Zwei Jahre Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) - Erste Erfahrungen aus der Praxis - GRUR

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19. Mai 2021 – Rechtsanwalt Daniel Hoppe

Zwei Jahre Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG)
Erste Erfahrungen aus der Praxis

Vortrag vor der GRUR-Bezirksgruppe Frankfurt/Main

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Themenüberblick

                  Grundlagen des GeschGehG
     1            Überblick über wesentliche Punkte der
                  Neuregelung im GeschGehG

                  Erste gerichtliche Entscheidungen
     2            Wesentliche gerichtliche Entscheidungen der
                  letzten zwei Jahre und daraus abzuleitende
                  Erkenntnisse

                  Offene Fragen
     3            Ausgewählte ungelöste materiell-rechtliche
                  und prozessuale Aspekte

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Grundlagen des GeschGehG
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Grundlagen des GeschGehG

Überblick über wesentliche Punkte der Neuregelung im GeschGehG

    Begriffsbestimmungen                                Ansprüche bei Verletzung

    − Geschäftsgeheimnis, § 2 Nr. 1 GeschGehG           − Annäherung an Anspruchskanon bei
    − Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses,                 Schutzrechtsverletzungen, §§ 6 - 8, 10 GeschGehG
        § 2 Nr. 2 GeschGehG                             − Anspruchsausschluss bei Unverhältnismäßigkeit,
    − Rechtsverletzer, § 2 Nr. 3 GeschGehG                 § 9 GeschGehG
    − Rechtsverletzendes Produkt, § 2 Nr. 4 GeschGehG

                                                        Verfahrensvorschriften
    Erlaubte Handlungen und Handlungsverbote
                                                        − Ausschließliche Zuständigkeit, § 15 GeschGehG
    − Zulassung des Reverse Engineering,                − Prozessuale Geheimhaltungsanordnungen,
        § 3 Abs. 1 Nr. 2 GeschGehG                         §§ 16 ff. GeschGehG
    − Unerlaubte Erlangung, Nutzung und Offenlegung,
        § 4 Abs. 1, 2 GeschGehG
    − „Mittelbare Verletzung“, § 4 Abs. 3 GeschGehG

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Grundlagen des GeschGehG

Neuregelung im GeschGehG – Begriffsbestimmungen I

    Geschäftsgeheimnis (§ 2 Nr. 1 GeschGehG):         − Vier wesentliche Kriterien:

    … eine Information                                      Geheimheit,
    a)    die weder insgesamt noch in der genauen           wirtschaftlicher Wert,
          Anordnung und Zusammensetzung ihrer
                                                            angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen,
          Bestandteile den Personen in den Kreisen,
          die üblicherweise mit dieser Art von              berechtigtes Interesse.
          Informationen umgehen, allgemein bekannt    − Aber: Das berechtigte Interesse im Sinne von c) wird absehbar
          oder ohne Weiteres zugänglich ist und         keine eigenständige Bedeutung erlangen, da es keine
          daher von wirtschaftlichem Wert ist und       Grundlage in der Richtlinie (EU) 2016/943 findet.
    b)    die Gegenstand von den Umständen nach       − Von erheblicher praktischer Bedeutung sind die den
          angemessenen                                  Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen,
          Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren           wozu es auch schon erste gerichtliche Entscheidungen gibt.
          rechtmäßigen Inhaber ist und
                                                      − Probleme wirft Neudefinition im Bereich des Strafverfahrens
    c)    bei der ein berechtigtes Interesse an der     auf, vgl. § 23 GeschGehG i.V.m. § 2 Abs. 3 StGB (Stichworte:
          Geheimhaltung besteht.                        Nachweisbarkeit, Maßstab).

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Grundlagen des GeschGehG

Neuregelung im GeschGehG – Begriffsbestimmungen II

Die Bedeutung der Begriffsdefinitionen ist nicht zu unterschätzen.
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− Geheimnisinhaber:
                                                                                 … jede natürliche oder juristische Person, die
         ist „zuständig“ für Geheimhaltungsmaßnahmen, § 2 Nr. 1 b)              die rechtmäßige Kontrolle über ein
          GeschGehG („durch ihren rechtmäßigen Inhaber“);                        Geschäftsgeheimnis hat
         ist Inhaber der Ansprüche nach den §§ 6 ff. GeschGehG.                 Rechtsverletzer (§ 2 Nr. 3 GeschGehG):
− Rechtsverletzer:                                                               … jede natürliche oder juristische Person, die
         ist Gegner der Ansprüche nach den §§ 6 ff. GeschGehG;                  entgegen § 4 ein Geschäftsgeheimnis
                                                                                 rechtswidrig erlangt, nutzt oder offenlegt
         Eigenschaft als Rechtsverletzer setzt weder Fahrlässigkeit
          noch Vorsatz voraus.                                                   rechtsverletzendes Produkt (§ 2 Nr. 4
                                                                                 GeschGehG):
− Rechtsverletzendes Produkt:
                                                                                 … ein Produkt, dessen Konzeption, Merkmale,
         Definition ist entscheidend für die Reichweite der Ansprüche,
                                                                                 Funktionsweise, Herstellungsprozess oder
          vgl. §§ 7 Nrn. 2 - 5 GeschGehG sowie § 8 Abs. 1 Nrn. 1, 2
                                                                                 Marketing in erheblichem Umfang auf einem
          GeschGehG;
                                                                                 rechtswidrig erlangten, genutzten oder
         maßgeblich ist das Verständnis des Beruhens „in erheblichem            offengelegten Geschäftsgeheimnis beruht.
          Umfang“.

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Grundlagen des GeschGehG

Neuregelung im GeschGehG – Erlaubte Handlungen und Handlungsverbote I

    Kein Ausschluss des Reverse Engineering mehr (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 GeschGehG):

    Ein Geschäftsgeheimnis darf insbesondere erlangt werden durch ein Beobachten, Untersuchen, Rückbauen oder Testen
    eines Produkts oder Gegenstands, das oder der

    a)       öffentlich verfügbar gemacht wurde oder

    b)       sich im rechtmäßigen Besitz des Beobachtenden, Untersuchenden, Rückbauenden oder Testenden befindet und
             dieser keiner Pflicht zur Beschränkung der Erlangung des Geschäftsgeheimnisses unterliegt.

   − Achtung: Die Möglichkeit des Reverse Engineering schließt das Vorliegen eines Geschäftsgeheimnisses nicht aus.

   − Reverse Engineering nur zulässig bei öffentlich verfügbar gemachten Gegenständen sowie ansonsten bei Fehlen
     eines vertraglichen Ausschlusses (mE richtlinienwidrig nur in der Variante des § 3 Abs. 1 Nr. 2 b) GeschGehG)
     vorgesehen; außerdem:
              noch unklar, was im Einzelfall unter „öffentlich Verfügbarmachen“ zu verstehen ist;

              bei der Vertragsgestaltung sollten die Möglichkeiten eines Ausschlusses des Reverse Engineering geprüft
               werden.

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Grundlagen des GeschGehG

Neuregelung im GeschGehG – Erlaubte Handlungen und Handlungsverbote II

 − Handlungsverbote sind geregelt in § 4 GeschGehG, dabei ist die gegenüber § 17 UWG etwas klarere Aufteilung in
   drei Handlungsrichtungen zu begrüßen; es spiegeln sich die bekannten Tatvarianten des Sichverschaffens bzw.
   Sicherns, Verwertens und Mitteilens wider:

          Unerlaubte Erlangung (§ 4 Abs. 1 GeschGehG)
          Unerlaubte Nutzung bei eigener rechtswidriger Erlangung (§ 4 Abs. 2 Nrn. 1 GeschGehG) und bei Verstoß
           gegen eine Nutzungsbeschränkung (§ 4 Abs. 2 Nrn. 2 GeschGehG)

          Unerlaubte Offenlegung (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 GeschGehG)

 − Neu: „Mittelbare Verletzung“

          Ein Geschäftsgeheimnis darf nicht erlangen, nutzen oder offenlegen, wer das Geschäftsgeheimnis über eine
          andere Person erlangt hat und zum Zeitpunkt der Erlangung, Nutzung oder Offenlegung weiß oder wissen müsste,
          dass diese das Geschäftsgeheimnis entgegen Absatz 2 genutzt oder offengelegt hat.

          Einzelheiten sind unklar, was vor allem der misslungen Formulierung anzulasten ist („Ein Geschäftsgeheimnis
           darf nicht erlangen, nutzen oder offenlegen, wer das Geschäftsgeheimnis über eine andere Person erlangt hat
           …“)

          Anforderungen an Unternehmen, die Geheimnisträger einstellen, sind unklar.

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Grundlagen des GeschGehG

Neuregelung im GeschGehG – Ansprüche bei Verletzung

 − GeschGehG sieht einen umfassenden Anspruchskatalog vor; allerdings unterscheiden sich die Ansprüche im Detail
   von denen im (sonstigen) Recht des geistigen Eigentums, was der Natur des Geschäftsgeheimnisses geschuldet ist;

 − U.a. folgende Ansprüche sind vorgesehen:
          Unterlassung und Beseitigung (§ 6 GeschGehG),

          Vernichtung und Herausgabe von Geheimnisverkörperungen oder Gegenstände, die das Geheimnis enthalten
           (§ 7 Nr. 1 GeschGehG),

          Rückruf rechtsverletzender Produkte (§ 7 Nr. 2 GeschGehG),

          dauerhafte Entfernung rechtsverletzender Produkte aus den Vertriebswegen (§ 7 Nr. 3 GeschGehG),

          Vernichtung rechtsverletzender Produkte (§ 7 Nr. 4 GeschGehG),

          Marktrücknahme (§ 7 Nr. 5 GeschGehG)

          Auskunft (§ 8 Abs. 1 GeschGehG)

          Schadensersatz (§ 10 GeschGehG) und Abfindung (§ 11 GeschGehG)

 − Aber: Ansprüche nach den §§ 6 bis 8 Abs. 1 GeschGehG sind gemäß § 9 GeschGehG ausgeschlossen, wenn ihre
   Erfüllung im Einzelfall unverhältnismäßig wäre.
 − Kein gesetzlich geregelter Vorlage- und Besichtigungsanspruch!

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Grundlagen des GeschGehG

Neuregelung im GeschGehG – Verfahrensvorschriften I

 Zuständigkeit, § 15 GeschGehG:

 − Abs. 1: Für Klagen vor den ordentlichen Gerichten, durch die Ansprüche nach dem GeschGehG geltend gemacht
   werden, sind die Landgerichte ohne Rücksicht auf den Streitwert ausschließlich zuständig.
 − Abs. 2: Für Klagen nach Abs. 1 ist das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk der Beklagte seinen
   allgemeinen Gerichtsstand hat. Hat der Beklagte im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand, ist nur das Gericht
   zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen worden ist.

 − Die Regelung der ausschließlichen örtlichen Zuständigkeit nach § 15 Abs. 2 GeschGehG ist eine grobe
   gesetzgeberische Fehlleistung.

 − Danach müssen beim Auseinanderfallen der allgemeinen Gerichtsstände der Verfahrensparteien sogar Klage und
   Widerklage betreffend dasselbe Geheimnis an unterschiedlichen Orten verhandelt werden; dies dürfte nicht gelten
   für die Zwischenfeststellungswiderklage.
 − Soweit ersichtlich ist die Möglichkeit der Zuständigkeitskonzentration nach § 15 Abs. 3 GeschGehG bislang noch in
   keinem Bundesland genutzt worden.

 − Achtung: Regelung betrifft nur die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte!

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Grundlagen des GeschGehG

Neuregelung im GeschGehG – Verfahrensvorschriften II

 Prozessuale Geheimhaltungsanordnungen

 − Anwendungsbereich im Hinblick auf richtlinienkonforme Ausgestaltung unklar.
 − Anwendung demnächst auch im Patentstreitverfahren, vgl.
   § 145a des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Vereinfachung und
   Modernisierung des Patentrechts (BT-Drs. 19/25821)

 − Zweistufiges Verfahren:

          Einstufung streitgegenständlicher Informationen als geheimhaltungsbedürftig
           (§ 16 Abs. 1 GeschGehG)
          Daran geknüpfte Vertraulichkeitspflichten:

           o Allgemeine Vertraulichkeitspflicht (§ 16 Abs. 2 GeschGehG)

           o Weitere gerichtliche Beschränkungen (§ 19 GeschGehG)

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Erste gerichtliche
Entscheidungen
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Erste gerichtliche Entscheidungen

Übersicht

Verfahrensrecht                                                    Materielles Recht

Geheimhaltungsanordnungen                                          Geheimnisqualität
OLG Dresden, Beschl. v. 3. Februar 2021, 4 W 935/20                LG Konstanz, Urt. v. 8. Oktober 2020, D 6 O 207/20
OLG Koblenz, Beschl. v. 25. Januar 2021, 9 U 1382/13               BVerwG, Beschl. v. 5. März 2020, 20 F 3/19
OLG Stuttgart, Urt. v. 19. November 2020, 2 U 575/19 –
Schaumstoffsysteme (GRUR-RS 2020, 35613)                           Angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen
LG Münster, Urt. v. 30. Oktober 2019, 21 O 76/17                   OLG Stuttgart, Urt. v. 19. November 2020, 2 U 575/19 –
                                                                   Schaumstoffsysteme (GRUR-RS 2020, 35613)
Bestimmtheit der Anträge                                           KG, Beschl. v. 10. November 2020, 6 W 1029/20
OLG Frankfurt/Main, Beschl. v. 27. November 2020, 6 W 113/20       OLG Hamm, Urt. v. 15. September 2020, 4 U 177/19 –
OLG Stuttgart, Urt. v. 19. November 2020, 2 U 575/19 –             Stopfaggregat
Schaumstoffsysteme (GRUR-RS 2020, 35613)                           LAG Düsseldorf, Urt. v. 3. Juni 2020, 12 SaGa 4/20

Dringlichkeit                                                      Berechtigtes Interesse
OLG Frankfurt/Main, Beschl. v. 27. November 2020, 6 W 113/20       VG Stuttgart, Urt. v. 29. Oktober 2020, 14 K 2981/19
OLG München, Beschl. v. 8. August 2019, 29 W 940/19
                                                                   Geheimnisinhaber
Übergangsrecht/Kontinuität der Rechtsfolgen                        OLG Düsseldorf, Urt. v. 21. November 2019, I-2 U 34/19 –
                                                                   Spritzgießwerkzeug für Spritzen
OLG Stuttgart, Urt. v. 19. November 2020, 2 U 575/19 –
Schaumstoffsysteme (GRUR-RS 2020, 35613)                           Rechtsfolgen
OLG Düsseldorf, Urt. v. 21. November 2019, I-2 U 34/19 –           OLG Stuttgart, Urt. v. 19. November 2020, 2 U 575/19 –
Spritzgießwerkzeug für Spritzen                                    Schaumstoffsysteme (GRUR-RS 2020, 35613)
OLG Hamm, Urt. v. 15. September 2020, 4 U 177/19 – Stopfaggregat
LAG Düsseldorf, Urt. v. 3. Juni 2020, 12 SaGa 4/20                                         Entscheidungen abrufbar über juris außer
                                                                                                        OLG Koblenz, 9 U 1382/13
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Entscheidungen – Verfahren I

Geheimhaltungsanordnungen nach §§ 172 ff. GVG und nach §§ 16 ff. GeschGehG

    Zum einen strenge Linie unter §§ 172 ff. GVG das OLG Dresden, Beschl. v. 3. Februar 2021, 4 W 935/20 (BeckRS
    2021, 3459):
    ꟷ    „Die Geheimhaltungsanordnung [nach den §§ 172 Nr. 2, 174 Abs. 3 GVG] erstreckt sich nach ihrem eindeutigen Inhalt nicht auf den in
         der Verhandlung nicht persönlich anwesend gewesenen Kläger und durfte dies auch nicht.“

    ꟷ    „Das Risiko, dass dieser [der nach §§ 172 Nr. 2, 174 Abs. 3 GVG zur Geheimhaltung verpflichtete Rechtsanwalt] den Inhalt einer
         mündlichen Verhandlung nicht an seinen Mandanten weiterleitet oder - wie hier - wegen einer Geheimhaltungsanordnung nicht an diese
         weiterleiten darf, fällt allein in deren [der nicht erschienenen Partei] Verantwortungsbereich.“

    Zum anderen wenig restriktiv unter §§ 16 ff. GeschGehG OLG Koblenz, Beschl. v. 25. Januar 2021, 9 U 1382/13 (nicht
    veröffentlicht):
    ꟷ    „Die auf der Grundlage von § 19 Abs. 1 GeschGehG beschlossenen Zugangsbeschränkungen wirken sich … lediglich insoweit aus, als
         das Gericht nicht zugelassene Personen auf Antrag von der mündlichen Verhandlung ausschließen kann (§ 19 Abs. 2 Nr. 1
         GeschGehG) und als die Beschränkung des Akteneinsichtsrechts nach § 16 Abs. 3 GeschGehG ausnahmslos für alle nicht
         zugelassenen Personen gilt.“

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Entscheidungen – Verfahren II

Geheimhaltungsanordnungen nach §§ 172 ff. GVG und nach §§ 16 ff. GeschGehG

    Fortsetzung zu OLG Koblenz, Beschl. v. 25. Januar 2021, 9 U 1382/13 (nicht veröffentlicht):
    ꟷ    „Insoweit müssen die Parteien … als geheimhaltungsbedürftig eingestufte Informationen dann nicht vertraulich behandeln
         und dürfen diese, ohne der Sanktionierung durch § 17 Satz 1 GeschGehG zu unterliegen, außerhalb eines gerichtlichen
         Verfahrens nutzen oder offenlegen, wenn sie von Ihnen außerhalb des Verfahrens Kenntnis erlangt haben.“

              Dies soll nach dem OLG Koblenz auch für die streitgegenständlichen Informationen gelten, für welche die Klageseite
                  im Verfahren eine unerlaubte Erlangung geltend macht. Das konterkariert den Sinn und Zweck der §§ 16 ff.
                  GeschGehG.

    −    „Innerhalb des Verfahrens ist … – im Hinblick auf das schutzwürdige Interesse der Parteien an einer effektiven
         Prozessführung – jede Offenbarung oder Nutzung zulässig, die nach billigem Ermessen der zweckentsprechenden
         Rechtsverfolgung oder -verteidigung dient.“

              Dies soll nach dem OLG Koblenz auch im Fall der Anordnung einer Zugangsbeschränkung nach § 19 GeschGehG
                  gelten.

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Entscheidungen – Verfahren III

Geheimhaltungsanordnungen nach §§ 16 ff. GeschGehG

    OLG Stuttgart, Urt. v. 19. November 2020, 2 U 575/19 – Schaumstoffsysteme (GRUR-RS 2020, 35613):
    ꟷ    „Es stellt einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör dar, wenn die Partei entscheidungserheblichen Vortrag
         von einer Einstufung der Informationen als geheimhaltungsbedürftig abhängig macht und über ihren Antrag nach § 16
         GeschGehG nicht so zeitig vor der letzten mündlichen Verhandlung durch Beschluss entschieden wird, dass ihr die
         Möglichkeit einer sofortigen Beschwerde gegen eine ablehnende Entscheidung gemäß § 20 Absatz 5 Satz 5 GeschGehG
         offensteht.“

    ꟷ    „Die Klageanträge mit Ausnahme des Antrags Ziff. III (Adresslisten) sind erst mit Offenlegung der darin in Bezug
         genommenen Rezepturen hinreichend bestimmt. Bis zu einer Entscheidung des Landgerichts über die zum Zwecke der
         Offenlegung beantragten Maßnahmen gem. §§ 16, 20 GeschGehG können die Anträge nicht als unzulässig abgewiesen
         werden.“

          Für die wirksame Implementierung eines verfahrensrechtlichen Geheimnisschutzes ist dies eine ganz entscheidende
             Aussage. Der Geheimnisinhaber muss sich demnach nicht darauf einlassen, Vortrag zu Geheimnissen in der bloßen
             Hoffnung zu halten, das Gericht werde eine Geheimhaltungsanordnung (im Nachgang) schon noch erlassen.

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Entscheidungen – Verfahren IV

Geheimhaltungsanordnungen nach §§ 16 ff. GeschGehG

    LG Münster, Urt. v. 30. Oktober 2019, 21 O 76/1 (juris):
    ꟷ    „Darüber hinaus grenzt die Klägerin in ihrem Antrag die Informationen aus ihren Konstruktionsplänen und -aufzeichnungen,
         die sie als geheimhaltungsbedürftig ansieht, nicht von denen ab, die sich zwanglos aus den bekannten Patenten ergeben,
         durch das Reverse Engineering problemlos zu ermitteln sind oder sonst durch erlaubte Handlungen im Sinne des § 3
         GeschGehG erlangt werden können.“

    ꟷ    „Die Klägerin hat bereits nicht hinreichend darlegen und beweisen können, dass die Gleisstopfaggregate der Beklagten auf
         Informationen der Klägerin beruhen. Entsprechende Ansprüche gemäß § 17 UWG a. F. stehen der Klägerin
         dementsprechend nicht zu. Korrespondierend hat sie auch keinen Anspruch gemäß § 16 Abs. 1 GeschGehG,
         streitgegenständliche Informationen als geheimhaltungsbedürftig einzustufen. Soweit § 16 Abs. 1 GeschGehG eine „Kann“-
         Regelung darstellt, übt das Gericht sein Ermessen entsprechend aus.“

          Diese Entscheidung des LG Münster zeigt – in der frühen Phase des GeschGehG – noch erhebliche Unsicherheit im
             Umgang mit den Regelungen der §§ 16 ff. GeschGehG auf.

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Entscheidungen – Verfahren V

Prozessuale Geheimhaltungsanordnung in Altverfahren

    OLG Stuttgart, Urt. v. 19. November 2020, 2 U 575/19 – Schaumstoffsysteme (GRUR-RS 2020, 35613):
    −    „Die Einstufung streitgegenständlicher Informationen als geheimhaltungsbedürftig gem. § 16 GeschGehG ist auch in
         Verfahren zulässig, in denen Ansprüche auf einen Verstoß gegen § 17 UWG a.F. gestützt werden.“

Bestimmtheit der Anträge

    OLG Frankfurt/Main, Beschl. v. 27. November 2020, 6 W 113/20:
    −    Ls. 2: „Bei der Geltendmachung von Ansprüchen aus dem GeschGehG ist es im Hinblick auf die hinreichende Bestimmtheit
         der Anträge erforderlich, dass die streitbefangenen Geschäftsgeheimnisse konkret bezeichnet werden.“

          Dies scheint eine Beschreibung des Geheimnisses selbst zu erfordern.

    −    Aber Entscheidungsgründe: „Für die Zulässigkeit des Verfügungsantrags ist wesentlich, dass die … Beeinträchtigung des
         Geschäftsgeheimnisses hinsichtlich der konkreten Verletzungsform bezeichnet wird …“

          Verweis auf konkret verletzende Ausführungsform scheint zu genügen (so auch zum alten Recht BGH GRUR 2018, 1161
             – Hohlfasermembranspinnanlage II)

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Entscheidungen – Verfahren VI

Bestimmtheit der Anträge

 demgegenüber OLG Stuttgart, Urt. v. 19. November 2020, 2 U 575/19 – Schaumstoffsysteme (GRUR-RS
 2020, 35613):
 −    „Geht es um die Untersagung der Entwicklung, Weiterentwicklung, Herstellung, des Anbietens, des Vertreibens oder des
      sonstigen Inverkehrbringens hergestellter Produkte, so sind in dem Antrag nicht die Merkmale der Geschäftsgeheimnisse der
      Klägerin wiederzugeben, sondern diejenigen der als rechtsverletzend anzusehenden Produkte der Beklagten …“

 −    „Denn bei der Auflösung des Spannungsverhältnisses zwischen Bestimmtheitsgrundsatz und Geheimhaltungsschutz ist zu
      berücksichtigen, dass nach der Neuregelung in § 16 Absatz 1 GeschGehG auf Antrag einer Partei streitgegenständliche
      Informationen ganz oder teilweise als geheimhaltungsbedürftig eingestuft werden können.“

       Das OLG Stuttgart stellt vor dem Hintergrund zusätzlicher prozessualer Schutzmöglichkeiten höher Anforderungen an die
           Bestimmtheit von Anträgen.

Dringlichkeit
 OLG Frankfurt/Main, Beschl. v. 27. November 2020, 6 W 113/20 (GRUR-RR 2021, 229):
 −    „Es ist nicht erkennbar, dass die Antragstellerin unter Dringlichkeitsgesichtspunkten anlasslos dazu verpflichtet sein sollte,
      ihre Mitarbeiter regelmäßig daraufhin zu überwachen, ob diese keine Geschäftsgeheimnisse unerlaubt weitergeben - soweit
      dies rechtlich überhaupt möglich wäre.“

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Entscheidungen – Verfahren VII

Dringlichkeit

 OLG München, Beschl. v. 8. August 2019, 29 W 940/19 (GRUR-RR 2019, 443):
 −    „Es erscheint zweifelhaft, ob die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 [nun: § 12 Abs. 1] UWG auf die Geltendmachung
      von Unterlassungsansprüchen nach § 6 GeschGehG analog angewendet werden kann, da dies eine planwidrige
      Regelungslücke voraussetzen würde. Der Gesetzgeber scheint beim GeschGehG bewusst von spezifischen Regelungen
      zum Verfügungsverfahren abgesehen zu haben.“

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Entscheidungen – Übergangsrecht I

Kontinuität der Rechtsfolgen
 OLG Stuttgart, Urt. v. 19. November 2020, 2 U 575/19 – Schaumstoffsysteme (GRUR-RS 2020, 35613):
 ─    „Wird ein Unterlassungsanspruch auf einen Erstverstoß gegen § 17 UWG a.F. gestützt, liegt eine Wiederholungsgefahr nur
      dann vor, wenn das beanstandete Verhalten auch seit dem Inkrafttreten des GeschGehG durchgehend als rechtswidrig
      einzustufen ist.“

 ─    Zur Erstbegehungsgefahr: „Ist dies nur deshalb nicht der Fall, weil der Geheimnisinhaber nicht schon vor diesem Zeitpunkt
      angemessene Schutzmaßnahmen getroffen hat, kann feststellbaren Verstößen gegen § 17 UWG a.F. indizielle Wirkung für
      das Bestehen einer Erstbegehungsgefahr für entsprechende Verstöße gegen § 4 GeschGehG zugemessen werden.“

 ─    „Stellt das neue Recht zusätzliche Voraussetzungen für die Rechtswidrigkeit auf, müssen diese spätestens bei Inkrafttreten –
      und seither durchgehend – vorgelegen haben. So liegt es in der hiesigen Fallkonstellation mit den zusätzlichen
      Anforderungen an die vom Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses zu treffenden Geheimhaltungsmaßnahmen.“

       Dass eine einmal entfallene Wiederholungsgefahr nicht wieder auflebt, kann in der Sondersituation der Einführung des
          GeschGehG und der damit einhergehenden Verschärfung der Anforderungen durchaus in Frage gestellt werden.

 OLG Düsseldorf, Urt. v. 21. November 2019, I-2 U 34/19 – Spritzgießwerkzeug für Spritzen (GRUR-RS 2019,
 33225):
 ─ „Ändert sich die Rechtslage im Hinblick auf einen ausschließlich zukunftsbezogenen Anspruch, ist das im
     Entscheidungszeitpunkt geltende (neue) Recht heranzuziehen … Auch wenn ein Unterlassungsanspruch auf eine noch unter
     altem Recht vorgefallene Verletzungshandlung gestützt wird, ist der Unterlassungsanspruch deshalb nunmehr an § 6
     GeschGehG zu messen …“

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Entscheidungen – Übergangsrecht II

Kontinuität der Rechtsfolgen
 a.A. wohl OLG Hamm, Urt. v. 15. September 2020, 4 U 177/19 – Stopfaggregat (WRP 2021, 223):
 ─    „Die aktuell ergriffenen Maßnahmen sind insoweit nicht ausreichend und es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass
      diese bis Ende 2012 einen deutlich höheren Standard hatten.“

 Siehe auch LAG Düsseldorf, Urt. v. 3. Juni 2020, 12 SaGa 4/20 (MMR 2021, 181):
 ─    „Mangels Übergangsvorschrift richtet sich ein in die Zukunft gerichteter Unterlassungsanspruch, mit dem der zivilrechtliche
      Geheimnisschutz geltend gemacht wird, seit dem 26.04.2019 nach dem GeschGehG.“

 ─    Aber offenbar Bezug der Geheimhaltungsmaßnahmen auf die Vergangenheit: „Diese hat der Verfügungsbeklagte nicht erfüllt.
      Dies genügt auch unter Würdigung des Umstandes, dass der letzte Arbeitstag anders als das Ende des Arbeitsverhältnisses
      noch vor In-Kraft-Treten des Geschäftsgeheimnisgesetzes lag, nicht als angemessene Geheimhaltungsmaßnahme.

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Entscheidungen – Materielles Recht I

Geheimnisqualität
 LG Konstanz, Urt. v. 8. Oktober 2020, D 6 O 207/20 (GRUR-RS 2020, 31474):

 ─    „Die aus 13 Namen bestehende Kundenliste aus der E-Mail des Verfügungsbeklagten vom 08.08.2020, 09.07 Uhr (Anlage
      AS 7), stellt ein Geschäftsgeheimnis im Sinne von § 2 Nr. 1 GeschGehG dar.“

 Sehr weitgehend BVerwG, Beschl. v. 5. März 2020, 20 F 3/19 (NVwZ 2020, 715):
 ─    „Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen umfasst nicht nur das Verbot des unbefugten Zugriffs auf den Inhalt von Dateien,
      die das Geschäftsgeheimnis enthalten, sondern auch bereits die Verhinderung des Zugangs zu äußeren Merkmalen von
      Dateien (wie Dateiname, Dateiendung, Dateityp, Dateigröße), aus denen sich das Geschäftsgeheimnis ableiten lässt.“

       Das BVerwG nimmt dabei Bezug auf § 2 Nr. 1 GeschGehG.

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Entscheidungen – Materielles Recht II

Angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen
 OLG Stuttgart, Urt. v. 19. November 2020, 2 U 575/19 – Schaumstoffsysteme (GRUR-RS 2020, 35613):

 ─    „Als Mindeststandard ist zu fordern, dass relevante Informationen nur Personen anvertraut werden dürfen, die die
      Informationen zur Durchführung ihrer Aufgabe (potentiell) benötigen und die zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. Zudem
      müssen diese Personen von der Verschwiegenheitsverpflichtung in Bezug auf die fraglichen Informationen Kenntnis haben.
      Weitere Maßnahmen sind den Umständen nach zu ergreifen, wobei eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen ist. Genauso wie
      das Ergreifen verschiedener verstärkender Maßnahmen zu einem angemessenen Schutzniveau führen kann, kann ein in
      Kauf genommenes „Datenleck“ zu der Bewertung führen, dass insgesamt kein angemessenes Schutzniveau mehr vorliegt.
      Letzteres kann angenommen werden, wenn der Geheimnisinhaber es zulässt, dass Mitarbeiter Dateien ohne Passwortschutz
      auf privaten Datenträgern abspeichern oder wenn Papierdokumente nicht gegen den Zugriff unbefugter Personen gesichert
      sind.“

 ─    „Solange es hierzu noch keine gefestigte Judikatur gibt, besteht für den Geschäftsinhaber zwar das Risiko, dass er die von
      ihm ergriffenen Maßnahmen als ausreichend einschätzt, dies jedoch von den Gerichten später anders bewertet wird und er
      dann keinen Schutz nach dem Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen genießt. Diese Erwägung führt allerdings
      nicht dazu, zugunsten nachlässiger Geheimnisinhaber die Anforderungen an die Angemessenheit der Maßnahmen
      aufzuweichen.“

       Das erscheint übertrieben streng angesichts der gerade für Geheimnisinhaber derzeit bestehenden Rechtsunsicherheit

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Entscheidungen – Materielles Recht III

Angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen
 KG, Beschl. v. 10. November 2020, 6 W 1029/20 (BeckRS 2020, 31170):

 ─    „…, da an das Merkmal der angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen auch im Rahmen des § 2 Nr. 1 lit. b GeschGehG
      keine überzogenen Anforderungen gestellt werden dürfen (…). Es ist bereits dann erfüllt, wenn der Betreffende irgendwelche
      aktiven Vorkehrungen trifft, um die geheime Information vor einem rechtswidrigen Erlangen, Nutzen oder Offenlegen zu
      schützen (…), etwa eine sichere Verwahrung oder eine Zugangssicherung der Daten durch Passwörter im Unternehmen.“

 Sehr viel strenger aber OLG Hamm, Urt. v. 15. September 2020, 4 U 177/19 – Stopfaggregat (WRP 2021,
 223):
 ─    Zur Wahrung des in den Plänen der Klägerin liegenden Geschäftsgeheimnisses ist ein hohes Maß an
      Sicherheitsvorkehrungen angemessen. …Das hier streitgegenständliche Stopfaggregat hat für das Unternehmen der
      Klägerin erhebliche Bedeutung. So beruft sie sich selbst darauf, dass es sich dabei um ihr "Flaggschiff" handele.“

       Diese Anknüpfung der Angemessenheit der Maßnahmen an den Wert der Information für das Unternehmen ist
           zweifelhaft, da sie nicht oder zumindest kaum am Zweck des Erfordernisses der angemessenen
           Geheimhaltungsmaßnahmen orientiert ist.

 ─    „Aus der Sichtweise eines objektiven und verständigen Betrachters aus den Fachkreisen der Parteien ist es aber zwingend
      erforderlich, in Anbetracht der Bedeutung des Geschäftsgeheimnisses jedem Hinweis auf eine Umgehung von (angeblichen)
      Geschäftsgeheimnissen sorgfältig nachzugehen und das Sicherheitskonzept zeitnah anzupassen oder Sanktionen zu
      ergreifen.“

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Entscheidungen – Materielles Recht IV

Angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen
 LAG Düsseldorf, Urt. v. 3. Juni 2020, 12 SaGa 4/20 (MMR 2021, 181):
 ─    „Wie die Kammer den Parteien im Termin mitgeteilt hat, erachtet sie die Regelungen in § 14 Absätze 1 bis 3 des
      Arbeitsvertrags zur Geheimhaltungspflicht für ungenügend im Sinne von § 2 Nr. 1 Buchstabe b GeschGehG. Die Regelung
      ist deutlich zu weitgehend, denn es wird sogar ausdrücklich das, was nicht Geschäftsgeheimnis ist, erfasst.“

 ─    „Wer weiß, dass eine Unterlage, die er für geheimhaltungsbedürftig hält, entgegen der vertraglichen Rückgabepflicht nicht
      zurückgegeben wird und dann von März/April bis Oktober eines Jahres nicht einmal außergerichtlich im Sinne einer
      Herausgabeforderung tätig wird, dokumentiert kein wirkliches Geheimhaltungsinteresse und trifft keine angemessenen
      Schutzmaßnahmen.“

       Das LAG Düsseldorf verkennt in diesem Zusammenhang den Schutzgegenstand des GeschGehG, indem es zwischen
           den Geheimhaltungsmaßnahmen in Bezug auf Unternehmensunterlagen und in Bezug auf private Aufzeichnungen des
           Mitarbeiters unterscheidet. Entgegen dem LAG Düsseldorf kommt es nicht darauf an, wie welche Verkörperung des
           Geheimnisses geschützt ist, sondern dass der Schutz insgesamt gewährleistet ist.

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Entscheidungen – Materielles Recht V

Berechtigtes Interesse
 VG Stuttgart, Urt. v. 29. Oktober 2020, 14 K 2981/19 (BeckRS 2020, 35538):

 ─    „Der Schutz des Geschäftsgeheimnisses im Sinne des § 6 Satz 2 LIFG (juris: InfFrG BW) setzt ein berechtigtes
      Geheimhaltungsinteresse voraus. Wer sich gegen die Rechtsordnung wendet, kann weder deren Schutz noch ein „Recht auf
      Intransparenz“ zur Verschleierung illegalen Verhaltens reklamieren.“

       Diese Position dürfte sich in zivilrechtlichen Auseinandersetzungen nicht durchsetzen, da ein so verstandenes Merkmal
           des berechtigten Interesses nicht richtlinienkonform sein dürfte.

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Entscheidungen – Materielles Recht VI

Geheimnisinhaber
 OLG Düsseldorf, Urt. v. 21. November 2019, I-2 U 34/19 – Spritzgießwerkzeug für Spritzen (GRUR-RS 2019,
 33225):
 ─    „Zur Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs im einstweiligen Verfügungsverfahren muss die (…) Firma glaubhaft
      machen, dass sie Inhaberin der in den Spritzgussformen möglicherweise verkörperten Informationen im Sinne von § 2 Nr. 2
      Geschäftsgeheimnisgesetz ist, d.h. dass die Spritzgussformen ihr Eigentum und nicht das Eigentum des die Formen
      unmittelbar besitzenden (…) Unternehmens sind. Als Indiz für den Eigentumsübergang an den Formen kommt die Bezahlung
      des Kaufpreises für die Anfertigung der Formen in Betracht.“

       Die Entscheidung zeigt sehr eindrucksvoll auf, wie kompliziert der Nachweis der Aktivlegitimation sein kann, wenn hierzu
           keine ausreichende vertragliche Vorsorge getroffen wurde.

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Entscheidungen – Materielles Recht VII

Reichweite der Rechtsfolgen
 OLG Stuttgart, Urt. v. 19. November 2020, 2 U 575/19 – Schaumstoffsysteme (GRUR-RS 2020, 35613):

 ─    „Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr wird durch ein rechtsverletzendes Verhalten indiziert
      (BGH, Urteil vom 12. September 2013 - I ZR 208/12, juris Rn. 25 – Empfehlungs-Email; BGH, Urteil vom 14. November 2017
      – VI ZR 534/15, juris Rn. 17). Die Wiederholungsgefahr erstreckt sich auf kerngleiche Handlungen, d.h. vorliegend auf
      sachlich-funktionell eng mit dem verletzten Geheimnis zusammenhängende weitere Geheimnisse.“

       Für die Praxis der Verfahrensführung in Geheimnisschutzsachen ist diese Aussage von ganz entscheidender Bedeutung.
           Dies ermöglicht es zumindest theoretisch, ausgehend von der für ein Geheimnis festgestellten Verletzung einen
           umfassenden Unterlassungsanspruch durchzusetzen. Allerdings schränkt das Gericht den Bereich der kerngleichen
           Handlungen erheblich ein und führt aus, dass die betroffenen „Rezepturen dieselben charakteristischen Merkmale
           aufweisen“ müssten.

 −    „Hinsichtlich der Begehungsform der Entwicklung bzw. Weiterentwicklung gilt der Maßstab, dass Modifikationen und
      Weiterentwicklungen nichts an einer Übernahme bzw. Verwertung des Geheimnisses ändern, solange die entscheidenden
      Grundelemente beibehalten worden sind und deshalb davon auszugehen ist, dass dasselbe technische Ergebnis ohne
      Kenntnis des Vorbildes nicht oder jedenfalls nicht in derselben Zeit oder so zuverlässig hätte erreicht werden können …“

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3

Offene Fragen
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Offene Fragen

Fragen, die uns in den nächsten Jahren beschäftigen dürften

    Materielles Recht                                           Verfahrensrecht

    − Angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen – mit                 − Bestimmtheit von Anträgen
         Sicherheit ein Dauerbrenner                            − Erstreckung von Rechtsfolgen auf „kerngleiche“
    − Reverse Engineering – Möglichkeiten des                      Verletzungen bei Unterlassungs-, Beseitigungs-,
         vertraglichen Ausschlusses?                               Auskunfts- und Schadensersatzansprüchen
    − Zusammenhang zwischen erlaubtem Erwerb einer              − Rechtsbehelfe Dritter gegen Anordnungen nach den
         Information und ihrer Nutzung (vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 2      §§ 16 ff. GeschGehG
         GeschGehG)                                             − Rechtsfolgen der Informationsweitergabe an nicht
    − Reichweite der Definition des rechtsverletzenden             nach § 19 GeschGehG privilegierte Personen
         Produkts nach § 2 Nr. 4 GeschGehG
    − Voraussetzungen und praktische Auswirkungen des
         Verbots der „mittelbaren“ Verletzung nach § 4 Abs. 3
         GeschGehG

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