100 Jahre Wirtschaftsministerium - BMWi

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100 Jahre Wirtschaftsministerium
Das deutsche Wirtschaftsministerium ist 100 Jahre alt geworden. Am 21. März 1919, in der Gründungsphase der Weimarer
Republik, wurde das aus der Kaiserzeit stammende Reichswirtschaftsamt in das Reichswirtschaftsministerium überführt.
Zugrunde lag der „Erlass des Reichspräsidenten betreffend die Errichtung und Bezeichnung der obersten Reichsbehörden“.
Der zunächst noch vorläufige Reichspräsident Friedrich Ebert verlieh damit der neuen Reichsregierung einen rechtlichen
Rahmen für den Übergang zur Parlamentarischen Republik.

Bundesminister Altmaier (3. von links) im Kreise seiner Amtsvorgänger, der Bundesminister a. D. Rösler, Brüderle, Clement, Glos, Haussmann
(von links nach rechts).

Kritische Anfänge                                                        Als erster Nachkriegsminister brachte Ludwig Erhard in
                                                                         den 14 Jahren seiner Amtszeit dem Haus dann Stabilität
Das neue Ministerium war für heutige Verhältnisse unvor-                 und Erfolg. Er führte die Soziale Marktwirtschaft ein und
stellbar gefordert. Kriegsfolgen und Reparationszahlungen,               verlieh dem Ministerium die Rolle eines ordnungspoliti-
Hyperinflation, die Besetzung des Ruhrgebiets und die Welt­              schen Gewissens der Bundesregierung. Kernelemente sei-
wirtschaftskrise überlagerten massiv andere wirtschaftspo-               ner Politik waren die Abkehr von staatlicher Zwangswirt-
litische Fragen. Konzepte und Umsetzungsstrategien muss-                 schaft, der Schutz des Wettbewerbs und flankierend der
ten immer wieder angepasst werden, 18 Ministerwechsel in                 soziale Ausgleich. Dies bildete die Grundlage für das Wirt-
den knapp 14 Jahren bis zur Machtergreifung der NSDAP                    schaftswunder der 1950er Jahre und ist auch heute noch
sprechen Bände. Während des Nationalsozialismus schrieb                  die Voraussetzung für Wohlstand und gesellschaftlichen
das Reichswirtschaftsministerium dann das dunkelste                      Zusammenhalt.
Kapitel seiner Geschichte. Es trieb die Ausgrenzung der
jüdischen Bevölkerung in allen Bereichen der Wirtschaft
rücksichtslos voran und organisierte den Einsatz von                     Wechselnde Zuständigkeiten
Zwangsarbeitern zur Ausbeutung besetzter Gebiete. Der
gezielte Umbau der deutschen Volkswirtschaft zur Kriegs-                 In der Bonner Republik kam es nach Erhard wie auch nach
wirtschaft erfolgte parallel über Görings Vierjahresplan­                der Wiedervereinigung zu größeren Zuständigkeitsverlage-
behörde.                                                                 rungen. Im Jahr 1971 entstand unter Karl Schiller das
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Bundesministerium für Wirtschaft und Finanzen. Nur ein            Festakt zum 100. Gründungstag
Jahr später wurden beide Häuser wieder getrennt, Helmut
Schmidt blieb Finanzminister und erhielt vom Wirtschafts-         Anlässlich des 100. Jubiläums würdigte Bundesminister
ministerium die Abteilung Geld und Kredit einschließlich          Altmaier am 21. März 2019 in Gegenwart von fünf Amtsvor­
der Versicherungswirtschaft. Das Amt des Bundeswirtschafts­       gängern das Ministerium in einem Festakt mit historischen
ministers wurde von da an bis 1998 bei relativ konstanten         und aktuellen Bezügen sowie der Freischaltung einer multi­
Zuständigkeiten praktisch durchgängig von FDP-Politikern          medialen Ausstellung.
bekleidet.
                                                                  Professor Clemens Fuest, Präsident des ifo-Instituts für Wirt­
Im Jahr 1998 gingen Teile der Europapolitik sowie die Feder­      schaftsforschung, identifizierte in seiner Festrede zentrale
führung für den Jahreswirtschaftsbericht einschließlich der       Herausforderungen der heutigen Wirtschaftspolitik. Er emp­
Konjunkturprojektion an Finanzminister Oskar Lafontaine.          fahl, auch im Rahmen von Industriepolitik Marktmacht zu
Das Wirtschaftsministerium erhielt im Gegenzug die Verant­        verhindern, regional- und industriepolitische Ziele mit
wortung über die Technologiepolitik. In den Jahren 2002           getrennten Instrumenten zu verfolgen, in der Umweltpoli-
bis 2005 war das Haus als Bundesministerium für Wirtschaft        tik auf Effizienz zu achten und die Unternehmensbesteue-
und Arbeit unter Wolfgang Clement für die Umsetzung der           rung international wettbewerbsfähig auszugestalten. Im
Hartz-Reformen zuständig. Seit Amtsantritt von Vizekanz-          Umgang mit China bewertete er weniger den chinesischen
ler Sigmar Gabriel im Jahr 2013 deckt es die ge­samte Band-       Aufstieg als dessen möglichen Abbruch als Risiko für die
breite der Energiepolitik ab, also auch die Federführung für      deutsche Wirtschaft.
die Erneuerbaren Energien. 2014 kam der Arbeitsstab Neue
Bundesländer hinzu. Die vielfältigen Umstrukturierungen           Professor Albrecht Ritschl, der Sprecher der Unabhängigen
brachten teils erhebliche Herausforderungen mit sich – nicht      Geschichtskommission zur Aufarbeitung der Geschichte des
zuletzt für die interne Organisation.                             Wirtschaftsministeriums, illustrierte in seiner Festrede die
                                                                  schwierigen wirtschaftspolitischen Bedingungen in der Wei­­
                                                                  marer Republik sowie die Verstrickungen des Ministeriums
Meilensteine der Wirtschaftspolitik                               in die nationalsozialistischen Verbrechen. Er attestierte der
                                                                  deutschen Wirtschaftspolitik drei große Aufbauleistungen:
Meilensteine des Ministeriums auf dem Weg in unsere heu-          die wirtschaftliche Konsolidierung nach dem Ersten Welt-
tige Wirtschaftsordnung sind die Einführung des Gesetzes          krieg, die Einführung der Sozialen Marktwirtschaft nach
gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die Gründung des                 dem Zweiten Weltkrieg und der Aufbau Ost nach der Wieder­
Europäischen Binnenmarktes, die Entwicklung des europä-           vereinigung. Dass die ostdeutsche Wirtschaft inzwischen
ischen Wettbewerbsrechts, die Liberalisierung des Telekom-        80 Prozent der Produktivität des Westens aufweise, sei ein
munikations- und Postmarktes, die gezielte Wirtschaftsför-        großer Erfolg, schließlich habe dieser Wert zum Zeitpunkt
derung zum Aufbau Ost, die Umsetzung des Hartz-Konzepts           der Wiedervereinigung bei lediglich 30 Prozent gelegen.
zur Reform des Arbeitsmarktes sowie der Ausstieg aus Kern-        Zudem wies Professor Ritschl auf industriepolitische Debat-
und Kohlekraft. Die Politik der antizyklischen Globalsteue-       ten bereits in den 1920er Jahren und in der Nachkriegszeit
rung im Rahmen des Stabilitätsgesetzes von 1967 sowie der         hin, ähnlich der von Bundesminister Altmaier angestoße-
konzertierten Aktion erwies sich hingegen aufgrund der wirt­      nen Diskussion.
schaftlichen und demokratisch-föderalen Komplexität als
impraktikabel. Kernaufgabe der Wirtschaftspolitik ist wei-        Bundesminister Peter Altmaier umriss in seiner Festrede
terhin das Eintreten für Markt und Wettbewerb einschließ-         zunächst die wirtschaftspolitischen Grundlinien vor 1919.
lich der Wettbewerbsfähigkeit des Standorts und seiner            Reichskanzler Otto von Bismarck hatte den einheitlichen
Un­­ternehmen. Dabei hat sie sich – heute wie früher – in         deutschen Wirtschaftsraum begründet und die Sozialversi-
den politischen Gesamtkontext einzufügen. Auf dem Fest-           cherung eingeführt. Mit dem Stinnes-Legien-Abkommen
akt anlässlich des 50. Jubiläums des Wirtschaftsministeri-        von 1918 bestand eine Sozialpartnerschaft von Arbeitneh-
ums stellte Karl Schiller fest: „Die Arbeit dieses Ressorts ist   mern und Arbeitgebern. Als größten Erfolg des Wirtschafts-
(…) nicht immer bequem. Immer, wenn es zum Beispiel um            ministeriums hob der Minister die Einführung der Sozialen
Agrarpreise, Mieten, neue Steuern oder Steuererhöhungen           Marktwirtschaft durch Ludwig Erhard hervor. Er erinnerte
geht, immer redet dieses Wirtschaftsressort mit Penetranz         an kurzzeitige Zusammenlegungen mit dem Finanz- bezie-
da hinein.“                                                       hungsweise Arbeitsministerium sowie an das Papier von
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Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff von 1982, das zu       Karen Horn, die Beraterin für Familienunternehmen, Pro-
einer wirtschaftspolitischen Neuausrichtung und überdies        fessorin Sabine Rau, der Journalist Udo van Kampen, der
zu einem Koalitions- und Kanzlerwechsel geführt hatte.          Startup-Inve­stor Frank Thelen und der Digital-Aktivist
                                                                Sascha Lobo. Strittig wurde diskutiert, ob deutsche Unter-
Mit Blick auf die aktuellen Herausforderungen verwies           nehmen insbesondere bei digitalen Technologien gegen-
Minister Altmaier auf die internationale Abkehr vom Mul-        über den USA und China bereits zu weit ins Hintertreffen
tilateralismus, im Zuge derer große Volkswirtschaften nicht     geraten sind. Politikempfehlungen waren unter anderem
allein auf den Markt vertrauen, sondern gezielte Strategien     eine stärkere wettbewerbspolitische Kontrolle von digitalen
verfolgen, um nationale Wirtschaftsinteressen ohne Rück-        Plattformen, die entschiedene Mobilisierung von mehr
sicht auf andere Staaten durchzusetzen. Die Wirtschaftspo-      Wagniskapital, unabhängige Forschung und Lehre, mehr
litik befinde sich in einer entscheidenden Phase. Er habe       Bildung und mehr unternehmerische Freiheit.
seinen Entwurf einer Industriestrategie vorgestellt, um
Wohlstand in Deutschland und Europa zu sichern und aus­         Die multimediale Ausstellung mit Texten sowie Bild- und
zubauen. Zudem kam der Minister auf seinen Vorschlag            Tondokumenten aus der bewegten Geschichte des Ministe-
einer Sozialabgabenbremse im Grundgesetz zu sprechen,           riums ist unter folgendem Link abrufbar: 100.bmwi.de.
bei der die Sozialversicherungsbeiträge nicht auf 40 Pro-
zent des Bruttolohns ansteigen dürfen.
                                                                  Kontakt: Eike Sacksofsky
In einer Podiumsdiskussion zur Frage, wie viel Politik            Referat: Reden und Texte
Wirt­schaft braucht, diskutierten die Publizistin Professorin
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