31 People Abroad Tübinger Archäologische Forschungen 31
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T Tübinger Archäologische Forschungen 31 A F 31 Johannes Lipps (Ed.) People Abroad People Abroad Johannes Lipps (Ed.) ISBN 978-3-89646-862-8 ISSN 1862-3484
Tübinger Archäologische Forschungen Band 31 Begründet von Thomas Schäfer Herausgegeben von Alexander Heinemann – Richard Posamentir – Thomas Schäfer Wissenschaftlicher Beirat: Ruth Bielfeldt, Ludwig-Maximilians-Universität München Pavlina Karanastasi, Universität Kreta Erich Kistler, Universität Innsbruck Annalisa Lo Monaco, Università La Sapienza Rom Dominik Maschek, University of Oxford Ioannis Mylonopoulos, Columbia University New York David Ojeda Nogales, Universidad de Córdoba Philipp von Rummel, Deutsches Archäologisches Institut Berlin Thekla Schulz-Brize, Technische Universität Berlin Reinhard Wolters, Universität Wien
Johannes Lipps (Ed.) People Abroad Proceedings of the XVI. International Colloquium on Roman Provincial Art, April 9–13th 2019, Tübingen Verlag Marie Leidorf GmbH · Rahden/Westf. 2021
492 Seiten mit 360 Abbildungen Die Veranstaltung und der Druck wurden finanziert durch das Zukunftskonzept der Universität Tübingen (ZUK 63) und das Gutenberg Forschungskolleg der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Johannes Lipps (Ed.): People Abroad. Proceedings of the XVI. International Colloquium on Roman Provincial Art, April 9–13th 2019, Tübingen. Rahden/Westf.: Leidorf, 2021 (Tübinger Archäologische Forschungen; Bd. 31) ISBN 978-3-89646-862-8 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier Alle Rechte vorbehalten © 2021 Verlag Marie Leidorf GmbH Geschäftsführer: Dr. Bert Wiegel Stellerloh 65 · D-32369 Rahden/Westf. Tel.: +49/(0)5771 / 9510-74 Fax: +49/(0)5771 / 9510-75 E-Mail: info@vml.de Internet: http://www.vml.de ISBN 978-3-89646-862-8 ISSN 1862-3484 Kein Teil dieses Buches darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, CD-ROM, DVD, Internet oder einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages Marie Leidorf GmbH reproduziert werden oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Umschlagentwurf: Enns Schrift & Bild GmbH, Bielefeld Titelvignette: Grabstele des aus Iudaea stammenden P. Aemilius Verecundus im Museum Carnuntinum, Landessammlungen NÖ – Archäologischer Park Carnuntum (Foto: N. Gail) Redaktion: Elisa Schuster, Wiesbaden Satz und Layout: Punkt.Satz, Zimmer und Partner, Berlin
INHALTSVERZEICHNIS Vorwort Johannes Lipps 9 INTRODUCTION »Es gibt keine [Stadt], die nicht einen großen Anteil an ausländischer Bevölkerung hätte« (Sen. Cons. Helu. VI, 4) Johannes Lipps 13 DYING ABROAD Zwischen persönlicher Identität, kulturellem Selbstverständnis und gesellschaftlichem Status. Zur Grabrepräsentation der ritterlich-senatorischen Bevölkerungsgruppe aus und in den Provinzen Thomas Knosala 33 Kulturelle Identitäten im Bild? Zu den Grabstelen mit Herkunftsangabe aus Carnuntum Gabrielle Kremer 51 With the Army around the (Roman) World. Observations on Self-presentation through Iconography and Text in Dacia and Lower Moesia Cristina-Georgeta Alexandrescu 67 ›People Abroad‹ in Lugdunum Maria-Pia Darblade-Audoin 81 Immigrants and Travellers in the Area of Tarraco (Hispania Citerior). Epigraphic and Sculptural Remains Montserrat Claveria 97 Auswärtige Soldaten und Orientalen im kaiserzeitlichen Aquileia anhand ihrer figürlichen Grabstelen und ihrer sonstigen Grabmäler Lorenzo Cigaina 109 Grabdenkmäler der Cohors II Cyrrhestarum sagittaria. Ein Beitrag zur Erforschung der kollektiven Identität und Erinnerungskultur innerhalb der römischen Armee Mirjana Sanader – Domagoj Tončinić 127 Syrians in Celeia Julijana Visočnik 139 Lucius Tettienus Vitalis: una vita per il commercio Ada Gabucci 149
6 Inhaltsverzeichnis Prospérer hors de son territoire : l’exemple du tector séquane Pompeius Catussa à Lyon Nicolas Delferrière – Marie-Anaïs Janin 159 Mourir en terre étrangère. La mobilité des populations de Gaule romaine vue à travers les monuments funéraires des Éduens, des Lingons et des Séquanes Anne-Laure Edme 171 Fremde im römischen Köln – sind die Grabmonumente ein Spiegel ihrer Herkunft? Hannelore Rose – Marianne Tabaczek 183 The Funerary Monument of a Greek (?) Physician in Rome Mª Ángeles Alonso Alonso 195 Nueva estatua icónica femenina en piedra local de Tarraco Julio C Ruiz 207 A Couple from Iapodian Territory. Artistic Influences at the Edge of the Roman Province of Dalmatia Vinka Matijević 215 Considérations sur la sculpture romaine à Marseille antique : les reliefs funéraires Vassiliki Gaggadis-Robin 223 CULTS ABROAD Il culto di Giove Dolicheno fra i militari della Legio III Augusta Mela Albana 245 People Abroad – Cults Abroad. The Case of Thessaly Iphigeneia Leventi 257 Ex-Asia Minor: Orientals on Votive and Funerary Monuments from the Central Balkan Roman Provinces Nadežda Gavrilović Vitas 271 Tracing Foreign Identities on Roman Engraved Gems. Several Examples from the Archaeological Museum in Zagreb Iva Kaić 287 Instrumenta sacra Depicted on Votive Altars from Croatia Mirna Vukov 297 ›Fremde‹ Menschen – ›fremde‹ Götter – ›fremde‹ Kulte. Drei Fallbeispiele aus Thessalonike Anja Klöckner 311
Inhaltsverzeichnis 7 Downfall of the Domestic Gods. A Discovery of Statues in a 3rd-century House in Entrains-sur-Nohain (Burgundy, France) Pierre-Antoine Lamy – Stéphane Venault 323 OBJECTS, KNOWLEDGE AND CRAFTMANSHIP ABROAD Art Networks and Craftsmen Mobility. A Network Model of Foreign Artisans and their Impact on Early Imperial Provincial Art Simona Perna 347 ›Monuments Abroad‹ – Zur Rezeption kaiserlicher Monumente im Imperium Romanum Vibeke Goldbeck 367 Le pyramidion de Saint-Martin-du-Tertre (Yonne, France). L’emploi de la typologie d’un monument funéraire lingon pour une dédicace votive d’un Sénon Marie-Anaïs Janin – Nicolas Delferrière 393 I sarcofagi romani della Sicilia. I rilievi, i defunti e l’epigrafia Angela Palmentieri 405 Stone Sculpture and Bronze Figurines from the House of the Centurion (?) of Novae Piotr Dyczek 415 Ein Neufund und Verwandtes – Vorlagen »from abroad«? Überlegungen zum »Rätsel der zwei bärtigen Herren« und zum handelnden Hercules auf dem Reutlinger Viergötterstein Jutta Ronke 427 Retour à Aïn Ata : ›le chevalier au lion‹ dans l’Hermon libanais Zeina Fani Alpi 443 Corinthian Order in Roman Thrace and People Coming from Abroad – Decorative Models, Stonemasons, Sources of Material Zdravko Dimitrov 455 Una testa ideal inédita en las termas públicas de Caldes de Montbui Isabel Rodà – Anna Monleón – Antoni Rigo – Pere Lluís Artigues 473 Provenance Identification of a White Marble Head from the Roman Era, Found in Caldes de Montbui (Barcelona, Spain), Using Multimethod Analysis Anna Gutiérrez Garcia-M – Pilar Lapuente Mercadal – Roberta Di Febo 485
VORWORT Vom 9. bis 13. April 2019 fand in Tübingen das leisten kann. Schließlich kombinieren die im Zen- XVI. Internationale Kolloquium zum ›Provinzial- trum der Veranstaltung stehenden Steindenkmäler römischen Kunstschaffen‹ statt. Die Reihe geht mitunter Selbst- oder Fremdaussagen zur Herkunft auf eine Initiative von Manfred Hainzmann und einer Person mit signifikanten Gestaltungsmus- Erwin Pochmarski zurück, die Ende der 1980er tern. Die dadurch greifbaren Akteure*innen sind Jahre eine internationale Gruppe vorrangig junger genauso wie ihre materiellen Hinterlassenschaf- Wissenschaftler*innen um sich vereinten, welche ten und die damit verbundenen Intentionen sehr sich mit römischen Steindenkmälern mehrheit- unterschiedlich. Deswegen ist die in diesem Buch lich der römischen Kaiserzeit in den Provinzen gewählte Gliederung der Beiträge nur als grobe, an auseinandersetzten. Dabei waren die einzelnen den Schwerpunkten der einzelnen Artikel orien- Forscher*innen auf ähnliche Herausforderungen tierte Zuordnung zu verstehen. In ihrer Gesamtheit gestoßen und hatten die Notwendigkeit erkannt, bieten sie ein breites Panorama für die mit Mobili- die für die römische Welt anachronistischen Gren- tät und Migration verbundenen Auswirkungen auf zen der modernen Nationalstaaten in der Wissen- die materielle Kultur am Beispiel der kaiserzeitli- schaft einzureißen. Die politischen Ereignisse des chen Steindenkmäler. Jahres 1989 beförderten diese Bestrebungen in Die Durchführung des Kongresses erfolgte in ungeahnter Weise. Kooperation mit dem Landesamt für Denkmal- Die Fragestellungen und Ziele der ersten Kol- pflege im Regierungsbezirk Stuttgart, dem Landes- loquien ergaben sich unmittelbar aus dem Material museum Württemberg und dem Lobdengau-Mu- heraus. So boten die Veranstaltungen willkommene seum Ladenburg und wurde maßgeblich durch das Anlässe, sich gegenseitig die gerade zur Bearbei- Zukunftskonzept der Universität Tübingen (ZUK tung anstehenden Funde vorzulegen und insbeson- 63) bezuschusst. Für die wertvolle Unterstützung dere Methoden miteinander kritisch zu diskutieren. im Vorfeld der Bewerbung um die Ausrichtung des Dieser allgemeine fachliche Austausch ist bis heute Kolloquiums danke ich Peter Noelke und Richard ein integraler Bestandteil der Veranstaltung geblie- Posamentir. Die Tübinger Prorektorin für Inter- ben. Daneben begann man in den 1990er Jahren nationales und Diversität, Monique Scheer, hieß damit, die einzelnen Veranstaltungen stärker the- die Tagungsteilnehmer*innen in Tübingen herz- matisch auszurichten und dadurch kohärente Bei- lich willkommen. Alexander Heinemann führte träge zu übergreifenden kulturhistorischen Themen die Gäste durch das Museum Alte Kulturen im zu leisten. In dieser Tradition versteht sich auch Schloss Hohentübingen. Andreas Hensen, Klaus das Tübinger Kolloquium, das unter dem Titel Kortüm, Eva-Maria Lackner, Jutta Ronke und ›People Abroad‹ gezielt Monumente in den Blick Nina Willburger organisierten gemeinsame Besu- nimmt, hinter denen Migrationsprozesse oder che und Führungen im Landesmuseum Stuttgart, zumindest temporäre Ortswechsel von Menschen der Stadt Ladenburg sowie der Römervilla in über größere Distanzen stehen. Die Idee zu der Hechingen-Stein. Für zahlreiche Hilfestellungen Veranstaltung geht auf das Jahr der europäischen vom Team des Archäologischen Instituts der Uni- ›Flüchtlingskrise‹ 2015 zurück, welche auch in den versität Tübingen, namentlich Hanni Töpfer, Anna Altertumswissenschaften die ohnehin vorhandene Galeano, Carlo Hofmann, Tabea Huber, Dennis Konjunktur des Themas nochmal entscheidend Joch, Daniel Richter, Annika Skolik und Elise beflügelt hat. Es handelt sich aber auch um einen Tacconi, die zum Gelingen der Veranstaltung bei- Forschungsbereich, zu dem das ›Provinzialrömi- trugen, möchte ich mich herzlich bedanken. sche Kunstschaffen‹ mit Blick auf die frühe und Ich danke außerdem dem wissenschaftlichen mittlere Kaiserzeit einen grundlegenden Beitrag Beirat des Kongresses für sein Vertrauen, den
10 Johannes Lipps Autor*innen des vorliegenden Bandes für die Universität Mainz beglichen. Mein größter Dank fristgerechte und reibungslose Zusammenarbeit gilt jedoch Kai Riehle, der in den Wochen vor dem sowie den Gutachter*innen für ihre Ratschläge. Kongress einen Großteil der Organisation souve- Alexander Heinemann, Richard Posamentir und rän gemeistert und die Veranstaltung gemeinsam Thomas Schäfer nahmen den Band gern in die mit mir durchgeführt hat, sowie Elisa Schuster, die Reihe der Tübinger Archäologischen Forschun- in monatelanger Arbeit den Band redigiert und die gen auf. Rubymaya Jaeck-Woodgate übernahm Drucklegung vom Eingang der Manuskripte bis hin das Proofreading der englischsprachigen Texte. zum fertigen Buch gewissenhaft begleitet hat. Das Ruth Schleithoff kümmerte sich in gewohnt pro- Zustandekommen des vorliegenden Buches war im fessioneller Weise um den Satz und Bert Wiegel vergangenen Jahr aufgrund der Corona-Krise und um den schnellen und reibungslosen Ablauf der den damit verbundenen Einschränkungen im For- Drucklegung. Die formale Gestaltung entspricht schungsbetrieb nicht selbstverständlich und konnte den Richtlinien des Deutschen Archäologischen nur durch den außergewöhnlichen Einsatz und die Instituts1. Zusätzliche Kosten für den Druck wur- große Solidarität aller Beteiligten gelingen. den durch das Gutenberg Forschungskolleg der Mainz, im März 2021 Johannes Lipps 1 (01.03.2021)
GRABDENKMÄLER DER COHORS II CYRRHESTARUM SAGITTARIA Ein Beitrag zur Erforschung der kollektiven Identität und Erinnerungskultur innerhalb der römischen Armee Mirjana Sanader – Domagoj Tončinić Abstract The Cohors II Cyrrhestarum sagittaria was founded in the late reign of Augustus, and is believed to have been transferred to Dalmatia around the year 9, on the occasion of the Pannonian-Dalmatian uprising. There are several tombstones in Croatian museums that were erected for the archers of the Cohors II Cyrrhestarum sagittaria. Judging by the grave monuments, this cohort was disbanded before the reign of Vespasian. The inscriptions on these grave monuments tell us that this cohort was occupied exclusively by soldiers of Syrian descent. Among the surviving tombstones, there are some decorated with reliefs or portraits. These representations demonstrate that the archers of the Cohors II Cyrrhestarum sagittaria expressed their culture of remembrance through completely new image content. Their symbols do not change through several decades of military service. Both at the beginning and at the end of their service in Dalmatia, bows, quivers, and arrows were the forms of representation for their collective identity. This common identity can be seen as an integral element of the ancient culture of remembrance, thanks to the extraordinarily suitable medium of gravestones. In kroatischen Museen befinden sich mehrere Katalog der Denkmäler der Cohors II Grabsteine, die für die Bogenschützen der Cohors Cyrrhestarum sagittaria II Cyrrhestarum sagittaria errichtet wurden. Die Inschriften dieser Grabdenkmäler teilen mit, dass 1 Grabstele des Dacnas Abb. 1 diese Kohorte ausschließlich mit Soldaten syri- Fundort: Burnum scher Abstammung besetzt war. Unter den erhal- Material: Kalkstein tenen Grabsteinen befinden sich auch einige, die Museum: AM Zadar, Inv. A 10915 mit Reliefs beziehungsweise mit Porträts verziert Maße: B: 67 cm; H: erh. 221 cm; T: 22 cm sind. Aus diesem Umstand ergab sich auch das Ziel Datierung: 1–50 n. Chr. dieser Arbeit: Am Beispiel ausgewählter Stücke Literatur: Kubitschek 1924, 217 Nr. 12; ILJug- soll untersucht werden, ob und wenn ja, in welcher 03, 02820; AE 1925, 00132; Medini 1984; Form, die der Kohorte angehörenden syrischen Alföldy 1987, o. S. Kat. 11/2; Cambi 1994; Soldaten nach Jahrzehnten des Dienstes in der Cambi u. a. 2007, 27 f.; Matijević 2009; Ivčević Provinz Dalmatien Erinnerungen an ihre Heimat 2013; Kurilić – Serventi 2015; HD025912; bewahrt haben. EDCS 10101845; LUPA 20690. This work has been fully supported by Croatian Science standing Roman Borders: the Case of the Eastern Adriatic« Foundation under the project IP-2018-01-4934 »Under- (AdriaRom).
128 Mirjana Sanader – Domagoj Tončinić a b Abb. 2 Grabstele des Heras a b Abb. 3 Fragmente einer Grabstele Abb. 1 Grabstele des Dacnas Dacnas / Apsaei f(ilius) / mil(es) oh(ortis) sti(pendiorum) XXII / h(ic) s(itus) e(st) / [Heb] II / Cyrrhestaru(m) / domo Berea / ann(orum) L raeus Ab/emmi f(ilius) (h)er(es) pos(uit) stip(endiorum) XXIV / h(ic) s(itus) e(st) 3 Fragmente einer Grabstele Abb. 3 2 Grabstele des Heras Abb. 2 Fundort: Burnum Fundort: Burnum Material: Kalkstein Material: Kalkstein Museum: AM Zadar, Inv. A 27855 Museum: AM Zadar, Inv. A 27910 Maße: B erh. 64 cm; H erh. 85 cm Maße: B 49 cm; H erh. 100 cm; T 27 cm Datierung: 1–50 n. Chr. oder 30–70 n. Chr. Datierung: 1–50 n. Chr. Literatur: Marun 1998, 223; Matijević 2009, Literatur: Suić 1970, 105 f. Nr. 7; ILJug-02, 16 f.; AE 2009, 1034; Cambi 1994; Cambi 00842; Cambi 1994; Cambi u. a. 2007, 27 f.; u. a. 2007, 27 f.; Matijević 2009, 39; Kurilić – Matijević 2009; Ivčević, 2013, 443–479; Serventi 2015; HD065347; EDCS-55701993; Kurilić – Serventi 2015; HD034391; EDCS- LUPA 23270 10000854; LUPA 22868 L(-) N(?)AR I(?) ON / f(ilius) miles co / h(ortis) Heras Ennom/ai f(ilius) mil(es) c(oh)or(tis) II / Cyrr(h)es(tarum) / domo Be[rea] / (qvi vixit) Cyrr(hestarum) do(mo) Cyr(rh)o / ann(orum) L ann(orum) L stip(endiorum) XV(?) / h(ic) s(itus) e(st) t(estamento) f(ieri) i(ussit)
Grabdenkmäler der Cohors II Cyrrhestarum sagittaria 129 Abb. 4 Grabstele des Stieu 4 Grabstele des Stieu (?) Abb. 4 Fundort: Zadar Material: Kalkstein Museum: AM Zadar, Inv. A 29321 Maße: B 60 cm; H erh. 64 cm; T 24 cm Datierung: 1–50 n. Chr. Literatur: ILJug-02, 00889; AE 1961, 00303; Betz 1954–1957, 84 Nr. 2; Alföldy 1987, o. S. Kat. 11/1; Cambi 1994; Cambi u. a. 2007, 27 f.; Matijević 2009; Kurilić – Serventi 2015; Abb. 5 Grabstele des M(arcus) Pytha HD018007; EDCS-10000900; LUPA 23232 Stieu Barn/ainu f(ilius) domo / Berea annor(um) / rum) LX stip(endiorum) / XXXV t(estamento) f(ieri) XXX miles / coh(ortis) II Crest/ar(um) stipen[di] i(ussit) sibi Felici l(iberto) / [------? o/[rum 6 Grabstele des C(aius) Iulius Abb. 6 5 Grabstele des M(arcus) Pytha Abb. 5 Theodorus Fundort: Gardun / Tilurium Fundort: Dugopolje Material: Kalkstein Material: Kalkstein Museum: AM Split, Inv. A 2777 Museum: AM Split, Inv. A 5962 Maße: B 76 cm; H erh. 135 cm; T 30 cm Maße: B 60 cm; H 204 cm; T 18 cm Datierung: 1–50 n. Chr. oder 51–100 n. Chr. Datierung: 1–50 n. Chr. oder 40–80 n. Chr. Literatur: CIL 03 14934; AE 1900, 00048; Literatur: AE 1994, 01357; Cambi 1994; Bulić 1900; Rinaldi Tufi 1971, 98 Nr. 12; Cambi u. a. 2007, 27 f.; Matijević 2009; Ivčević Alföldy 1987, o. S. Kat. 11/3; Cambi 1994; 2013; Kurilić – Serventi 2015; HD039997; Cambi 2002, 126. 166 Abb. 35; Cambi u. a. EDCS-00380803 2007, 27 f.; Matijević 2009; Kurilić – Serventi 2015; Maršić 2016, 22; HD028183; EDCS- C(aius) Iulius Bar/cenei f(ilius) The/odorus m/ 30200432; LUPA 24915 iles coh(ortis) II / Cyrrhesta/rum annor(um) / LXV stipen(diorum) XLII / h(ic) s(itus) e(st) posuit / M(arcus) Pytha Segni f(ilius) / mil(es) c(o)hor(tis) C(aius) Iulius Scapula / frat(er) II C{h}yrres(ticorum) / dom(o) Berea an(no-
130 Mirjana Sanader – Domagoj Tončinić Abb. 6 Grabstele des C(aius) Iulius Theodorus Abb. 7 Grabstele des C(aius) Iulius Andromachus 7 Grabstele des C(aius) Iulius Abb. 7 C(aius) Iulius An/dromachus / miles coh(ortis) II Andromachus / Cyrr(h)estar(um) ann(orum) LXV stipend(iorum) Fundort: Dugopolje / Salona / XXXX / C(aius) Iulius Apolla / sodalis vo(tum) Material: Kalkstein posuit Museum: AM Split, Inv. A 5963 Maße: B 60 cm; H 204 cm; T 18 cm Datierung: 1–50 n. Chr. oder 40–80 n. Chr. 8 Grabmal des C(aius) Iulius Mara Abb. 8 Literatur: AE 1994, 01358; Cambi 1994; Cambi Fundort: Salona u. a. 2007, 27 f.; Matijević 2009; Ivčević 2013; Museum: AM Split, Inv. 38111 Kurilić – Serventi 2015; HD039998; EDCS- Maße: H 158 cm; B 147 cm; T 94 cm 00380804; LUPA 24431 Material: Kalkstein
Grabdenkmäler der Cohors II Cyrrhestarum sagittaria 131 Abb. 8 Grabmal des C(aius) Iulius Mara Abb. 9 Unterteil einer Grabstele Datierung: 1–50 n. Chr. oder 51–80 n. Chr. in den unteren Köcher, Bogen und Pfeiler. Literatur: AE 2009, 01015; Cambi 1994; Anhand der Darstellung vermutet man, dass es Cambi u. a. 2007, 27 f.; Matijević 2009; Kurilić sich um ein Grabmal eines Bogenschützens der – Serventi 2015; HD065346; EDCS-55701984; Cohors II Cyrrhestarum sagittaria handelt. LUPA 24386 C(aius) Iulius Mara / veter(anus) coh(ortis) II / 10 Der untere Teil der Grabstele Abb. 10 Cyrrhestar(um) ann(orum) XC / dom(o) Berea t(es- des Beres tamento) f(ieri) i(ussit) / Magnus lib(ertus) idem- Fundort: Salona que / heres posuit Material: Kalkstein Museum: AM Split, Inv. D 25 Maße: B 59 cm; H 129 cm (die Maße sind ohne 9 Unterteil einer Grabstele Abb. 9 das Porträt angegeben, da dieses ursprünglich Fundort: Tilurium nicht Teil der Stele war) Material: Kalkstein Datierung: 1–50 n. Chr., aber auch 1–150 Museum: AM Split, Inv. D 222 n. Chr. Datierung: 1–50 n. Chr. Literatur: Bulić 1880; CIL 03 08734 (p 2135); Literatur: Cambi 1994, 160 Anm. 41; Matijević Tufi 1971, 94 Nr. 5; Alföldy 1987, o. S. 2009, 41; Ivčević, 2013; Tončinić – Ivčević Kat. 11/4; Cambi 1994; Cambi u. a. 2007, 2013, 510 f.; LUPA 24647 27 f.; Matijević 2009; Ivčević 2013; Kurilić – Kommentar: Dieses in Tilurium gefundene Serventi 2015; HD062526; EDCS-28700949; Unterteil einer Grabstele ist in vier profilierte LUPA 24641 rechteckige Felder aufgeteilt. In den oberen zwei Feldern sind Klopfringe dargestellt und Beres sagit(tarius) h(ic) s(itus) e(st)
132 Mirjana Sanader – Domagoj Tončinić Ursprungs nicht besonders attraktiv2. Die Mehr- zahl der Freigeborenen aus dem Osten, deren Iden- tität hauptsächlich auf epigraphischen Denkmälern belegt ist, waren Angehörige des Militärs und zwar aktive Soldaten oder Veteranen, aber kaum Zivi- listen3. Einige von diesen Soldaten, aus Syrien stammend, waren Angehörige der Cohors II Cyrr- hestarum sagittaria; ihnen gilt unser besonderes Interesse. Wie in der Einleitung dargelegt, versuchen wir in dieser Arbeit auf der Grundlage der vorgestellten Grabdenkmäler zu erkunden, ob und wenn ja, in welcher Form, diese syrischen Soldaten nach Jahr- zehnten des Dienstes in Dalmatien Reminiszenzen an ihre Heimat behielten. Um dieses Ziel zu errei- chen, sollen die im Katalog zusammengestellten Grabstelen der Bogenschützen zunächst miteinan- der verglichen und zum aktuellen Forschungsstand zur Cohors II Cyrrhestarum sagittaria in Bezie- hung gesetzt werden. Heute kennen wir insgesamt zehn Denkmäler der Soldaten der Cohors II Cyrrhestarum sagitta- ria. Dabei handelt es sich ausschließlich um Grab- steine. Von diesen zehn sind neun mit Inschriften erhalten geblieben4. Allerdings besteht für zwei von den neun (Kat. 9 und 10) nur die Annahme, Abb. 10 Der untere Teil der Grabstele des Beres dass der Verstorbene zu den Bogenschützen dieser Militäreinheit gehörte, da eine eventuelle, diese Kommentar: Von dieser Grabstele ist nur der Annahme bekräftigende Zusatzinformation auf den untere Teil erhalten geblieben, auf dem Pfeil Inschriften fehlt. und ein Bogen dargestellt sind. Die Stele unter- Mit Ausnahme von zwei Fällen (Kat. 3 und 9) scheidet sich von anderen Beispielen (Kat. 7 sind Personennamen, einer der häufigsten Inhalte und 8) nicht nur durch die Abwesenheit der epigraphischer Denkmäler, erhalten. Da das römi- typischerweise abgebildeten Tür, sondern auch sche Benennungssystem in seiner Form streng durch die Art der Waffenpräsentation. Geza definiert war, ist es heute möglich, neben der blo- Alföldy behauptet aber, dass Beres ein Soldat ßen Individualbestimmung auch Indikatoren des der Cohors II Cyrrhestarum sagittaria war und rechtlichen, ethnischen, aber auch persönlichen dass er, wie auch andere Soldaten der Truppe, und sozialen Status der Verstorbenen zu erkunden. aus Berea stammte1. Der rundbogige Abschluss Alle Inschriften auf den Grabstelen der syrischen mit dem Porträt eines bartlosen Mannes in der Bogenschützen haben eine sehr formale Struk- Muschelnische gehörte nicht zur Grabstele des tur, die uns darüber hinaus einige wenige private Beres, sondern zu einem anderen Monument. Informationen vermittelt. Dazu zählen hauptsäch- lich die Namen der Verstorbenen, meist auch deren Herkunft und Tätigkeit, selten aber die Namen der Diskussion Auftraggeber. Trotz dieser Tatsache konnten wir feststellen, dass alle Verstorbenen peregrinischer Nach bisherigem Kenntnisstand war die römi- Abstammung und drei davon im Besitz römischer sche Provinz Dalmatia für Bewohner östlichen Civität waren (Kat. 6, 7 und 8). 1 Alföldy 1987, o. S. Kat. 11/4. Herkunft, wie Kurilić – Serventi betonen, ist äußerst 2 Kurilić – Serventi 2015; Miletić 2015. problematisch festzustellen (Kurilić – Serventi 2015). 3 Zweifellos waren auch Sklaven oder Freigelassene 4 Cambi 1994; Cambi u. a. 2007, 27 f.; Matijević 2009; aus dem Osten anwesend, aber deren genaue ethnische Kurilić – Serventi 2015.
Grabdenkmäler der Cohors II Cyrrhestarum sagittaria 133 Weitere fünf Soldaten der Cohors II Cyrrhes- In dem hier zugrundeliegenden Erkenntnisin- tarum sagittaria stammen aus Berea (Kat. 1, 3, teresse, das nach Ausmaß und Aktivität der Erin- 4, 5 und 8), einer aus Cyrrhus (Kat. 2) und zwei nerungskultur innerhalb der Einheit der syrischen (Kat. 6 und 7) haben ihre Herkunft nicht preisgege- Bogenschützen fragt, muss dieser Aspekt des jahr- ben. Diese beiden waren römische Bürger, 65 und zehntelangen Dienstes besondere Berücksichti- 42 Jahre alt sowie vierzig Jahre im Dienst. Warum gung finden. Dabei soll daran erinnert werden, dass sie ihre Herkunft nicht thematisierten, ist nicht klar, ein Verbleib römischer Soldaten im Militär über die da zum Beispiel C(aius) Iulius Mara (Kat. 8) auch vorgeschriebene Dienstzeit hinaus durch mehrere im Besitz der römischen Civität war und dennoch Fälle dokumentiert ist und folglich nicht unüblich angegeben hatte, dass er dom(o) Berea war. war. Zu erwähnen ist beispielsweise ein interessan- Mit der Umwandlung Syriens in eine römi- ter Fall, jener des 85-jährigen Marcus Herennius sche Provinz im Jahr 63 v. Chr. begann sich das Valens, der, wie auf seinem Grabstein zu lesen ist, ›Römische‹ in vielen Bereichen auszubreiten, so sogar fünfzig Jahre im Militärdienst blieb10! dass Syrien und seine Bevölkerung in der Kaiser- Nach der Rekrutierung in die römische Armee zeit schon stark unter römischem Einfluss stand5. wurden Soldaten durch die Verlagerung aus ihren Dies gilt auch für das Cyrrhestica Gebiet (griech. ursprünglichen heimatlichen Gesellschaften und Κρρηστική), das in der Stadt Cyrrhus (griech. ihrem kulturellen Umfeld in eine neue sozio-kul- Κύρρος, heute Nebi Huri) lag, und nach dem die turelle Umgebung versetzt. Es scheint naheliegend, Cohors II Cyrrhestarum sagittaria benannt wurde6. dass alle Soldaten, die diesem Prozess ausgesetzt Die Einheit wurde in der Literatur dank erhaltener waren, so auch die Bogenschützen der Cohors Grabsteine, die bislang nur in Dalmatien gefunden II Cyrrhestarum sagittaria, als sie nach Dalma- wurden, bekannt. Aufgrund dieser Tatsache wird tien versetzt wurden, einen Akt der Akkulturation davon ausgegangen, dass diese Bogenschützen- durchlebten11. Nach allen zur Verfügung stehen- kohorte für die bevorstehenden Kämpfe mit der den Erkenntnissen zu urteilen, kam nach Illyri- lokalen Bevölkerung auf dem dalmatischen Gebiet, cum spätestens im Jahr 6 das erste Kontingent der das damals noch Illyricum hieß, bestimmt war7. Cyrrhestischen Bogenschützen. Als es dann keinen Die Cohors II Cyrrhestarum sagittaria wurde also Bedarf ihrer Dienste mehr gab, wurde die Kohorte anlässlich des pannonisch-dalmatischen Aufstan- vermutlich in der Zeit des Vespasians aufgelöst12. des um das Jahr 9, in der späten Regierungszeit des Das könnte bedeuten, dass es in der Zwischenzeit Augustus aufgestellt und nach Dalmatien versetzt8. mindestens noch eines, wenn nicht mehrere, Sol- Im Zusammenhang mit dem Fund zweier sehr gut datenkontingente aus Syrien gab. Es scheint auch erhaltener Grabsteine von Soldaten der Kohorte, möglich zu sein, aufgrund der bislang bekannten weist Nenad Cambi überzeugend daraufhin, dass die Grabsteine, dass die Cohors II Cyrrhestarum sag- Einheit sich länger in Dalmatien aufgehalten haben ittaria ausschließlich mit syrischen Bogenschützen muss. Seine Analyse der betreffenden Inschriften, besetzt war. der Tektonik der Denkmäler sowie der stilistischen In Bezug auf ihr Alter konnten wir feststellen, und physiognomischen Details der Porträts zeigt, dass nur C(aius) Iulius Mara als Veteran starb dass sich Soldaten dieser Einheit bis zur Vespasia- (Kat. 8), während alle anderen als aktive Soldaten nischen Zeit in der Provinz Dalmatien aufhielten9. ihre Leben beendeten. So starb Dacnas (Kat. 1) im 5 Andrade 2013; Grainger 2018. leg(ionis) eiusd(em) / (centurioni) leg(ionis) I 6 Frezouls 1978; Abdul Massih 2006/2007; Abdul adi(utricis) (centurioni) leg(ionis) II adi(utricis) / Massih 2009; Abdul Massih u. a. 2009; URL: (24.06.2020). leg(ionis) iterum / I adi(utricis) (centurioni) leg(ionis) 7 Vell., Historiarum Libri Duo, 113. IIII Fl(aviae) coh(ortis) V / hast(ato) post(eriori) 8 Wilkes 1969, 473; Alföldy 1987, 251. 268 f. 286 Kat. stip(endiorum) LV / vixit annis LXXXV / M(arcus) 11/1‒4. Herennnius Helius / libertus et heres / patrono b(ene) 9 Cambi 1994; Spaul 2000, 431; Cambi u. a. 2007, 27 f.; m(erenti) f(aciendum) c(uravit) / h(oc) m(onumentum) Matijević 2009; Miletić 2010; Kurilić – Serventi 2015. h(eredem) n(on) s(equitur) 10 Dieser Grabstein befindet sich im archäologischen 11 Über Akkulturation in der Antike siehe: Bloemers Museum in Zagreb, Inv. 369. D(is) M(anibus) / 1989, 178. M(arco) Herennio / Tromentina Valenti / Salona 12 Cambi 1994, 171 f.; Matijević 2009, 38. evocato / leg(ionis) XI Cl(audiae) (centurioni)
134 Mirjana Sanader – Domagoj Tončinić Alter von fünfzig Jahren und insgesamt 24 Jahren schen Bogenschützen, auch wenn sie als Teil einer im Einsatz. Heras (Kat. 2) starb im gleichen Alter Massenproduktion in der berühmten tilurischen nach 22 Jahren im Dienst, während der Bogen- Steinmetzwerkstatt entstanden waren, beson- schütze, dessen Name nicht erhalten ist (Kat. 3), dere Bildinhalte besaßen, die sie eindeutig einer auch mit fünfzig Jahren starb und wahrscheinlich bestimmten Gruppe von Soldaten zuordneten15. 25 Jahre im Dienst war. Stieu (Kat. 4) starb sehr In Bezug auf die Grabmäler der Kohorten-Sol- jung, er wurde nur dreißig Jahre alt, und seine daten ist weiterhin festzustellen, dass, ausgenom- Dienstjahre bleiben uns vorenthalten. men Kat. 5, 8 und 10, alle Grabstelen zum soge- Während sich diese Informationen über Alter nannten Türstelentypus gehören, der ein Marken- und Dienstjahre syrischer Bogenschützen nicht zeichen der eben erwähnten tilurischen Steinmetz- von den üblichen militärischen Daten abheben, werkstatt war16 In der Regel sind cyrrhestische sind die Angaben drei weiterer syrischer Bogen- Bogenschützen-Türstelen aus einem Giebel mit schützen hingegen eher überraschend. Alle drei Rosette als Schmuck, zwei seitlichen Akroteren, nämlich waren zum Zeitpunkt ihres Ablebens noch profilgerahmten Inschriftenfeldern und dem Türre- aktive Soldaten, aber hinsichtlich ihres Alters und lief zusammengesetzt. Das Türrelief hat vier bezie- ihrer Dienstjahre übertrafen sie die eben genann- hungsweise zwei profiliert gerahmte Kassetten. Im ten um einiges. So erfährt man, dass M(arcus) ersten Fall sind in den beiden unteren Kassetten Pytha (Kat. 5), 60 Jahre gelebt hat und 35 Jahre im Waffenbilder angebracht: rechts Bogen, links zwei Militär diente. C(aius) Iulius Theodorus (Kat. 6) Pfeile. In den beiden oberen Kassetten befinden erlebte 65 Jahre und diente gar 42 Jahre. C(aius) sich Türklopfer. Im zweiten Fall sind in einer Kas- Iulius Andromachus (Kat. 7) war zum Zeitpunkt sette Köcher, und in der anderen Pfeile dargestellt. des Todes 60 Jahre alt und hatte 40 Jahre Militär- Außerhalb des Adriaraums sind Türstelen in der dienst hinter sich. frühen Kaiserzeit hauptsächlich in Phrygien zu fin- Die Bogenschützen der Cohors II Cyrrhestarum den und sonst selten anzutreffen17. Unsere Disziplin sagittaria befanden sich also in einer Umgebung, hat diesem Thema im Laufe der Zeit viel Interesse in der sie, wie wir es eben gezeigt haben, freiwil- entgegengebracht und entsprechend wurde in der lig oder nicht, jahrzehntelang geblieben waren. Fachliteratur viel darüber diskutiert. Dies gilt vor Es ist immer noch unklar, warum Soldaten viele allem für die Frage der symbolischen Natur ihrer Jahre, Jahrzehnte sogar, länger als vorgeschrieben Darstellungen18. So hat man zum Beispiel vorge- im Einsatz blieben. Werner Eck meint dazu, dass schlagen, dass die Tür als Zugang zu einer Grab- man die Legionäre zum 30- oder 40-jährigen Hee- kammer betrachtet werden könne oder aber als Tor resdienst aus finanziellen Gründen »gezwungen« zur Unterwelt. Andere wiederum stellen das Motiv habe, während Cambi glaubt, dass sie aus eigenem der Tür in einen symbolischen Zusammenhang mit Willen geblieben wären, nachdem allerdings die einem Haushalt beziehungsweise einer Familie19. Kommandeure die Notwendigkeit der Verlänge- Željko Miletić teilt die Meinung Cambis, rung ihres Dienstes geäußert hätten13. wonach es sich bei den Darstellungen von Orienta- In dieser komplexen Situation konnte eine kol- len, Barbaren, Löwen, Blitzen, Bögen und Köcher lektive Identität durch die besondere Qualifikation für Pfeile an Türstelen, ebenso wie auch an Frie- (Bogenschießen) und durch das Selbstbewusstsein sen, die in ihrer Ikonographie meistens Waffen und (das Bedürfnis des Staates nach diesen Qualifikati- Militärausrüstung aufgreifen, ausschließlich um onen) erreicht werden. Dank dieser Eigenschaften, Symbole aus dem Repertoire der militärischen Vir- durch die man sich deutlich vom Rest der Umge- tus handelt, und dass sie nichts mit der Religion der bung unterschied, entfalteten sie ein Gefühl der Soldaten oder mit ihrer Herkunft zu tun haben20. Zugehörigkeit zu ihrer Eliteeinheit14. So kann man Obwohl auch wir dieser Meinung zustimmen, die Tatsache erklären, dass die Grabsteine der syri- wonach die meisten Motive an diesen Denkmälern 13 17 Eck 1998, 86; Cambi 1994, 160. Hensch 2015, 54; diese Arbeit beinhaltet eine 14 Freigang 1997. aufschlussreiche Bibliographie über Türstelen. 15 18 Cambi meint, dass Grabstelen der Cohors II Cyrrhes- Cambi 2003. tarum sagittaria in der tilurischen Steinmetzwerkstatt 19 Cambi 2003; Roosevelt 2006; Tončinić 2011. enstanden sind; siehe dazu Cambi 1994, 169 f. 20 Cambi 2003; Miletić 2015. 16 Eine umfangreiche Bibliographie über die Steinmetz- werkstatt aus Tilurium bei Tončinić 2011.
Grabdenkmäler der Cohors II Cyrrhestarum sagittaria 135 eine symbolische Bedeutung der militärischen Vir- soll darüber hinaus unter kollektiver Identität auch tus haben, möchten wir bei dieser Gelegenheit eine ein andauerndes Bewusstsein der Zugehörigkeit weitere Interpretation vorschlagen. zur gleichen sozialen Gruppe verstanden werden21. Die Waffendarstellungen und Abbildungen Daher verstehen wir auch Bögen, Köcher und militärischer Gegenstände, die ebenfalls auf Grab- Pfeile als spezifische Merkmale der Zugehörigkeit stelen verzeichnet sind, lassen sich als Selbstdar- zu einer kollektiven Identität. stellungen der Verstorbenen deuten. Die verstorbe- Zum Schluss bleibt festzuhalten, dass wir nen Soldaten der Cohors II Cyrrhestarum sagitta- anhand des vorgestellten archäologischen Mate- ria haben nach unserer Meinung, durch die ikono- rials aufzeigen konnten, inwiefern die syrischen graphischen Details Köcher, Pfeil, und Bogen ihr Bogenschützen in der Provinz Dalmatien ihre Erin- Bedürfnis nach Selbstdarstellung verwirklicht. Sie nerungskultur durch völlig neu inszenierte Bildin- besaßen ein ausgeprägtes Zugehörigkeitsgefühl zu halte zum Ausdruck brachten. Ihre Symbole haben dieser Einheit. Zudem haben die syrischen Bogen- sich im Laufe der Zeit, während ihres mehrere schützen durch diese Darstellungen ihre kollektive Dekaden umfassenden Militärdienstes, gar nicht Identität zur Geltung gebracht (sie teilten die glei- verändert: sowohl am Anfang als auch am Ende che geographische Herkunft beziehungsweise – um ihres Dienstes in Dalmatien blieben Bögen, Köcher es mit modernen Syntagma zu sagen – das gleiche und Pfeile Repräsentationsformen ihrer kollektiven Heimatland). Diese Grabdenkmäler haben auch Identität. Diese gemeinsame Identität kann, dank Inschriften, die eine epigraphische Komponente des außerordentlich passenden Mediums, wie es in darstellen (syrische Herkunft/domus) und mit der Form der Grabsteine gegeben ist, als ein wichtiges, man die kollektive Identität der Verstorbenen deut- integrales Element der antiken Erinnerungskultur lich bestätigen kann. In diesem Zusammenhang angesehen werden. Abkürzungen EDCS LUPA Epigraphik-Datenbank Clauss / Slaby. EDCS= (20.01.2021) HD Epigraphische Datenbank Heidelberg = (20.01.2021) Bibliographie Abdul Massih 2006/2007 Abdul Massih u. a. 2009 J. Abdul Massih, Evaluation de l’état général du J. Abdul Massih – Ch. Benech – M. Gelin, First site archéologique de Cyrrhus-Nebi Houri, Annales Results on the City Planning of Cyrrhus (Syria), Archéologiques de Syrie 49/50, 2006/2007, 45–59 ArcheoSciences, revue d’archeometrie, 33. suppl. 2009, 201–203; (18.01.2021) J. Abdul Massih, La fortification polygonale et les mosaïques d’une maison romaine à Cyrrhus, Syria Archéologie, art et histoire 86, 2009, 289–306 21 Schmidtke 1996, 24.
136 Mirjana Sanader – Domagoj Tončinić Alföldy 1987 Grainger 2018 G. Alföldy, Die Auxiliartruppen in der Provinz Dal- J. D. Grainger, Syrian Influence in the Roman Empire to matien, in: G. Alföldi, Römische Heeresgeschichte. AD 300 (London 2018) Beiträge 1962–1985. MAVORS Roman Army Hensch 2015 Researches 3 (Amsterdam 1987) 239–297 R. Hensch, Inschriften aus einer Notgrabung in Durres, Andrade 2013 AA 2015/2, 2015, 45–75 N. J. Andrade, Syrian Identity in the Greco-Roman Ivčević 2013 World (Cambridge 2013) S. Ivčević, Roman Military Gear Depicted on Grave Betz 1954–1957 Monuments from the Archaeological Museum in Split, A. Betz, Neue Inschriften aus dem römischen Dalma- in: N. Cambi (Hrsg.), Sepulkralna skulptura zapadnog tien, Vjesnik za arheologiju i historiju dalmatinsku Ilirika i susjednih oblasti u doba Rimskog Carstva. (Split 56–59, 1954–1957, 82–87 2013) 443–479 Bloemers 1989 Kubitschek 1924 J. H. F. Bloemers, Acculturation in the Rhine-Meuse W. Kubitschek, Dalmatische Notizen, in: M. Abramić Basin in the Roman Period. Some Demographical Con- u. a. (Hrsg.), Strena Buliciana (Zagreb – Split 1924) siderations, in: J. C. Barrat – A. P. Fritzpatrick – L. Mac- 209–219 innes (Hrsg.), Barbarians and Romans in North-West Kurilić – Serventi 2015 Europe. From Later Republic to Late Antiquity (Oxford A.Kurilić – Z. Serventi, Buried Far Away. Easterners in 1989) 175–197 Roman Liburnia, Annales Universitatis Apulensis. Series Bulić 1880 historica 19, 2015, 13–36 F. Bulić, Iscrizioni inedite, Bullettino di archeologia e Marun 1998 storia dalmata 3/12, 1880, 177 f. L. Marun, Starinarski dnevnici (Split 1998) Bulić 1900 Maršić 2016 F. Bulić, Iscrizioni inedite, Bullettino di archeologia e D. Maršić, Portretna stela iz crteža Rafaela Martinija i storia dalmata 23, 1900, 9 f. njezina grupa, Tusculum 9, 2016, 13–32 Cambi 1994 Matijević 2009 N. Cambi, Stele iz kasnoantičke grobnice u Dugopolju, I. Matijević, Dva neobjavljena natpisa Druge kohorte Vjesnik za arheologiju i historiju dalmatinsku 86 (Split Kiresta iz Dalmacije, Diador Matijević 2009 a 23, 2009, 1994) 147–181 35–43 Cambi 2003 Medini 1984 N. Cambi, Attis or Someone Else on Funerary Monu- J. Medini, Spomenici s Atisovim likom na području ments from Croatia?, in: P. Noelke – F. Naumann-Steck- sinjske krajine, Cetinska krajina od prethistorije do ner – B. Schneider (Hrsg.), Romanisation und Resistenz dolaska Turaka, Izdanja HAD-a 8 (Split 1984) 107–127 in Plastik, Architektur und Inschriften der Provinzen des Imperium Romanum. Neue Funde und Forschungen. Miletić 2010 Akten des VII. Internationalen Colloquiums über Prob- Ž. Miletić, Burnum – vojničko središte provincije Dal- leme des provinzialrömischen Kunstschaffens, Köln, 2. macije, in: I. Radman-Livaja (Hrsg.), Nalazi rimske bis 6. Mai 2001 (Mainz 2003) 511–520 vojne opreme u Hrvatskoj (Zagreb 2010) 130 f. 134 Cambi u. a. 2007 Miletić 2015 N. Cambi – M. Glavičić – D. Maršić – Ž. Miletić – Ž. Miletić, Identification of Oriental Figures Depicted on J. Zaninović, Vojska u Burnumu. L’esercito romano a Military Stelae from a Tilurium Workshop, in: A Niko- Burnum (Drniš 2007) loska – S. Müskens (Hrsg.), Romanizing Oriental Gods? Religious Transformations in the Balkan Provinces in Eck 1998 the Roman Period. New Finds and Novel Perspectives. W. Eck, Augustus und seine Zeit (München 1998) International Symposium Skopje, 18.–21. September Freigang 1997 2013 (Skopje 2015) 357–370 Y. Freigang, Die Grabmäler der Gallo-römischen Kultur Rinaldi Tufi 1971 im Moselland. Studien zur Selbstdarstellung einer S. Rinaldi Tufi, Stele funerarie con ritratti di eta romana Gesellschaft, RGZM 44, 1997, 277–440 nel Museo Archeologico di Spalato. Saggio di una tipo- Frezouls 1978 logia strutturale (Rom 1971) E. Frezouls, Cyrrhus et la Cyrrhestique jusqu’à la fin du Schmidtke 1996 Haut-Empire, ANRW II (Berlin 1978) 164–197 O. Schmidtke, Politics of Identity. Ethnicity, Territories, and the Political Opportunity Structure in Modern Italian Society (Sinzheim 1996)
Grabdenkmäler der Cohors II Cyrrhestarum sagittaria 137 Spaul 2000 Tončinić 2011 J. Spaul, The Evidence for and a Short History of D. Tončinić, Spomenici VII. legije na području rimske the Auxiliary Units of the Imperial Roman Army, provincije Dalmacije (Split 2011) BARIntSer 841 (Oxford 2000) Tončinić – Ivčević 2013 Suić 1970 D. Tončinić – S. Ivčević, Das Projekt Tilurium – Waf- M. Suić, Noviji natpisi iz Burnuma, Diadora 5, 1970, fendarstellungen auf Grabstelen aus Tilurium, in: 93–130 M. Sanader – A. Rendić-Miočević – D. Tončinić – I. Radman-Livaja (Hrsg.), Rimska vojna oprema u Roosevelt 2006 pogrebnom kontekstu (Zagreb 2013) 493–516 C. H. Roosevelt, Symbolic Door Stelae and Grave- side Monuments in Western Anatolia, AJA 110/1, 2006, Wilkes 1969 65–91 J. J. Wilkes, Dalmatia (London 1969) Abbildungsnachweis Abb. 1 LUPA 20690-3 Abb. 4 LUPA 23232 Abb. 2 a. LUPA 22868-1 – b. LUPA 22868-3 Abb. 5–9 Fotos: Tonči Sesar Abb. 3 a. LUPA 23270 – b. LUPA 23270-2 Abb. 10 LUPA 24641-1 Adressen Mirjana Sanader Domagoj Tončinić Universität Zagreb, Philosophische Fakultät, Institut für Archäologie Ivana Lučića 3 10000 Zagreb Kroatien msanader@ffzg.hr dtoncinic@ffzg.hr
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