18 Fragen und Antworten zur Vorratsdatenspeicherung

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Karl Holmeier
                                                               Mitglied des Deutschen Bundestages

       18 Fragen und Antworten zur Vorratsdatenspeicherung

Was versteht man unter dem Begriff „Vorratsdatenspeicherung“?
Als Vorratsdatenspeicherung bezeichnet man die Verpflichtung von Telefon­ und Internetgesell­
schaften (Providern), die dort anfallenden Kommunikationsverkehrsdaten für einen bestimmten
Mindestzeitraum aufzubewahren. Diese Daten werden zum Zeitpunkt ihrer Entstehung von den Pro­
vidern gegebenenfalls ohnehin für die Behebungen etwaiger Störungen oder zu vertraglichen Ab­
rechnungszwecken benötigt. Es besteht für Ermittlungsbehörden die Möglichkeit, aus Anlass der
Verfolgung einer schweren Straftat gegen Vorlage eines richterlichen Beschlusses die Verkehrsda­
ten dort abzurufen.
Kommunikationsverkehrsdaten sind bei Telefongesprächen im Festnetz lediglich die Daten über den
Zeitpunkt und Dauer einer Verbindung sowie die Rufnummern der beteiligten Anschlüsse. Verbin­
dungsdaten bei Mobilfunkverbindungen umfassen darüber hinaus auch die Standortdaten. Stand­
ortbasierte Daten beziehen sich auf die Funkzelle, worin sich das Mobiltelefon bei einem Kommu­
nikationsvorgang befindet. Bei Internetverbindungen wird bei der Vorratsdatenspeicherung nur die
IP­Adresse, die dem Nutzer für die Dauer der Kommunikation im Internet zugewiesen wurde, ge­
speichert.
Der Inhalt von Gesprächen, E­Mails oder SMS­Nachrichten wird weder mit den Verbindungsdaten
zusammen noch gesondert gespeichert.
Eine solche, „inhaltliche“ Überwachung der Telekommunikation ist im Rahmen der Telefonüberwa­
chung technisch grundsätzlich möglich und darf durch die Ermittlungsbehörden nur zur Aufklärung
von schweren Straftaten und auf der Grundlage eines richterlichen Beschlusses für eine durch das
Gericht begrenzte Dauer durchgeführt werden (§ 100 a Strafprozessordnung).

Warum brauchen wir eine Vorratsdatenspeicherung?
Bei der Aufklärung von Gewaltverbrechen wie Mord, Totschlag oder Vergewaltigung hilft die Vor­
ratsdatenspeicherung in besonderem Maße. Das gleiche gilt bei der Verfolgung terroristischer Ver­
brechen, zur Namhaftmachung von Mitgliedern terroristischer Netzwerke oder von solchen in der
Organisierten Kriminalität.
Telekommunikationsverbindungsdaten spielen aber auch bei der Aufklärung von schweren Strafta­
ten eine wichtige Rolle, bei denen das Internet als Tatmittel genutzt wurde, zum Beispiel bei der
strafrechtlichen Verfolgung der Kinderpornographie. In diesen Fällen ist die aufgezeichnete IP­Ad­
resse oftmals der erste und zunächst einzige erfolgversprechende Ermittlungsansatz für weitere
Maßnahmen und daher unverzichtbar.

Warum wird im Zusammenhang mit der Vorratsdatenspeicherung immer häufiger der Begriff der
„Digitalen Spurensicherung“ verwendet?
Der Begriff Vorratsdatenspeicherung erzeugt ein völlig falsches Bild. Der Staat legt sich keinen Vor­
rat an Daten an. Vielmehr existieren diese Daten bei den Telefon­ und Internetanbietern auch heute
schon. Bei der Vorratsdatenspeicherung dürfen die Strafverfolgungsbehörden diese digitalen Spu­
ren bei Tatverdacht unter hohen Anforderungen (Frage 11) abrufen.
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Haben Bundesverfassungsgericht 2010 und Europäischer Gerichtshof 2014 die Vorratsdatenspei­
cherung gänzlich untersagt?
Nein, weder das Bundesverfassungsgericht (BVerfG), noch der Europäische Gerichtshof (EuGH) ha­
ben die Vorratsdatenspeicherung per se verboten. Nur die konkreten gesetzlichen Ausgestaltungen
müssen den europa­ und verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechen.

Welche Vorgaben hat das Bundesverfassungsgericht gemacht, damit die Vorratsdatenspeiche­
rung mit dem Grundgesetz vereinbar ist?
Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2010: In seinem Urteil hat das BVerfG eine Vor­
ratsdatenspeicherung zwar nicht als von vornherein unvereinbar mit Art. 10 Abs. 1 Grundgesetz
(GG) angesehen, jedoch die damalige konkrete Ausgestaltung für unverhältnismäßig und damit ver­
fassungswidrig erklärt. In seiner Entscheidung erläutert das Gericht, unter welchen Maßgaben eine
solche Speicherung mit Art. 10 Abs. 1 GG vereinbar sein kann:
Voraussetzung sei, dass die anlasslose Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten eine
Ausnahme bleibe und nur in einem engen zeitlichen Rahmen erlaubt werde. Eine Speicherungs­
dauer von sechs Monaten liege an der Obergrenze dessen, was unter Verhältnismäßigkeitserwä­
gungen rechtfertigungsfähig sei.
Das Parlament müsse sicherstellen, dass die Entscheidung über Art und Maß der zu treffenden
Schutzvorkehrungen nicht letztlich unkontrolliert in den Händen der jeweiligen Telekommunikati­
onsanbieter liege. Eine Verwendung der vorsorglich gespeicherten Telekommunikationsverkehrs­
daten komme angesichts des Gewichts der Datenspeicherung „nur für überragend wichtige Aufga­
ben des Rechtsgüterschutzes in Betracht.“ Für die Strafverfolgung sei daher zumindest der begrün­
dete Verdacht einer auch im Einzelfall schwerwiegenden Straftat erforderlich.
Verfassungsrechtlich geboten sei es zudem, „zumindest für einen engen Kreis von auf besondere
Vertraulichkeit angewiesenen Telekommunikationsverbindungen ein grundsätzliches Übermitt­
lungsverbot vorzusehen.“ Das Gericht erwähnt insoweit Verbindungen zu Anschlüssen in sozialen
oder kirchlichen Bereichen. Die diffuse Bedrohlichkeit, die von der Vorratsdatenspeicherung aus­
gehe, müsse der Gesetzgeber „durch wirksame Transparenzregeln auffangen“, indem er insbeson­
dere verdeckte Verwendungen auf seltenste Extremfälle beschränke. Die Übermittlung und Nut­
zung der gespeicherten Daten sei grundsätzlich unter Richtervorbehalt zu stellen und durch eine
nachträgliche gerichtliche Kontrolle sowie durch Sanktionen bei Rechtsverletzungen zu flankieren.
Weniger strenge verfassungsrechtliche Maßgaben entwickelt das Gericht für eine nur mittelbare
Verwendung der vorsorglich gespeicherten Daten in den Fällen, in denen Behörden gegenüber den
Diensteanbietern personenbezogene Auskünfte über den Inhaber bestimmter, bereits bekannter IP
Adressen einholen. Da für solche Auskünfte nur ein kleiner Ausschnitt der Daten verwendet werde,
könne der Eingriff unter deutlich geringeren Voraussetzungen und damit unabhängig von begren­
zenden Straftaten oder Rechtsgüterkatalogen angeordnet werden.
Im Einzelnen fordert das Gericht hinreichend anspruchsvolle und normenklare Regelungen zur Da­
tensicherheit, zur Begrenzung der Datenverwendung, zur Transparenz sowie zum Rechtsschutz.
Schließlich enthält die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch Ausführungen zu den An­
forderungen an die mittelbare Nutzung der Daten zur Identifizierung von IP­Adressen.

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Welche Vorgaben macht der Europäische Gerichtshof für die Vorratsdatenspeicherung?
In seinem Urteil vom 8. April 2014 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Vorratsdatenspei­
cherungsrichtlinie mit allgemeiner Wirkung für von Anfang an ungültig erklärt, da sie mit der Charta
der Grundrechte (GrCh) der Europäischen Union nicht vereinbar sei. Damit ist die in der Richtlinie
enthaltene Umsetzungspflicht entfallen und das Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland
hat seine Grundlage verloren. Die bisher in den einzelnen EU­Mitgliedsstaaten geschaffenen natio­
nalen Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung werden davon aber nicht berührt und bleiben wirk­
sam. Die Organe der EU können eine völlig neue Richtlinie beschließen.
Der EuGH hat die Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie am Maßstab von Art. 7 GrCh (Achtung des
Privat­ und Familienlebens) und Art. 8 GrCh (Schutz personenbezogener Daten) geprüft und dabei
festgestellt, dass der Unionsgesetzgeber beim Erlass der Richtlinie die sich aus dem Verhältnismä­
ßigkeitsgrundsatz ergebenden Grenzen überschritten habe. Aufgrund der Bedeutung der betroffe­
nen Grundrechte sowie der Schwere des Eingriffs fordert der Europäische Gerichtshof klare und
präzise Regeln für die Tragweite und Anwendung der fraglichen Maßnahme sowie die Aufstellung
von Mindestanforderungen, die einen wirksamen Schutz der personenbezogenen Daten vor Miss­
brauchsrisiken sowie vor jedem unberechtigten Zugang zu diesen Daten und jeder unberechtigten
Nutzung ermöglichen. Der Schutz des Grundrechts auf Achtung des Privatlebens verlange, dass sich
die Ausnahmen vom Schutz personenbezogener Daten und dessen Einschränkungen auf das absolut
Notwendige beschränken.
Der EuGH betont in seiner Entscheidung, dass eine Speicherung der Kommunikationsverkehrsdaten
prinzipiell möglich sei und benennt dazu eine Vielzahl von einzelnen Aspekten. Er kritisiert insbe­
sondere, dass sich die Richtlinie 2006/24 generell auf alle Personen und alle elektronischen Kom­
munikationsmittel sowie auf sämtliche Verkehrsdaten erstreckt, ohne irgendeine Differenzierung,
Einschränkung oder Ausnahme anhand des Ziels der Bekämpfung schwerer Straftaten vorzusehen
(Rdnr. 57). Der EuGH fordert, sowohl materielle als auch verfahrensrechtliche Kriterien für die Be­
schränkung des Zugriffs auf die Daten, wie etwa ein Richtervorbehalt oder unabhängige Kontroll­
stellen. Als weiterer Punkt wird bemängelt, dass die Richtlinie bei der Speicherdauer nicht nach Da­
tenkategorien in Hinblick auf ihren Nutzen für die Zielerreichung differenziert und keine ausreichen­
den Anforderungen an die privaten Telekommunikationsunternehmen hinsichtlich des Schutzes der
gespeicherten Daten vor Missbrauchsrisiken und vor unberechtigtem Zugang sowie unberechtigter
Nutzung enthalte.

In welchen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) gibt es die Vorratsdatenspeicherung?
Sämtliche Mitgliedstaaten haben Gesetze zur Umsetzung der Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie
erlassen. Diese wurden jedoch teilweise von den jeweiligen Verfassungsgerichten der Mitgliedstaa­
ten wieder aufgehoben, teilweise haben die nationalen Gesetzgeber hierauf wieder reagiert. Klagen
gegen die nationalen Umsetzungsgesetze wurden in Bulgarien, Irland, Deutschland, den Niederlan­
den, Österreich, Polen, Rumänien, der Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern erho­
ben. Angesichts dieser Gerichtsverfahren und der Frage, wie die einzelnen Mitgliedstaaten auf die
Aufhebung der Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie durch den Europäischen Gerichtshof reagieren
werden, kann an dieser Stelle der aktuelle Stand der Umsetzung der Richtlinie nicht abschließend
beurteilt werden.

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Gibt es eine Vereinbarung im Koalitionsvertrag zur Vorratsdatenspeicherung?
Ja. Im Koalitionsvertrag wurde 2013 festgeschrieben, dass die EU­Richtlinie über den Abruf und die
Nutzung von Telekommunikationsverbindungsdaten umgesetzt werden soll. Durch den Wegfall der
Richtlinie nach der Entscheidung des EuGH sind die Koalitionspartner nun gehalten, zur Ermögli­
chung einer wirksamen Strafverfolgung ein nationales Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung zu ver­
abschieden.
Zweiflern hinsichtlich der Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung zur Speicherung und Verwen­
dung von Verbindungsdaten zur Aufklärung schwerer Straftaten haben unter anderem die Ereig­
nisse im Zusammenhang mit der Ermordung von Mitarbeitern der Zeitschrift „Charlie Hebdo“, von
zwei Polizeibeamten und von Kunden in einem jüdischen Supermarkt im Januar 2015 in Frankreich
vor Augen geführt, welches wirksame Mittel zur Aufklärung von Tatzusammenhängen und Terror­
Netzwerken den Strafverfolgern mit der Auswertung von gespeicherten Verbindungsdaten zur Ver­
fügung steht.
Inzwischen haben sich die Koalitionsparteien der jetzigen Bundesregierung darauf verständigt, ein
neues und nationales Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung zeitnah verabschieden zu wollen.

Warum wartet man nicht auf eine europäische Gesamtlösung?
Viele Mitgliedsländer der Europäischen Union haben bereits die Möglichkeit der Vorratsdatenspei­
cherung. Für diese Länder besteht keine Notwendigkeit, dass für die Strafverfolgung im eigenen
Land eine europaweite Regelung zur Speicherung von Telekommunikations­Verbindungsdaten in
Kraft tritt.
Es kann daher Jahre dauern, bis eine neue EU­Richtlinie in Kraft tritt. Unsere Ermittlungsbehörden
brauchen aber dringend dieses wichtige Instrument der Vorratsdatenspeicherung zur Aufklärung
schwerer Straftaten, weshalb ein nationaler Gesetzentwurf vorgelegt werden wird.
Mit einer nationalen Neuregelung zur Vorratsdatenspeicherung wird sowohl die Rechtsprechung
des EuGH als auch die des BVerfG berücksichtigt werden.

Wie ist die aktuelle Rechtslage?
Nachdem das Bundesverfassungsgericht die bis dahin geltenden Regelungen (§§ 113a, 113b Tele­
kommunikationsgesetz (TKG)) zur Vorratsdatenspeicherung für nichtig erklärt hat, gibt es kein
neues Bundesgesetz. Telekommunikationsdaten dürfen nicht mehr anlasslos für die Dauer von
sechs Monaten vorgehalten werden.
Nach gegenwärtiger Rechtslage dürfen Telekommunikationsanbieter die Verbindungsdaten nur so­
lange speichern, wie dies aus Abrechnungsgründen notwendig ist. Die gesetzliche Grundlage für die
Speicherung zu Zwecken der Abrechnung findet sich in §§ 96, 97 TKG. Danach dürfen die Daten bis
zu sechs Monate nach Versendung der Rechnung gespeichert werden. Für die Abrechnung nicht
erforderliche Daten sind unverzüglich zu löschen. Hat der Teilnehmer gegen die Höhe der in Rech­
nung gestellten Verbindungsentgelte vor Ablauf der Frist Einwendungen erhoben, dürfen die Daten
gespeichert werden, bis die Einwendungen abschließend geklärt sind.
Die Ermittlungsbehörden können auf der Basis des § 100g Strafprozessordnung (StPO) die Verkehrs­
daten, die aktuell (zum Zwecke der Abrechnung) im Bestand eines Telekommunikationsanbieters
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über die betroffene Person vorhanden sind, auswerten, wenn es um die Verfolgung schwerer Straf­
taten geht. Die Anordnung der Erteilung einer Auskunft ist an strenge rechtsstaatliche Vorausset­
zungen (u. a. konkreter begründeter Verdacht, keine anderweitige Möglichkeit der Aufklärung, Rich­
tervorbehalt) geknüpft.
Es hängt also vom Zufall ab, ob die Verbindungsdaten bei den Telekommunikationsunternehmen
noch vorhanden sind oder schon gelöscht wurden.
Eine gesetzliche Regelung zur Speicherung und Auswertung von Verbindungsdaten schafft jetzt eine
verlässliche Grundlage zur Verbesserung der Aufklärung von Straftaten.

Wer kann auf Verkehrsdaten zugreifen?
Die Bundesminister des Innern und der Justiz und für Verbraucherschutz haben die Übereinkunft
erzielt, dass in der Bundesrepublik Deutschland ein Gesetz zur Regelung der Vorratsdatenspeiche­
rung in Kraft treten soll. Dieses Gesetz soll der Minister der Justiz und für Verbraucherschutz im
Entwurf vorlegen. Dazu wurden bisher lediglich die folgenden Leitlinien vorgestellt:
Die Verkehrsdaten werden nur vom Provider gespeichert. Sie sind nicht in staatlicher Hand, sondern
werden lediglich in Einzelfällen unter strengen Voraussetzungen herausgegeben. Dazu zählt der
Richtervorbehalt mit einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung. Eine Eilkompetenz der Staatsan­
waltschaft ist nicht vorgesehen. Bei der Straftat muss es sich zudem um eine Katalogtat handeln.
Die aufgezählten Katalogtaten umfassen schwerste Gewalttaten (Tötungsdelikte, schwerer Raub,
räuberische Erpressung), Delikte der organisierten Kriminalität (Menschenhandel, Bandendiebstahl,
Bandenhehlerei, schwere Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz) und internetbasierte Krimi­
nalität wie die Verbreitung von Kinder­ und Jugendpornographie. Dieser Katalog wäre dann deutlich
enger gefasst als § 100a Absatz 2 StPO, der die Überwachung der Telekommunikation regelt.
Es bleibt allerdings abzuwarten, wie der vom Justizressort vorzulegende Gesetzentwurf die Vorrats­
datenspeicherung genau ausgestaltet, und ob er die durch die Entscheidungen des EuGH und des
BVerfG geschaffenen Spielräume zugunsten einer wirksamen Strafverfolgung ausschöpft.

Wie lange sollen künftig die Kommunikationsverkehrsdaten vom Anbieter gespeichert werden?
Um auch bei Straftaten ermitteln zu können, die nicht sofort bemerkt oder angezeigt werden, muss
eine hinreichende Mindestspeicherfrist gewahrt werden. Das Positionspapier des Bundesministeri­
ums der Justiz und für Verbraucherschutz sieht eine Frist von 10 Wochen, bei standortbasierten
Daten von nur 4 Wochen vor. E­Mail­Daten werden von der Speicherpflicht ganz ausgenommen.

Wie kann die Gefahr von Datenmissbrauch verhindert werden?
Das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung muss sicherstellen, dass die Telefon­ und Internetanbieter
darin verpflichtet werden, ihre Daten nach höchsten Standards zu verschlüsseln und zu schützen.
Neben den bestehenden Gesetzen zur Gewährleistung der Datensicherheit soll künftig die Daten­
hehlerei, also der Handel mit gestohlenen Daten, als Straftat gefasst werden.

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Was passiert künftig mit den Daten nach der im Gesetz vorgesehenen Speicherfrist?
Nach Ablauf der gesetzlichen Speicherfrist müssen die Verbindungsdaten unwiederbringlich ge­
löscht werden. Das müssen die jeweiligen Anbieter über technische Lösungen sicherstellen. Die
Nichteinhaltung der Löschverpflichtung durch den Telekommunikationsanbieter führt zu einem
Ordnungsgeld.

Wie kann sichergestellt werden, dass bestimmte Berufsgruppen wie Ärzte, Journalisten oder
Geistliche speziell geschützt werden?
Die Datenerhebung lässt sich nicht eingrenzen. Allerdings ist der Abruf der erhobenen Daten bei
Berufsgeheimnisträgern ausgeschlossen. Das Beispiel von Paris zeigt, dass Anschläge offenbar trotz
dieses gesetzlichen Instruments nicht verhindert werden können. In erster Linie ist die Vorratsda­
tenspeicherung nicht allein eine Frage der Prävention, sondern sie ist ein Instrument für die bessere
Ermittlung nach einer schweren Straftat (repressiv). Dazu zählen zum Beispiel terroristische An­
schläge, Mord, Kinderpornografie oder Bandendelikte.
Allerdings kann die Auswertung der Kommunikationsverbindungsdaten die Strafverfolgungsbehör­
den in die Lage versetzen, zum Beispiel die Hintermänner, Gehilfen und ganze kriminelle Netzwerke
zu ermitteln. Gelingen solche Ermittlungen, können auch weitere Straftaten verhindert werden. Die
Bundesländer haben die Kompetenz entsprechende Regelungen für die Gefahrenabwehr in die Pol­
zeigesetze aufzunehmen.

Wird mit der Vorratsdatenspeicherung nicht jeder Bürger unter Generalverdacht gestellt?
Die anlasslose Speicherung von Verbindungsdaten wird in der Öffentlichkeit häufig mit der Begrün­
dung kritisiert, durch sie bestehe ein Generalverdacht gegen alle Bürger. Dem ist entgegen zu hal­
ten, dass diesem mittelbaren Eingriff in die Grundrechte des Bürgers gleichzeitig die staatliche
Pflicht zur Strafverfolgung bei begangenen Straftaten sowie zum Schutz der Bürger vor Straftaten
gegenüber steht.
Erfahrungsgemäß ist der Nutzen der Vorratsdatenspeicherung größer als die von ihr ausgehenden
Gefahren. Dies umso mehr, wenn – wie vom Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz
vorzulegen – die Nutzung der gespeicherten Verbindungsdaten in eine sprachlich unmissverständ­
liche gesetzliche Regelung unter Beachtung der Maßgaben des EuGH und des BVerfG einfließen
wird.

Sind alle diese Maßnahmen überhaupt sinnvoll und führen tatsächlich zu greifbaren Ermittlungs­
erfolgen?
Nach statistischen Erhebungen des Bundeskriminalamts aus dem Jahr 2010 zu über 1.000 Aus­
kunftsersuchen bei Kommunikationsanbietern, waren die Daten in 80 Prozent der Fälle nicht ver­
fügbar. Das führte dazu, dass bezogen auf diese 1.000 Fälle Straftaten in rund 56 Prozent der Fälle
gar nicht, in 18 Prozent der Fälle nur unvollständig und in 25 Prozent der Fälle stark verspätet auf­
geklärt werden konnten. Auch wenn neuere statistische Auswertungen nicht vorliegen, hat sich an
der Situation seitdem nichts geändert. Die Vorratsdatenspeicherung würde die Aufklärung also er­
heblich erleichtern, in vielen Fällen überhaupt erst möglich machen.

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