Inflation Perspektiven Juli 2021 - CONCEPT Vermögensmanagement
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Perspektiven Juli 2021 INFLATION Während die westliche Welt in den ersten Monaten 2021 noch mit dem Wiederaufbäumen der Pandemie kämpfte und in vielen Regionen einmal mehr die wirtschaftliche Aktivität deutlich gebremst wurde, setzten die Kapitalmärkte ihre optimistische Sicht auf die Zeit nach überstandener Krise fort. Unterstützung boten die Ankündigung diverser Konjunkturprogramme sowie die wiederkehrende Vergewisserung der Notenbanken, die Liquiditätsausweitung aufrecht zu erhalten. Hatte die größte Pandemie seit der so genannten noch lange nicht "besiegt" und es wird einer der vie- spanischen Grippe im letzten Jahr noch zur len die Menschheit begleitenden Krankheitserreger schlimmsten Rezession seit dem zweiten Weltkrieg bleiben, aber Covid-19 verliert an Einfluss auf unser geführt, so erfolgte der Wiederanstieg aus dem Tal Zusammenleben. in rasanter und von vielen kaum für möglich gehaltener Geschwindigkeit. Grundlegend dafür Die wirtschaftliche Erholung gerät indes indifferent. waren die internationalen und bislang in ihrem Nach dem Motto "Wer schneller impft, ist eher Umfang unerreichten finanziellen Unterstützungen, durch" hat insbesondere Amerika wieder Anschluss welche die Regierungen an Wirtschaft und an die Vor-Corona-Gegebenheiten gefunden. Seit Privathaushalte leisten bzw. leisten werden. Noch dem Sommer letzten Jahres wächst die US-Wirt- während der Finanzkrise standen die Notenbanken schaft wieder. Den bisherigen Schätzungen des IWF mit ihren Geldflutungen relativ allein; ihre zufolge wird das BIP in den USA 2021 um über 6 % Aufforderung an die Staaten, auch fiskalpolitisch zu zulegen und damit die Vorjahresdelle (- 3,5 %) aus- unterstützen, blieb im Wesentlichen unbeachtet. bügeln. So ergibt sich im Zweijahres-Mittel Ganz anders in der aktuellen Situation: Seit Ausbruch immerhin noch ein schwaches Wachstum von gut der Pandemie haben die G7 über 30 % ihres 2 %. Währenddessen litt die europäische Wirtschaft, Bruttosozialprodukts bzw. zusammengenommen auch und besonders in Deutschland, bis zuletzt unter über 12.000 Mrd. USD an Konjunkturhilfen gegeben; den sich wiederholenden Zu-Auf-Zu-Mechanismen in Form von Krediten, Garantien und Bürgschaften und der damit verbundenen Planungsunsicherheit. bzw. als direkte Hilfen. Vor diesem Hintergrund konnte Europa – im Gegen- satz zu Amerika oder gar China – erst im 2. Quartal VIEL HILFT VIEL an den letztjährig begonnenen Rebound anschlie- ßen. So hat sich hier auch die Auslastung der Keine Frage, die Stimulationen wirken – nicht nur an Kapazitäten erst etwa ein halbes Jahr später als in den Börsen, sondern in Wirtschaft und Gesellschaft. den USA wieder zu erholen begonnen. Die Erholung Weltweit sind bereits rund 3 Mrd. Menschen we- in Europa verläuft noch stockend und wird im We- nigstens einmal geimpft und damit 23 % der Welt- sentlichen von Auslandsbestellungen getragen, bevölkerung zumindest insoweit geschützt, als eine während sich die Investitionstätigkeit im Inland sehr Erkrankung mit großer Wahrscheinlichkeit keinen zurückhaltend zeigt. schweren Verlauf mehr verursachen wird. Auch die von den Menschen ausgehende Ansteckungsgefahr Bei alledem ist aber die Stimmung bereits weit bes- wird dadurch deutlich reduziert. Zwar ist das Virus ser als die Lage, was Gutes für den weiteren Verlauf
Perspektiven Juli 2021 des Jahres versprechen mag: Die Einkaufsmanager- FORTSETZUNG MÖGLICH indizes für die verarbeitende Industrie stiegen zuletzt weltweit auf ein Elfjahreshoch, in Europa Wenngleich sich die wirtschaftliche Lage internatio- wurde mit 63,1 Punkten gar der höchste Stand seit nal durchaus differenziert darstellt, so eint alle – Beginn der Umfragen im Jahr 1997 ermittelt. Wäh- konjunkturelle Vorreiter wie Nachzügler gleicherma- renddessen ist im Dienstleistungssektor noch ßen – die Grunderwartung, dass mit weiter Zurückhaltung angesagt und die Stimmungsindikato- voranschreitendem Erfolg der Impfkampagnen eine ren erreichten erst jüngst das Vor-Corona-Niveau. zunehmende Immunität gegen das Virus erreicht Können die Lockerungen nun jedoch fortgesetzt wird, weitere Lockerungen von Schutzmaßnahmen werden, bestehen gute Chancen, dass sich auch hier möglich werden und dass Leben und Wirtschaft wie- die Stimmung weiter deutlich aufhellt. der zu als normal empfundenen Zuständen zurückkehren. Der bestimmende Stimmungsbarometer auf historischen Höchstniveaus Grundtenor ist positiv und beflügelt In- vestitions- und Konsumerwartungen. EINKAUFSMANAGER-INDIZES Es steht nicht zu erwarten, dass die fis- 80 kalischen Unterstützungen allzu bald 70 nachlassen, ganz im Gegenteil: Ein 60 Großteil der angekündigten Staatsaus- 50 gaben wird sich erst über die nächsten 40 China Jahre realisieren. Infrastrukturprojekte 30 Euro Area erfordern Planungshorizonte und auch 20 Japan viele Individualförderungen (bspw. für USA 10 Digitalisierung und E-Mobilität) sind Global 0 über Jahre angelegt. Nicht zuletzt die Aug. 20 Feb. 20 Mai. 20 Jun. 20 Feb. 21 Mai. 21 Okt. 19 Jan. 20 Okt. 20 Jan. 21 Mrz. 20 Mrz. 21 Nov. 19 Apr. 20 Dez. 19 Jul. 20 Sep. 20 Nov. 20 Apr. 21 Dez. 20 Notenbanken werden ihre Bilanzaus- weitungen über Anleihekäufe staatlicher oder unternehmerischer Quelle: Tradingeconomics.com Schuldner bis weit in das Jahr 2022 Vor dem Hintergrund der durchwachsenen Realda- fortsetzen. Die Konjunkturaussichten erscheinen in- ten waren die letzten Ergebnisveröffentlichungen sofern auf mittlere Sicht positiv. Für für die Unternehmen durchaus nicht ohne Überra- Vermögensinhaber und Investoren stellt sich die schungseffekt. Zwar war erwartet worden, dass sich Frage, wie sich die Konjunkturerwartungen auf die die Gewinnentwicklung dynamischer als die der Kon- Kapitalmärkte auswirken und welche indirekten Ein- junktur vollziehen dürfte. Eine Erhöhung der flussfaktoren zu berücksichtigen sein könnten. Quartalsergebnisse ggü. Vorjahr in Höhe von 50 % (S&P 500-Unternehmen) hatten je- doch die wenigsten Markt- Tatsächliche Gewinnentwicklung übertrifft die Erwartungen beobachter in den Karten. Die in un- AKTUELLE GEWINNSCHÄTZUNGEN FÜR UNTERNEHMEN serem letzten Bericht übermittelte IM VERGLEICH ZU DEN SCHÄTZUNGEN DEZ. 2020 Schätzung des Marktes für Q1/2021 lag bei etwas mehr als 20 %. Vor 120% S&P 500 Gewinn dem konjunkturellen Hintergrund 100% S&P 500 Gewinn (Schätzung 12/2020) noch überraschender gerieten die 80% STOXX 600 Gewinn Unternehmensergebnisse der euro- 60% STOXX 600 Gewinn (Schätzung 12/2020) päischen Unternehmen, die sich fast 40% verdoppelten und damit den Erwar- 20% tungshorizont deutlich über- 0% schritten. Ad-hoc-Veröffentlichun- -20% gen legen nahe, dass die Q2- -40% 2020/Q4 2021/Q1 2021/Q2 2021/Q3 2021/Q4 2022/Q1 2022/Q2 Berichterstattung wiederum sehr gut ausfallen dürfte. Quelle: Refinitiv, I/B/E/S
Perspektiven Juli 2021 An den Börsen wird die Zukunft gehandelt und inso- Frage, ob die Konjunktur bereits heiß zu laufen be- fern wäre von Bedeutung, dass die aktuellen ginne. Erwartungen nun rasch durch konjunkturelles Wachstum gestützt werden und die wirtschaftliche INFLATION Lage der augenblicklichen Stimmung folgt. Bei Nicht- eintritt drohen die hoch gesteckten Erwartungen Zunächst ist festzuhalten, dass ein Anstieg der Teue- enttäuscht zu werden. Insbesondere im Hinblick auf rungsraten im Anschluss an eine vorangegangene die Unternehmensdaten liegt die Messlatte derzeit Rezession durchaus systemimmanent ist. Im Mai hoch. In den Telefonkonferenzen zu den Finanzer- letzten Jahres hatten sich gerade 17 % der amerika- gebnissen fielen die Wörter "besser", "stärker", nischen Erwerbsbevölkerung arbeitslos melden "überdurchschnittlich" bisher viermal so oft wie die müssen, das Verbrauchervertrauen war weltweit auf jeweiligen Antonyme dieser Adjektive. Da ist schon Finanzkrisen-Niveau zurückgefallen, Öl wurde man- viel Erwartung im Markt und so wurde in den letzten gels Nachfrage in Tankern über die Weltmeere Wochen manche positive geschifft und die Verbraucherpreise standen still, Überraschung lediglich mit während sie in den Monaten zuvor noch gestiegen Es ist viel Optimismus einem Achselzucken des waren. In Europa wurde die Inflation sogar negativ. eingepreist. Marktes interpretiert. Dies Allein die Rückkehr zum Ausgangspunkt sorgt also zeigt, dass viel Optimismus für die derzeit vermeldeten Preis"sprünge". Ein Ob- eingepreist ist, was den Kurs- jektivierungsversuch aber zeigt: Wird zum Vergleich spielraum für die nächsten Monate eingrenzen ein weiter zurückliegender Fixpunkt herangezogen könnte, zumal das positive Überraschungspotential und damit das Zwischental überspannt, so resultiert für Unternehmensgewinne sich basisbedingt ab- eine annualisierte Inflationsrate ggü. Mai 2019 i.H.v. schwächen dürfte. 2,6 %. Von Jahr zu Jahr betrachtet sind kurzzeitige eruptive Ausbrüche der Inflation durchaus nicht un- In der Vergangenheit stellten Marktphasen mit ho- gewöhnlich. So sprang sie in den USA nach dem hen Optimismuswerten bei den Einkaufsmanagern 2. Weltkrieg sehr kurzfristig von 2 % auf 15 % und nicht selten Wendepunkte für die Aktienmärkte dar, war zwei Jahre später ohne steuernde Eingriffe wie- allerdings in aller Regel deshalb, weil die Notenban- der auf 2 % gefallen. Im Zuge der deutschen ken früh gegensteuerten, um ein befürchtetes Wiedervereinigung überstieg die Inflationsrate hier- Überhitzen der Konjunktur zu vermeiden. Ange- zulande kurz die Marke von 5 % und fand sich wenig sichts derzeitiger Lieferengpässe für diverse später bei 2 % wieder. Auch in der Erholungsphase Vorprodukte (z.B. Weichmacher für Farben, Bau- nach der Finanzkrise 2009/10 schossen die Preise holz, Halbleiter für Konsumelektronik und kurzfristig nach oben. Darum wird US-Notenbank- Autoindustrie) mag sich der Verdacht aufdrängen, chef Powell nicht müde hervorzuheben, dass er in ein konjunkturelles Überschießen habe bereits eingesetzt. Auch die Über 2 Jahre betrachtet verliert US-Inflation ihren Schrecken Rohstoffpreise liegen deutlich über denen vor Ausbruch der Pandemie. ANNUALISIERTE ZWEI-JAHRES-INFLATION 6% Die derzeit vor internationalen Häfen USA Euro-Raum auf Entladung wartenden Vorpro- 5% dukte bilden einen zusätzlichen 4% Flaschenhals für die Güterproduktion 3% 2,5% und verteuern schließlich die Ver- 2% braucherpreise. Die Inflation sendet ihre Vorboten. Ihnen folgte prompt 1% 1,3% der für den Mai gemeldete Anstieg 0% des Verbraucherpreisindexes in den -1% USA: 5 % über dem Vorjahresmonat, 1992 1995 1998 2001 2004 2007 2010 1990 1991 1993 1994 1996 1997 1999 2000 2002 2003 2005 2006 2008 2009 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 so hoch wie seit 13 Jahren nicht. Dies bot reichlich Diskussionsstoff zur Quelle: FED, EZB, eigene Berechnungen
Perspektiven Juli 2021 den aktuellen Daten lediglich einen Aufholeffekt selbst wieder Tritt fasst und wo ein Mehr an Staats- sieht, der noch in diesem Jahr von wieder schwäche- ausgaben und Liquidität kontraproduktiv zu wirken ren Zahlen eingeebnet werden wird. Dennoch ist die droht. Diskussion um das Gefährdungspotential in vollem Gange, die Lager sind gespalten und die ArgumenteAngesichts der nochmaligen Vervielfachung von beider Seiten durchaus berücksichtigenswert. Die ei- Geld während der letzten Dekade erscheinen Inflati- nen sagen, Regierungen und Notenbanken sollten onssorgen auf den ersten Blick nachvollziehbar. Seit den Aufschwung nach der schweren Covid-19-Krise 2011 hat sich die Geldmenge verdoppelt, die annua- erst einmal laufen lassen. Keinesfalls dürften vorzei- lisierte Steigerungsrate beträgt mithin über 7 % tige Bremsmanöver die Erholung gefährden, die in (Daten USA, jedoch global adaptierbar). Gleichzeitig Teilen der Weltwirtschaft gerade erst begönne. An- gelang es den Notenbanken bei allem Bemühen dere verweisen darauf, dass die Steigerung der kaum, die Inflation in die Zielrichtung von 2 % zu be- Erzeugerpreise wegen der angespannten Situation wegen. Diese Beobachtung legt nahe, dass es einen bei den Vorprodukten noch höher sei, als es die offi- unmittelbaren Zusammen- ziellen Inflationsdaten suggerierten. Dies werde hang zwischen der Menge Steigende Geldmenge zwangsläufig später auch bei den Konsumenten an- umlaufenden Geldes und wirkt nicht auf Preise kommen. Zudem würde die demografische Konsumentenpreisinflation an der Ladentheke. Entwicklung das Arbeitskräfteangebot verknappen, nicht gibt. Zwar hätte das Lohn-Preis-Spiralen wären unausweichlich. Nicht zu- viele Geld das Potential, zu irgendeinem Zeitpunkt letzt gelangten preisdämpfende Effekte der eingesetzt zu werden und damit preistreibend zu Vergangenheit – internationaler Wettbewerb durch wirken, allein seine Existenz aber führt nicht auto- Globalisierung, billige Energie – an ihr Ende. matisch zu steigenden Preisen an der Ladentheke. Unmittelbarer wirken dagegen die Einflüsse von Ka- pazitätsauslastung, Arbeitsmarkt, Grundszenario: Solides Wachstum bei gemäßigter Inflation Konsumverhalten, Umlaufgeschwin- digkeit und der Kommunikation KONJUNKTURPROGNOSEN seitens der Währungspolitiker. 10% 8% Im Ausklang einer Rezession, die durch 6% Nachfrageschwäche, steigende Ar- 4% beitslosigkeit und das Freisetzen von 2% 0% Fertigungskapazitäten gekennzeichnet -2% war, sollte eine Wiederbelegung der -4% 2020 2021 2022 Nachfrage zum Hochfahren der Pro- -6% duktion und zur Wiedereinstellung von -8% Arbeitskräften führen, zunächst aber USA Eurozone Japan China USA Eurozone Japan China nicht zwangsläufig zu höherer Infla- Wirtschaftswachstum Inflation tion. Auch im Neuanlauf entstehende Quelle: Berenberg, Bloomberg Lieferengpässe sind dafür zunächst kein Signal, wenn sie nicht durch einen WANN IST VIEL ZU VIEL? Nachfrageüberhang entstehen, sondern sich mit vo- rangegangenem Kapazitätsabbau, der wieder Die Bekämpfung der Pandemie löste angesichts der aufgeholt werden muss, erklären. Die Staus der Con- wirtschaftlichen Kosten und der historisch hohen tainerschiffe vor internationalen Häfen dagegen sind Haushaltsdefizite den "Whatever it takes"-Moment das Ergebnis eingefrorener Ersatzbestellungen an der Finanzminister aus. Erstmalig ziehen Regierun- Schiffen im Gefolge der Finanzkrise, des amerika- gen und Notenbanken am selben Strang, um nisch-chinesischen Handelskrieges und des Wirtschaft und Gesellschaft zu stützen. Irgendwann Ausbruchs der Pandemie. stellt sich jedoch zwangsläufig die Frage nach dem "genug", nach dem Zeitpunkt, wo die Wirtschaft von
Perspektiven Juli 2021 Nach herrschender Lehre wird Inflation dann ein Frachtraten sind geeignet, solche Ängste auszulö- Thema, wenn alle Kapazitäten genutzt und hoch aus- sen. Deshalb ist die Sorge vor Preissteigerungen aus gelastet sind und Vollbeschäftigung herrscht. Nach Angst vor der Inflation nicht ohne weiteres wegzuwi- Schätzungen der Vereinten Nationen werden aber schen. aufgrund der Pandemie allein in diesem Jahr welt- weit noch einmal 100 Millionen Jobs wegfallen, in Die Notenbanken stehen deshalb vor der Herausfor- 2022 weitere 22 Millionen. In den USA sind knapp derung, deutlich und transparent zu kommu- 8 Millionen Menschen, die vor der Krise noch nizieren, dass man die Lage beherrscht, über geeig- beschäftigt waren, bisher nicht wieder eingestellt. In nete Mittel zur Abwehr verfügt und einen Deutschland sind dies "nur" 500.000 Menschen; ausgeklügelten Plan hat, diese Mittel einzusetzen. allerdings waren von Januar bis Mai dieses Jahres An klarer Kommunikation mangelte es jedoch in den noch zwanzig Mal so viele Menschen in Kurzarbeit, letzten Monaten zuweilen. Über eine längere Zeit wie in den Vergleichsmonaten 2019. Vor diesem beantworteten sowohl EZB-Chefin Lagarde als auch Hintergrund ist nachvollziehbar, dass viele Verbrau- besonders Fed-Chef Jerome Powell Fragen zur Infla- cher ihre (zusätzlichen) Einkünfte bisher nicht zum tion stoisch mit ihrer Überzeugung, die derzeitige ausschweifenden Konsum nutzen, sondern damit Entwicklung sei basisbedingt und würde sehr rasch Kredite bedienen oder schlicht sparen, weshalb in al- vorübergehen, was weniger nach Plan als eher nach len Industrieländern ein Anstieg der Sparquote zu Hoffnung klang. Erst nach der Notenbanksitzung am Lasten des privaten Konsums zu verzeichnen ist. 16. Juni verkündete Powell, dass man sich mit dem Auch die Kapazitätsauslastungen erreichen in vielen Gedanken beschäftige, die monatlichen Anleihe- Industrieländern bisher nicht wieder das Ausgangs- käufe (120 Mrd. USD) zurückzufahren. Zudem sei niveau vor Beginn der Pandemie, von Vollauslastung aufgrund der jüngsten Projektionen der Gouver- ganz zu schweigen. Diese Aspekte verdeutlichen, neure mit ersten Zinsanhebungen nicht erst 2024 warum viel Geld nicht im Wirtschaftskreislauf an- (wie bisher kommuniziert), sondern bereits 2023 zu kommt und sie lassen die Annahme einer Glättung rechnen. Gleichzeitig wiederholte Powell allerdings der Inflation im Jahresverlauf nachvollziehbar er- seine Einschätzung zum temporären Charakter der scheinen. aktuellen Inflationsdaten und betonte die Orientie- rung der Fed, den Arbeitsmarkt zu stabilisieren. Erst Inflation dürfte relevant werden, wenn die Wirt- wenn dies nachhaltig erfolgt sei, würde ein Um- schaft wieder auf vollen Touren läuft und schwenken der Notenbankpolitik Sinn ergeben, auf Vollbeschäftigung herrscht. Weiter steigende Nach- welches man die Märkte rechtzeitig vorbereiten frage könnte sich dann nur noch in steigenden würde. Preisen entladen. Dies zu verhindern, wäre Aufgabe der Zentralbanken, die einem Überschießen der ZINSEN Nachfrage bspw. durch steigende Zinsen begegnen könnten, um den Sparanreiz gegenüber dem Kon- Die Märkte reagierten auf die Ankündigung voraus- sumanreiz zu erhöhen. Allerdings kann die Saat für sichtlich um ein Jahr vorgezogener Zinsanhebungen einen sprunghaften Anstieg von Konsum- und Inves- positiv und mit rückläufigen Renditen für Staatsan- titionsneigung bereits dadurch gesät werden, dass leihen. Diese eher ungewöhnliche Reaktion zeigt, die Menschen nur eine Ahnung dass Powell vorerst der Spagat geglückt ist, der Infla- Sorge vor Preissteige- von Preissteigerung spüren und tionsentwicklung eine erklärende Reaktion rungen aus Angst vor beginnen, um den zukünftigen entgegenzusetzen und gleichzeitig das Signal zu ge- der Inflation Wert ihres Geldes zu bangen. Al- ben, die gerade angelaufene Konjunktur nicht zu lein die Erwartung steigender früh (wie in 2018) durch geldpolitische Straffungen Inflation könnte die Menschen also veranlassen, zu belasten. Zudem werde wiederum deutlich im Vo- schnell noch die Konsumausgaben zu steigern bzw. raus signalisiert, wann die Anleihekäufe zurück- Investitionen anzustoßen, bevor alles teurer wird. Es gefahren werden, wofür die "forward guideline" so- wäre die self-fulfilling prophecy, die das Preiskarus- gleich in der Erwartung verpackt wurde, man werde sell in Gang setzte. Lieferengpässe, knappes und "in ein bis zwei Jahren einen sehr starken Arbeits- teurer werdendes Bauholz, sprunghaft steigende markt haben".
Perspektiven Juli 2021 Die noch vor der Pandemie hier und dort diskutierte Relevanz. Die Fed selbst bemisst das Wirtschafts- säkulare Stagnation ist einem Szenario mäßiger In- wachstum für 2021 auf 7 % – der größte Anstieg seit flation und von ihr eher gestützten Wachstums mehr als drei Jahrzehnten – und gibt bei aktuell um gewichen. Die Zinsen dürften absehbar auf dem 5 % Inflation weiter geldpolitisch Gas. Das Bild eines noch niedrigen Niveau verharren, die Finanzierungs- riskanten Überholmanövers vor einer Kurve drängt kosten bleiben günstig, die "forward guidance" sich auf, welches die Fed in früheren Zeiten durch funktioniert wieder. Die Konjunkturprogramme un- beherztes Bremsen und Wiedereinreihen in den flie- terstützen Wirtschaft und Konsum über mehrere ßenden Verkehr vermieden hätte. Allerdings sind die Jahre. Anhaltende Fortschritte im Schutz der Men- Notenbanken in ihren Entscheidungen nicht mehr so schen vor Covid-19 erlauben die fortgesetzte autonom, wie das wünschenswert wäre. Vielmehr Rückgewähr von Freiheiten, weitere Branchen wer- müssen sie immer mehr auch den in die Aufholbewegung einbezogen. Die die Situation der (internatio- Notenbanken fahren konjunkturellen und geldpolitischen Rahmendaten nalen) Staatsfinanzen in den auf Sicht und nicht für die Börsen erscheinen darum in Summe eher Blick nehmen. Um im Bild zu ohne Risiko. günstig, wenngleich der Höhepunkt konjunktureller bleiben: Hinter ihnen dicht Dynamik kurz bevorstehen mag und die Wachstums- aufgefahren sind die Finanz- raten sich wieder abschwächen könnten. minister. Und mit ihnen im Rückspiegel haben Bremsmanöver ein ähnliches Risikoprofil wie Gas ge- WO IST DER HAKEN? ben. Die Märkte sind nicht billig, Covid ist nicht besiegt, Angesichts der einmal mehr historisch hohen Ver- die Zeiten fallender Zinsen dürften vorbei sein und schuldung könnten stark steigende Zinsen durchaus ob die Inflationsdaten derzeit zutreffend interpre- die Kapitaldienstfähigkeit der Schuldner berühren, tiert werden, ist bei aller was für die Stabilität des Finanzsystems von erhebli- Die Risiken: Covid, Argumentation ungewiss. Da- cher Bedeutung wäre. Diese Stabilität beruht zu hohe Bewertungen, In- mit sind im Groben die Risiken einem wesentlichen Teil auf der Eignung der Staats- flation und Zinsen für das aufgezeigte günstige anleihen reicher Länder als sichere Kapitalanlage, Szenario umrissen. deren Bonität nicht hinterfragt werden muss. Ge- riete dieses Vertrauen ins Wanken, stünden die Erfolge bei der Bekämpfungsstrategie gegen die Notenbanken augenblicklich im Schach zwischen Re- Pandemie sind noch immer von regionalen und au- gierungen und Finanzmärkten. Sie könnten sich mit genscheinlich nicht zu prognostizierenden Rück- Blick auf die angespannten Staatsfinanzen gehindert schlägen begleitet. Ein letztendlicher Erfolg dürfte sehen, bei steigender Inflation mit höheren Zinsen als sicher anzunehmen sein, Prognosen zu dessen gegenzusteuern. Auch die Befürchtung von Ketten- Zeitpunkt sind allerdings schlicht unseriös. Jedoch reaktionen bei (Schwellen)Ländern, die heute gehen wir in unseren Investitionsentscheidungen größtenteils in fremder Währung verschuldet sind, bisher davon aus, dass in den Industrienationen könnte die Entschlusskraft für Zinsmaßnahmen be- nochmalige Anstiege der Infektionsraten beherrsch- einflussen. Die internationale Koordination der bar bleiben. Geld- und Fiskalpolitik wird aktuell schwieriger – just zu einem Zeitpunkt, da sie besonders benötigt wird. Das größte Risiko für Konjunktur und Märkte trägt Einer achtsamen Kommunikation der Notenbanken, diese Ausarbeitung im Titel. Für die Marktteilneh- zu allererst der amerikanischen, kommt somit hohe mer scheint "Inflation" seit den Richtungssignalen Bedeutung zu. Jerome Powell und Janet Yellen, der der Fed von Mitte Juni zwar in den Hintergrund ge- derzeitige Notenbankpräsident und seine Vorgänge- treten zu sein. Interpretierten die Notenbanker die rin, die heute das Amt der Finanzministerin aktuelle Entwicklung jedoch falsch und es käme zu bekleidet, bilden augenscheinlich ein gutes Team, einem Überschießen der Preissteigerungsraten, wä- das die Marktteilnehmer versteht, ihre Sprache ren die Zentralbanken wohl gezwungen, viel zu spät spricht und berechenbar kommuniziert. und darum mit massiven Schritten einzugreifen und die boomende Konjunktur einzubremsen. Insbeson- dere für Amerika ist dieses Risiko nicht ohne
Perspektiven Juli 2021 PERSPEKTIVE durch die Pandemie eindrucksvoll verstärkt. Die Weltbevölkerung erreicht im Durchschnitt ein im- Darum bleibt unsere Haltung zu den Aktienmärkten mer höheres Alter, weshalb auch die auf mittlere Sicht grundsätzlich optimistisch. Weiter- Gesundheitsversorgung für lange Zeit ein vorherr- hin erwarten wir von Sachanlagen eine höhere schendes Thema bleiben sollte. Greta Thunberg hat Rendite als sie aus Anleihen resultiert. Die nun mess- einen wake up-Effekt erreicht, was die Notwendig- bar gewordene Inflation erhöht zudem den keit betrifft, ressourcenschonend und nachhaltig zu Anlagedruck bei den Investoren, denn mit Bargeld, wirtschaften und zu agieren. Corona hat auch diese Geldmarktfonds oder Staatsanleihen kann die Kauf- Argumente gestärkt. Der Trend hin zu einer global kraft weniger denn je erhalten werden. Die nachhaltigkeitsorientierten Wirtschaftsgemein- angesprochenen Risiken wären im Falle ihres Eintre- schaft steht noch an seinem Ursprung und dürfte tens allerdings keine Marginalie, weshalb wir zahlreiche Unternehmen partizipieren lassen. Sicherungsmechanismen nutzen bzw. Liquidität vor- halten, um zu kalkulierende Preisermäßigungen Nicht nur wegen der skizzierten Systemrisiken blei- flexibel nutzen zu können. ben Edelmetalle ein Sicherungsposten in inter- national ausgerichteten Portfolios. Die Weiter fallende Realzinsen begünstigen Gold von der Politik erwünschte finanzielle Zins Repression (Schuldenentwertung Gold USD GOLDPREIS VS. REALVERZINSUNG VON US-STAATSANLEIHEN 12,0% durch Inflation bei niedrigsten Zinsen) US-Realzins 5 Jahre 2.000 10,0% nimmt gerade erst Fahrt auf, der Goldpreis USD 1.750 US-Nominalzins 5 Jahre 8,0% Trend zu negativen Realrenditen 1.500 6,0% dürfte anhalten und könnte sich ver- 1.250 4,0% stärken. Davon profitieren natur- 1.000 2,0% gemäß Edelmetalle, in besonderer 750 0,0% Weise Gold. Das viele Geld erzeugt im Übrigen dort durchaus Inflation, wo 500 -2,0% die offiziellen Statistiken weniger hin- 250 -4,0% schauen, nämlich in den Preisen für 0 -6,0% Finanzwerte, für Immobilien oder für Betriebsvermögen. So haben die Kol- Quelle: FED, eigene Berechnungen legen von Flossbach von Storch einen Vermögenspreisindex kreiert, der Wenngleich im zurückliegenden Halbjahr die Ge- diese Aggregate mit berücksichtigt. Er ist zum Vor- winne der Unternehmen im Durchschnitt rascher jahresquartal um 11,9 % gestiegen (über 2 Jahre gestiegen sind als die Kurse, müssen viele Aktien vor annualisiert um 7 %). Diesen Anstieg macht sich der der eigenen Historie weiterhin als relativ teuer be- in Sachwerten anlegende Investor zunutze, weshalb zeichnet werden, weshalb sie ihre Attraktivität zu auch aus dieser Betrachtung eine Übergewichtung einem nicht unwesentlichen Teil aus der Unattrakti- dieses Sektors unverändert angeraten bleibt. vität der Alternativen (Anleihen) ziehen. Weitere Kursanstiege im Gesamtmarkt könnten daher limi- Bielefeld, 2. Juli 2021 tiert sein, die Volatilität wieder zunehmen und die Einzeltitelauswahl eine größere Bedeutung für die Portfolioperformance gewinnen. Zyklische wie auch Wachstumstitel sollten allerdings gefragt bleiben, denn angesichts derzeitiger Kapazitätsengpässe, Neustrukturierungen von Lieferketten, auf Sicht stei- genden Arbeitskosten und der expansiven Fiskal- und Geldpolitik spricht einiges für einen länger an- haltenden Investitionszyklus bei den Unternehmen. Ein hohes Gewicht verdient weiterhin der gesamte Themenkomplex Digitalisierung; der Trend wurde
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