dass das                                            tion führt. 39 Die vollständige Abschaffung des Verzehrs
     Ernährungssystem etwa für 19-29 % der weltweit vom                                                von Weidetieren ist keine optimale Lösung für Nach-
     Menschen verursachten Treibhausgase verantwortlich                                                haltigkeit und Ernährungssicherheit, da beispielsweise
     ist. 36 Die größten Auswirkungen ergeben sich aus dem                                             innerhalb der regenerativen Landwirtschaft umfangrei-
     landwirtschaftlichen Ackerbau und der Veränderung                                                 chere Weidesysteme eine wichtige Rolle spielen. 40
     der Landnutzung, wobei Düngemittel, Pestizide, Gülle,
     Landwirtschaft und Landnutzungsänderungen zusam-                                                  Ein Bericht der Lancet-Kommission, „The Global Syndemic
     mengenommen etwa 24 % der globalen Treibhausgase                                                  of Obesity, Undernutrition, and Climate Change“ (2019), 42
     ausmachen. 37 Allein die Tierhaltung trägt 14,5 % zu den                                          untersuchte die Zusammenhänge zwischen Klimawandel,
     gesamten Treibhausgasemissionen bei, mehr als die                                                 Fettleibigkeit und Unterernährung. Er betonte, dass
     direkten Emissionen des Verkehrssektors. Die Tierprodu-                                           Fehlernährung in all ihren Formen, einschließlich
     ktion ist die weltweit größte Quelle für Methan (CH4) und                                         Fettleibigkeit, Unterernährung und anderen Ernährungs-
     Lachgas (N2O) - zwei besonders starke Treibhausgase.                                              risiken, die Hauptursache für eine schlechte Gesundheit
                                                                                                       weltweit ist und, dass der Klimawandel diese gesund-
     Sehr kalorienreiche Diäten sind in einkommensstarken                                              heitlichen Herausforderungen verschärfen wird. Es gibt
     Ländern üblich und werden mit hohen Gesamttreibhaus-                                              immer mehr Evidenz, die zeigt, dass eine Verringerung
     gasemissionen pro Kopf (3,7-6,1 kg Kohlendioxid [CO2]                                             des Kohlendioxidspiegels in der Atmosphäre die
     Äquivalent pro Tag) aufgrund der hohen Kohlenstoff-                                               Kon-zentrationen von Proteinen, Mikronährstoffen
     intensität und der hohen Aufnahme von tierischen                                                  (Zink, Eisen, Kalzium und Kalium) und B-Vitaminen in
     Produkten in Verbindung gebracht. Wenn jeder seinen                                               wichtigen Nahrungsmittelpflanzen erhöhen würde, die
     Fleischkonsum reduzieren oder gar ganz auf pflanz-                                                die Weltbevölkerung mit den meisten unserer Kalorien
     liche Proteinquellen umstellen würde, könnten bis zu                                              versorgen, einschließlich Weizen, Reis, Hirse, Gerste,
     3.500 Millionen Hektar Weide und 375 Millionen Hektar                                             Kartoffeln und Reis. 43

     Ein Vergleich der Treibhausgasauswirkungen verschiedener Proteinquellen

                    LEBENS-                          EINFLUSS                                KOSTEN
                                               Treibhausgasemissionen pro
                     MITTEL                          Gramm Protein
                                                                                    Verkaufspreis pro Gramm Protein

                     Weizen                                                                        $
                       Mais                                                                        $
                 Hülsenfrüchte                                                                     $
       GERING

                       Reis                                                                        $                     Wie viel Protein brauchst du?
                       Fisch                                                                     $$$                     Der Proteinbedarf liegt bei Erwachsenen
                       Soja                                                                        $                     im Durchschnitt bei 56 g Protein für
                                                                                                                         Männer und 46 g für Frauen. Viele Menschen
                      Nüsse                                                                      $$$
                                                                                                                         nehmen jedoch viel mehr auf.
                       Eier                                                                       $$

                      Huhn                                                                        $$                              BENÖTIGT                  ÜBERKONSUM
       MITTEL

                     Schwein                                                                      $$                     0g                          51 g                 83 g
                 Milchprodukte                                                                    $$                                  Durchschnittlicher      Durchschnittliche
                                                                                                                                           Proteinbedarf      Proteinaufnahme
                                                                                                                                       bei Erwachsenen              in den USA
       HOCH

                       Rind                                                                      $$$
                 Lamm & Ziege                                                                    $$$

     Helle Färbung zeigt den Einfluss der Landwirtschaft, dunkle Färbung zeigt den Einfluss den Landnutzungsänderungen

                                              Abbildung 8 - WRI 2016 41

16
4. L
      andnutzungsänderung & Biodiversität

 I
    n den letzten mehreren hundert Jahren dominierte                            produkte bei der Landzuweisung für die Landwirtschaft
    die menschlichen Nutzungen die Landoberfläche der                           dominieren, liefern sie nur 17 % der weltweiten
    Erde immer mehr, sodass das naturbelassene Gebiet                           Kalorienversorgung und nur 33 % der globalen Protein-
  nach und nach erodiert wurde. Wie Abbildung 9 zeigt,                          versorgung. Elf Millionen Quadratkilometer, die für
  nutzt der Mensch die Hälfte der weltweiten Wohnfläche                         Nutzpflanzen genutzt werden, liefern der Weltbevölke-
  für die landwirtschaftliche Produktion 44 mit 77 % der                        rung mehr Kalorien und Proteine als die fast viermal
  landwirtschaftlichen Nutzfläche für die Viehzucht durch                       größere Fläche für Nutztiere.
  eine Kombination aus Weideland und Flächen für
  die Tierfutterproduktion. Obwohl Fleisch und Milch-

  Globale Flächenzuordnung für die Lebensmittelproduktion

                                                                                  Bereich

                                                                                                                                                       71 % Ozean
     Erdoberfläche                                          29 % Land | 149 Millionen km2                                                             361 Millionen km2

                                                                                                              10 %
                                                                                                                                19 %
                                                                                                            Gletscher
   Landoberfläche              71 % bewohnbares Land | 104 Millionen km                         2
                                                                                                            15 Millionen
                                                                                                                         unfruchtbares Land
                                                                                                                    2     28 Millionen km2
                                                                                                               km

                                                                                               11 %
Bewohnbares Land
                           50 % Landwirtschaft                        37 % Wälder           Sträucher          1 % Städtisch | 1,5 Millionen km2
                                                                                            12 Millionen
                                51 Millionen km2                     39 Millionen km2           km2            1 % Süßwasser | 1,5 Millionen km2

                                                          23 %
                                                      Feldfrüchte
Landwirtschaftliche       77 % Viehzucht                 minus
                                                      Futtermittel
        Nutzfläche        40 Millionen km2            11 Millionen
                                                          km2

                                                                                                                                                       23 %
                                                                                                                                                   Feldfrüchte
                                                                                      77 % Viehzucht                                                  minus
                                                                                                                                                   Futtermittel
                                                                                       40 Millionen km2                                            11 Millionen
                                                                                                                                                       km2

                                                                                     17 %
                                            Kalorienzufuhr für den                aus Fleisch              83 % aus pflanzlichen
                                            weltweiten Verbrauch                  und Milch-
                                                                                  produkten                     Lebensmitteln

                                               Versorgung mit                        33 % aus
                                     Nahrungsproteinen für den                     Fleisch und
                                                                                                             67 % aus pflanzlichen
                                         weltweiten Verbrauch                     Milchprodukten                      Lebensmitteln

                      Abbildung 9 - Aus den Statistiken der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen. 44

                                                                                                                                                                          17
Einer Schätzung zufolge sind 30 % des weltweiten                                                                    In jüngster Zeit (2019) berichtete die Intergovernmental
     Verlusts an biologischer Vielfalt auf die Tierproduktion                                                            Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem
     zurückzuführen, die durch die Rolle der Tiere bei der                                                               Services (IPBES), dass die Natur weltweit in einem in der
     Entwaldung und Landumwandlung, der Überweidung                                                                      Menschheitsgeschichte beispiellosen Tempo abnimmt,
     und Degradation von Grasland und der Wüstenbildung                                                                  wobei über 1 Million Arten vom Aussterben bedroht
     bedingt ist. 45 Ein weiterer Bericht der Vereinten                                                                  sind. 48 Der durchschnittliche Bestand an einheimischen
     Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung zeigte,                                                                   Arten in den meisten wichtigen Lebensräumen an Land
     dass die Nahrungsmittelproduktion 80 % der weltweiten                                                               ist um mindestens 20 % gesunken, überwiegend seit
     Entwaldung ausmacht. 46 Das World Resources Institute                                                               1900. Mehr als 40 % der Amphibienarten, fast 33 %
     hat geschätzt, dass die für die Landwirtschaft benötigte                                                            der riffbildenden Korallen und mehr als ein Drittel
     Fläche um 800 Millionen Hektar schrumpfen und für die                                                               aller Meeressäuger sind bedroht. Der WWF Living
     Wiederaufforstung freigegeben werden könnte, und                                                                    Planet Index 49 zeigt, dass die globale Population
     zwar durch eine Kombination von Maßnahmen wie die                                                                   von Fischen, Vögeln, Säugetieren, Amphibien und
     Verringerung von Lebensmittelabfällen, den Übergang                                                                 Reptilien zwischen 1970 und 2014 weltweit um 60 %
     zu einer stärker pflanzlichen Ernährung und die                                                                     zurückgegangen ist.
     Verbesserung der Produktivität (siehe Abbildung 10). 47

     Optionen zur Reduzierung der Landnutzung

                                                       +600

                                                                                          Veränderung
                                                       +400                               der Ernährungs-
                                                                                          gewohnheiten
       Nettoerweiterung landwirtschaftlicher Flächen

                                                       +200
                                                                          Reduzierung
                                                                          Lebensmittel-
                                                                          abfälle

                                                           0
                                                                                                Ausstieg aus        Erreichung einer
                                                                                                pflanzlichen        Austauschniveaus
                                                                                                Biokraftstoffen     von Düngemitteln
                                                       -200

                                                                                                                                Erhöhung
                                                                                                                                der Ernteerträge
                                                       -400

                                                                                                                                                      Erhöhung der
                                                       -600                                                                                           Produktivität
                                                                                                                                                      von Weideland         Erhöhung der
                                                                                                                                 Häufigere Nutzung                          landwirtschaftlichen
                                                                                                                                  des bestehenden                           Produktivität
                                                       -800                                                                            Ackerlandes
                                                                                                                                                                      Verbesserung der
                                                                                                                                                                      Verwaltung von Fischerei
                                                                                                                                                                      in offenen Gewässern
                                                       -1,000
                                                                              Reduzierung des Nachfrage-                        Erhöhung der Lebensmittel-       Erhöhung der
                                                              2050         wachstums an Lebensmitteln und                        produktion ohne landwirt-        Versorgung
                                                           (Grundlinie)    landwirtschaftlichen Erzeugnissen                        schaftliche Flächen            mit Fisch
                                                                                                                                       zu erweitern

                                                                                     Abbildung 10 - Searchinger (2018) World Resources Institute 47

18
5. E
    nergieverbrauch

D
       er Energiebedarf der Lebensmittelsysteme ist            verbrauch ausmacht. Der Energieverbrauch pro
       vielfältig und umfasst fossile Brennstoffe für          Einheit Kalorienproduktion in der Intensivtier- und
       die Herstellung von Düngemitteln, Pestiziden,           Aquakulturproduktion ist in der Regel viel höher als bei
Bewässerung, Lebensmittelverteilung, Herstellung der           landwirtschaftlichen Kulturen. Schätzungen zufolge
Lebensmittel selbst, Kühlung und Verpackung. In den            macht die mit Futtermitteln verbundene Energie
Industrieländern machen die Lebensmittelerzeugung,             53 % bis 86 % der gesamten Energieintensität von
-verarbeitung und die haushaltsnahen Tätigkeiten               tierischen Erzeugnissen aus. 50 Angesichts der großen
wie Kühlung und Kochen den größten Anteil am                   Unterschiede in der Energieintensität innerhalb und
Gesamtenergieverbrauch im Ernährungssystem aus,                zwischen pflanzlichen und tierischen Produkten ist die
während in vielen Schwellenländern die landwirt-               Wahl der Ernährung eine wichtige Determinante des
schaftliche Produktion den größten Anteil am Energie-          Energieverbrauchs im Lebensmittelsystem.

6. W
    asserqualität und -quantität

D
       ie Nahrungsmittelproduktion erfordert erhebliche        Fleisch, 33 % bis 55 % bei Pescetariern und 35 % bis 55 %
       Mengen an Süßwasser. Einige Lebensmittel sind           bei einer gesunden vegetarischen Ernährung führen.
       wasserintensiver als andere, wie z. B. tierische
Produkte (Tiere haben einen hohen direkten und indirekten      Nitrat- und phosphathaltige landwirtschaftliche Abwässer
Wasserbedarf – z. B. Trinken/Waschen und Bewässern             aus übermäßigem Düngemitteleinsatz oder eher Dünger-/
von Futterpflanzen), viele Gartenbauerzeugnisse und ver-       Güllewirtschaft - können dazu führen, dass Wasserstraßen
arbeitete Lebensmittel. Die Landwirtschaft ist für 70 % der    (sowohl Süßwasser als auch Meerwasser) mit Nährstoffen
Wasserentnahmen verantwortlich (hauptsächlich für die          angereichert werden, die über das hinausgehen, was
Bewässerung). Laut UNO lebt heute bereits fast die Hälfte      vom natürlichen System aufgenommen oder abgebaut
der Weltbevölkerung in wasserarmen Gebieten, wobei bis         werden kann. Diese Anreicherung, die insbesondere bei
2030 schätzungsweise 700 Millionen Menschen weltweit           intensiveren Nutztierhaltungssystemen von Bedeutung ist,
durch intensive Wasserknappheit vertrieben werden. 51          kann Algenblüten fördern, die durch die Freisetzung von
                                                               Giftstoffen die Ökosysteme schädigen. In vielen Ländern
Die Produktion von Rind-, Schweine- und Hühnerfleisch          Europas, der USA, Kanadas, Indiens und Neuseelands
verbraucht etwa neun-, vier- bzw. dreimal so viel Wasser für   kommt es zu erheblichen Umweltschäden aufgrund von
die Bewässerung wie pflanzliche Produkte 52, wie beispiels-    Wasserverschmutzung durch tierische Abfälle. Ein weiteres
weise Getreide. Wenn auch Regenfeldanbau einbezogen            Problem sind Pestizide (Insektizide und Herbizide), die auf
wird, können diese Schätzungen unter intensiveren              Felder gesprüht werden. Sie können sich in Sedimenten
Produktionssystemen deutlich höher sein (10-1000). 17 Nach     ansammeln, die in Gewässer gespült werden. In den letzten
jüngsten Untersuchungen des „European Joint Research           Jahren ist eine neue Klasse von landwirtschaftlichen
Centre", die den Wasserfußabdruck verschiedener Ernäh-         Schadstoffen in Form von Tierarzneimitteln (Antibiotika,
rungsformen verglichen hat, würde eine stärkere                Impfstoffe und Wachstumsförderer [Hormone]) entstanden,
Einhaltung der nationalen Ernährungsrichtlinien zu einer       die von landwirtschaftlichen Betrieben über Wasser zu
Wassereinsparung von 11 % bis 35 % bei Ernährung mit           Ökosystemen und Trinkwasserquellen gelangen. 54

Vergleich des Bewässerungswasserbedarfs 52

                                                    x3          x4                               x9

PFLANZLICHE PRODUKTE                               HUHN        SCHWEIN                           RIND

                                                                       WASSERVERBRAUCH

                                                                                                                             19
7. L ebensmittelabfälle, Verpackungsabfälle und
         Kompromisse

     E
           in Drittel der jährlich weltweit für den menschlichen    Das Thema Kunststoffe im Zusammenhang mit der
           Verzehr produzierten Lebensmittel, etwa 1,3 Milliarden   Nachhaltigkeit von Lebensmitteln und ihren Auswirkungen
           Tonnen, gehen verloren oder werden verschwendet. 55      auf die Meeresumwelt ist für viele Verbraucher von
     Lebensmittelverluste und -abfälle belaufen sich in             großer Bedeutung, zumal die EU Pläne für ein Verbot
     den Industrieländern auf rund 680 Milliarden US-Dollar         der Verwendung von Einweg-Kunststoffen wie Kunst-
     und in den Entwicklungsländern auf 310 Milliarden US-          stoffbesteck und -teller, Wattestäbchen, Strohhalme und
     Dollar. Lebensmittelabfälle verursachen eine Reihe von         Rührstäbchen angekündigt hat.
     Umweltauswirkungen im gesamten Lebensmittelsystem
     (pflanzliche und tierische Lebensmittel), einschließlich der   Es sollte dabei bedacht werden, dass Lebensmittel-
     Erzeugung von 3,3 Milliarden Tonnen Treibhausgasen,            verpackungen dazu beitragen können, Lebensmittelabfälle
     dem Verbrauch von bis zu 1,4 Milliarden Hektar Land oder       zu reduzieren und die Haltbarkeit zu verbessern, und
     28 % der weltweiten landwirtschaftlichen Nutzfläche. 56        dass daher Kompromisse eingegangen werden müssen.
                                                                    Verpackungen werden weiterhin eine Rolle bei der
     Lebensmittelverpackungen sind nachweislich mit hohen           Vermeidung von Schäden spielen und können nach
     Abfallmengen, an Land und im Meer, sowie niedrigen             Ansicht von Forschern der Universität Wageningen die
     Raten bei der Wiederverwendung oder dem Recycling              Haltbarkeit verdreifachen. 58 Die Entwicklung nachhaltiger
     verbunden. Lebensmittel- und Getränkeverpackungsartikel        Verpackungsmaterialien, wie biologisch abbaubare und
     gehören weltweit zu dem am häufigsten vorkommenden             kompostierbare Materialien aus Pflanzen, bei gleichzeitiger
     Meeresmüll. Eine UN-Studie stellt fest, dass Kunststoffe       Verbesserung der Recyclingfähigkeit bestehender
     aus der globalen Lebensmittelindustrie jährlich für            Materialien, wird der Schlüssel zum Erfolg sein, um sowohl
     13 Milliarden Dollar an Auswirkungen auf das Naturkapital      Lebensmittel als auch Verpackungsabfälle zu reduzieren.
     verantwortlich sind. 57

     Umweltauswirkungen von Lebensmittelverlusten und -abfällen 56

                                                                                       3.3 MILLIARDEN TONNEN
                                                                                       CO 2
                        1,3 MILLIARDEN
                            TONNEN
                        LEBENSMITTEL-                                                  1.4 MILLIARDEN HEKTAR
                           VERLUSTE                                                    LAND
                           & -ABFALL
                                                                                       =
                                                                                       28 %
                                                                                       LANDWIRTSCHAFTLICHE
                                                                                       FLÄCHE WELTWEIT

                                                            Lebensmittelverpackungen können
                                                            helfen, Lebensmittelverschwendung
                                                            zu reduzieren und die Haltbarkeit zu
                                                             verbessern. Kompromisse müssen-
                                                                      gemacht werden.

                                                        FÜR WEITERE INFORMATIONEN: FAO
20                                                      Policy Series. Food Loss & Food Waste
8. S
    oziale und wirtschaftliche Auswirkungen -
   Tatsächliche Kostenrechnung

D
       ie ökologischen und sozialen Auswirkungen          sinken nach wie vor überproportional auf die Ärmsten
       der Produktion und des Konsums von                 und Benachteiligten der Gesellschaft und verstärken
       Lebensmitteln spiegeln sich nicht wirklich in      die gesundheitlichen Ungleichheiten. Laut McKinsey
den Lebensmittelpreisen wider, die viele Verbraucher      liegen die jährlichen globalen wirtschaftlichen Kosten
zahlen. 59 Wie in diesem Papier dargelegt, verursacht     von Adipositas bei etwa 2 Billionen US-Dollar, was
unser Ernährungssystem nicht nur Schäden an unserer       28 % des weltweiten Bruttoinlandsprodukts entspricht. 61
Umwelt, sondern wirkt sich auch negativ auf das Leben     Die Weltgesundheitsorganisation schätzt die direkten
vieler Gemeinschaften sowie auf die körperliche           Kosten von Diabetes auf mehr als 827 Milliarden
und geistige Gesundheit und das Wohlbefinden              US-Dollar pro Jahr, weltweit, und bis 2030 sollen es
des Menschen aus. Wir bezahlen diese Schäden              2,5 Billionen US-Dollar sein. 62
versteckt, zum Beispiel durch Wassergebühren für
die Trinkwasseraufbereitung, Steuern zur Finanz-          In den nächsten Jahren dürfte es einen erneuten
ierung von tierbezogenen Agrarsubventionen und            Fokus und mehr Forschung rund um die „True Cost
Umweltsanierungskosten oder durch Kosten für              of Food“ (und Protein) geben, was die Debatte über
ernährungsbedingte Krankheiten (Adipositas, Diabetes,     die Nutzung verschiedener Formen von steuerlichen
Herz-Kreislauf-Erkrankungen usw.). Obwohl unsere          Anreizen weiter anheizen wird.
Lebensmittel anscheinend noch nie billiger waren,
zahlen wir, wenn wir genauer hinschauen, weitaus          Viele Ernährungsoptimierungs-Studien haben berech-
mehr, als es beim ursprünglichen Nennwert der Fall ist.   net, dass es möglich ist, eine gesunde Ernährung mit
                                                          signifikant geringerem Einfluss auf die Umwelt zu
Vollkostenrechnungsansätze wie der TEEB Agri-             einem bezahlbaren Preis zu ermöglichen. 63, 64, 65
Food Framework 60 können dazu beitragen, die
tatsächlichen Kosten billiger Lebensmittel ans Licht zu
bringen und sicherzustellen, dass die umfassenderen
Gesundheits- und Sozialkosten berücksichtigt werden.
Viele gesundheitliche Auswirkungen und ihre Kosten

                          NACHHALTIGKEIT UND PROTEINMENGE
      Der durchschnittliche Proteingehalt in vielen westlichen Ländern beträgt 150-200 % der empfohlenen
      Werte. 65 In ganz Europa liegt der Proteinkonsum im Allgemeinen über der Referenzaufnahme
      der Bevölkerung, die für eine durchschnittliche Person von 0,83 g pro kg Körpergewicht pro Tag
      empfohlen wird (höher für Schwangere 66, Säuglinge und Kinder). Die aktuelle Aufnahme liegt bei
      Männern zwischen 67 g und 114 g pro Tag und bei Frauen zwischen 59 g und 102 g pro Tag. Aus
      Nachhaltigkeitssicht besteht daher insbesondere in vielen westlichen Ländern die Notwendigkeit,
      die durchschnittliche Proteinzufuhr zu reduzieren, während der Übergang von einer fleischreichen
      Ernährung zu einer pflanzlichen Ernährung erfolgt.

                                                                                                                     21
Die Notwendigkeit einer
     nachhaltigen Ernährung

22
1. K
    ernbotschaften

     •   E
          ine nachhaltige Ernährung ist eine Ernährungsweise, die uns mit den Nährstoffen versorgt, die wir für
         die Gesundheit benötigen, in angemessenen Mengen aber kulturell akzeptabel, bezahlbar und nachhaltig.
     •   A
          lle Regierungen sollten die Nachhaltigkeit in ihren Ernährungsrichtlinien mit spezifischen Empfehlungen
         zur Erhöhung des Anteils pflanzlicher Proteine in der Ernährung berücksichtigen.
     •   U
          ntersuchungen aus vielen Ländern zeigen, dass eine an nationalen lebensmittelbasierten
         Ernährungsrichtlinien ausgerichtete Ernährung die Treibhausgasemissionen und die Landnutzung
         reduziert.
     •   U
          m die Auswirkungen auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit zu verringern, ist es insgesamt
         notwendig, den übermäßigen Proteinverbrauch zu verringern, den übermäßigen Kalorienverbrauch zu
         verringern, Lebensmittelabfälle zu reduzieren und tierisches Eiweiß durch pflanzliches Eiweiß zu ersetzen.

2. W
    as ist eine nachhaltige Ernährung?

E
      infach ausgedrückt, ist eine nachhaltige Ernäh-          Jahren haben immer mehr Länder damit begonnen,
      rung, eine Ernährungsweise, die uns mit den              Nachhaltigkeitsaspekte in ihrer Lebensmittelpolitik
      vielen Nährstoffen versorgt, die wir für die Ge-         und ihren Verbraucherbildungsprogramme einzube-
sundheit benötigen, in angemessenen Mengen, aber               ziehen. Empfehlungen zur Förderung spezifischer
kulturell akzeptabel, bezahlbar und nachhaltig. Es ist         Lebensmittelpraktiken und -entscheidungen waren
eine Ernährungsweise, die Lebensmittel umfasst, die            eine naheliegende Strategie zur Bewältigung der
wir innerhalb der planetaren Grenzen produzieren und           Nachhaltigkeit, vor allem in den Bereichen Ernährung
konsumieren können, während wir die wachsende                  und Umwelt.
Weltbevölkerung ernähren.

Die FAO gab eine formellere Definition für nachhaltige
Ernährung im Jahr 2010 vor und erklärt: „Nachhaltige
Ernährungsformen sind diejenigen Ernährungsformen
mit geringen Umweltauswirkungen, die zur Ernährungs-
                                                                             Viele Empfehlungen für eine nachhaltige
sicherheit und zu einem gesunden Leben für gegenwärtige
                                                                                Ernährung beinhalten zum Beispiel:
und zukünftige Generationen beitragen. Nachhaltige
Ernährung schützt und respektiert die biologische Vielfalt                  • Eine überwiegend pflanzliche Ernährung
und die Ökosysteme, ist kulturell akzeptabel, zugänglich,                   • F
                                                                               okus auf saisonale und lokale Lebensmittel
wirtschaftlich fair und bezahlbar, ernährungsgerecht,
                                                                            • R
                                                                               eduzierung von Lebensmittelabfällen
sicher und gesund, und optimiert gleichzeitig die
natürlichen und menschlichen Ressourcen.“                                   • V
                                                                               erbrauch von Fisch nur aus nachhaltigen
                                                                              Beständen
Wie in diesem Bericht hervorgehoben wird, gibt                              • R
                                                                               eduzierung von rotem und verarbeitetem
es immer mehr belastbare Belege dafür, dass                                   Fleisch
Ernährungsmuster, die sich auf einen größeren
                                                                            • E
                                                                               rhöhter Verbrauch von Leitungswasser
Anteil von Pflanzen in der Ernährung konzentrieren,
geringere Umweltauswirkungen haben und die                                  • Reduzierung des Zuckergehalts
Gesundheit verbessern können. 67 In den letzten zehn

                                                                                                                             23
Schlüsselelemente, die bei der Definition einer nachhaltigen
                                 Ernährung zu berücksichtigen sind

                                                         ERNÄHRUNG
                                                  • E nergie, Makronährstoffe,
                                                     Mikronährstoffe
                                               • Einflüsse auf den Ernährungszu-
                                                 stand einschließlich Lebensstil,
                                                 Hygiene, Kochgelegenheit,
                                                 Erschwinglichkeit, Zugang,
                                                 Verfügarkeit, Verteilung innerhalb
                                                 des Haushalts
                                                  • Individuelle Bedürfnisse
                                                      & Gesundheitszustand
                                                        • W
                                                           issen & Überzeu-                                      UMWELT
      ANDERE EINFLÜSSE                                    gungen                                             • T reibhausgase
     AUF DIE GESUNDHEIT                                                                                      • W asser
     • V erwendung von Chemikalien                                                                          • L andnutzung
        und Pestiziden                                                                                       • B iodiversität
     • Landwirtschaftsbedingt                                                                               • F ischbestände und
        ansteckende Krankheiten                                                                                Meeresökonomie
     • Umweltgesundheitsrisiken                                                                             • E ffizienz der Ressourcen
     • Arbeitsunfälle                                                                                       • B elastbarkeit
                                                                                                             • Ä sthetischer Wert
                                                         NACHHALTIGE
                                                         ERNÄHRUNG

                 GESELLSCHAFT                                                                        WIRTSCHAFT
                    & ETHIK                                                                        & ERNÄHRUNGS-
                 • A rbeitsbedingungen                                                             VERSORGUNG
                    und -standards
                 • Tierethik und Tierschutz                                                   •   M
                                                                                                    ärkte und Infrastruktur
                 • Auswirkungen neuer                                                         •   B
                                                                                                    IP
                 • Technologien                                                               •   W
                                                                                                    ertschöpfung
                 • Kultur und Identität                                                       •   A
                                                                                                    rbeitsplätze
                 • Geschmack                                                                  •   G
                                                                                                    eschäftsbedingungen

                                        Abbildung 11 - FCRN „What is a sustainable healthy diet? 68

                                                           SCHAUEN SIE das Video der Vorstellung
                                                             der EAT-Lancet Kommission in Oslo

24
3. D
    er EAT-Lancet Commission Report

I
  n den letzten Jahren ist eine beträchtliche Menge neuer       Lebensmitteln wie rotem Fleisch und Zucker um mehr als 50 %
  Erkenntnisse entstanden, die die Notwendigkeit eines          zu senken und den Verbrauch von Nüssen, Obst, Gemüse
  Übergangs zu einer pflanzenbetonten Ernährung aus             und Hülsenfrüchten um mehr als das Doppelte zu erhöhen.
Nachhaltigkeitssicht unterstützen. Einer der bemerkens          Dabei werden die globalen Ziele lokal angewendet, um den
wertesten und einflussreichsten davon ist der EAT-Lancet        regionalen Unterschieden im Bedarf gerecht zu werden.
Commission Report. 69 Der Bericht enthält die ersten
wissenschaftlichen Ziele für eine gesunde Ernährung                 Insgesamt kamen sie zu dem Schluss, dass eine
aus einem nachhaltigen Lebensmittelproduktionssystem,               Kombination aus größerer Ernährungsumstel-
das innerhalb der planetaren Grenzen für Lebensmittel               lung, verbesserter Nahrungsmittelproduktion
arbeitet. Ausdrücklich empfiehlt der Bericht „Ernährungs-           durch verbesserte Landwirtschaft und Technolo-
formen, die aus einer Vielzahl von pflanzlichen                     giewechsel und weniger Lebensmittelverschwen-
Lebensmitteln bestehen, mit geringen Mengen an tierischen           dung in allen Stufen der Nahrungskette von der
Lebensmitteln, raffiniertem Getreide, hoch verarbeiteten            Produktion bis zum Verbrauch (einschließlich
Lebensmitteln und zugesetztem Zucker sowie mit                      Landwirte, Verarbeiter, Supermärkte, Restaurants
ungesättigten statt mit gesättigten Fetten“. Die Autoren            und Haushalte) erforderlich ist, um innerhalb der
betonen die Notwendigkeit, den weltweiten Verbrauch von             planetaren Grenzen zu bleiben.

„Die große Ernährungstransformation“

                Rotes Fleisch

      Stärkehaltiges Gemüse

                          Eier

                     Geflügel

      Milchprodukte gesamt
                                                                                     Derzeitiger Verbrauch nach Region
                         Fisch                                                           Global
                                                                                         Ostasien-Pazifik
                     Gemüse                                                              Südasien
                                                                                         Subsahara-Afrika
                      Früchte                                                            Lateinamerika und Karibik
                                                                                         Mittlerer Osten und Nordafrika
               Hülsenfrüchte                                                             Europa und Zentralasien
                                                                                         Nordamerika
                     Vollkorn

                        Nüsse

                                   0    100 %    200 %      300 %   400 %   500 %    600 %     700 %

                                 Empfohlener Verbrauch
                                    nach Eat-Lancet                                          Abbildung 12 - EAT-Lancet Report 69

                                                                                                                                   25
KLICKEN SIE HIER

Für weitere Informationen zu den
 Arbeiten des Nordic Council und
  ihrem "Nordic Food Manifesto"
4. N
    achhaltige Ernährung in der Praxis: Best Case Beispiele

D
       ie mediterrane Ernährung wird oft als gesund und         Insulinempfindlichkeit. 78 Es wird vermutet, dass eine
       nachhaltig bezeichnet. 70 Sie zeichnet sich durch eine   Umstellung auf eine neue nordische Ernährungsweise
       hohe Aufnahme von Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten,          in Dänemark 18.000 DALY (Disability Adjusted Life Year;
Nüssen, Getreide, Fisch und Olivenöl (gekoppelt mit             durch Behinderung gekennzeichnetes Lebensjahr) pro
einer geringen Aufnahme von gesättigten Fetten), eine           Jahr eingespart werden können, indem nicht übertragbare
geringe Aufnahme von Fleisch und Milchprodukten sowie           Krankheiten verhindert werden. 79 Als Ernährung, die 35 %
von gesättigten Fettsäuren und eine hohe Aufnahme               weniger Fleisch enthält als die durchschnittliche dänische
von Ballaststoffen aus. 71 Diese Ernährung geht auf die         Ernährung (2019), 80 verbraucht sie weniger natürliche
Römerzeit zurück und war bis in die 1960er Jahre im             Ressourcen (wie Wasser und fossile Brennstoffe) und ver-
Mittelmeerraum üblich. In den letzten Jahren hat sich           ursacht weniger Umweltverschmutzung als fleischintensive
die Einhaltung solcher traditionellen Ernährungsmuster          Ernährungsformen. Darüber hinaus reduziert der Verzehr
verringert, was zu einer Ernährungsweise mit geringerer         von lokal produzierten Lebensmitteln auch den Energie-
Nährstoffqualität geführt hat. 72,73 Es gibt Hinweise darauf,   verbrauch und die Verschwendung von Lebensmitteln.
dass eine mediterrane Ernährung das Risiko ernäh-
rungsbedingter chronischer Krankheiten verringern und           Es zeichnet sich ein Konsens darüber ab, dass das
gleichzeitig ein längeres Leben bei guter Gesundheit            Essen nach Ernährungsrichtlinien nachhaltiger ist
und gesundem Altern fördern kann. 74 Eines der größten          als die derzeitigen Ernährungsgewohnheiten. 81,82,83
Merkmale einer mediterranen Ernährung ist, dass sie             Alle Regierungen sollten die Nachhaltigkeit in ihren
neben den offensichtlichen gesundheitlichen Vorteilen           Ernährungsrichtlinien mit spezifischen Empfehlungen
auch ihre geringeren Umweltauswirkungen (insbesondere           zur Erhöhung des Anteils pflanzlicher Proteine in
in Bezug auf Treibhausgasemissionen) aufweist als               der Ernährung als oberste Priorität berücksichtigen.
typische westliche Ernährungsweisen. 75                         Trotz dieser Notwendigkeit haben nur wenige Länder
                                                                explizit Umweltfaktoren in ihren Hauptbotschaften
Eine weitere Ernährung, die in den letzten Jahren immer         berücksichtigt (Deutschland, Brasilien, Schweden und
mehr an Bedeutung gewonnen hat, ist die traditionelle           Katar, Großbritannien, Belgien, die Niederlande). 84
nordische Ernährung. Die nordische Ernährung ist eine
Ernährungsweise, die sich auf lokal erzeugte Lebensmittel       Innerhalb der Europäischen Union gibt es in allen Ländern
in den nordischen Ländern - Norwegen, Dänemark,                 lebensmittelbasierte Ernährungsrichtlinien (FBDGs), die
Schweden, Finnland und Island - konzentriert. Im Vergleich      wissenschaftlich fundierte Empfehlungen in Form von
zu einer durchschnittlichen westlichen Ernährung ent-           Leitlinien für eine gesunde Ernährung sind. 85 Da länder-
hält sie weniger Zucker und Fett, aber doppelt so viel          spezifische Nährstoffaufnahmen, die Verfügbarkeit von
Ballaststoffe und Meeresfrüchte. 76 Es hat sich gezeigt, dass   Lebensmitteln und kulturelle Merkmale die Entwicklung
diese Ernährungsform sich positiv auf die Gesundheit und        der FBDG beeinflussen, sind die FBDGs in der Regel
Umwelt auswirkt. 77 Die neue nordische Ernährung hat eine       spezifisch für die Bevölkerung oder das Land, das sie
verbesserte Nahrungsaufnahme und einen verbesserten             entwickelt hat. Viele von ihnen haben ähnliche Merkmale,
Nährwert bei Kindern gezeigt und ist mit Gewichtsverlust        darunter die Empfehlungen, weniger Salz zu essen, eine
und Blutdrucksenkung bei fettleibigen Personen ver-             gewisse Anzahl an „Portionen“ Obst und Gemüse zu
bunden; und sie verbessert die Blutfettprofile und die          essen und eine bestimmte Menge Fisch zu konsumieren,

              Wie in diesem Bericht hervorgehoben wird,
           gibt es immer mehr belastbare Belege dafür, dass
            Ernährungsmuster, die sich auf einen größeren
          Anteil von Pflanzen in der Ernährung konzentrieren,
            geringere Umweltauswirkungen haben und die
                     Gesundheit verbessern können.

                                                                                                                             27
wobei eine Reihe von ihnen eine Verringerung und                formen verursachte. Als Ergebnis dieser Arbeit for-
     Mäßigung des Fleischkonsums empfiehlt, insbesondere             derten die Autoren eine bessere Einbeziehung von
     bei rotem und verarbeitetem Fleisch. Eine Studie lieferte       Aspekten der ökologischen Nachhaltigkeit in zukünftige
     einen Vergleich zwischen den Umweltauswirkungen der             Ernährungsrichtlinien der USA.
     durchschnittlichen Nahrungsaufnahme und einer landes-
     spezifischen empfohlenen Ernährung in 37 Ländern und            Im Vereinigten Königreich zeigte eine vom Ministerium
     ergab, dass die Befolgung der nationalen Ernährungs-            für Umwelt, Ernährung und Landwirtschaft in Auftrag
     empfehlungen in Ländern mit hohem Einkommen zu                  gegebene Studie (2018) 88 dass die Umsetzung des
     einer Reduktion der Treibhausgase um 13-24,8 % führt. 86        Eatwell-Leitfaden (Ernährungsrichtlinien der britischen
                                                                     Regierung), der mehr Obst, Gemüse und ballaststoffreiche
     Eine aktuelle Studie in The Lancet Planetary Health (2018) 87   stärkehaltige Kohlenhydrate sowie weniger zuckerhaltige
     hat den ökologischen Fußabdruck von drei verschiedenen          Lebensmittel und Getränke empfiehlt, erhebliche
     Diäten hervorgehoben, die in den Ernährungsrichtlinien          ökologische Vorteile bei der Reduzierung der Emissionen
     2015-20 für Amerikaner empfohlen werden. Dazu gehörte           von Treibhausgasen (14 %), Ammoniak (28 %), Nitrat (12 %)
     das gesunde US-amerikanische Ernährungsmuster,                  und säurebildenden Gasen (4 %) mit sich bringen würde.
     das gesunde mediterrane Ernährungsmuster und die                Der Bericht betonte auch, dass eine beträchtliche Menge
     gesunde vegetarische Ernährung. Durch die Bewertung             an Land freigesetzt werden würde (etwa 4,8 Mio. Hektar
     von sechs Kategorien von Umweltauswirkungen (Klima-             Weideland), wobei der Ackerflächenbedarf sowohl im
     wandel, Landnutzung, Wasserknappheit, Süßwasser-                Vereinigten Königreich (0,34 Mio. Hektar) als auch in
     Eutrophierung, Meerwasser-Eutrophierung und Feinstaub           Übersee (0,48 Mio. Hektar) geringer ansteige.
     oder anorganische Substanzen) stellten sie fest, dass
     die gesunde vegetarische Ernährung eine 42-84 %
     geringere Belastung als die anderen beiden Ernährungs-

     5. Eine
           Zusammenfassung von Studien zur Bewertung
        der Umweltauswirkungen einer pflanzenbetonten
        Ernährung

     I
       n einer systematische Übersicht von Zeitschriften-
       artikeln mit Peer-Review-Verfahren wurden die                     Jüngste Arbeiten des World Resources Institute
       Treibhausgasemissionen und der Landnutzungsbedarf                 (WRI) 93 haben die Notwendigkeit von drei

     von insgesamt 49 Ernährungsszenarien 89 bewertet.                   miteinander verbundenen Ernährungsumstel-
     Die Übersicht, zeigte, dass eine Ernährungsumstellung               lungen untersucht, darunter:
     mit Schwerpunkt auf mehr Pflanzen in der Ernährung,                    1. 	Die Reduzierung des übermäßigen
     insbesondere in Regionen der Welt, in denen der                             Konsums von Kalorien
     Fleischkonsum hoch ist, eine wichtige Rolle bei der
                                                                            2. 	Verringerung der übermäßigen
     Erreichung von Umweltzielen spielen könnte. Es
                                                                                 Proteinaufnahme durch Verringerung
     besteht ein bis zu 50 % Potenzial zur Verringerung der
                                                                                 des Konsums von tierischen
     Treibhausgasemissionen und des Landnutzungsbedarfs
                                                                                 Lebensmitteln und
     im Zusammenhang mit der aktuellen Ernährung.
                                                                            3. 	Gezielte Verringerung des
                                                                                 Rindfleischverzehrs
     Eine Reihe weiterer Analysen haben die ökologischen
     Vorteile einer Verringerung des Anteils tierischer Lebens-
     mittel in unserer Ernährung aufgezeigt, darunter die            Für jede Schicht quantifizierten sie die Landnutzung und
     Entlastung der Landnutzung 90 und die Verringerung der          die Treibhausgasfolgen verschiedener Lebensmittel und
     Treibhausgasemissionen. 91 Viele der Analysen sind zu           analysierten dann die persönlichen und globalen Aus-
     dem Schluss gekommen, dass eine Ernährungsumstellung            wirkungen der drei Ernährungsumstellungen auf den land-
     effektiver sein kann als technologische Verbesserungen          wirtschaftlichen Flächenbedarf und die Treibhausgas-
     zur Vermeidung des Klimawandels 92 und essenziell sein          emissionen. Sie fanden heraus, dass diese Verschiebungen,
     kann, um negative Umweltauswirkungen, wie starke land-          wenn sie in großem Maßstab umgesetzt werden, die
     wirtschaftliche Expansion und eine globale Erwärmung            Treibhausgasemissionen und die Landnutzung erheblich
     von mehr als 1,5 Grad, zu vermeiden.                            halbieren können (siehe Abbildung 13 unten).

28
Sie können auch lesen