Aktionsplan für ein ausgewogenes Zusammenleben von Mensch und Wolf in der Wallonie
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Vom Öffentlichen Dienst der Wallonie finanziertes Projekt. Ko- ordiniert von der Abteilung Natur und Forstwesen (DNF) und der DEMNA (ÖDW- ARNE). Verfasst von Vinciane Schockert (Uni- versität Lüttich), in Zusammenarbeit mit Violaine Fichefet und Alain Licoppe (DEMNA). Die Autoren möchten allen danken, die an der Korrektur dieses Dokuments mitgewirkt und zu seiner Verbesserung beigetragen haben, insbesondere Hubert Bedoret (Natagriwal), Mathieu Halford (Natagriwal), Sandrine Liégeois (Kabinett der Ministerin Tellier), Xa- vier Rollin (DNF), Tomy Tchatchou (DNF), Jean-Philippe Bizoux (DNF) und Madison Warnier (Studentin bei der DEMNA). Unser Dank gilt auch den Mitgliedern des Netzwerks Wolf, den vor der Ausarbeitung des Plans konsultierten Experten und den Inte- ressenvertretern, die mit ihren komplementären Sichtweisen zur Reflexion beigetragen und den Entwurf des Aktionsplans richtungs- weisend begleitet haben, sowie den Organisationen, die uns in der Konsultationsphase des Plans konstruktive Beratung haben zukom- men lassen . Zitieren dieses Dokuments: Schockert V., Fichefet V., Licoppe A. (2020). Aktionsplan für ein ausgewogenes Zusammenleben von Mensch und Wolf in der Wallonie. SPW ARNE, 64 S.
Der Wolf ist zurück! tern, aber auch Wildtiermanagern, wünschte ich mir, dass geeignete Maßnahmen zur För- Obwohl sie auch Ängste hervorrufen kann, derung einer friedlichen Koexistenz mit dem ist dies vor allem eine gute Nachricht, denn Wolf ergriffen werden. Der vorliegende Akti- sie zeigt, dass eine Tierart nach langer Ab- onsplan fasst diese Maßnahmen zusammen. wesenheit neue Populationen aufbauen und wieder heimisch werden kann. Eine solche Er ist das Ergebnis einer umfangreichen natürliche Rückkehr ist ein seltenes und da- Zusammenarbeit zwischen verschiedenen mit bemerkenswertes Phänomen. öffentlichen Stellen (ÖDW ARNE) und Exper- ten, denen mein Dank gilt. Darüber hinaus In den Ökosystemen nimmt der Wolf einen wurde er den Vertretern der am stärksten besonderen Platz ein: Als Raubtier potenziell betroffenen Gruppen zur Konsultation vor- recht großer Beutetiere steht er an der Spitze gelegt. Dieser erste Wolfsplan zielt darauf der Nahrungspyramide. Seit Jahrzehnten ha- ab, die wieder in unserer Region heimisch ben sich keine Beutegreifer dieses Ausmaßes werdenden Tiere zu schützen, und zugleich mehr in unseren Naturräumen niedergelas- die von der Wolfspräsenz betroffenen Her- sen. Wir sind daher eine solche Konkurrenz den- und Wildtiermanager zu unterstützen. nicht mehr gewöhnt, was unsere Ängste und Der Plan erstreckt sich auf den Zeitraum Befürchtungen angesichts dieser Nachricht 2020-2025, und kann entsprechend den in erklären könnte. diesem Zeitraum gewonnenen Erkenntnissen angepasst werden. Somit müssen wir neu lernen, mit dem Wolf zusammenzuleben, der sich nach seiner Aus- Ich hoffe, dass dieser Aktionsplan sowie alle rottung durch den Menschen sein früheres vom Wallonischen Netzwerk Wolf erstellten Verbreitungsgebiet zurückerobert und in und verbreiteten Informationen Antworten den kommenden Jahren und Jahrzehnten zu- auf Ihre Fragen geben, Ihnen ein besseres nehmend präsent sein könnte. Dieser Rück- Verständnis dieser geschützten Tierart er- kehrprozess bleibt indes fragil, ganz wie die möglichen und Ihnen Lust darauf machen, Rudel, die vielleicht bei uns gebildet werden. zu ihrer Erhaltung beizutragen. Dies erinnert daran, dass der Schutzstatus der Tierart voll und ganz gerechtfertigt ist. Céline Tellier Im Bewusstsein des Risikos örtlich proble- Ministerin für Umwelt und Natur, matischer Situationen und einer schwierigen Forstwirtschaft, den ländlichen Raum Akzeptanz insbesondere seitens Herdenhal- und Tierschutz
2 AKTIONSPLAN FÜR EIN AUSGEWOGENES ZUSAMMENLEBEN VON MENSCH UND WOLF IN DER WALLONIE - JUNI 2020 Wolfsfährte im Schnee, Februar 2020.
3 Inhalt TEIL I: KONTEXT, STATUS, Handlungsziel 3. Unterstützung des ÖKOLOGIE ... Herdenschutzes durch die Umsetzung geeigneter Präventions- und A. Einleitung 6 Entschädigungsmaßnahmen 37 B. Geografische Verbreitung Maßnahme 3.1. Unterstützung des des Wolfs in Europa 7 Herdenschutzes über die Bereitstellung von C. Ernährung des Wolfs 8 Sofortschutzkits 37 D. Lebensraum, Aktionsraum und Revier 10 Maßnahme 3.2. Unterstützung bei E. Demografische Artmerkmale 13 der Umsetzung dauerhafter F. Fortbewegung 13 Schutzmaßnahmen 38 G. Schutzstatus 14 Maßnahme 3.3. Erweiterung der G.1. Rechtlicher Status 14 Möglichkeiten für einen fairen Ausgleich G.2. Rote Liste 16 der entstandenen Schäden 40 H. Natürliche und anthropogene Belastungen Maßnahme 3.4. Wissenschaftliches und Bedrohungen 19 Monitoring geeigneter Schutzmaßnahmen 42 Maßnahme 3.5. Dokumentation von TEIL II: AKTIONSPLAN Hundeangriffen auf Schafherden, um einen Handlungsziel 1: Monitoring der Präsenz und Überblick über die Situation vor Ankunft des Etablierung von Wölfen in der Wallonie 25 Wolfs zu erhalten 43 Maßnahme 1.1. Organisation der Erhebung Handlungsziel 4. Sensibilisierung von Daten zur Wolfspräsenz in der Wallonie verschiedener Zielgruppen 44 und deren Validierung 25 Maßnahme 4.1. Sensibilisierung der Akteure Maßnahme 1.2. Genetische Bestätigung der des ländlichen Raums für die positive Rolle, gesammelten Proben 27 die sie bei der Erhaltung des Wolfs in der Maßnahme 1.3. Versorgung verendeter, Wallonie spielen können 44 verletzter oder kranker Wölfe 29 Maßnahme 4.2. Sensibilisierung der Maßnahme 1. 4. Bewertung des Öffentlichkeit für die Präsenz von Wölfen in Gesundheitsrisikos, das von in die Wallonie der Wallonie 46 eingewanderten Wölfen ausgeht 30 Maßnahme 4.3. Förderung des Maßnahme 1.5. Proaktives Monitoring Bekanntheitsgrads des Aktionsplans und von Wölfen in Gebieten mit erwiesenem Information über seine Umsetzung 48 Vorkommen 31 Handlungsziel 2: Wolfsschutz und Management ANHÄNGE potenzieller Problemsituationen 32 Anhang 1. Entwicklung der Entnahmen von Maßnahme 2.1. Verstärkter Schutz etablierter Rotwild, Rehwild und Wildschweinen in der Individuen insbesondere während der Wallonie zwischen 1974 und 2016 53 Reproduktionszeit 32 Anhang 2. Herdenschutzmaßnahmen 54 Maßnahme 2.2. Management wolfsbedingter Anhang 3. Einstufungskategorien für Hinweise Problemsituationen 34 auf Wolfspräsenz 61 Anhang 4. Glossar 62 Anhang 5. Literaturverzeichnis 63
4 AKTIONSPLAN FÜR EIN AUSGEWOGENES ZUSAMMENLEBEN VON MENSCH UND WOLF IN DER WALLONIE - JUNI 2020 Von Angesicht zu Angesicht mit Akela, einem Rüden aus der deutsch-polnischen Population, Hohes Venn, Februar 2019.
6 AKTIONSPLAN FÜR EIN AUSGEWOGENES ZUSAMMENLEBEN VON MENSCH UND WOLF IN DER WALLONIE - JUNI 2020 A EINLEITUNG nachweislich einen Knotenpunkt zwischen den beiden wichtigsten europäischen Wolfs- Nachdem der Wolf in weiten Teilen West- linien dar. europas kurz vor dem Aussterben stand, setz- te vor rund dreißig Jahren eine natürliche Angesichts der in den Nachbarregionen zu Rekolonisierung Europas aus Reliktpopula- beobachtenden Dynamik muss sich die Wal- tionen ein, die hauptsächlich in Polen und lonie auf die Ankunft weiterer Wölfe und die Italien lebten. Verschiedene Faktoren wie die Bildung eines oder mehrerer Rudel in den Landflucht, die Zunahme der Waldflächen kommenden Jahren einstellen. Rudelbildun- und wilden Huftierpopulationen und der neu gen erfolgen in der Regel vier bis fünf Jahre eingeführte internationale Schutzstatus des nach Ankunft der ersten Einzeltiere. Wolfs haben ihrerseits dazu beigetragen, den Bestandsrückgang aufzuhalten und die natür- Während das starke ‚Comeback‘ der großen liche Rekolonisierung Europas zu fördern [1]. Fleischfresser oft als positiver Einfluss auf das Gleichgewicht der Ökosysteme wahrge- Die geografische Verteilung der von der Ver- nommen wird [2], birgt es auch Konfliktpoten- folgung verschonten Populationen hat zur zial. Bedrohungen zeichnen sich im Hinblick Ausbildung von zwei sehr unterschiedlichen auf die Wolfskonkurrenz zu menschlichen natürlichen Rekolonisierungswegen geführt, Aktivitäten wie vor allem die Viehzucht und die Belgien allmählich umringen: dem der Jagd ab, aber auch aufgrund von Ängsten, die französischen Abstammungslinie im Süden seine Präsenz in unmittelbarer Nähe der Be- („italienisch-alpine Population“) und dem der völkerung auslöst. deutsch-polnischen Population im Osten und Nordosten. Das am Knotenpunkt dieser bei- Vor diesem Hintergrund wurden im Vorfeld den Ausbreitungswege gelegene Belgien zählt des vorliegenden Aktionsplans mehrere Ge- zu den letzten westeuropäischen Ländern, in spräche mit potenziellen Partnern geführt denen der Wolf wieder heimisch wird. und zahlreiche bibliografische Referenzen sowie Aktionspläne aus benachbarten Regio- Angesichts der beeindruckenden Distanzen, nen und Ländern studiert, insbesondere aus die Wölfe in der Phase der Abwanderung Flandern [3], Frankreich [4, 5], den Niederlan- vom Rudel (Dispersion) zurücklegen können, den [6, 7] und dem Großherzogtum Luxemburg der bedeutenden Verbreitung der französi- [8] . schen und deutschen Populationen und der Sichtungen in nur wenigen Kilometern Ent- Der Planentwurf wurde den Partnern, die fernung von unseren Grenzen (Luxemburg, die verschiedenen Interessengruppen ver- Niederlande, Flandern etc.) war mit der treten, zur Konsultation vorgelegt – für die Ankunft von Individuen in der Wallonie zu Viehzucht: dem Wallonischen Landwirt- rechnen. Diese unmittelbar bevorstehende schaftsverband FWA, dem Erzeugerkollegium Rückkehr hat zur Schaffung eines „Netzwerks (SoCoPro) und Fugea; für die ländlichen Wolf“ im Frühjahr 2017 geführt, einer Exper- Grundbesitzer: NTF und der Königlichen tengruppe, die unter der Koordination der Forstgesellschaft; für die Jägerschaft: dem DEMNA mit dem systematischen Monitoring Königlichen Sankt-Hubertus-Club von Bel- des Wolfs beauftragt wurde. gien und dem Großwildjagdverband FCGGB; für die Naturschutzverbände: dem WWF, Nach Prüfung von 520 Berichten über Ver- Natagora, dem Naturforscherverband Cercle dachtsfälle zwischen März 2017 und Mai des Naturalistes de Belgique und dem Um- 2020, wird von der Präsenz von 8 verschiede- weltschutzbund Inter-Environnement Wal- nen Wölfen ausgegangen. Zwei dieser Tiere, lonie; für Wolfsspezialisten: der Plattform von denen eines der deutsch-polnischen und Großraubtiere und der Natagora-Arbeits- das andere der italienisch-alpinen Linie an- gruppe Wolf; für Gesundheitsaspekte: dem gehört, scheinen in einem Gebiet sesshaft Tierarztverband UPV; für andere Akteure des geworden zu sei. Damit stellt die Wallonie ländlichen Raums: Faune et Biotope, Natag-
7 riwal, Forêts et Naturalité, dem Verband der B GEOGRAFISCHE VERBREITUNG Naturparks der Wallonie, dem Städte- und DES WOLFS IN EUROPA Gemeindeverband der Wallonie und dem Verteidigungsministerium. In Europa wurden 2019 über 17.000 Indivi- duen erfasst, die sich auf neun Populationen Auch der Naturabteilung des Pôle Ruralité verteilen [9]. wurde der Planentwurf vorgelegt. Relativ beeindruckend verläuft die Entwick- Der vorliegende Aktionsplan schlägt für lung der Wolfspopulation in Deutschland. einen Fünfjahreszeitraum (2020-2025) prio- Nachdem im Jahr 2000 erste Wölfe aus Polen ritäre Maßnahmen für eine Rückkehr des zurückkehrten, wurden Ende 2019 in die- Wolfs in die Wallonie unter möglichst güns- sem Land 105 Rudel und 25 Paare gezählt [10]. tigen Bedingungen für die Koexistenz mit Während die Rekolonisierung etwas später dem Menschen auf mittlere Sicht vor. Dieser einsetzte als in Frankreich (1992), scheinen Plan kann gegebenenfalls vor seinem Ablauf der Verbreitung des Raubtiers dort weniger an die Verbreitung des Wolfs in der Wallonie Hindernisse entgegenzustehen als beim fran- und sein Verhalten angepasst werden. zösischen Nachbarn. Im Vergleich zu Frank- reich wurden in Deutschland bislang auch nur selten Individuen entnommen. Diese deutsch-polnische Population, die auch als Erster Schnappschuss des seit über 100 Jahren ersten standorttreuen Wolfs in der Wallonie, Hohes Venn, 28. Juni 2018. Das Foto entstand bei einem Hirsch- Monitoring in Zusammenarbeit mit dem Jagdrat Hohes Venn – Eifel.
8 AKTIONSPLAN FÜR EIN AUSGEWOGENES ZUSAMMENLEBEN VON MENSCH UND WOLF IN DER WALLONIE - JUNI 2020 mitteleuropäische Flachlandpopulation be- im Dezember 2019 bei Leopoldsburg [12] ent- zeichnet wird, stellt zweifellos eine mögliche deckt, paarte sich mit dem dort noch leben- Quellpopulation für die Besiedlung weiter den Rüden und brachte im Frühjahr 2020 den westlich gelegener Regionen einschließlich ersten belgischen Wurf zur Welt. Flanderns und der Wallonie dar. Ende 2019 lebten die geografisch nächsten Rudel in In Wallonien wurde die Präsenz von acht Niedersachsen (wo aktuell 21 Rudel + 6 Paare verschiedenen Wölfen zwischen August 2016 erfasst sind) und in Bremen, etwa 300 bis 400 und Mai 2020 vom Netzwerk Wolf bestätigt: km von der Wallonie entfernt. • 1 Individuum auf dem Plateau des Tailles im August 2016, deutsch-polnische Popula- Aus der Bilanz des französischen Wolfsplans, tion die am Ende des Winters 2018-2019 durchge- • 1 Rüde im Hohen Venn im Juni 2018, führt wurde, ergibt sich ein kontinuierlicher deutsch-polnische Population, „Akela“ Anstieg der Population seit 1996 auf rund • 1 Rüde im Hohen Venn im März 2019, 530 Individuen in 92 Gebieten mit ständiger deutsch-polnische Population Wolfspräsenz und knapp 80 Rudeln [11]. Diese • 1 Rüde nördlich des Walds von Anlier Entwicklung vollzieht sich trotz Entnahmen, (Ebly) im Mai 2019, italienisch-alpine Popu- die in den letzten Jahren im Übrigen ver- lation stärkt erfolgt sind (für 2019 waren 90 Wölfe • 1 Rüde im Hohen Venn (Malmédy) im Janu- vorgesehen). Die französische oder „ita- ar 2020, italienisch-alpine Population lienisch-alpine“ Population stellt somit die • 1 Rüde im Süden des Hohen Venns (Büt- zweite Population in der Nähe der Wallonie genbach) im Januar 2020, italienisch-alpine dar, aus der regelmäßig Wölfe einwandern Population könnten. Die nächstgelegenen Präsenzgebie- • 1 Fähe in der Gemeinde Weismes im Januar te befinden sich in der französischen Region 2020, deutsch-polnische Population Grand Est (Lothringen und Vogesen), in der • Individuum in der Gemeinde Rochefort im sich zwei Gebiete mit ständiger Wolfspräsenz April 2020, deutsch-polnische Population. befinden, wenngleich dort 2019 keine Rudel bestätigt wurden. Erwähnenswert sind auch zwei fotografisch bestätigte Sichtungen im Condroz in Have- In den Niederlanden wurden in den letzten lange im August 2019 und in Assesse im Feb- Jahren in verschiedenen Provinzen zahlrei- ruar 2020, wobei sich nicht feststellen lässt, che Wölfe gesichtet, die aus der deutschen ob es sich um ein oder mehrere Tiere handelt Population abgewandert waren. Der erste und ob sie bereits genetisch erfasst sind. Wurf des im Jahr 2018 standorttreu geworde- nen Paares wurde im Frühjahr 2019 geboren und zählt fünf Welpen. C ERNÄHRUNG DES WOLFS Im Großherzogtum Luxemburg sorgten zwei Der Wolf ist ein opportunistischer Beutegrei- episodische Meldungen von Wölfen 2017 und fer, der seine Ernährung im Allgemeinen an 2018 sowie eine im Frühjahr 2020 für Schlag- die verfügbare Beute und deren Vorkommen zeilen. in seinem Habitat anpasst. In Flandern schließlich ließ sich 2018 ein Er ist zweifellos der wichtigste Fressfeind Wolfspaar im Militärlager Leopoldsburg in von (wilden wie domestizierten) Huftieren der Provinz Limburg nieder. Das Weibchen auf der Nordhalbkugel, kann sich aber auch wurde illegal getötet. Ein drittes Tier wurde von kleineren Beutetieren wie Hasen, Nage- 2018 in Opoeteren, mitten in der Dispersions- tieren etc. ernähren und seinen Speisezettel phase, von einem Fahrzeug getötet (INBO um Amphibien, Insekten und sogar Obst er- 2018). Diese drei Individuen stammen gene- gänzen. Es kann sich auch an Aas von Tieren tisch aus der deutsch-polnischen Linie. Eine bedienen, die er gegebenenfalls nicht selbst weitere Fähe aus derselben Population wurde erbeutet hat.
9 Ständige Präsenz Gelegentliches Vorkommen Skandinavien und Mitteleuropa: > 90 % wilde Huftiere Huftiere Erbeutete Nutztiere Andere Beutetiere (Hase, Biber etc.) Barja, 2009 Torres et al., 2015 Merrigi et al., 2011. Analyse von 20 Studien Merrigi et al., 2011 Merrigi et al., 2011 ABBILDUNG 1. Variabilität der Ernährung des Wolfs in Europa. Quelle: LCIE [13]
10 AKTIONSPLAN FÜR EIN AUSGEWOGENES ZUSAMMENLEBEN VON MENSCH UND WOLF IN DER WALLONIE - JUNI 2020 Der tägliche Verbrauch eines Wolfs beläuft te und große offene Flächen vom Typ „Gras- sich im Durchschnitt auf ein bis zwei Kilo rei- land“ nutzen, solange ein ausreichendes Nah- nes Fleisch bzw. vier bis fünf Kilo Tierkörper rungsangebot vorhanden ist. Da der Räuber einschließlich Knochen, Haaren usw. jedoch auf ruhige Unterschlupfmöglichkei- ten angewiesen ist, stellen Waldgebiete be- Wie aus Abbildung 1 hervorgeht, ist der sonders einladende Lebensräume für diese Anteil von Nutz- und Wildtieren in der Nah- Art dar [22]. rung des Wolfs sehr variabel und hängt oft mit dem Revierkontext zusammen [13]. In Bestimmte Gebiete werden innerhalb eines Mittel- und Osteuropa besteht die Nahrung Reviers begünstigt, insbesondere wenn sie zu 99 % aus wildlebenden Beutetieren [14, den Jagderfolg beeinflussen [23]. Waldschläge 15] , während in Südeuropa der Anteil der als oder andere offene Flächen, Jungwälder, Nutztiere gehaltenen Huftiere weitaus höher Steilhänge etc. scheinen natürlich günstiger liegt. In Frankreich kann dieser Anteil in be- zu sein als Gebiete mit einem dichten Stra- stimmten Alpengebieten oder bei einzelnen ßennetz oder Ballungsräume [24]. Rudeln über 50 % der Wolfsbeute erreichen, allerdings in einem weidewirtschaftlichen Reproduktionsstandorte (Wurfhöhlen) wer- Kontext, der sich von dem unserem stark den meist in Naturgebieten gewählt, die für unterscheidet [16]. Im bevölkerungsreichen den Menschen schwer zugänglich sind und Zentralportugal bestehen über 90 % der Nah- in denen eine möglichst optimale Störungs- rung aus gerissenen Nutztieren [17]. Dieser freiheit sowie die Nähe zu einer Wasserquelle Druck auf die Weidewirtschaft erschwert die gegeben sind [25]. Koexistenz mit dem Wolf in bestimmten Re- gionen Europas. Ob die Wallonische Region als Lebensraum für diese Art theoretisch tragfähig ist, lässt Freilich wird ein isolierter Wolf eher kleinere sich kaum abschätzen, da bis Mai 2020 nur Beutetiere (wie Rehe, Frischlinge, Hirschkäl- wenige wandernde oder allmählich sesshaft ber etc.) oder geschwächte Tiere (alte Hirsch- werdende Individuen beobachtet wurden. kühe) angreifen. Da Wälder, die viele Rückzugs-/Unterschlupf- möglichkeiten bieten, 30 % der wallonischen Fläche bedecken, darf davon ausgegangen D LEBENSRAUM, AKTIONSRAUM werden, dass die ökologischen Anforderun- gen des Wolfs hier erfüllt werden können. UND REVIER Dieser Anteil ist zudem mit der Situation in Frankreich und Deutschland vergleichbar, In Westeuropa erstreckt sich der Aktions- wo die Wolfspopulationen günstige Bedin- raum des Wolfs im Allgemeinen auf 150 bis gungen für ihre Entwicklung vorfinden. 300 km² [18]. Dieser Parameter kann jedoch je nach den Habitatbedingungen und den Nach- Angesichts der Verbreitung der Huftier- weis- und Monitoringverfahren erheblich populationen in der Wallonie, scheint das variieren [19]. Nahrungsangebot gut mit der Ansiedlung von Wölfen vereinbar zu sein, insbesondere süd- Die Untersuchung der ökologischen Anfor- lich des Sambre- und Maastals. So deuten die derungen an den Lebensraum belegt, wie Zahlen in Anhang 1 auf einen signifikanten flexibel der Wolf ist. In erster Linie scheint Anstieg der Entnahme der drei Großwild- die Wolfsverteilung/-dichte von der Beute- arten Rotwild, Rehwild und Schwarzwild in dichte abzuhängen [20, 21]. Entgegen der land- der Wallonie hin, die Aufschluss über die läufigen Meinung ist der Wolf nicht nur an Entwicklung des Gesamtniveaus der Popu- große Waldflächen gebunden; er kann so lationen geben. Abbildung 2 vermittelt eine unterschiedliche Lebensräume wie Wüsten, Vorstellung von der Verteilung und quantita- Gebirge, Buschland, Kulturland oder sogar tiven Prävalenz der jagdbaren Huftierarten bevölkerungsreiche Gegenden, Feuchtgebie- auf wallonischem Gebiet.
11 Gesamtmortalität Hirsch Reh Wildschwein Mufflon Damwild Anzahl der 250 500 1000 2000 3000 4000 entnommenen oder tot aufgefun- denen Tiere Trotz der Verfügbarkeit wilder Beutetiere in ABBILDUNG 2. Anzahl gejagter oder tot seiner unmittelbaren Umgebung neigt der aufgefundener Hochwildtiere nach Arten Wolf möglicherweise dazu, Nutztiere zu rei- (Rotwild, Reh, Wildschwein, Mufflon und ßen, da sich diese leichter erbeuten lassen Damwild) und nach Jagdrat während der als Wildtiere. Dieser geringere Jagdaufwand Saison 2015-2016. soll bei einigen Rudeln zu einer bestimmten Quelle: http://biodiversite.wallonie.be/fr/grand-gibier. html?IDC=6215 Organisation in beweideten Gebieten geführt haben: Subadulte Wölfe scheinen eher allein oder in Untergruppen zu jagen, während sich das Elternpaar um die im jeweiligen Jahr ge- borenen Welpen kümmert. Diese Form der Anpassung kann eine Zunahme der Präda- räume (200 km²) und der durchschnittlichen tion und einen erhöhten „Wolfsdruck“ zur Rudelgröße in Westeuropa scheint die Zahl Folge haben [26]. der Wölfe oder Rudel, die die Wallonie auf- nehmen könnte, jedoch von vornherein be- Auf Grundlage dieser verschiedenen Elemen- grenzt. te wurde eine theoretische Kartierung des Ansiedlungspotenzials für Wolfsrudel in der Um einen Überblick über ihr Potenzial als Wallonischen Region erstellt (Abbildungen Lebensraum für Wölfe zu gewinnen, wur- 3 und 4) [27]. Die Karte in Abbildung 3 lässt den verschiedene Parameter verwendet: erkennen, dass der stark bebaute Norden Präsenz von Nutztierherden, Wilddichte und der Wallonie für den Wolf tendenziell un- Flächennutzung. Diese Kriterien wurden je attraktiv bleibt, während der weniger vom nach ihrer Relevanz für den Wolf gemäß dem Menschen beeinflusste Süden mit seinen Wissensstand über seine Ökoethologie ge- größeren Waldflächen einen tragfähigeren wichtet. Anschließend wurden die für diese Lebensraum für den Wolf und diversifizierte verschiedenen Kriterien ermittelten Werte Nahrungsressourcen bietet. Angesichts der zu einem Index zusammengefasst, der das durchschnittlichen Ausdehnung der Aktions- Potenzial für eine dauerhafte Ansiedlung auf
12 AKTIONSPLAN FÜR EIN AUSGEWOGENES ZUSAMMENLEBEN VON MENSCH UND WOLF IN DER WALLONIE - JUNI 2020 Index Niedrig Hoch ABBILDUNG 3. Karte des geschätzten Lebensraumpotenzials für den Wolf in 0 20 km der Wallonischen Region. Quelle: Crismer 2018 [27] ABBILDUNG 4. Theoretische Einteilung der Wallonie in potenzielle Aktionsräume des Wolfs und Bewertung ihres Lebensraumpotenzials für Wölfe. Quelle: Crismer 2018 [27] Lebensraumpotenzial Geringeres Potenzial Höheres Potenzial
13 einer Skala von niedrig (rot) bis hoch (grün) • die Reviergröße, die je nach Geschlecht, anzeigt. Die Auswirkungen des Straßennetzes Alter und Reproduktionsstatus der Wölfe wurden mit der Flächennutzung (bebaute variiert [33]. Flächen) berücksichtigt, nicht aber auf der • die Populationsdichte, die sich auf ihre Grundlage des Verkehrsaufkommens. Zwar eigene Wachstumsrate auswirkt [34]. Mit zu- ist zu erwarten, dass sich dieser Parameter nehmender Dichte einer Population sinkt auf das Überleben der Wölfe und die Popu- ihre Wachstumsrate global gesehen auf- lationsdynamik auswirkt, doch der Haupt- grund einer Abnahme des Überlebens- und zweck der Kartierung bestand darin, die Reproduktionserfolgs und einer potenziell theoretisch maximale Anzahl an Rudeln zu stärkeren Abwanderung von Individuen ermitteln, die sich in der Wallonischen Re- auf Reviersuche. Dieser Befund basiert gion potenziell bilden könnten (Abbildung 4). auf zahlreichen vor allem in Nordamerika durchgeführten Studien, wo die Dichte der Die Karte in Abbildung 4 schlägt eine poten- Wolfspopulationen in der Regel höher ist zielle Gliederung des Territoriums in theore- als bei uns[21]. In Westeuropa wird im All- tische durchschnittliche Aktionsräume von gemeinen eher die Anzahl der etablierten 200 km² in sechseckiger Form (Standardisie- Rudel und Paare als die Populationsdichte rung) vor, die sich zufällig über die gesamte genannt, zumal sich derzeit eine Rekolo- Wallonischen Region verteilen und für die nisierung seines früheren Verbreitungs- das Ansiedlungspotenzial des Wolfs nach der gebiets durch den Wolf vollzieht und diese oben erläuterten Methode bewertet wird. Dichte in kaum einer Nachbarregion ein Plateau erreicht. Auf der Grundlage der verfügbaren Daten lässt sich die Dichte der E DEMOGRAFISCHE Wolfspopulationen in den Regionen West- europas jedoch auf rund drei bis fünf Indi- ARTENMERKMALE viduen/100 km² schätzen. Es ist wichtig, die demographische Dynamik In Frankreich und Deutschland schwankt des Wolfs zu beobachten und zu verstehen, die beobachtete jährliche Populationswachs- denn sie erlaubt es letztendlich, die Populati- tumsrate zwischen 16 % und 40 %. onsgröße und den von der Europäischen Uni- on erwarteten günstigen Erhaltungszustand zu beurteilen. Diese demografischen Para- meter gilt es beim Populationsmonitoring F FORTBEWEGUNG des Wolfs idealerweise zu berücksichtigen [19]: • die Größe und Überlebensrate der Würfe, Eine Dispersionsphase tritt häufig bei sub- die von Folgendem abhängen: adulten und jungen adulten Tieren auf. Auf - dem Gewicht und dem Alter der Fähen [28] mehrwöchigen oder monatelangen Wande- - der Rudelgröße rungen können täglich Entfernungen von - der Dichte der Wolfspopulation. mehreren Dutzend Kilometern (bis zu etwa • die Überlebensrate der erwachsenen Tiere, 30 km) zurückgelegt werden [35, 36, 37]. In dieser die allgemein ab einem Alter von sechs Zeit sind häufig Pausenphasen zu beobach- Jahren abnimmt. In Frankreich liegt sie bei ten, die die Dispersionsgeschwindigkeit des etwa 80 % pro Jahr [29]. Man geht davon aus, Individuums verlangsamen. dass bei einer Sterblichkeitsschwelle von über 34 % das Risiko eines Rückgangs der Es wurden mehrere Rekorde verzeichnet: Wolfspopulation gegeben ist. • In Skandinavien lief ein in Schweden • die geschlechts- und altersabhängige Dis- besenderter Jungrüde in zwei Jahren rund persionsrate der Individuen [30]. Verschie- 1.100 km nach Finnland [38]. dene Faktoren wie die Größe der Rudel [31] • Ein weiterer junger Rüde wanderte in drei und das Überleben der adulten Tiere [29] Monaten ebenfalls fast 1.200 km von der scheinen die Dispersion zu beeinflussen. Balkanhalbinsel bis in die Alpen [35]. Die Populationsdichte ist hingegen kein • Ein Rüde lief mindestens 800 km von maßgeblicher Dispersionsfaktor [32]. Deutschland in den Norden Dänemarks.
14 AKTIONSPLAN FÜR EIN AUSGEWOGENES ZUSAMMENLEBEN VON MENSCH UND WOLF IN DER WALLONIE - JUNI 2020 Ein weiteres Tier aus derselben Herkunfts- Die in der Berner Konvention vorgesehenen region legte eine vergleichbare Strecke in Schutzmaßnahmen wurden 1992 mit der eu- nordöstliche Richtung zurück [39]. ropäischen Richtlinie 92/43/EWG zur Erhal- • Unter den Beispielen in unserer ‚Nachbar- tung der natürlichen Lebensräume sowie der schaft‘ ist die Fähe Naya zu nennen, die im wildlebenden Tiere und Pflanzen (bekannt Januar 2018 Flandern erreichte, nachdem als „Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie“ oder sie in etwas über zwei Monaten rund 700 „Habitatrichtlinie“) bestätigt. Ziel der Richtli- km aus Mecklenburg-Vorpommern über nie ist der Erhalt der natürlichen Lebensräu- die Niederlande gewandert war. Der Rüde me sowie der wildlebenden Tiere und Pflan- August (dessen Herkunftsrudel nicht ge- zen von gemeinschaftlichem Interesse, was nau bekannt ist) soll mindestens 300 km die Aufrechterhaltung oder Erreichung eines zurückgelegt haben. Ebenfalls in Flandern günstigen Erhaltungszustands voraussetzt, war der bei einem Zusammenstoß mit der über die bloße Verhinderung des Ausster- einem Fahrzeug in Opoeteren im Frühling bens hinausgeht. Der Wolf wird in mehreren 2018 verendete Rüde über 300 km weit von ihrer Anhänge (2, 4 und 5) genannt, was seinem Herkunftsrudel aus Niedersachsen einen strengen Schutz der Art bedeutet. Aus- eingewandert. genommen sind bestimmte Gebiete Europas, in denen die Größe der Wolfspopulation dies Innerhalb ihres Aktionsraums können Ein- nicht rechtfertigt. zeltiere Entfernungen von bis zu 30 Kilome- tern pro Tag zurücklegen [36, 40]. Nach dieser Richtlinie gilt ein Erhaltungszu- stand als „günstig“, wenn: • aufgrund von Daten über die Populations- G SCHUTZSTATUS dynamik der Art anzunehmen ist, dass diese Art ein lebensfähiges Element des na- türlichen Lebensraums, dem sie angehört, G.1 RECHTLICHER STATUS bildet und langfristig weiterhin bilden wird; G.1.1 INTERNATIONALE GESETZGEBUNG • das natürliche Verbreitungsgebiet der Art weder abnimmt noch in absehbarer Zeit Der Wolf ist im Anhang 2 des als Berner Kon- vermutlich abnehmen wird; vention bekannten Übereinkommens über • ein ausreichend großer Lebensraum vor- die Erhaltung der europäischen wildleben- handen ist und wahrscheinlich weiterhin den Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen vorhanden sein wird, um langfristig ein Lebensräume (1979) gelistet. Dazu gehört Überleben der Populationen dieser Art zu der Schutz der Art und ihrer Reproduktions- sichern. stätten. Verboten sind insbesondere: das ab- sichtliche Einfangen, Einsperren oder Töten Abbildung 5 zeigt den aktuellen Schutzstatus von Individuen, die absichtliche Beschädi- der zehn europäischen Wolfspopulationen gung oder Zerstörung von Wurfplätzen, die (sowie ihre Einstufung auf der Roten Liste, absichtliche Störung insbesondere in der deren Kategorien von „nicht gefährdet“ bis Reproduktionszeit und der Binnenhandel so- „vom Aussterben bedroht“ reichen). wohl mit lebenden als auch mit toten Tieren. Im Jahr 2014 gab der Ständige Ausschuss der G.1.2 REGIONALE GESETZGEBUNG Berner Konvention im Interesse einer wirk- samen Erhaltung des Wolfs und aufgrund der Internationale Rechtsvorschriften, die Canis Schwierigkeit, Wölfe von ihren Hybriden zu lupus betreffen, wurden in regionales Recht unterscheiden, eine Empfehlung (Nr. 173) umgesetzt, insbesondere in das Gesetz über über Hybridisierungen zwischen Hunden die Erhaltung der Natur vom 12. Juli 1973. und Wölfen heraus. Diese Empfehlung um- Der Wolf fällt unter Artikel 2bis dieses Geset- fasst Maßnahmen zur Überwachung, Ver- zes und ist in dessen Anhang 2a aufgeführt, hinderung und Begrenzung von Kreuzungen was bedeutet, dass die Art einen umfassen- zwischen wilden Wölfen und Hunden. den Schutz genießt.
15 Ständige Präsenz Gelegentliches Vorkommen Karelien: Stark gefährdet Skandinavien: Stark gefährdet Mitteleuropäisches Flachland: Baltikum: Stark gefährdet Nicht gefährdet Karpaten: Nicht gefährdet Iberische Halbinsel: Nicht gefährdet Alpen: Stark gefährdet Dinariden u. Balkan: Sierra Morena: Nicht gefährdet Vom Aussterben Italienische Halbinsel: bedroht Gefährdet ABBILDUNG 5. Verteilung der zehn in Europa erfassten Wolfspopulationen und ihr jeweiliger Status nach der Habitat- Richtlinie (Anhang IV = streng geschützt oder Anhang V = teilweiser Schutz), der auf Grundlage des Rote-Liste-Status zugewiesen wird. Quelle: Chapron et al. 2014 [41]; Aktualisierung Reinhardt 2016 [13]
16 AKTIONSPLAN FÜR EIN AUSGEWOGENES ZUSAMMENLEBEN VON MENSCH UND WOLF IN DER WALLONIE - JUNI 2020 Dieser Schutz verbietet insbesondere das Der Ausgleich für Schäden im Zusammen- absichtliche Fangen und/oder Töten von In- hang mit bestimmten geschützten Tierarten dividuen sowie deren absichtliche Störung wird durch Artikel 58sexies des Naturschutz- vor allem während der Reproduktionszeit, gesetzes vom 12. Dezember 1997 und durch die Beschädigung oder Zerstörung von Re- den Erlass der wallonischen Regierung vom produktionsstandorten oder jeglicher na- 8. Oktober 1998 geregelt. Mit dessen jüngs- türlicher Lebensräume, in denen die Art ter Änderung** wurde der Wolf in die Liste anzutreffen ist, sowie das Präparieren, das der Arten aufgenommen, die für eine Ent- Sammeln, das Halten, den Transport, den schädigung in Frage kommen. Diese deckt Austausch oder den Verkauf von Exempla- potenzielle Schäden ab, die dieser Fleisch- ren, die verletzt, krank oder tot aufgefunden fresser insbesondere an Nutztierherden ver- werden. ursachen kann, sofern die DNF unverzüglich, spätestens jedoch 48 Stunden nach dem Riss Die Artikel 5 und 5bis des Naturschutzgeset- verständigt wird, um eine angemessene Be- zes definieren die Modalitäten für Ausnah- gutachtung an ausreichend frischen Kada- men von den Maßnahmen zum Schutz von vern vornehmen zu können. Ersetzt werden Tier- und Pflanzenarten. Gemäß dem Erlass direkte Schäden an toten oder verletzten der wallonischen Regierung vom 20. Novem- Tieren, die den Betriebsinhabern gehören. ber 2003 über die Gewährung von Befreiun- Ein erläuterndes Rundschreiben vom Mai gen von Maßnahmen zum Schutz von Tier- 2018 präzisiert das Verfahren (Organisation und Pflanzenarten mit Ausnahme von Vögeln eines Gutachtens, Schadensbestätigung und kann ein solcher Antrag beim Generalinspek- -ermittlung, Entschädigung). Es ist auf der tor der DNF über ein detailliertes Formblatt Website reseauloup.be abrufbar. gestellt werden, in dem die Art des Vorgangs, für den die Befreiung beantragt wird, die Darüber hinaus sieht der Rechtsrahmen vor, betroffenen Arten und die Anzahl der be- dass die DNF bei der Bearbeitung von An- troffenen Exemplare für jede Art sowie die trägen beschließen kann, eine zusätzliche gegebenenfalls anzuwendenden Mittel, Ein- Entschädigung zu gewähren, die für Maßnah- richtungen und Methoden und der Zeitraum men zur Prävention einer Wiederholung des und der Ort anzugeben sind, für den die Aus- Schadens verwendet werden kann. nahmegenehmigung gelten soll. Zudem muss nachgewiesen werden, dass es keine andere G.2 ROTE LISTE zufriedenstellende Lösung für die Situation gibt und keine negative Auswirkung auf den Im Jahr 2018 wurde der Status von Canis lupus Schutzstatus der Art zu befürchten ist, für die in seinem globalen Verbreitungsgebiet mit die Ausnahmegenehmigung beantragt wird. „Least concern“ (LC, nicht gefährdet) bewer- tet. Auf einer feineren Skala wurden jedoch Auf strafrechtlicher Ebene stellt das Wildern je nach betroffener Population unterschiedli- eines Wolfs einen Verstoß dritten Grades che Gefährdungskategorien festgelegt. Diese dar, der mit Strafen zwischen acht Tagen und reichen von „vom Aussterben bedroht“, was sechs Monaten Gefängnis und 100 bis 100.000 die Population der zentralspanischen Sierra Euro Bußgeld belegt ist*, wobei sich diese Morena betrifft, bis hin zur Einordnung bei- Strafen im Wiederholungsfall innerhalb von spielsweise der baltischen und iberischen drei Jahren verdoppeln. Populationen als „nicht gefährdet“. Die Al- pen- und mitteleuropäischen Flachlandpopu- lationen, die die potenziellen Quellpopulatio- nen für in die Wallonie einwandernde Tiere darstellen, sind als „gefährdet“ bzw. „stark * Die Geldbußen werden um die gefährdet“ eingestuft. Diese Einstufung wird Zuschlagzehntel erhöht, d. h. diese Beträge voraussichtlich auf Grundlage der jüngsten müssen mit 8 multipliziert werden. Entwicklungen und der Ergebnisse der Be- ** Erlass der wallonischen Regierung vom richterstattung 2013/2018 im Rahmen der 9. November 2017. Umsetzung des Natura-2000-Netzes revidiert werden.
17 Wilde Huftiere wie Rehe machen einen bedeutenden Anteil der Nahrung des Wolfs aus.
18 AKTIONSPLAN FÜR EIN AUSGEWOGENES ZUSAMMENLEBEN VON MENSCH UND WOLF IN DER WALLONIE - JUNI 2020 Auszüge aus einem Video des ersten in Wallonien entdeckten Wolfs aus der italienisch-alpinen Population. Die Kamerafalle wurde aufgestellt, um die Größe einer Familiengruppe Dachse zwecks Populationsmonitoring dieser Art in der Wallonischen Region zu ermitteln; in der Nähe von Ebly (Region Neufchâteau), Juni 2019.
19 2016 wurde die Einstufung der Arten in Belgi- Hierzu gehört die Infragestellung der Rolle en nach IUCN-Kriterien für Statbel überprüft. der Weidehaltung beim Management von Der Wolf galt bis dahin als regional ausge- Offenland mit hoher Artenvielfalt. Sozio- storben. Der jüngst nach Europa übermittelte logisch gesehen ist es die Konkurrenz zur vereinfachte Bericht über den Wolf (Arti- Weidewirtschaft, die in den Nachbarländern kel 17) bestätigt jedoch die Präsenz einzelner wie insbesondere in Frankreich und Deutsch- Tiere auf belgischem Gebiet, die noch keine land die heftigsten Kontroversen in Bezug auf Population gebildet haben (keine Fortpflan- den Wolf auslöst. Diese werden durch das so zung). Die Entwicklung des Gefährdungssta- genannte „surplus killing“-Verhalten einzel- tus des Wolfs gilt in der kontinentalen Region ner Tiere verschärft, die bei einem einzigen derzeit als unsicher und in der atlantischen Angriff mitunter deutlich mehr Schafe töten Region als unbekannt. (oder verletzen), als ihr Fleischverbrauch erfordert. Ausgelöst wird dieses Phänomen vom Aufruhr innerhalb der Herde, die auf- H NATÜRLICHE UND ANTHRO grund ihrer Einzäunung an der Flucht ge- hindert und von der Anwesenheit des Raub- POGENE BELASTUNGEN UND tiers gestresst wird. Ein solcher Vorfall ist BEDROHUNGEN für den betroffenen Herdenhalter zweifellos traumatisch. In diesem Kapitel werden nur die wichtigsten Belastungen und Bedrohungen behandelt, H.3 PRÄDATION die für den Wolf in der Berichterstattung 2013-2018 im Rahmen der Umsetzung des Na- Der erwachsene Wolf hat in der Wallonischen tura-2000-Netzes (Artikel 17) aufgeführt sind. Region keine bedeutenden Fressfeinde. Jun- ge Wolfswelpen können gegebenenfalls von INTERSPEZIFISCHE BEZIEHUNGEN H.1 bestimmten Greifvögeln oder Fleischfressern (KONKURRENZ, PRÄDATION, (Uhu, Fuchs, Hund...) gejagt werden, wobei GESUNDHEITSRISIKO) dies nur selten vorkommt. Fälle von Prädati- on eines Wolfsrudels auf ein Rudel von Artge- Die Koexistenz mit diesem großen Fleisch- nossen, das seinen Aktionsraum durchquert, fresser geht mit der Notwendigkeit einher, sind aufgrund des ausgeprägten Revierver- über Wechselbeziehungen mit anderen Arten haltens dieser Art ebenfalls möglich. nachzudenken, die mit der allmählichen Rückkehr des Wolfs entstehen werden. Auf der anderen Seite sind Übergriffe durch Wölfe sowohl für Nutztierhalter als auch für Jäger ein besorgniserregendes Thema. Die H.2 KONKURRENZ Angst, die Wolfsübergriffe auf Haustierher- den (hauptsächlich Schafe) und wilde Huf- Angesichts des Fehlens anderer Großraubtie- tiere bei verschiedenen menschlichen Inter- re in der Wallonie, der Größe der Aktionsräu- essengruppen erzeugt, ruft viele Spannungen me des Wolfs, des bei kleinen Fleischfressern und emotional geführte Debatten hervor. Von häufigen Nahrungsopportunismus und der diesen gilt es sich zu lösen, um einer mög- geringen Überschneidung ihres Beutetier- lichst objektiven Analyse dieser Übergriffe spektrums mit dem des Wolfs ist eine Kon- und ihrer Auswirkungen sowie einer trans- kurrenz um Nahrungsressourcen mit diesem parenten Informationsvermittlung den Weg unwahrscheinlich. Die Konkurrenz um La- zu ebnen. gerstätten (z. B. Erdlöcher) bleibt möglich, aber selten und ohne größere Auswirkungen Kontrovers diskutiert werden auch mögliche für die betroffenen Arten. Wie in den Nach- Übergriffe von Wölfen auf Menschen, da die barländern zeichnet sich Konkurrenz mit der Angst vor dem Wolf im kollektiven Unterbe- Rückkehr des Wolfs hauptsächlich in Bezug wusstsein oft noch stark verankert ist. Den- auf bestimmte menschliche Tätigkeiten wie noch haben eingehende wissenschaftliche insbesondere die Viehwirtschaft und die Jagd Untersuchungen in Europa, Nordamerika, sowie auf bestimmte Naturschutzaspekte ab.
20 AKTIONSPLAN FÜR EIN AUSGEWOGENES ZUSAMMENLEBEN VON MENSCH UND WOLF IN DER WALLONIE - JUNI 2020 Indien, China und Japan über einen Zeitraum nungen können einzelne Wölfe zudem aus vom 16. bis zum 21. Jahrhundert bewiesen, Gebieten einwandern, in denen Krankheiten dass der Mensch keine „normale“ Beute für auftreten, die von Zecken übertragen wer- den Wolf darstellt [42]. den. Es ist daher denkbar, dass sie Zecken einschleppen, die mit Zoonoseerregern der Wenn solche Fälle auftraten, ließen sie sich Borreliose, der Frühsommer-Meningoen- mit einem der vier folgenden Hauptfaktoren zephalitis oder der Tularämie infiziert sind. erklären: Das Monitoring des Gesundheitszustands • Der Wolf war bzw. die Wölfe waren tollwü- der in der Wallonie etablierten Wölfe und tig. die Bewertung des Gesundheitsrisikos in der • Es hat eine „Habituation“ stattgefunden Herkunftsregion neu zugewanderter Tiere (der Wolf hat seine Scheu vor dem Men- sollte es ermöglichen, das Gesundheitsrisi- schen verlernt). ko innerhalb der in der Wallonie lebenden • Es gab eine Provokation (Beispiel: Verteidi- Wolfspopulation sowie das Gesundheitsrisiko gung des Wurfs durch die Fähe). für andere Tierarten und die öffentliche Ge- • Die Gegend, in der es zum Übergriff kam, sundheit zu beurteilen. war stark bebaut. Andererseits ist es auch möglich, dass der Derselben Studie zufolge belief sich zwischen Wolf durch Prädation einen Rückgang der in 1950 und 2002 trotz steigender Wolfspopula- seinen wilden Beutepopulationen vorhande- tionen seit den 1970er Jahren die Anzahl ge- nen Krankheitserreger bewirkt. meldeter tödlicher Übergriffe auf Menschen auf vier Fälle in Europa und vier in Russland, WILDEREI (ABSCHUSS, H.5 während in Nordamerika keine Fälle belegt FANG ODER VERGIFTUNG) sind. Konflikte, die durch die Wolfsübergriffe auf Seit Anfang der 2000er Jahre hat es in Nord- Nutztierherden oder wilde Huftierpopula- amerika einen tödlichen Übergriff gegeben. tionen, mitunter auch einfach durch die von Ein zweiter könnte sich in Saskatchewan diesem Raubtier ausgelösten Ängste hervor- ereignet haben, wobei in den Schlussfolge- gerufen werden, führen in den Nachbar- rungen der Untersuchung ein Schwarzbär als ländern zur widerrechtlichen Entnahme von potenzieller Prädator nicht ausgeschlossen Wölfen (Wilderei) mit verschiedenen Mitteln werden konnte. In der Europäischen Union (Abschuss, Fallenstellen, Vergiftung usw.), wurde einzig in Griechenland im Jahr 2017 die auf der Grundlage des Gesetzesrahmens ein möglicherweise auf Wölfe zurückzufüh- geahndet werden können, sofern sie festge- render Todesfall gemeldet, für den jedoch stellt werden. Wildhunde verantwortlich zu sein scheinen. In Frankreich und Deutschland wurden trotz Der Fall der Wölfin Naya, die 2019 in Flan- der Nettozunahme der Wolfspopulation in dern illegal erschossen wurde, als sie kurz den letzten zwanzig Jahren keine Fälle von davor stand, den ersten Wurf von Wolfswel- tödlichen Übergriffen auf Menschen ver- pen in Belgien seit über 100 Jahren zur Welt zeichnet. zu bringen, unterstreicht die Notwendigkeit, Maßnahmen zur Verbesserung des Arten- GESUNDHEITSRISIKO DURCH H.4 schutzes zu ergreifen, aber auch die Urheber INFEKTIONSKRANKHEITEN solcher Taten angemessen zu bestrafen. Der Wolf ist für dieselben Infektionskrank- In der Wallonie muss Spannungen im Zusam- heiten anfällig wie der Hund. Somit können menhang mit der Rückkehr des Wolfs begeg- alle von Caniden übertragenen Infektions- net werden, da sie sonst zur Gefahr der ille- krankheiten auch über Wölfe verbreitet galen Ausrottung dieser Art führen könnten. werden, auch Krankheiten, die mehr als Die Zusammenarbeit mit der Anti-Wilderei- eine Art befallen. Aufgrund der für den Wolf Einheit UAB scheint zur Bewältigung dieses typischen Wanderungen über große Entfer- Risikos unerlässlich (siehe Maßnahme 2.1.).
21 FRAGMENTIERUNG DER H.6 könnten dem Wolf potenziell zugutekom- LEBENSRÄUME men, während die Umsetzung spezifischer Maßnahmen für den Wolf derzeit angesichts Die Umwandlung natürlicher Lebensräume der Unvorhersehbarkeit seiner Wanderbe- in Stadt- oder Erholungsgebiete, bestimmte wegungen und der Geschwindigkeit seiner Waldeinschnitte und Kahlschläge, der Bau Rekolonisierung unserer Region sowohl ver- neuer Straßen, die Errichtung von für Tiere früht als auch utopisch wären. unüberwindbaren Hindernissen (schwer zu überquerende Mittelstreifen auf National- SPORT, TOURISMUS H.7 straßen und Autobahnen, Zäune entlang UND FREIZEITAKTIVITÄTEN von Hauptverkehrsachsen oder in besonde- ren Kontexten wie dem der afrikanischen Der Tourismus, insbesondere der sanfte Schweinepest etc.) stellen jeweils Barrieren Tourismus, boomt, wobei die Natur einen oder potenzielle Gefahren für die Fortbewe- wichtigen Faktor bei der Auswahl eines tou- gung, die Etablierung und das Überleben von ristischen Ziels in der Wallonie darstellt. Die Wölfen dar. Provinz Luxemburg, in der sich die meisten für die Ansiedlung von Wölfen günstigen Zur Zerschneidung von Lebensräumen Standorte befinden, zählt zu den meistfre- können auch spezifische Ereignisse wie z. quentierten in Europa. Sie ist die einzige wal- B. Brände beitragen. Angesichts des Klima- lonische Provinz mit einer Tourismusintensi- wandels ist zu befürchten, dass Letztere in tät oberhalb des europäischen Durchschnitts, Zukunft häufiger auftreten und eine ent- wobei der Druck durch diese Touristenströ- scheidende Gefahrenquelle für die künftige me in bestimmten Gemeinden insbesondere Wolfspopulation (insbesondere für die Aus- in der Sommerzeit ansteigt. Dies gebietet es, wahl der Reproduktionsstandorte) darstellen einen nachhaltigen und umweltfreundlichen werden. Tourismus zu fördern, insbesondere vor dem Hintergrund der Koexistenz mit dem Wolf. Die Auswirkungen von Kollisionen mit Fahr- zeugen auf die Spezies Canis lupus ist ein be- Im Allgemeinen kann unabhängig von der deutender Regulationsfaktor für die Wolfspo- ausgeübten Tätigkeit (Naturerforschung, pulationen in den Nachbarländern. So fielen Fotografie, Jagd...) jede menschliche Präsenz zwischen dem 01.01.2019 und dem 17.12.2019 außerhalb der markierten Wege Störungen in Deutschland 97 Tiere dem Straßenver- für dem Wolf verursachen. Dasselbe gilt für kehr zum Opfer, während im Jahr 2012 nur nicht angeleinte Hunde, die große Schäden 11 durch Fahrzeuge getötete Wölfe erfasst für die gesamte wilde Tierwelt verursachen. worden waren[10]. Dieser Anstieg geht mit Jede Aktivität im Freien darf somit nur im der raschen Zunahme der Anzahl an Rudeln Einklang mit den Rechtsvorschriften über im Land einher, von denen es Ende 2019 erst- den Verkehr im Wald (insbesondere dem mals wieder über hundert gab. Während des Waldgesetz) und mit Rücksicht auf das Natur- Dispersals von Jungwölfen auf Reviersuche erbe erfolgen. sind die Sterblichkeitsrisiken erhöht. Die hohe Dichte des Straßennetzes in west- europäischen Ländern einschließlich Belgi- ens lässt erwarten, dass in den kommenden Jahren auch bei uns Wölfe dem Straßenver- kehr zum Opfer fallen. Die Umsetzung von Maßnahmen zur Verbesserung der Vernet- zung von Lebensräumen für Wildtiere ist Teil grundsätzlicher, nicht wolfspezifischer Überlegungen, die Thema der Strategie Bio- diversität 360° sein werden. Die in diesem Zusammenhang geplanten Maßnahmen
22 AKTIONSPLAN FÜR EIN AUSGEWOGENES ZUSAMMENLEBEN VON MENSCH UND WOLF IN DER WALLONIE - JUNI 2020 Akela, aus der deutsch-polnischen Population stammender Rüde, Hohes Venn, Februar 2019.
23 TEIL II: Aktionsplan
24 AKTIONSPLAN FÜR EIN AUSGEWOGENES ZUSAMMENLEBEN VON MENSCH UND WOLF IN DER WALLONIE - JUNI 2020 Die Ansiedlung eines Rudels ist die logische nahmen und die Transparenz der Kommu- Fortsetzung der Dispersionsphase, die in nikation über den Wolf sind die besten Ga- Wallonien in den letzten Jahren zaghaft ein- ranten für eine wirksame Politik im Hinblick gesetzt hat. Die Folgen dieser Rekolonisie- auf die doppelte Zielsetzung dieses ersten rung werden unweigerlich zu Spannungen Aktionsplans Wolf: mit bestimmten Interessengruppen inner- • Strategisches Ziel 1: Gewährleistung des halb der Gesellschaft führen. Diese Spannun- Schutzes der Wölfe und ihrer Lebensräume gen müssen ab sofort antizipiert und so ge- • Strategisches Ziel 2: Erleichterung der Ko- lassen und effektiv wie möglich gehandhabt existenz mit den Interessengruppen vor werden. Ort Zur Vorbereitung dieses Aktionsplans wur- Vier Handlungsziele, die jeweils in eine kurze den zahlreiche ausländische Experten (aus Liste konkreter Maßnahmen unterteilt sind, Frankreich, Deutschland, Schweiz, Nieder- sollen zur Verwirklichung dieser beiden stra- lande etc.) zwecks Klärung bestimmter Punk- tegischen Ziele beitragen: te kontaktiert. Laut deren Erfahrung stellt die • Handlungsziel 1: Monitoring der Präsenz Prädation von Nutztierherden das Hauptpro- und Etablierung von Wölfen in der Wallo- blem dar. Dieser Punkt könnte dem Ziel der nie Arterhaltung der Art kurz-, mittel- und lang- • Handlungsziel 2: Artenschutz des Wolfs fristig entgegenstehen und muss daher eine und gegebenenfalls Management proble- der Säulen der Maßnahmen bilden, die die matischer Situationen Einwanderung des Wolfs in der Wallonie flan- • Handlungsziel 3: Unterstützung des Her- kieren, sowohl bei der Eindämmung dieses denschutzes durch die Umsetzung geeigne- Phänomens als auch bei der Kommunikation ter Präventions- und Entschädigungsmaß- und Sensibilisierung. nahmen • Handlungsziel 4: Sensibilisierung der ver- Mit anderen Worten: Die Versachlichung der schiedenen betroffenen öffentlichen Inter- Situationen, die Umsetzung konkreter Maß- essengruppen Schulung von Mitgliedern des Netzwerks Wolf durch das französische Amt für Biodiversität.
25 HANDLUNGSZIEL 1: bei handelt es sich sowohl um Tierärzte des Netzwerks Wolf als auch um Mitarbeiter oder MONITORING DER PRÄSENZ Beauftragte der DNF und der DEMNA, da UND ANSIEDLUNG VON diese Analysen zu den Kernaufgaben dieser WÖLFEN IN DER WALLONIE Mitarbeiter gehören. Falls weiterführende Analysen erforderlich sind, werden die Kada- MASSNAHME 1.1. ORGANISATION ver an die veterinärmedizinische Fakultät der Universität Lüttich überführt. DER ERHEBUNG VON DATEN ÜBER WOLFSPRÄSENZ IN DER WALLONIE Die Effektivität des Netzwerks Wolf muss UND DEREN VALIDIERUNG langfristig gesichert und seine Zusammen- setzung an die Entwicklung der Wolfspräsenz KONTEXT auf dem Gebiet der Wallonischen Region an- gepasst werden. Um ein wirksames Monitoring der Rekoloni- sierung der Wallonischen Region durch Wöl- Das Wolfsmonitoring schließlich ist nur in fe zu gewährleisten, ist ein funktionierendes großem Maßstab denkbar, weshalb die DEM- und reaktionsschnelles System der Daten- NA enge Kontakte zu öffentlichen Einrichtun- erhebung und -validierung unerlässlich. Alle gen der Nachbarregionen wie dem Insitituut Informationen über Präsenzhinweise oder voor Natuur- en BosOnderzoek (INBO – Flä- Sichtungen von Canis lupus müssen mög- mische Region), der Naturverwaltung des lichst umgehend analysiert werden, um die Großherzogtums Luxemburg (ANF – Luxem- Chancen für eine Artbestimmung in jedem burg), dem Office Français de la Biodiversité gemeldeten Fall zu erhöhen. Das Berichtssys- (OFB – Frankreich), der Universität Wagen- tem muss zudem für die verschiedenen In- ingen (WUR – Niederlande), der Forschungs- teressengruppen aus der Gesellschaft leicht anstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft zugänglich sein. Rheinland-Pfalz (WALD – RLP – Deutschland) und dem Landesamt für Natur, Umwelt und Ein solches System zur Erhebung, Zentrali- Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LA- sierung und Validierung von Daten ist bereits NUV – Deutschland) geknüpft hat. funktionsfähig: Es handelt sich um das Netz- werk Wolf*, das von der Abteilung Studie DIE MASSNAHME KONKRET des Natur- und Agrarbereichs (DEMNA) der ÖDW-ARNE koordiniert wird und sich aus 1. Kontinuierliche Verbesserung der Zu- rund dreißig Vertretern verschiedener Inte- sammensetzung und Funktionsweise des ressengruppen (SPW-Mitarbeiter, Herden- Netzwerks Wolf gemäß den aktuellen Er- halter, Wissenschaftler, Naturschützer, Jäger fordernissen: Ein Anstieg der Zahl der zu be- und Kommunikatoren) zusammensetzt, die handelnden Fälle wird unweigerlich zu einer vom Wolf-Luchs-Netzwerk des französischen Ausweitung des Netzwerks Wolf auf neue Amts für Biodiversität ausgebildet wurden. Mitglieder führen. Dieser Ausbau des Netzes Diese Personen sind verpflichtet, bestimmte muss auf geografischen Überlegungen fußen, allgemeine Verhaltensgrundsätze im Hin- um eine wirksame Abdeckung des gesamten blick auf die Erfassung und Veröffentlichung wallonischen Gebiets und ein konsolidiertes von Daten einzuhalten. Insbesondere müs- Monitoring in bestimmten Gegenden zu er- sen sie die Vorschriften über den Verkehr im reichen. Es ist in der Tat von entscheidender Wald sowie die Datenschutzbestimmungen Bedeutung, umgehend auf jede als ernsthaft beachten. erachtete Meldung zu reagieren. Wichtig wird auch sein, die Wahrung einer ausgewo- Bei Übergriffen auf Nutztiere, die zur Ent- genen Vertretung der verschiedenen Akteure schädigung von deren Besitzern führen sicherzustellen, da ihre Vielfalt ein Garant können, sind nur bestimmte Mitglieder des für Transparenz und effektive Zusammen- Netzwerks Wolf befugt, makroskopische Rissbildanalysen durchzuführen und Proben * Nähere Informationen zur Zusammenset- für eine Erbgutanalyse zu entnehmen. Hier- zung und zu den Aufgaben des Netzwerks Wolf: reseauloup.be.
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