1.8. Für ein Comeback der Europäer nach 2014. Die UNO braucht europäisches Polizei- und Militärpersonal für Friedenseinsätze

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1.8. Für ein Comeback der Europäer nach 2014.
     Die UNO braucht europäisches Polizei- und
     Militärpersonal für Friedenseinsätze
      Wanda Hummel und Tobias Pietz

Zwischen 2013 und 2014 eröffnet sich für Deutschland und seine europäischen
Nachbarn und Partner die Gelegenheit zu einer strategischen Neuausrichtung
in der Außen- und Sicherheitspolitik: Durch den Abzug aus Afghanistan ab
2014 werden finanzielle Ressourcen und Personal im Bereich Militär und Po-
lizei frei. Im Nachgang zum Einsatz in Afghanistan steht nicht nur eine ab-
schließende Aus- und Bewertung dieser Intervention an, sondern auch eine
Diskussion da1iiber, was mit diesen Ressourcen in Zukunft geschehen soll -
und vor allem wie und in welchen Institutionen die europäischen Länder sich in
Zukunft für Frieden und Sicherheit engagieren wollen. Darüber hinaus durch-
läuft der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) knapp drei Jahre nach seiner
Gründung einen Strategie Review - mithin die letzte Möglichkeit für die EU-
Mitgliedstaaten, Geburtsfehler des Dienstes zu korrigieren und die Weichen
für die Zukunft der gemeinsamen außen- und sicherheitspolitischen Agenda
der Europäischen Union zu stellen, bei der seit einem Jahrzehnt EU-Missionen
eine immer wichtigere Rolle spielen. Bei dieser Neuausrichtung sollten die
Friedenseinsätze der Vereinten Nationen eine größere Unterstützung erfahren.
     Der Begriff UN-Friedenseinsatz bedarf einer kl~e,n Definition. Seit den
1990er Jahren hat sich die Zahl der internationalen Interventionen unter ei-
nem Mandat des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen erhöht. Auch haben
sich die Formen dieser Interventionen sehr stark ausdifferenziert. Von einer
Polizeimission der Europäischen Union in Bosnien über eine zivile Beobach-
tungsmission der Arabischen Liga in Syrien bis hin zu einem militärischen
Kampfeinsatz unter der Führung der NATO in Afghanistan - die Bandbreite
ist groß. Im Verständnis der Autoren ist ein „klassischer" UN-Friedenseinsatz
integriert, d.h. Mitgliedstaaten stellen der UNO zivile, polizeiliche und militä-
rische Kapazitäten zur Verfügung, welche allein von der UNO geführt werden.
     Auch wenn UN-Friedenseinsätze über das Kapitel VII der Charta der Ver-
einten Nationen immer häufiger ein sogenanntes robustes Mandat bekommen
und damit die Möglichkeit, im Extremfall das Mandat der Mission auch mit
Waffengewalt zu verteidigen oder die Bevölkerung des Gastlandes zu schüt-
zen, so handelt es sich bei diesen Einsätzen nicht um Kriegseinsätze - wie
beispielsweise die UN-mandatierte NATO-Mission in Afghanistan seit 2002
FÜR EIN COMEBACK DER EUROPÄER NACH              2014

oder die französische Intervention in Mali 2013. Im Gegenteil: Die meisten
Soldaten und Soldatinnen in einem UN-Friedenseinsatz überwachen Waffen-
stillstände und Grenzverläufe oder stabilisieren allein durch ihre Präsenz unsi-
chere Nachkriegssituationen. Kampfhandlungen sind möglich, aber selten. Ei-
ne der wenigen - auch kritisch gesehenen - Ausnahmen ist der Einsatz in der
Demokratischen Republik Kongo, wo einige UN-Kontingente in kriegerischen
Auseinandersetzungen mit Rebellengruppen standen und stehen. Abermals im
Kongo schafft die Resolution 2098 vom 28. März 2013 mit der Mandatierung
einer militärischen Eingreiftruppe innerhalb eines UN-Friedenseinsatzes even-
tuell einen riskanten Präzedenzfall (vgl. Beitrag 3.4.). Manche Einsätze, wie
aktuell Libyen oder Sierra Leone, werden jedoch ganz ohne Militär umgesetzt;
andere, wie die Mission in Ost-Timor vor ihrer Schließung 2012, haben größ-
tenteils Polizeiangehörige und Zivilpersonal vor Ort. Vor allem aber werden
UN-Friedenseinsätze von einer zivilen Missionsleitung geführt.
     Friedenseinsätze der Vereinten Nationen sind nach dem Ende des Kalten
Krieges - und trotz der bitteren Erfahrungen in Bosnien und in Ruanda Mit-
te der 1990er Jahre - immer noch das zentrale Instrument des internationalen
Krisenmanagements. Allein seit 1989 wurden mehr als 40 Missionen durchge-
führt. Aktuell entsenden das UN Department of Peacekeeping Operations (UN
DPKO) und das UN Department of Political Affairs (UN DPA) 17 Missionen
weltweit mit mehr als 81.000 Soldaten und Soldatinnen, 12.000 Polizisten und
Polizistinnen und etwa 8.500 zivilen Fachkräften. 1
     Zwar ist die Gesamtzahl des Personals in Einsätzen in den letzten Jah-
ren leicht zurückgegangen, da einzelne Missionen beendet wurden, doch die
Krisen in Libyen, Syrien oder Mali und der gleichzeitige Ruf nach einer zen-
tralen Rolle für die UNO dort zeigen: Die Legitimität der Vereinten Nationen
ist (noch immer) höher als die anderer Akteure, wie z.B. der NATO oder der
Afrikanischen Union. 2013 wird ein erneuter Zuwachs des Personals im UN-
Peacekeeping durch die Mission in Mali erwartet. Darüber hinaus läuft in New
York bereits die Planung für einen möglichen Einsatz der UNO in Syrien.
     Die Mandate der Missionen werden immer detaillierter und die Aufga-
ben vor Ort umfangreicher. Der Bedarf an zivilem, polizeilichem und militä-
rischem Fachpersonal steigt - von Informationsanalysten über Luftfahrtinge-
nieurinnen bis hin zu Experten und Expertinnen in islamischem Recht oder
Traumatherapeuten und -therapeutinnen. Allerdings stellen die Mitgliedstaa-
ten der UNO immer weniger Fachpersonal, vor allem bei Polizei und' Mili-
tär. Die Mehrheit der Polizei in UN-Friedenseinsätzen bilden mittlerweile so-
   UN DPKO und UN DPA Factsheets, Dezember 2012 ; nicht eingerechnet ist lokales Perso-
   nal (zusätzlich ca. 14.000).

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WANDA HUMMEL UND TOBIAS PIETZ

genannte geschlossene Polizeieinheiten (Formed Police Units); 2 beim Militär
überwiegen nationale Brigaden. Doch für ihre aktuellen Missionen benötigt
die UNO Spezialfähigkeiten: Weder geschlossene Polizeieinheiten noch mi-
litärische Brigaden können komplexe Aufgaben bislang zufriedenstellend er-
füllen. Geschlossene Polizeieinheiten, meist ausgebildet für den Umgang mit
gewaltbereiten Demonstranten, können nicht vor Ort aufgelöst und individu-
ell im Polizeidienst oder zur Schulung nationaler Partner eingesetzt werden.
Auch für die Entwaffnung und Reintegration ehemaliger Kämpfer und Kämp-
ferinnen oder den Aufbau demokratisch kontrollierter, professioneller Armeen
braucht man militärische Spezialisten und Spezialistinnen sowie Trainerinnen
und Trainer - und keine reinen Infanterieeinheiten.

Die Peacekeeping-Asymmetrie: Wer entscheidet? Wer
zahlt? Wer ist vor Ort?
Die Leitidee des UN-Peacekeeping war und ist auf strategischer, finanzieller
und personeller Ebene die Verantwortung gemeinsam zu tragen. Alle 193 Mit-
gliedstaaten sollten entsprechend ihren Möglichkeiten mitfinanzieren und Per-
sonal stellen. Doch hat sich in den letzten Jahren ein gefährliches Ungleich-
gewicht entwickelt: Während die USA, Japan und die EU-Mitgliedstaaten ge-
meinsam knapp 80 Prozent des UN-Peacekeeping-Budgets finanzieren, stellen
mehrheitlich afrikanische und zentral- bzw. südasiatische Mitgliedstaaten uni-
formiertes Personal (71 Prozent). Allein Bangladesh, Indien und Pakistan ent-
senden etwa ein Drittel aller Blauhelme. 3 Die Inhalte der komplexen Mandate,
welche dieses Personal umsetzen soll, formuliert jedoch der UN-Sicherheitsrat
weitgehend ohne direkte Beteiligung der größten Kontingentsteller. Seit Jahren
fordern diese eine Berücksichtigung ihrer Positionen und verfügbaren Kapa-
zitäten. Es ist hier wichtig zu wissen, dass alle UN-Mitgliedstaaten verpflich-
tet sind, Beiträge zum Peacekeeping-Budget zu zahlen, die Bereitstellung von
Personal jedoch freiwillig erfolgt und deshalb unmittelbar eine Frage des poli-
tischen Willens eines jeden Mitgliedstaates ist.
     Ein Vergleich mit den Zahlen der 1990er Jahre zeigt das Ausmaß des west-
lichen Rückzugs aus dem uniformierten Peacekeeping (Polizei und Militär) der
UNO. In den ersten Jahren nach Ende des Kalten Krieges stellte die Western
2     Annika Hansen: Den Frieden sichern. Geschlossene Polizeieinheiten in Friedenseinsätzen
      der Vereinten Nationen, ZIF Policy Briefing, Berlin 2011, S. 2f.
3     David Haeri/Rebecca Jovin: Why We Need the West in UN Peacekeeping, in: Thierry
      Tardy (Hrsg.): For A Renewed Consensus on UN Peacekeeping Operations, GCSP Geneva
      Papers-Conference Series No. 23, Genf 2011, S. 52.

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FüR EIN COMEBACK DER EUROPÄER NACH                       2014
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European and Others Group (WEOG) noch 71 Prozent aller Blauhelme und
UN-Polizisten und -Polizistinnen: Allein sieben WEOG-Staaten befanden sich
damals unter den Top 10 der truppen- und polizeistellenden Staaten. Bis heute
hat sich dieser Anteil auf weniger als acht Prozent reduziert. In den zahlen-
mäßig größten Einsätzen in Subsahara-Afrika stellen westliche Staaten sogar
nur noch 0,7 Prozent aller Blauhelme. 4 Als einziges westliches Land rangiert
nur Italien noch unter den Top 20 der UN-Truppensteller. 5 Auch bei der UN-
Polizei, deren Personalstärke, Bedeutung und Aufgabenspektrum sich in den
letzten Jahren stetig erweitert hat, 6 lässt sich dieser Rückzug ablesen (siehe
Grafik). Lediglich Portugal rangiert aktuell auf Platz 16. 7

Die 15 größten Polizei stellenden Staaten für UN-Friedenseinsätze

                                         ...• ...
                   2000                                                     2012
         USA                      865                    t      1 Bangladesch             1901
       2 Jordanien                849                          2   Jordanien              1900
       3 Indien                   640                          3   Indien                 1038
       4 Deutschland
       5 Pakistan
                                  476
                                  362     •• tt                4
                                                               5
                                                                   Nepal
                                                                   Senegal
                                                                                           847
                                                                                           740
       6 Ghana
       7 Großbritannien
                                  308
                                  230    •• ••t                6
                                                               7
                                                                   Pakistan
                                                                   Nigeria
                                                                                           709
                                                                                           574
       8 Nigeria
       9 Portugal
                                  211
                                  208    •• tt                 8
                                                               9
                                                                   Ruanda
                                                                   Ägypten
                                                                                           395
                                                                                           362
      lO Spanien
      11 Ukraine
      12 Bangladesch
                                  195
                                  195
                                  186
                                         ••t tt               10
                                                              11
                                                              12
                                                                   Tansania
                                                                   Malaysia
                                                                   Burkina Faso
                                                                                           316
                                                                                           294
                                                                                           290
      13 Frankreich
      14 Polen
                                  184
                                  175     •• tt               13
                                                              14
                                                                   Jemen
                                                                   Sierra Leone
                                                                                           263
                                                                                           195
      15 Philippinen              167
                                         • •                  15   Ghana                   185
Quelle: UN Police, http://www.un.org/en/peacekeeping/resources/statistics/contributors_archive.shtml.

4   Ebd., S. 52.
5   Vgl. http://www.un.org/en/peacekeeping/resources/statistics/contributors.shtml.
6   Richard Gowan/Megan Gleason: UN Peacekeeping. The Next Five Years, CIC Report,
    New York 2012, S. 15.
7   Rede von Under-Secretary General Herve Ladsous im Rahmen des Being A Peacekeeper
    Berlin Regional Roundtable am 24.10.2012.

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WANDA HUMMEL UND TOBIAS PIETZ

    Der Umfang von UN-Missionen hat in den letzten Jahren merklich zuge-
nommen. Waren im Jahr 2000 knapp 20.000 Militär- und Polizeiangehörige
im Einsatz, so ist die Zahl bis heute auf rund 93.000 gestiegen. 8 Um dieser
Nachfrage gerecht zu werden, ist die UNO auf die Bereitschaft und Beteili-
gung all ihrer Mitgliedstaaten angewiesen. Diese halten sich jedoch, wie auch
UN-Generalsekretär Ban Ki-moon kritisierte, zurück. 9
    Darüber hinaus konkurrieren die Vereinten Nationen zunehmend mit an-
deren internationalen Akteuren und Allianzen im Peacekeeping um Personal.
Während beinahe alle europäischen Staaten, die USA und Kanada ihr unifor-
miertes Personal aus UN-Missionen abgezogen haben, engagierten sich viele
von ihnen zugleich verstärkt in der NATO. Dadurch entstand ein „Zweiklas-
sensystem der internationalen Friedenssicherung", das dem „fiktiven Pool an
Peacekeepern für UN-Missionen" qualifiziertes Personal entzieht. Als Folge
kann die UNO nur noch sehr beschränkt auf „die hochentwickelten Fähigkei-
ten moderner westlicher Armeen" oder auch spezielle Polizei-Expertise zu-
rückgreifen. 10

Der lange Schatten von Srebrenica: Zweifel und
Desinteresse
Die Zurückhaltung der europäischen Staaten gründet, erstens, in sehr emotio-
nalen Erinnerungen an das Versagen der Vereinten Nationen und ihrer Mit-
gliedstaaten in Bosnien und Ruanda, als Blauhelmsoldaten vor Ort Genozide
nicht verhindern konnten. Zweitens zweifeln noch heute viele Mitgliedstaa-
ten an den Einsatzführungskapazitäten und -Strukturen der UNO, vor allem im
Vergleich mit der NATO. 11
    Militär- und Polizeiexperten sehen jedoch die Strukturen des Department
of Peacekeeping Operations mittlerweile viel besser aufgestellt, sei letzteres
doch in der Lage, 15 Missionen mit insgesamt 114.830 uniformierten und zi-
8  Vgl. http://www.un.org/en/peacekeeping/documents/chart.pdf und UN DPKO Factsheet,
   Dezember 2012.
9  Ban Ki-moon: Human Protection and the Twenty-First Century United Nations. Cyril Pos-
   ter Lecture, Oxford 2011, http://www.un.org/News/Press/docs/2011/sgsm13385.doc.htm.
10 Christian Stock/Johannes Varwick: Keine Partner zweiter Klasse. Die Truppensteilerstaa-
   ten der Vereinten Nationen verdienen Deutschlands Unterstützung, DGVN Policy Paper
   1/2012, Berlin 2012, S. 1.
11 Axel J. Bellamy/Paul D. Williams: Broadening the Base of United Nations Troop- and
   Police-Contributing Countries. Providing for Peacekeeping No.l, New York 2012, S. 6.

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FüR EIN COMEBACK DER EUROPÄER NACH              2014

vilen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen effizient zu führen. 12 Da die Mehr-
zahl der Kompetenzen für die Führung des Militärs an den UN Force Com-
mander vor Ort delegiert wird, kann er bzw. sie oft sogar schneller und fle-
xibler entscheiden und handeln als entsprechende Akteure der NATO oder
EU. Ein Grund für die anhaltende Skepsis gegenüber den Führungsfähigkeiten
der UNO ist mittlerweile wohl eher, dass die truppen- und polizeistellenden
Staaten unter UN-Regie weniger direkten Einfluss auf die Truppenführung ha-
ben als in der Kommandostruktur der NATO und der EU. 13 Außerdem ist der
Faktor „Gewohnheit" wohl entscheidend: Innerhalb der NATO kennt man die
Strukturen, weiß um die Abläufe, hat seit Jahrzehnten miteinander geübt und
Einsätze durchgeführt. Die militärische Kooperation mit anderen Mitgliedstaa-
ten und deren Organisationskulturen innerhalb der Vereinten Nationen wäre
hingegen ungewohnt und würde (anfan,gs) einen größeren Aufwand erfordern.
     Die Abwesenheit der Europäer im Peacekeeping spiegelt außerdem de-
ren geringes Interesse für UN-Friedenseinsätze in Afrika wider, vor allem in
Subsahara-Afrika, wo die meisten und größten Friedenseinsätze stattfinden.
Hierher entsenden europäische Staaten gerade mal 383 von insgesamt 5.492
Soldaten und Soldatinnen. 14 Sie stellen damit nicht einmal ein Prozent des
gesamten uniformierten UN-Personals in der Region. Größere europäische
Truppen- und Polizeikontingente finden sich nur noch im Nahen Osten (vor
allem bei UNIFIL im Libanon). Es bleibt abzuwarten, ob es durch die aktuelle
Entwicklung in Mali zu Änderungen kommen wird.
    Die Schieflage in der Personalbereitstellung hat Folgen: Sie gefährdet nicht
allein die vereinbarte Lastenteilung aller Mitgliedstaaten untereinander, son-
dern sorgt für Verstimmungen bei den großen Personalstellern des globalen
Südens. Der Vorwurf, diesen käme die jetzige Aufgabenteilung entgegen, da
sie durch großzügige Ausgleichszahlungen für bereitgestelltes Personal seit
Jahren an Friedenseinsätzen der Vereinten Nationen verdienten, greift jedoch
zu kurz: Seit der letzten Überprüfung der Kompensation für uniformiertes Per-
sonal 1992 wurden die Ausgleichszahlungen nur ein einziges Mal (2002) neu
angepasst und liegen noch immer bei einer Einheitsrate von knapp 1.000 US-
Dollar pro Person/Monat. Da sich die Auszahlungen der Kompensationen teils
um Jahre verzögern, können finanzielle Anreize nur unzureichend die große
Bereitschaft dieser Länder erklären, den Wegfall der westlichen Personalbei-
träge auszugleichen und zusätzlich den enormen Aufwuchs der letzten Jahre
12 David Haeri/Rebecca Jovin, a.a.O., S. 54; James Dobbins: A Comparative Evaluation of
   United Nations Peacekeeping, RAND Testimony, Santa Monica 2007, S. 2.
13 Ebd., S. 3.
14 IPI/Pearson/ZIF (Hrsg.): Enhancing European Military and Police Contributions to UN
   Peacekeeping, Conference Report, New York 2013, S. 1.

                                                                                  129
WANDA HUMMEL UND TOBIAS PIETZ

fast vollständig zu übernehmen. 15 Dieses Ungleichgewicht kann langfristig die
globale Akzeptanz der Einsätze mindern oder sogar zu einer Abkehr der wich-
tigsten Kontingentsteller vom UN-Peacekeeping führen.

UN-Friedenseinsätze: Probleme und Potenziale
Die steigende Zahl von UN-Friedenseinsätzen seit den 1990er Jahren hat auch
die Chancen und Risiken dieses Instruments immer deutlicher hervortreten
lassen. Das erwähnte Scheitern der UN-Einsätze in Ruanda und Bosnien mit
den daraus resultierenden Genoziden - wenn auch vor allem ein politisches
Scheitern der Mitgliedstaaten, die nicht willens waren, das Risiko eines mili-
tärischen Einsatzes zu tragen - haben dem Ansehen der Vereinten Nationen
als Durchführungsorganisation vor Ort geschadet. Auch wenn sie nichts ge-
gen den Abzug des belgischen Militärs aus Kigali oder gegen die Hilflosigkeit
der holländischen Brigade in Srebrenica unternehmen konnten, so haben sich
Bilder von untätigen und überforderten Blauhelmen in das Gedächtnis der Öf-
fentlichkeit eingebrannt - zuletzt im Ostkongo, als die Rebellengruppe M23
die Provinzstadt Goma trotz UN-Präsenz ohne Widerstand einnehmen konnte
(vgl. Beitrag 3.4.).
     Hinzu kamen viel zu oft die kleinen und großen Skandale und Verfehlun-
gen vor Ort: Frauenhandel in Bosnien, Korruption im Kosovo, sexuelle Aus-
beutung im Kongo oder die Verbreitung von tödlichen Krankheiten wie zu-
letzt in Haiti. Überdies stellt sich die berechtigte Frage nach der Wirkung von
Statebuilding und der Nachhaltigkeit der Projekte. Aufgrund der schwierigen
Situation vor Ort können jedoch die großen Erwartungen von öffentlicher Seite
und lokalen Partnern oft nicht erfüllt werden. Denn ihre Hauptaufgabe - eine
erste Stabilisierung in Nachkriegssituationen, die Schaffung eines Umfeldes,
in dem andere Akteure der Entwicklungszusammenarbeit oder der humanitär-
en Hilfe tätig werden können - haben die meisten Missionen erfüllt. Darüber
hinaus sind UN-Friedenseinsätze, trotz teils berechtigter Kritik, erfolgreicher,
wirksamer und kosteneffektiver als Interventionerr anderer Akteure. 16 Der Hu-
man Security Report führt an, dass sich durch einen Friedenseinsatz das Risiko
des Rückfalls in einen gewaltsamen Konflikt bzw. des Wiederaufflammens von
bewaffneten Auseinandersetzungen im Vergleich zu einem Land ohne interna-
tionale Intervention um mindestens die Hälfte reduziert. 17
15 Stock/Varwick, a.a.O., S. 5.
16 James Dobbins, a.a.O., S. 3.
17 Human Security Report 2009/2010, Part 1, S. 70.

130
FÜR EIN COMEBACK DER EUROPÄER NACH              2014
                                                                                          -
    Die vermeintlich langsam und schwerfällig agierende UNO hat in den
letzten 15 Jahren gelernt. Sie bietet verbesserte Kommandostrukturen und
setzt grundlegende Forderungen des Brahimi-Berichts sowie der New Hori-
zon-Reformagenda um. Sie hat die Verwaltung verschlankt, Entscheidungs-
wege verkürzt und Standards für Training und Implementierung eingeführt.
Sie sorgt für mehr Transparenz bei der Mittelvergabe und erarbeitet Instru-
mente, um effizienter und schneller zivile Fachkräfte zu rekrutieren. Seit den
1990er Jahren sind auch immer mehr UN-Polizisten und-Polizistinnen im Ein-
satz. Mit diesem „integrierten Ansatz" haben sich die Vereinten Nationen einen
Namen gemacht. Und aus der Vielfalt der Einsätze - von kleinen politischen
Missionen über robuste Militäreinsätze bis hin zu großen zivilen Übergangsad-
ministrationen - haben ihre Planer gelernt.
    Dennoch existieren weiterhin große Baustellen. Es fehlt an ausreichend
hochwertigem Training, an Ausstattung und an entscheidenden Unterstützern,
vor allem in vielen der größten und schwierigsten Operationen wie etwa im
Kongo oder im Südsudan. Dies schränkt die Operabilität der UNO ein und
führt im schlechtesten Fall dazu, dass sie Mandate nicht hinreichend imple-
mentieren kann. Viele Unzulänglichkeiten von UN-Friedenseinsätzen, sei es
die teils mangelnde Ausstattung mit qualifiziertem und verantwortungsbe-
wusstem Personal, moderner Technik oder ausreichenden Finanzen, liegen al-
lerdings im fehlenden politischen Willen der Mitgliedstaaten begründet, diese
Einsätze hinreichend zu unterstützen.

Der „Afghanistan-Moment" ist eine Chance für kritische
Analyse und strategische Neuausrichtung!
Afghanistan ist das Land, in dem derzeit das meiste uniformierte Personal
eingesetzt wird, jedoch so gut wie nie unter direkter Führung der UNO. Vor
Ort operieren die Kampfeinsätze Operation Enduring Freedom (OEF) und die
International Security Assistance Force (ISAF), die ausschließlich politische
Mission der Vereinten Nationen (UNAMA) und die europäische Polizeimis-
sion (EUPOL) sowie eine Vielzahl bilateraler Projekte wie z.B. das deutsche
German Police Project Team. 2011 hatte die Intervention mit rund 140.000
Uniformierten ihren Höchststand erreicht. 18 Zum Jahresende 2012 stellten die
Europäer noch gemeinsam etwa 30 Prozent der ISAF-Truppen. 2014 gilt zwar
als „magischer Stichtag" für das Ende des militärischen Großeinsatzes, doch
18 Ian S. Livingston/Michael O' Hanlon: Afghanistan Index. Tracking Variables of Recon-
   struction & Security in Post-9/11 Afghanistan, Washington 2011, S. 4f.

                                                                                   131
WANDA HUMMEL UND TOBIAS PIETZ

die Übergabe der Verantwortung funktioniert nicht von einem Tag auf den an-
deren. Jeder Übergang setzt einen schrittweisen Rückzug voraus.
    Erwartungsgemäß werden viele Länder auch nach 2014 uniformiertes und
ziviles Personal nach Afghanistan entsenden, wenn auch in viel geringerem
Umfang. Um die dann „frei werdenden" europäischen Kontingente - über
30.000 Soldaten und Soldatinnen und mehrere hundert spezialisierte Polizeian-
gehörige, Trainer und Trainerinnen - werben auch die Vereinten Nationen. Der
UN-Untergeneralsekretär und Leiter des Department of Peacekeeping Opera-
tions, Herve Ladsous, sucht seit Herbst 2012 das Gespräch in den europäi-
schen Hauptstädten und mit den Ständigen Vertretungen in New York, um
für ein Comeback der europäischen Staaten ins UN-Peacekeeping zu werben.
Seit 2012 unterhält die UNO außerdem ein Verbindungsbüro für den Bereich
Friedenssicherung zur Europäischen Union (EU Liaison Office) in Brüssel, um
die Verbindungen zu den Truppen- und Polizeikontingentstellern, aber auch
zur EU als Partner im Krisenmanagement zu stärken.
    Diese Anfragen werden sehr unterschiedlich aufgenommen: Einige Län-
der haben bereits Interesse signalisiert, sich nach Afghanistan wieder direkter
mit ihrem Polizei- und Militärpersonal in UN-Friedenseinsätzen zu engagie-
ren, allen voran die nordischen Staaten. Auch Irland setzt im Rahmen seiner
EU-Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2013 das Thema hoch auf die Agen-
da. Andere, darunter Deutschland, bleiben zögerlich. Dabei bieten der Abzug
aus Afghanistan und ein mögliches Comeback mit mehr Personal innerhalb
der Vereinten Nationen die Chance eines friedenspolitischen Signals: weg von
Kampfeinsätzen innerhalb eines westlichen Verteidigungsbündnisses, hin zu
multilateralen Friedenseinsätzen unter eindeutig ziviler Führung.
    Eine solche Neuausrichtung sollte jedoch auf einer kritischen Auseinan-
dersetzung mit dem Engagement in Afghanistan seit 2002 beruhen. Viele Men-
schen in Europa sind nach den Erfahrungen in Afghanistan „einsatzmüde",
auch weil die Ergebnisse sie nicht überzeugen. Die westlichen Regierungen
müssen erklären, zu welchem Zweck sie die freiwerdenden Ressourcen zu-
künftig einsetzen wollen - und mit welchen Partnern.

Eine alternative Partnerschaft: ,,EU-Pakete" für die
Vereinten Nationen
Neben der Möglichkeit europäischer Staaten, den Vereinten Nationen nach
2014 polizeiliche und militärische Ressourcen wieder verstärkt direkt zur Ver-
fügung zu stellen, gibt es eine weitere, zentrale Option: Die derzeit 27 EU-

132
FÜR EIN COMEBACK DER EUROPÄER NACH          2014

Mitgliedstaaten können neue Wege der Zusammenarbeit in der Krisenpräven-
tion und -bearbeitung mit der UNO einschlagen.
    Die bisherigen Erfahrungen in der Kooperation und Abstimmung von EU-
Missionen mit UN-Friedenseinsätzen sind bestenfalls gemischt. Die Zeiten,
in denen die Europäische Union wie im Kosovo einen integrierten Pfeiler
innerhalb einer UN-Mission verantwortete, sind lange vorbei. Seit 2002 hat
sie 27 eigenständige Missionen (zivile, polizeiliche und militärische) umge-
setzt: zuerst innerhalb der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik
(ESVP), seit 2009 - mit Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon - innerhalb
der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP). Oft laufen
diese Missionen vor Ort parallel zu Friedenseinsätzen der UNO. Teils sind
sie sogenannte Brücken- oder Vorläufermissionen für UN-Einsätze, wie im
Tschad, oder als Nachfolgemission geplant wie EULEX im Kosovo.
    Europäische Missionen sind kleine bis mittelgroße Einsätze, oft mit ei-
nem Schwerpunkt im Bereich Rechtsstaatlichkeit oder Sicherheitssektorre-
form (vgl. Friedensgutachten 2011, Beitrag 2.9.). Deutlich wird dies in der
Gesamtzahl des entsendeten Personals: 114.000 Mitarbeitern und Mitarbeite-
rinnen in UN-Einsätzen stehen 3.400 bei der EU gegenüber. Die Europäische
Union entsendet dabei überwiegend ziviles und polizeiliches Fachpersonal.
Anders als bei den Vereinten Nationen, bei denen geschlossene Polizeieinhei-
ten und nationale militärische Brigaden mittlerweile das Gros des bereitgestell-
ten Personals ausmachen, handelt es sich bei der Mehrzahl des EU-Personals
um Spezialisten und individuell entsandte Personen. Die Mandate der Missio-
nen sind oft sehr fokussiert. So entsendet die EU etwa militärische Trainer und
Trainerinnen an das Horn von Afrika (Somalia) oder Polizeiangehörige an den
Flughafen Juba im Südsudan.
    Große und umfassende Einsätze führt die EU nicht durch. Deshalb er-
scheint es sinnvoll, europäische Fähigkeiten ergänzend und als „Einzelleis-
tungen" zu denken. Eine zu UN-Friedenseinsätzen komplementäre, modulare
Anwendung der europäischen GVSP wäre naheliegend. Während noch im-
mer allein die UNO in der Lage ist, umfassende und personaltechnisch große
multilaterale Einsätze zu implementieren - und hierfür eine hohe Legitimität
besitzt - werden europäische Missionen und ihr Personal vor allem für ih-
re Expertise in Spezialbereichen geschätzt. Die EU kann daher den Vereinten
Nationen speziell angepasste Personal- und Technik-,,Pakete" anbieten.
    Obwohl bislang noch nicht praktisch umgesetzt, lassen sich diese Mecha-
nismen und Ideen in wichtigen strategischen Papieren der EU entdecken, un-
ter anderem im aktuellen Plan of Action to Enhance EU CSDP Support to

                                                                            133
WANDA HUMMEL UND TOBIAS PIETZ

UN Peacekeeping von 2012. Der sogenannte „modulare Ansatz" 19 ist dort eine
der möglichen Optionen für die Unterstützung der Vereinten Nationen bei der
Friedenssicherung: Die EU könnte militärische, polizeiliche und zivile Kom-
ponenten direkt für UN-Einsätze bereitstellen. Voraussetzung dafür ist, dass
die Mitgliedstaaten diese neue Partnerschaft politisch, personell und finanziell
mittragen.
     Jetzt ist der Zeitpunkt, dafür die Weichen zu stellen: Nach mehr als zwei
Jahren Aufbau steht 2013/14 die strategische Bewertung des Europäischen
Auswärtigen Dienstes an. Der BAD Strategie Review könnte eine Neuausrich-
tung zur Folge haben, falls sich genug Mitgliedstaaten ernsthaft engagieren
und nicht andere Themen den Review überlagern. Statt wie im Südsudan Flug-
hafensicherheit als „Mission" zu verkaufen, könnte die EU in Zukunft mul-
tilaterale Friedenseinsätze der UNO direkt und substanziell oder zumindest
komplementär unterstützen.

Gute Gründe für ein Comeback
Auf ein Comeback des Westens im UN-Peacekeeping hoffen nicht nur die Stra-
tegen in New York oder die Truppensteller in Dhaka. In einer Welt, in der
Staaten politisch, wirtschaftlich und finanziell aufeinander angewiesen sind, ist
Friedenssicherung in Konfliktregionen nicht lediglich eine Frage guter Nach-
barschaft oder einzelner Geldtransfers. Die zunehmende Regionalisierung der
Konflikte erfordert neue Allianzen. Regionale Partnerschaften und gemeinsa-
me Lösungsansätze sind an der Tagesordnung. Der Sondergesandte von UNO
und Arabischer Liga oder europäisches Training für eine UN-AU-Mission wie
in Somalia können Zukunftsmodelle sein. Voraussetzung hierfür: Die UNO ist
und bleibt die mandatierende und koordinierende Instanz. Ein klares Bekennt-
nis der europäischen Staaten und der EU zum UN-Peacekeeping - konkret in
Form von zusätzlichen Polizei- und Militärkontingenten - stärkt die UNO als
zentralen und legitimen Akteur im weltweiten Krisenmanagement.
    Aber es geht um mehr: um einen symbolischen Akt, um ein „Aufeinan-
derzugehen". Die diplomatischen Verstimmungen der europäischen und west-
lichen Staaten mit einzelnen Ländern (zum Beispiel China oder Russland) und
die schleichende Entfremdung durch Entscheidungen für Interventionen außer-
halb der UNO ließen sich durch ein „Mehr" an Kooperation reduzieren. Nicht
nur China, Brasilien und Indonesien haben in letzter Zeit mehr Personal für
19 „EU Providing a EU Component to a UN Operation", in: EEAS (Hrsg.): Plan of Action to
   Enhance EU CSDP Support to UN Peacekeeping, Brüssel 2012, S. 12-13.

134
FüR EIN COMEBACK DER EUROPÄER NACH       2014

Friedenseinsätze aufgeboten, auch andere sogenannte emerging powers zei-
gen ein größeres Interesse. 20 Anders als die exklusiv westlichen Institutionen
NATO und EU bieten die Vereinten Nationen einen Austausch aller Staaten
auf Augenhöhe.
     Die Friedenseinsätze der Vereinten Nationen sind abhängig vorn politi-
schen Willen, von Finanzspritzen und vorn Personal ihrer Mitgliedstaaten .. In
mehrfacher Hinsicht unterausgestattete Friedenseinsätze sind keine Seltenheit.
Diese Schwäche gilt es auszugleichen. Dabei geht es um die ,richtige Mischung
aus Quantität und Qualität, aus Regionalkenntnissen und spezieller technischer
Expertise.
     In einem Friedenseinsatz können Polizistinnen neben Menschenrechts-
experten, Ingenieure neben Forensikerinnen und Justizvollzugsbeamte neben
Soldatinnen arbeiten. In diesem Spektrum finden sich viele Aufgabengebie-
te, für welche die Europäer Personal, Wissen und Ausrüstung stellen kön-
nen. Sie verfügen über spezielle Kapazitäten, z.B. in den Bereichen Polizei,
Rechtsstaatsreform oder Ingenieurswesen. Wenn sie der UNO jedoch weiter-
hin vor allem ihre polizeilichen und militärischen Experten und Expertinnen
vorenthalten, kann diese ihre komplexen Mandate (verabschiedet von ebenje-
nen Ländern, die sich am weitesten aus dem UN-Peacekeeping herausgezogen
haben) nicht erfolgreich umsetzen. Es geht also nicht darum, in großer Stärke
Kampfeinheiten aus Afghanistan abzuziehen und den Vereinten Nationen an-
zubieten, sondern mit Fähigkeiten für die vielfältigen Tätigkeitsfelder in UN-
Friedenseinsätzen Verantwortung zu übernehmen.

Schlussfolgerungen für die deutsche Politik
Deutschland ist traditionell ein Verfechter der Grundwerte der Vereinten Na-
tionen und der Aufrechterhaltung ihrer Handlungsfähigkeit. Multilateralismus
wird parteiübergreifend unterstützt. Jüngstes Beispiel ist der gemeinsame Auf-
ruf von sieben Bundestagsabgeordneten aller Fraktionen für mehr europäische
Außenpolitik und Multilateralismus in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
im März 2013. Als einer der größten Beitragszahler zum Budget der UNO hat
sich Deutschland in den letzten Jahren in der Kommission für Friedenskonso-
lidierung und während der Mitgliedschaft im Sicherheitsrat 2011 bis 2012 für
das Thema Friedenssicherung eingesetzt.
     Der Abzug aus Afghanistan erfordert ein Nachdenken, wie man in Zukunft
die personellen Ressourcen sinnvoll einsetzen kann und will. Die verstärkte
20 Richard Gowan/Megan Gleason, a.a.O., S. 4.

                                                                           135
WANDA HUMMEL UND TOBIAS PIETZ

Entsendung deutschen uniformierten Personals in UN-Friedenseinsätze, ob di-
rekt oder über die Europäische Union, wäre ein klares Statement - für eine
multilaterale, faire und auf Frieden und Gerechtigkeit ausgerichtete Friedens-
sicherung; aber auch für eine Abkehr von Aufstandsbekämpfung und ~ampf-
einsätzen durch die NATO hin zu Friedenseinsätzen der Vereinten N a:tionen
unter ziviler Führung.
     Statt lediglich über innenpolitische Probleme (,,wer geht, der fehlt", z.B.
beim Polizeidienst) zu diskutieren, ist zu überlegen, wie Deutschland die Zahl
der militärischen, polizeilichen aber auch zivilen Entsendungen erhöhen, die
Rekrutierung verbessern und die Betreuung und Auswertung der Einsätze aus-
bauen kann.
     Neben direkten Beiträgen kann Deutschland noch mehr innerhalb der EU
leisten, um den EU Action Plan für die Unterstützung des UN-Peacekeeping
weiter umzusetzen. Das Momentum „post-2014" und Strategie Review des Eu-
ropäischen Auswärtigen Dienstes bieten sich für eine diplomatische Offensive
für UN-Friedenseinsätze und für eine strategische Debatte auf EU-Ebene an.
Dabei verdient die aktuelle Initiative der irischen EU-Präsidentschaft 2013 zur
Gründung einer Freundesgruppe Friends of UN Peacekeeping in Brüssel jede
Unterstützung. Freundesgruppen sind informelle Zusammenschlüsse von Mit-
gliedstaaten mit dem Ziel, ein bestimmtes Thema zu stärken oder die politische
Transformation eines Konflikts zu fördern (bei der UNO u.a. zur Kleinwaffen-
kontrolle). Deutschland könnte durch eine sichtbare Beteiligung an einer sol-
chen Freundesgruppe auch auf europäischer Ebene die Initiative ergreifen und
sich stärker für das Thema UN-Friedenseinsätze engagieren.

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