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20 1521 500 Jahre St. Annenaltar (1521 | 2021) Wolf Huber und seine Zeit Eine Ausstellung im Palais Liechtenstein 1
500 Jahre St. Annenaltar (1521|2021) Wolf Huber und seine Zeit Eine Ausstellung im Palais Liechtenstein
Impressum Herausgeber: Amt der Stadt Feldkirch Für den Inhalt verantwortlich: Dr. Hans Gruber Die Broschüre erscheint anlässlich der Ausstellung „500 Jahre St. Annenaltar (1521|2021) – Wolf Huber und seine Zeit“ der Stadtbibliothek Feldkirch vom 20. Mai bis 14. November 2021. Text: Dr. Hans Gruber Gestaltung: Martin Caldonazzi, Atelier für visuelle Kommunikation, www.caldonazzi.at Infografiken: Dr. Hans Gruber, Martin Caldonazzi Lektorat: Mag. Sabine Gruber Druck: Druckerei Thurnher, Rankweil Feldkirch 2021 Mit freundlicher Unterstützung durch das Land Vorarlberg
Inhalt Der Altar | 8 Das Leben | 26 Das Werk | 42 Die Zeit | 66 Der Ort | 76 Das Gesamtwerk | 80 Literaturverzeichnis | 82
Vorwort Seit 2006 ist der St. Annenaltar nach einer sehr Im Palais Liechtenstein wird keine Kunst-, sondern wechselvollen Geschichte wieder in seiner vollstän- eine historische Wissensausstellung gezeigt. Diese digen Gestalt im Dom in Feldkirch zu bewundern. soll das Leben, Werk und die herausragende Bedeu- Es war damals insbesondere den Bemühungen von tung des Wolf Huber wieder in Erinnerung rufen und Msgr. Rudolf Bischof und Manfred A. Getzner zu ver- schließt so an die Ausstellung „… mehr Gelehrte als danken, dass das Hauptwerk von Wolf Huber, einem Rom“ von 2014 an, in der eines anderen großen Feld- der großen Söhne unserer Stadt, nach mehr als 180 kirchers, Georg Joachim Rheticus, gedacht wurde. Jahren wieder in seiner ursprünglichen Form der Öf- fentlichkeit und den Kirchenbesuchern präsentiert Mein Dank gilt allen, die zum Gelingen dieser Aus- werden konnte. stellung beigetragen haben. Ich lade Sie nun ein, auf den Spuren eines großen Künstlers ein zentrales Mit dem St. Annenaltar schuf Wolf Huber 1521 ein Stück Feldkircher Geschichte wiederzuentdecken. Meisterwerk in der damaligen Stadtpfarrkirche seiner Heimatstadt. Der Altar, Ausdruck der Zeit zwischen Spätgotik und Renaissance, galt bald als einer der schönsten und berühmtesten in der ganzen Region. 500 Jahre nach seiner Errichtung lässt sich in einer Ausstellung und in der vorliegenden Begleitbroschü- re dessen wechselvolle Geschichte nachverfolgen. Bürgermeister Wolfgang Matt 7
Der Altar Das Heilige offenbart sich in Personen, Zeiten („Heilige Der Annenaltar – Zeit“), Gegenständen (Reliquien, geweihte Kultgegen ein Meisterwerk stände), aber auch in Orten (Jerusalem, Mekka, Tem- zwischen Spätgotik pel, Kirchen). Ein bedeutsamer Ort der Sakralität ist in und Renaissance vielen Religionen der Altar (z.B. Butsudan im Buddhis mus; Kamidana oder Tamaya im Shintoismus). Im Der St. Annenaltar im heutigen Dom in Feldkirch Christentum manifestiert sich hier das Zentrum des nimmt eine zentrale Stellung in Wolf Hubers Schaf- Opferritus, die Eucharistie oder das Abendmahl. fen ein. Er gilt als sein bedeutendstes Werk. Huber hat wohl noch weitere Altäre geschaffen, wie wir aus Heute werden Altäre als steinerne Tische frei aufge- Entwürfen erschließen können, diese sind aber nicht stellt. Früher hingegen wurden Hoch- und Seitenal- erhalten geblieben. Die finanziellen Mittel der St. An- täre mit Bildern und Schnitzereien geschmückt und na-Bruderschaft ermöglichten die Errichtung eines aus wertvollen Materialien gefertigt. Im Spätmit- außergewöhnlichen Kunstwerks. Das Bildprogramm telalter und in der frühen Neuzeit entstanden viele umfasste in erster Linie die Anna-Legende, die „Hei- prachtvolle Altäre, zu den berühmtesten gehören lige Sippe“, die Kindheit Jesu sowie das Schweißtuch der Genter Altar von Hubert und Jan van Eyck, der und die Beweinung Christi. Als Vorbild dienten auch Isenheimer Altar des Matthias Grünewald oder spä- Holzschnitte von Albrecht Dürers Marienleben. Hu- ter der barocke Papstaltar im Petersdom von Gian ber widmete seine einfühlsame Aufmerksamkeit Lorenzo Bernini. der Darstellung des Landschaftlichen und situier- te die Themen in den geographischen Kontext. So lassen sich immer wieder topographische Überein- stimmungen zu Feldkirch und Umgebung finden. Die Teile eines Altars Gesprenge: Zieraufsatz Retabel: Altaraufsatz Flügel: Klappbare Flügel am Retabel oder an der Predella Predella: Altarsockel Antependium: Vorhang an der Vorderseite der Mensa Mensa: Altarplatte 8
Wolf Huber, Wolf Huber, Zurückweisung des Verkündigung an Opfers Joachims, Joachim, 1521 1521, Feldkirch, Feldkirch, Dom St. Nikolaus Dom St. Nikolaus Wolf Huber, Wolf Huber, Begegnung von Geburt der Maria, Joachim und 1521, Feldkirch, Anna unter der Dom St. Nikolaus Goldenen Pforte, 1521, Feldkirch, Dom St. Nikolaus 9
Wolf Huber, Wolf Huber, Geburt Christi, 1521 Beschneidung Feldkirch, Christi, 1521 Dom St. Nikolaus Feldkirch, Dom St. Nikolaus Wolf Huber, Wolf Huber, Anbetung der Darstellung Christi Könige, 1521 im Tempel, 1521 Feldkirch, Feldkirch, Dom St. Nikolaus Dom St. Nikolaus 10
Wolf Huber, Schweißtuch Christi, 1521 Feldkirch, Dom St. Nikolaus Wolf Huber, Beweinung Christi, 1521 Feldkirch, Dom St. Nikolaus 11
Vorstudien und Entwürfe Es haben sich einige Blätter von der Hand Wolf Hu- bers erhalten, die als Vorstudien zum Annenaltar gelten können. So auch die bemerkenswerten Holz- schnitte „Geburt Christi“ und „Beschneidung Chris- ti“. Besonders augenfällig wird das im umgebenden architektonischen Raum, der Situierung der einzel- nen Figuren und in der Gesamtanlage. Vier in München verwahrte Zeichnungen des Meis- ters zeigen Entwürfe für den Annenaltar. „Das Opfer Wolf Huber, Geburt Christi, um 1512/13 Joachims“, die „Begegnung von Joachim und Anna“, Vorarlberg, Privatsammlung „Geburt der Maria“ und die „Darstellung Christi im Tempel“ nehmen bis in Details die später ausgeführ- ten Tafeln vorweg. Wolf Huber, Beschneidung Christi, um 1512/13 Vorarlberg, Privatsammlung 12
Wolf Huber, Das Opfer Joachims, 1519 Wolf Huber, Begegnung von Joachim und Anna München, Staatliche Graphische Sammlung unter der Goldenen Pforte, 1519 München, Staatliche Graphische Sammlung Wolf Huber, Geburt der Maria, 1519 Wolf Huber, Darstellung Christi im Tempel, 1520 München, Staatliche Graphische Sammlung München, Staatliche Graphische Sammlung 13
Die St. Annenbruderschaft Der auch im Werkvertrag von 1515 unter den Auf- Das hohe Ansehen der Annenbruderschaft führte traggebern genannte Pfarrer Dr. Ludwig Rad grün- zu einer großen Mitgliederzahl, darunter sehr ho- dete 1504 die St. Annenbruderschaft in Feldkirch. norige Personen des öffentlichen und kirchlichen Jedes Mitglied hatte bei Einschreibung drei Gulden Lebens, was zu einem ansehnlichen Kapital führte. zu entrichten und musste sich zu täglichen Gebeten 1515 dürfte sich das Vermögen aber noch recht be- für alle anderen verstorbenen und lebenden Ange- scheiden ausgenommen haben, wodurch auch die hörigen der Bruderschaft verpflichten. Am Festtag verhältnismäßig geringe Entlohnung Wolf Hubers der heiligen Anna (26. Juli) wurden im Rathaus der erklärt werden kann. Unter Kaiser Josef II. wurde die Brudermeister und seine sechs Assistenten gewählt, Annenbruderschaft 1784 aufgehoben. die den Besitz der Gemeinschaft verwalteten. Lade der St. Annenbruderschaft Bruderschaften setzten sich meist die Unterstüt- Auf der Vorderseite sind die heilige Anna, Maria mit zung des religiösen Lebens und die Krankenpflege dem Jesuskind und der heilige Joachim abgebildet. zum Ziel. Die Annenbruderschaft im Besonderen Die Annenbruderschaft verwahrte in dieser Lade kümmerte sich vornehmlich um die Bestattung der schriftliche Dokumente. Toten, fungierte also als eine Art „Sterbekasse“. Die finanziellen Mittel sollten jeweils zu einem Drittel für Gottesdienste („Messelesen“), für die „Zier“ der Kirchen und die Unterstützung der Armen aufge- wendet werden. Die Ausgestaltung der Kirche ge- hörte also dezidiert zu einer der Aufgaben der An- nenbruderschaft. Lade der St. Annenbruderschaft, zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts | Schattenburgmuseum Feldkirch 14
Die Anna-Legende Der Kult der Anna als „Mutter aller Mütter“ geht weit Die heilige Sippe in vorchristliche Zeit zurück. In Spätmittelalter und Im Zentrum des Altars stand als Schnitzwerk die Früher Neuzeit lässt sich dann eine intensive Ver- „Heilige Sippe“. Die heilige Anna soll nämlich drei ehrung der heiligen Anna ausmachen, ganz beson- Ehegatten gehabt haben, Joachim, Kleophas und ders im Süden Vorarlbergs. Dabei steht immer die Salomas. Jeder Ehe entsprang eine Tochter, alle drei Bedeutung der Mutterschaft im Zentrum. Die Ge- mit dem Namen Maria. Maria, die Mutter Jesu, ent- schichte findet sich allerdings nur apokryph (nicht sprang der Ehe mit Joachim, die zweite Maria aus als Teil des neutestamentlichen Kanons) im Proto- der Ehe mit Kleophas wurde zur Mutter von u.a. Ju- evangelium des Jakobus und später in der „Legenda das Thaddäus und Jakobus dem Jüngeren. Die dritte aurea“ des Jacobus de Voragine. Maria, aus der Ehe mit Salomas, wurde wiederum zur Mutter von Jakobus dem Älteren und Johannes Anna und Joachim dem Evangelisten. Das Relief versammelt die ganze Anna und ihr Mann Joachim blieben bis ins hohe Al- Sippe inklusive der Ehegatten der drei Marias. ter kinderlos. Als Joachim eines Tages im Tempel ein Opferlamm darbringen wollte, wurde es vom Hohe- priester brüsk zurückgewiesen. Eine kinderlose Ehe galt nämlich als anrüchig und Strafe Gottes. Joachim zog sich verzweifelt in die Wüste zurück und faste- te dort vierzig Tage. Ein Engel verkündete ihm dann die Schwangerschaft seiner Frau Anna. Diese hatte mittlerweile ihr Schicksal beweint und in einem Ge- lübde versprochen, ein zu erwartendes Kind dem Dienst im Tempel zu weihen. Nachdem auch Anna ihre Empfängnis verkündet worden war, begegnete sie ihrem Mann unter der Goldenen Pforte, einem Stadttor Jerusalems, und beide lagen sich beglückt in den Armen. Sieben Monate später gebar Anna ein Mädchen, das sie Maria nannte, die spätere Mutter Gottes. (Abbildungen Seite 9) Die heilige Sippe, 1521 Feldkirch, Dom St. Nikolaus 15
Ein Auftragswerk Der Vertrag von 1515 Heute entsteht ein Kunstwerk für gewöhnlich aus Es stellt einen besonders glücklichen Umstand dar, Intention des Künstlers oder der Künstlerin und dass der Vertrag zur Erstellung des St. Annenaltars sucht dann auf dem Markt nach einer Absatzmög- in einer Abschrift aus dem 18. Jahrhundert überlie- lichkeit. Die meisten von uns bewunderten Werke fert ist. Nur relativ wenige solcher schriftlichen Ver- der Renaissance wurden hingegen nicht aus Eigen- einbarungen haben sich erhalten, meist beziehen initiative geschaffen, sondern waren Auftragsarbei- sie sich zudem auf verlorene Werke. ten, zumal Porträts, Fresken und Altarbilder. In einer vertraglichen Vereinbarung wurden die Bildinhalte Auftraggeber | Annenbruderschaft, vertreten durch und die Materialverwendung nach den Vorstellun- Pfarrherr Dr. Ludwig Rad, Stadtammann Heinrich Rad gen des Auftraggebers festgehalten. und die drei Ratsherren Clas Haslach, Ulrich Zoller und Georg Gasser „Verdingd-Werckh der Taflen auff Sanct Anna Altar“ Vertrag und Auftragserteilung für den Annenaltar, 1515 Abschrift aus dem 18. Jahrhundert Auftragnehmer | Wolfgang Hueber aus Feldkirch, Stadtarchiv Feldkirch jetzt in Passau wohnhaft Gegenstand | ein Altarschrein mit Predella, Auszug (Gesprenge), Flügeln, Tafelbildern und geschnitzten Figuren Bildinhalte gemäß angefertigter Skizze • in der Predella den König Jesse • mit einem wachsenden Stammbaum auf beiden Seiten durch die Hohlkehlen und darin vierzehn Könige; • im Altarschrein die heilige Anna mit ihrer Sippe, • darüber den Heiligen Geist; • an den beiden Seiten des Schreins zwei ge- schnitzte Bilder der genannten Schutzheiligen, • im Auszug [Gesprenge] drei geschnitzte Bilder, zwei der genannten Schutzheiligen und in der Mitte den Erlöser. • zwei Flügel, darin die Tafeln: (1) Zurückweisung von Joachims Opfer; (2) Verkündigung an Joachim; (3) Begegnung unter der Goldenen Pforte; (4) Geburt Mariens, • die Tafeln sollen außen bemalt sein mit: (5) Christi Geburt; 16
tei hat die Kosten dafür zu tragen. Wolf Huber hat (6) Beschneidung Christi; als Beistände die ehrbaren und weisen Heinrich Rad, (7) Anbetung der Könige; Stadtammann, und Konstantin Müller, Goldschmied (8) Darstellung des Herrn, des Feldkircher Stadtrats, nominiert. • an die Predella zwei Flügel mit innen zwei Propheten und ihren Schriftrollen, außen ein Schutzheilige | Schutzheilige des Altars seien: Englischer Gruß [Verkündigung des Herrn], • Joachim und Anna • auf der Rückseite der Tafel die Szene, • der heilige Papst Urban wie Jesus im Tempel gepredigt hat. • der heilige Ludwig [von Toulouse] • der heilige Ulrich [von Augsburg] Materialien | Wolf Huber soll alles aus frischem, • Marcella, Jungfrau gesundem Holz schnitzen lassen und dann selbst [Schwester des heiligen Ambrosius] bemalen und dafür sorgen, dass es, wie es einem solchen Werk gebührt, mit gutem Gold säuberlich Ort und Datum | Vollzogen in Feldkirch am Montag vergoldet wird. nach dem zweiten Fastensonntag nach Christi Geburt fünfzehnhundert und fünfzehn Jahre [5. März 1515] Eigenhändigkeit | Die Flügel und alle Tafelbilder soll er mit eigener Hand und mit guten Ölfarben selbst Originaltext malen. I Verdingd-Werckh der Taflen auff Sanct Anna Altar Ihn Sanct Niclaus Kürch all hie zu Veldtkürch. Abgabefrist | Das Werk soll bis Ostern nächstes Jahr Zue wissen vnndt khuent gethuen Aller mennig- (1516) fertig sein. clich, das die erwürdigen hochgelehrten füerne- men, ersamen vnnd weisen Doctor Ludwig Rad Transport und Aufbau | Huber soll das Werk auf Pfarherr, Heinrich Rad Stat Amman, Clas Haslach, eigene Kosten und Verantwortung nach Innsbruck Vlrich Zoller vnnd Georg Gasser des raths zu Veld- bringen, von dort wird es auf Kosten der Bruder- kürch, von wegen sanct Anna Bruederschaft da schaft nach Feldkirch transportiert. Huber soll es selbst Maister Wolfgang Hueber von Veldkürch aber begleiten und in Feldkirch ohne Beschädigung Jetz wohnhaft zue Passaw auff sanct Anna Altar aufbauen. ihn der Pfarkürchen zue Veldkürch, ain Taflen zue schneiden vnnd zu vassen Lut seiner Visierung ab- Bezahlung | Die Bruderschaft bezahlt für den Altar genomben Mers verdingt, Vnnd Damit Ihne Nam- 230 Gulden. 25 Gulden soll Huber sofort erhalten, blich abgeredt haben, das er Am Ersten Ein Corpus 25 Gulden am nächsten Martinitag (11. November), kunde mit einem sarckh machen lassen, Vnnd Ihn 100 Gulden nach Fertigstellung und den Rest nach den sarckh König Jesse Mit ainem Aufwachsenden einem halben Jahr. stamb, auff Beyd seiten durch die holkelin vff vnd darin 14 König schneiden lassen soll. Schiedsgericht | Sollte die Bruderschaft der Mei- Zum 2 sol ihm Corpus sanct Anna Mit Jhren Mannen, nung sein, das Werk sei den Lohn nicht wert, sollen Auch Ihren dochtern, Mit ihren Männern vnd Kin- beide Parteien zwei ehrbare und kundige Männer dern, vnd drob im Corpus den H. Geist sol schneiden benennen und was diese nach Prüfung der Arbeit lassen. Vnnd Außen An Baiden seiten Am Corpus sol urteilen, dabei soll es bleiben. Die unterlegene Par- Er zwen Bild Von den Nachgenandten Patronen, vnd 17
darzu ob dem Corpus Ihm Vßzug drey Bild, Nemblich vnnd versorgnus gen Jnsprug Antworten, Darnach die zwen Auch von den Nachgenambten Patronen, sölches in der Bruoderschafft Losten her Auß gefürt. vnd Mitten den Saluator schneiden lassen, vnd Be- Aber doch durch Jhn vor schaden Verhüet, vnnd sonders den vszug Laut der Visierung. durch Ihn selbst oder seiner Diener Ainer Jn seinem Zum 3 sol Er die zwen fligel gantz, Doch mit listen Losten ganntz gerecht vnnd vnschadhaft Auch ver- vnnder Quardtiert lassen machen, Vnd darin von zirrid Auf gesetzt werden. Flachgemel diße Materien, Nemblich wie Joachim Vnnd vmb solches alles sol Jm die Briedschafft Zway sein Opffer Veracht, vnd über den Altar abgestoßen. huendert vnnd dreysig fl geben, vnnd hehrer sol er Jitem wie Jhm Bey seinem veich halten von dem En- das werkh Nit machen, Vnnd Jm daran Jetzo par gel seiner hauß frawen Empfenckhnus verkündt. Fünf vnnd zweyziig gulden geben. Jtem wie Er vnd sein Hauß fraw vnnder der gulden Jtem vf Nechst Martini zu hall Ihm Marckht Auch port Ein Anderen vmbpfieng. Fünf vnnd Zweynzig gulden, vnnd so das werckh Alß Jtem vnnd wie von sanct Anna, Marien geboren wart. werschafft Auf gesetzt ist huendert gulden, vnd das Zum 4 Vßen den fliglen dis vier Materien, Jtem den übrig dar Nach Jn Einem halben Jar den Nechsten Weinnecht Tag, die Beschneidung Christi am Neu- geben, vnnd Ausrichten, Ob aber der Werschafft wen Jars Tag, Jtem der Hailigen 3 König vnd den vnnd Maisterschafft hal Jhrrung, vnnd durch die Liechtmes Tag. Brüeder vermaint wurd, die Arbeit der Belohnung Jtem Vnnd Vnnen Jm sarckh An die zwey flieglin, Nit werth, sol Jeder Thail zwen Erbarn Mannen der Jnwendig zwen Propheten mit Ihren sprüchen dar- Arbeit verstendig darzue vermögend vnd was die zu gehörent, vnnd vswendig den Engelischen grueß, auf die besichtigung der Arbeit sprechen, dar Bey vnnd solche bild alle sol Er von frischem gesundt- soll es verbleiben, vnnd dan der verlustig Thaill den nem Holtz vf das rainisch schneiden lassen vnd spruch Leuten Jhren Losten Ab Tragen, ohn wider- dan die selben Maisterlich vassen, Auch alle Uebich red, Vnnd das solchem Allem gelebt werden soll, hat vnnd Anders was sich in sölchem werckh gebürt Maister Wolfgang der Bruederschaft zu Tröstern vnnd Er haiß Von guotem feinem golds seuberlich geben die Ersamen weisen Hainrich Raden stat Vergulden, Jtem Hinnen An der Taflen sol Er die Ma- Ammann, vnnd Constantin Müller goldtschmid des tery wie Jesus Jm Tempel geprediget hat machen, Raths zu Veldkürch. Vnd zue letst die fligel vnd alles flachwerckh so wie Vnnd Patronen diß altars seint Joachim Anna vnnd obstath zu disem werckh gehört, sol er mit Eygner darzue sanct Vrbann papst, S Ludwig vnnd S Vlrich hand vnnd gueter Oel farben selbst mallen, Bayd Bischof vnnd Marcella Jungfrauw beschehen Vnnd sol diß werckh Auff Ostern Nach Datum diß Ze- zu Veldkürch Am Montag Nach dem Sonntag Remi- dels Vber Ain Jar Nechst khommendt Vngeferlich be- niscere Jn der fasten Nach Christi geburt füfzehen rait sein, Vnd er das in seinen Losten Bewarung, Huot, hundert vnnd Jm fünfzehenden Jahr. 18
Das Bildprogramm wurde von der Annenbruder- Der St. Annenaltar in schaft also recht detailliert vorgegeben, doch kam der Stadtpfarrkirche Feldkirch es noch zu Änderungen, die wohl auch für die Nicht- einhaltung der ursprünglichen Fristen verantwort- 1521 wurde der St. Annenaltar in der Annenkapelle, lich waren. der heutigen Muttergotteskapelle des Doms in Feld- Die formale Ausführung oblag Wolf Huber. Die Frei- kirch, freistehend aufgestellt, sodass er von beiden heit des Künstlers, Bildinhalte zu gestalten, wurde Seiten zu besichtigen war. Hier verblieb er für Jahr- während der Renaissance immer größer, auch dies hunderte. 1822 wurde der Altar dann in mehrere Tei- ein Ausdruck der fortschreitenden Individualisie- le zerlegt, wohl um die Seitenkapelle übersichtlicher rung. Huber hatte aber einen Entwurf („Visierung“) und homogener zu gestalten. 1827 wurde er an der vorzulegen, dem die Bruderschaft dann auch zu- Nordwand des Langhauses neu situiert, ungefähr stimmte. Der Vertrag erwähnt dagegen keine Vorbil- auf Höhe der dritten Mittelsäule, aus Platzgründen der, an die sich der Künstler zu halten gehabt hätte, aber verkleinert: Es verblieben lediglich das Bewei- wie es in ähnlichen Vereinbarungen oft vorkam. nungsbild, Teile des Altarschreins und das Sippenre- Verantwortlich für die Ausführung des gesamten lief. Das Schweißtuch Christi wurde in der heutigen Auftrags war Wolf Huber, auch wenn er die Schnitz- Abendmahlskapelle untergebracht. 1872/78 kam arbeiten nicht selbst gefertigt hat. der Altar an die Stelle, an der er sich heute noch be- findet, allerdings ohne die originalen Seitenflügel, stattdessen mit neugotischen Tafelbildern. 19
Verbleib der Entdeckung in Seitentafeln? der „Besenkammer“ Wo aber verblieben die vier beidseitig bemalten, Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde die Schule von Wolf Huber geschaffenen Tafelbilder der Flügel? des Sacré Coeur Riedenburg geschlossen und zu ei- Manfred A. Getzner hat deren Schicksal akribisch re- nem Lazarett umgebaut. Im Zuge dessen gelangten konstruiert. Er glaubt, dass sie schon kurz nach der die vier Seitentafeln in eine „Besenkammer“. Genau „Zerlegung“ in die Leonhardskirche kamen, die 1821 dort entdeckte sie 1953 der Landeskonservator Dr. nach Jahren der zweckentfremdeten Nutzung neu Erwin Heinzle zu seiner großen Überraschung. Dem geweiht worden war und zusätzlicher Ausschmü- Fund war ein Hinweis von Oswald Graf Trapp, dem ckung bedurfte. 1851 wurde die Leonhardskirche Tiroler Landeskonservator und Bruder einer Klos- abgerissen, um einer Kaserne Platz zu machen, die terschwester, vorangegangen, doch bleibt es Heinz- schon bald darauf von den Jesuiten als Kolleg ge- les Verdienst, die Tafeln sofort als das verschollene nutzt wurde, die berühmte Stella Matutina. Werk des Wolf Huber erkannt zu haben. Gemein- Möglicherweise kamen die wertvollen Werke über sam mit dem Restaurator Andreas Amann konnte den damaligen Mesner der Leonhardskirche, Josef er dann auch auf einer Tafel das Monogramm „W.H.“ Isidor Bucher (gest. 1848), und seiner zweiten Gattin und auf einer anderen die Datierung „1521“ entzif- und Nachfolgerin Maria Anna Bucher, geb. Klock, zu fern. Wie so oft war die Entdeckung also ein glückli- deren Sohn Josef Bucher (1820-1883), einem noch ches Zusammenspiel mehrerer kundiger Fachleute. heute hochgeschätzten Künstler und damals auch bekannten Kunstsammler. Wie es scheint, dürfte er in Kontakt mit zwei jungen Frauen gestanden sein, Ein rettender die später als Schwestern in das Kloster Rieden- Mäzen burg eintraten, Sr. Madeleine Caroline Ebenhoch (1841-1926) aus Feldkirch und Sr. Johanna Wald- Erwin Heinzle drängte darauf, das Land Vorarlberg mann (1837-1907) aus Konstanz. Letztere scheint möge die bedeutenden Werke ankaufen und dann es gewesen zu sein, die bei ihrem Eintritt 1859 oder der Stadt Feldkirch zur Verfügung stellen, um den bald danach die wertvollen Tafeln in das Kloster ein- Altar in seiner ursprünglichen Form wiederherzu- gebracht hat. 1865 wurde die Klosterkirche Rieden- stellen. Das Land bot in Folge auch ATS 300.000 burg eingeweiht und wie spätere Zeugen glaubhaft und später sogar ATS 600.000. Doch private Inter- vermitteln, hingen die Tafelbilder Jahrzehnte lang in essenten, die beabsichtigten, die Tafelbilder einzeln dieser Kirche. auf den Markt zu bringen, überboten diese Summe. Die Rettung erwuchs in der Person des Schweizer Industriellen, Kunstsammlers und Mäzens Emil Georg Bührle (1890-1956). Obwohl bereits 1954 ein 20
Bemühungen um eine Zusammenführung Ausfuhrverbot des Bundesdenkmalamts verhängt Wieder war es eine Ausstellung, die den Stein ins worden war, erwarb Bührle die Altarflügel für ATS Rollen brachte. Für die Schau „Weißes Gold - Passau. 1.100.000 und stellte sie fortan als Leihgabe dem Vom Reichtum einer europäischen Stadt“ wurde eine Kunsthistorischen Museum in Wien zur Verfügung. Rekonstruktion des St. Annenaltars angefertigt. Auf Bührle begründete seinen Schritt: „Der Grund der Betreiben von Manfred A. Getzner wurde diese nach Leihgabe liegt in der Wertschätzung, welche ich dem Feldkirch gebracht. Die Reproduktion im Maßstab 1:1 österreichischen Staate und Volk mit seiner alten wurde dann zu Weihnachten 1997 von Bischof DDr. Kultur entgegenbringe.“ Somit war sichergestellt, Klaus Küng und Stadtpfarrer Msgr. Bischof präsen- dass das Werk unbeschadet und der Allgemeinheit tiert. Das Echo war so groß, dass sich eine Gruppe zugänglich blieb. „Wolf-Huber-Initiative-Feldkirch“ bildete, deren Ziel es war, die Werke Hubers wieder nach Feldkirch zu bringen. Das Ehrenpräsidium mit Bischof DDr. Klaus Zurück Küng, Msgr. Rudolf Bischof, Altlandeshauptmann ins Ländle Dr. Martin Purtscher, Bürgermeister Mag. Wilfried Berchtold und der Arbeitsausschuss mit Manfred Nachdem die Tafelbilder schon 1954 in einer aufse- A. Getzner, Dr. Burkhard Hirn und Kulturamtsleiter henerregenden Ausstellung in Passau gezeigt und in Mag. Albert Ruetz waren zu diesem Zweck gegrün- München gereinigt worden waren, gingen sie am 23. det worden. Am 19. März 2003 gaben die Erben des Jänner 1957 an das Kunsthistorische Museum Wien. Besitzers, Frau Hortense Anda-Bührle und Dr. Die- Dort wurden sie in den nächsten sechs Jahren res- ter Bührle, ihre Zustimmung. Im März 2004 willigte tauriert und mit neuer Rahmung in rekonstruierten auch das Bundesdenkmalamt in Wien ein und nach Flügelformen versehen. Die dreiwöchige Leihgabe einer umfassenden Innenrenovierung der Dom für eine Ausstellung im August 1963 an das Vor- pfarrkirche Feldkirch, die auch die konservatorischen arlberger Landesmuseum weckte dann wieder die Rahmen bedingungen gewährleistete, konnte am Bemühungen um eine Rückholung in das Ländle. 26. April 2006 der meisterhafte St. Annenaltar des Am 16. Juni 1967 war es so weit, die Tafeln wurden Wolf Huber nach mehr als 180 Jahren wieder in sei- dem Vorarlberger Landesmuseum übergeben. Die ner ursprünglichen Form der Öffentlichkeit und den Zusammenführung des Altars in Feldkirch wurde Kirchenbesuchern präsentiert werden. weiterhin betrieben, doch sprachen finanzielle Er- wägungen und Sicherheitsfragen dagegen. 21
Die abenteuerliche Geschichte des St. Annenaltars „Zerlegung“ Rekonstruktion Zu Anfang des 20. Jahrhunderts war es nach der wechselvollen Geschichte und der weitgehenden „Zerlegung“ des Altars kaum mehr möglich zu re- konstruieren, wie dieser ursprünglich ausgesehen hatte. Riggenbach erkannte dann 1907, dass die ge- schnitzte „Heilige Sippe“ und das Beweinungsbild einst Teile des Annenaltars gewesen sein mussten. Voß bemerkte im gleichen Jahr die Zugehörigkeit des Schweißtuches, Peter Halm hingegen ging in der Folge von zwei von Wolf Huber geschaffenen Altä- ren aus, einem Beweinungs- und einem Annenaltar. Später vermutete man sogar drei Altäre. Erst anläss- lich der Altdorfer-Ausstellung 1938 wurden auf den Rückwänden der Beweinungs- und Schweißtuchta- fel Spuren von Aussparungen entdeckt, die darauf hinwiesen, dass das Sippenrelief und die Wurzel-Jes- se-Figur hier eingepasst waren. Daraus schloss man, dass es nur einen Wolf-Huber-Altar gegeben haben konnte, den St. Annenaltar. Aufgrund der Angaben im Vertrag von 1515 kann rekonstruiert werden, wie 1521 der Altar ursprünglich ausgesehen hat bzw. hätte aussehen sollen. Wir wissen allerdings nicht, ob die uns heute unbekannten Elemente verschollen oder vielleicht gar nicht umgesetzt worden sind. 22
nach 1865 vor 1938 „Besenkammer“ in Riedenburg Klosterkirche 1953 Wiederentdeckung (Heinzle, Trapp, Amann) Riedenburg 1954 Ausstellung Passau/München nach 1822 Leonhardskirche Mesner 23.1.1957 Kunsthistorisches Museum Wien Josef I. Bucher August 1963 Ausstellung Landesmuseum Bregenz nach 1851 Josef Bucher 16.6.1967 Landesmuseum Bregenz Sr. M. Ebenhoch Sr. J. Waldmann 2005/06 Restaurierung Wien 28.2.2006 Ausstellung Belvedere 26.4.2006 1827 nördliche Längswand 1872/78 Seitenaltar mit neuen neugotischen Flügeln 1822 1827 in Abendsmahlkapelle 23
Vorderseite nach Vertrag 1515 | geöffnet Rückseite nach Vertrag 1515 Fast alle Angaben des Vertrags beziehen sich auf Zentrales Objekt auf der Rückseite des Haupt- die Vorderseite des Altars. Erhalten haben sich die schreins sollte laut Vertrag die Szene „wie Jesus im geschnitzte „Heilige Sippe“, die Flügelgemälde, die Tempel predigt“ sein. Dieses Bild wurde offenbar bei geöffnetem Zustand die Geschichte der heiligen niemals umgesetzt. Ob dies mit der jahrelangen Anna und Joachim erzählen, sowie einige der vier- Verzögerung der Fertigstellung des Altars in Zu- zehn Könige, die in den Hohlkehlen ausgeführt wer- sammenhang steht, entzieht sich unserer Kenntnis. den sollten und von denen sich elf heute im Rahmen Bei geöffnetem Zustand an Sonn- und Feiertagen der Beweinungstafel finden. Nicht erhalten blieb im wurden auch die Rückseiten der Flügel sichtbar. Die Hauptschrein der geschnitzte Heilige Geist, der über Retabel-Flügel gruppieren sich nun von links oben der Heiligen Sippe schweben, und zwei der vier er- nach rechts unten in folgender Weise: (1.) Beschnei- wähnten Patrone, die die Sippe zu den Seiten flan- dung Christi, (2.) Geburt Christi, (3.) Darstellung kieren sollten (wohl der heilige Ludwig von Toulouse Christi im Tempel und (4.) Anbetung der Könige. und der heilige Ulrich von Augsburg). Für die Predella Diese Reihenfolge ergibt ebenso keinen Sinn wie die war eine Jesse-Figur vorgesehen, aus der ein Stamm- auseinandergerissenen Flügel der Predella mit der baum mit den Königen erwuchs. Die Aussparungen Verkündigung des Herrn. Der Altar war in geöffne- auf der Rückseite der Schweißtafel deuten darauf tem Zustand von der benachbarten Kapelle aus also hin, dass es diese vertraglich festgelegte Figur tat- nicht in richtiger Weise „zu lesen“. Dies wurde aber sächlich gab. Ebenso verschollen sind die beiden Pre- augenscheinlich hingenommen. Die Rückseite der della-Flügel, die bei geöffnetem Zustand zwei nicht Predella wurde im Vertrag nicht erwähnt. weiter genannte Propheten mit Schriftrollen zei- gen sollten. Wie das Gesprenge schließlich gestaltet wurde, lässt sich nicht mehr wirklich rekonstruieren. Rückseite in tatsächlichem Zustand Vorgesehen waren drei geschnitzte Figuren, zwei der Patrone (wohl die heilige Marcella und der heilige Tatsächlich sah die Rückseite des Altars wohl völlig Papst Urban) sowie ein Standbild des Erlösers. anders aus als im Vertrag von 1515 geplant. Im Zent- rum des Retabels stand die berühmte Beweinungs- tafel Wolf Hubers, darunter in der Predella das Vorderseite nach Vertrag 1515 | geschlossen ebenso berühmte Schweißtuch der Veronika. Beide Tafeln wurden Ende des 19. Jahrhunderts auf die Bei geschlossenem Zustand erzählen die Flügel- Vorderseite verlegt und können dort noch immer tafeln die Kindheitsgeschichte Jesu, (1.) die Ge- bewundert werden. Beide Werke werden im Vertrag burt Christi (Weihnachtstag), (2.) die Beschneidung von 1515 nicht erwähnt, können aber mittlerweile Christi (Neujahrstag), (3.) die Anbetung der Könige als gesicherte Bestandteile gelten. Ebenso wie die (Dreikönig) und (4.) die Darstellung Christi im Tem- Flügeltafeln gelten sie als herausragende Haupt- pel (Lichtmesstag), und zwar in richtiger Reihenfol- werke des Künstlers. ge von links oben nach rechts unten. Die verschol- lenen Predella-Flügel zeigten außen laut Vertrag einen „Englischen Gruß“ (Verkündigung des Herrn). 24
Rekonstruktion des Rekonstruktion des Annenaltars: Annenaltars: Vorderseite, in Vorderseite, in geöffnetem Zustand geschlossenem Zustand Rekonstruktion des Rekonstruktion des Annenaltars: Annenaltars: Rückseite in tatsächlichem Rückseite nach Vertrag Zustand 25
Das Leben Eine Kindheit in Feldkirch Wolf Huber wurde um 1480 in Feldkirch geboren. So dürfte auch Wolf Huber Anfang der 1490er Jahre Wir kennen nur wenige Daten aus seinem Leben diese Schule absolviert haben, an der einige Jahre und müssen vieles erschließen, manchmal auch vor seiner Geburt ein so berühmter Humanist wie Spekulation walten lassen. Sein Vater war wohl der Hieronymus Münzer als Lateinschulmeister gewirkt Feldkircher Maler Hans Huber, von dem einige weni- hatte. Parallel und auch als Vorbereitung auf die ge Werke erhalten geblieben sind und dessen Pro- Universitäten lehrte man an einer Lateinschule die fession der Sohn später weiterführte. Der Vorname sogenannten Sieben Freien Künste (septem artes wird in verschiedenen Versionen wiedergegeben, liberales), wobei sich der Lehrplan auf das Trivium das „Wolfgang“ wurde jedenfalls bald zu dem spä- konzentriert haben dürfte, (1.) die Grammatik, die ter überwiegend verwendeten „Wolf“ verkürzt. Und in erster Linie in die lateinische Sprache einführte, der Familienname Huber ist bis heute in der Region (2.) die Rhetorik, das geläufige Reden und Schreiben, häufig anzutreffen, in Feldkirch kann er bereits im und (3.) die Dialektik, die Kunst der Argumentation, frühen 15. Jahrhundert nachgewiesen werden. die vor allem gegen die Häretiker geschärft wurde. Das darauf aufbauende Quadrivium, (4.) die Arith- Aufgrund seiner späteren humanistischen Bildung metik, (5.) die Geometrie, (6.) die Musik und (7.) die können wir annehmen, dass der junge „Wolfgang“ Astronomie wurden sicherlich nur gestreift. die weithin geschätzte Lateinschule in Feldkirch be- suchte. Höhere Bildung stand gewöhnlich nur Söh- nen der patrizischen, stadtbürgerlichen Oberschicht Abstammung aus Feldkirch offen. Das wirtschaftliche Aufblühen der nordita- lienischen Städte seit dem frühen 14. Jahrhundert Den Geburtsort Feldkirch bezeugen zwei Quellen. und der damit verbundene Austausch mit den bald Der im Stadtarchiv Feldkirch erhaltene Werkver- ebenso florierenden süddeutschen Gebieten (Augs- trag zum St. Annenaltar 1515 bezeichnet Wolf Huber burg, Nürnberg) ließ Feldkirch, gelegen an einer als „Maister Wolfgang Hueber von Veldkürch Jetz wichtigen Nord-Süd-Verbindung, an diesem Auf- wohnhaft zue Passaw (= Passau)“. Dieser Vertrag ist schwung teilhaben. Der wachsende Handel und die nur in einer Abschrift des 18. Jahrhunderts überlie- damit einhergehenden Verwaltungsaufgaben ver- fert. Aber auch ein Originaldokument im Österrei- langten nach geschulten Schreibern und Buchhal- chischen Staatsarchiv vom 2. Februar 1529, in dem tern. So hatten auch Kinder aus weniger angesehe- der Künstler zum Baumeister des Schlosses Neu- nen und begüterten Familien nun die Möglichkeit, burg am Inn bestellt wird, erwähnt einen „maister die von der Stadt unterhaltene und hervorragenden Wolffganng Hueber von Veldtkhirchen, maller“. (Fa- Ruf genießende Lateinschule zu besuchen. milienakten, Faszikel 12) 26
Lehr- und Wanderjahre Wir wissen nicht, wie sich das Leben des Wolf Hu- 1504 in der Stadt weilte. Auch mit Albrecht Altdorfer ber in den folgenden Jahren in Feldkirch gestaltete. (um 1480-1538) dürfte er bereits in dieser Zeit schon Wahrscheinlich absolvierte er eine Lehre und erhielt in Kontakt getreten sein. Früher ging man davon aus, die ersten Unterweisungen in der Werkstatt des dass sich Wolf Huber in Abhängigkeit von Altdorfer Hans Huber, seines Vaters oder zumindest nahen als dessen Schüler entwickelte. Mittlerweile ist an- Verwandten. Anschließend dürfte der junge Mann zunehmen, dass die beiden ungefähr gleichaltrig auf Wanderschaft gegangen sein. Um sich als Künst- waren und sich gegenseitig in ihrer Entfaltung be- ler weiterzuentwickeln, musste er seine Heimat- fruchteten. Da Hubers Werk früh Einflüsse des ita- stadt verlassen. Ziel war es, künstlerisch zu reifen, lienischen Stils zeigt, insbesondere einen virtuosen sich technisch zu verbessern, selbständig zu arbei- Umgang mit der Perspektive, kann auch eine Reise ten und eine eigene Werkstatt aufzubauen. Dazu nach Oberitalien nicht ausgeschlossen werden. Es musste er Erfahrungen sammeln und Beziehungen gibt dafür allerdings keinerlei konkrete Anhalts- knüpfen. Sein Weg dürfte ihn über Innsbruck, Salz- punkte. Wir können die Wanderwege Wolf Hubers burg und Linz nach Wien geführt haben. Dort, so nicht mehr rekonstruieren, doch zeigt eine Karte al- schließt Franz Winzinger aus einer Analyse des Hu- ler seiner erhaltenen Ortsansichten den geographi- berschen Frühwerks, sei er auf Lucas Cranach den schen Raum seines Wirkungskreises. Dieser konzen- Älteren (1472-1553) getroffen, der zwischen 1502 und trierte sich vor allem um das Donaugebiet. Karte mit Hubers DONAU Harburg Ortsansichten Passau Neuburg Krems Grein Wien Urfahr Aggstein Mondsee Traunstein Traunkirchen Feldkirch INN RHEIN 27
Wolf Huber, Der Mondsee mit dem Schafberg, 1510 Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum Kopie nach Wolf Huber, Landschaft mit Burg (Traunstein), um 1514/15 Wien, Albertina 28
Wolf Huber, Die Schlacht von Pavia, um 1530 München, Staatliche Graphische Sammlung 29
Wolf Huber, Ansicht von Traunkirchen, 1519 Ehemals Rotterdam, Museum Boijmans van Beuningen Seit 1945 verschollen Wolf Huber, Die Harburg am Riesrand, 1513 Cleveland (OH) USA, The Cleveland Museum of Art 30
Kopie nach Wolf Huber, Ansicht von Passau, um 1543 Erlangen, Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg 31
Wolf Huber, Der Donaustrudel bei Grein, 1531 Washington, National Gallery of Art 32
Wolf Huber, Burg an der Donau (Burg Aggstein), 1542 Wolf Huber, Ansicht von Feldkirch, 1523 Basel, Kunstmuseum, Kupferstichkabinett London, British Museum 33
Wolf Huber, Das Donautal bei Krems, 1529 Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz, Kupferstichkabinett Wolf Huber, Ansicht von Urfahr bei Linz, um 1510 Budapest, Ungarische Nationalgalerie 34
Wolf Huber, Die Belagerung von Wien, 1530 Wien, Albertina 35
In Passau Graf Niklas I. von Salm Vor 1515 muss sich Wolf Huber in Passau niedergelas- Am 2. Februar 1529 beauftragte der nachmalig be- sen haben. Ob die „Ansicht von Urfahr bei Linz“ (um rühmte Befehlshaber während der ersten Türken- 1510 entstanden), das berühmte Blatt „Der Mondsee belagerung im gleichen Jahr, Graf Niklas I. von Salm, mit dem Schafberg“ (datiert 1510), die „Harburg am Wolf Huber, als Baumeister einen Umbau seines Riesrand“ zwischen Donauwörth und Nördlingen Schlosses Neuburg am Inn zu leiten. Gleichzeitig (datiert 1513) noch während der Wanderschaft oder überließ der Feldherr dem Künstler das unweit von schon nach seiner Ansiedlung in Passau entstanden Passau gelegene Schlösschen Neufils zur lebenslan- sind, ist nicht zu klären. gen Nutzung nebst einer jährlichen Zuwendung von In Passau ist in jenen Jahren ein Bildschnitzer na- fünf Gulden. Wolf Huber hatte in dem Grafen offen- mens Jörg Huber bekannt. Vielleicht handelt es sichtlich einen Förderer gefunden und blieb dessen sich um einen der später erwähnten Brüder, zu dem Familie bis zu seinem Tod verbunden. Damit dürfte sich der Künstler begeben hat. Ebenso gut könnte er endgültig in gesicherte Verhältnisse gekommen der damalige Bischof Wiguleus Fröschl von Marzoll sein. Man muss ihn sich nun als honorigen und (1445-1517, reg. 1500-1517) Huber an seinen Hof geru- hochangesehenen Mann vorstellen, der beruflich fen haben. Als er 1515 den Auftrag für den Annenal- viele Erfolge und manch herausragende Leistung tar in seiner Geburtsstadt Feldkirch annahm, muss vorweisen konnte. Der Graf selbst verstarb aufgrund Huber auf jeden Fall in Passau schon arriviert gewe- der Strapazen und wegen einer während der Kämp- sen sein und eine beachtliche Werkstatt aufgebaut fe erlittenen Verletzung bereits im folgenden Jahr. haben, die sich einer solchen Aufgabe gewachsen In Begleitung des Administrators des Passauer Bis- zeigte. In der Folge stand Huber bis zu seinem Tod in tums, Herzog Ernst von Bayern, und des jüngsten einem engen Verhältnis zum bischöflichen Hof. Sohnes des Verstorbenen, Graf Wolfgang von Salm, besuchte Wolf Huber die Beisetzungsfeierlichkeiten in Wien. Bereits damals wurden wohl erste Pläne für Bischöfe von Passau das Grabmal Niklas I. besprochen, dessen spätere Umsetzung auf Entwürfe Wolf Hubers zurückgriff. 1500-1517 Wiguleus Fröschl von Marzoll, Fürstbischof von Passau Die Grafen von Salm 1517-1541 Herzog Ernst von Bayern, Administrator des Bistums Passau Graf Niklas I. von Salm (1459-1530), Feldherr, nahm 1525 an der Schlacht bei Pavia teil, 1541-1555 Graf Wolfgang von Salm, 1529 war er für die Verteidigung der Stadt Wien in Fürstbischof von Passau der ersten Türkenbelagerung verantwortlich Graf Niklas II. von Salm (1503-1550), Sohn des Niklas I., Inhaber des Schlosses Neuburg Graf Wolfgang von Salm (um 1514-1555), Sohn des Niklas I., Fürstbischof von Passau 36
Der Umbau von Schloss Neuburg Bürger in Passau am Inn (1529-1531) 1539 wurde Huber zum ersten Mal in einer Quelle Wolf Huber leitete den Umbau in den Jahren 1529 „Burger zu Passau“ genannt. In demselben Doku- bis 1531, bei dem die mittelalterliche Burg um zwei ment wurde auch erstmals seine Ehefrau „Anna“ Renaissance-Trakte erweitert wurde. Er zeichnete erwähnt. Beides könnte in einem Zusammenhang auch verantwortlich für die Ausgestaltung zweier stehen. Da seine Kinder bei seinem Tod knapp vier- reich geschmückter Prunkräume und führte die Be- zehn Jahre später noch minderjährig sein werden, malung der Wände und Decken durch bzw. erstell- kann man durchaus annehmen, dass sich Wolf Huber erst in relativ hohem Alter verehelichte. te zumindest die Entwürfe. Diese sind leider nicht mehr erhalten. Huber dürfte neben seinen Tätigkei- In den 1540er Jahren war er dann als Stadtbaumeis- ten als Maler und Baumeister noch andere Aufga- ter viel beschäftigt, wie aus verschiedenen Quellen ben in Passau erfüllt haben. Dies wird durch Quellen hervorgeht. Er musste Baubesichtigungen durch- nahegelegt, ohne dass genau ersichtlich wäre, um führen, Gutachten erstellen und seine Werkstatt welche Arbeiten es sich handelte. florierte. Sein Erfolg kann auch daran gemessen werden, dass die für Maler zuständige Zunft beklagte, dass er sich von ihr fernhalte und seinen Jahresbeitrag nicht leiste, obwohl er „mit vill gesellen vnd leerknaben“ Fragment eines behauenen, einseitig geschliffenen, roten arbeite. Doch der Fürstbischof bestätigte seine Stel- Marmorsteins aus Schloss Neuburg am Inn. Mutmaßlich handelt es sich um ein Bruchstück einer lung als bischöflicher Hofmaler, wodurch sich an der „Wassermuschel“ oder eines „Gesims“ aus dem ehemaligen beklagten Tatsache auch weiterhin nichts geändert „Roten Saal“ des Schlosses, erbaut von Wolf Huber in den haben dürfte. Jahren 1529 bis 1531. Vorarlberg, Privatsammlung 37
Wolf Huber, Kreuzesallegorie, um 1550 Wolf Huber, Der Humanist Jakob Ziegler, um 1544/49 Wien, Kunsthistorisches Museum Wien, Kunsthistorisches Museum Ein Kreis von Humanisten Es war Fürstbischof Graf Wolfgang von Salm (1514- mation erwärmte, sich dann aber im Streit zwischen 1555, reg. 1541-1555), Sohn des Niklas I., der seine Erasmus und Luther auf die Seite des großen Hu- schützende Hand über den Künstler hielt. Huber manisten stellte und den „freien Willen“ propagier- dürfte auch bald Eingang in den Kreis von Huma- te. Nach einem ruhelosen Leben auf Reisen fand er nisten gefunden haben, der sich um den Bischof ab 1543 Zuflucht am bischöflichen Hof in Passau. In sammelte. Ähnlich wie in Feldkirch entstand ein diesen Jahren wurde er von Wolf Huber porträtiert. Netzwerk gelehrter Männer, die dem neuen Den- ken anhingen. Ihm gehörten Ärzte, Rechtsgelehrte, Auf Hubers berühmter Kreuzesallegorie ist kniend Mathematiker, Historiker und Naturwissenschaftler im Vordergrund Graf Wolfgang von Salm dargestellt. an. Hervorgehoben sei nur der Theologe und Mathe- Er war über viele Jahre Förderer und Auftraggeber matiker Jakob Ziegler, der sich vorerst für die Refor- etlicher Werke Wolf Hubers. 38
Kopie nach Wolf Huber, Bildnis des Paracelsus, um 1545, Paris, Louvre Marmorgrabstein des Wolf Huber Passau, Oberhausmuseum Begegnung mit Paracelsus Tod in Passau Der Kunsthistoriker Gert von der Osten konnte in Im Alter von über siebzig Jahren stirbt Wolf Huber den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts den Nach- am 3. Juni 1553 in Passau. Sein erhaltener Grabstein weis erbringen, dass das berühmte Gemälde des weist ihn als „kunstreichen“, angesehenen Bürger Theophrastus Aureolus Bombastus von Hohenheim, und Hofmaler aus. genannt Paracelsus (1493-1541), von dem mehrere Kopien existierten, auf ein verschollenes Original Im iar 1553 den 3 Juny ist / des Wolf Huber zurückgeht. Da sich der große Revo- in got entschlaffen der Er/ lutionär der Medizin in den letzten zwanzig Jahren war vnd khunstreich m[a(n)] / seines Lebens häufig im süddeutschen Raum und in Wolfganng hueber Burge[r] / Salzburg aufhielt, ist es durchaus möglich, dass es vnd furstlicher hoffmaller / zu einer direkten Begegnung zwischen dem hochbe- zu Passau · Welicher der / rühmten Gelehrten und dem Künstler gekommen zuekhunfft Christy Josu / ist. sambt allen gelaubig/ en alhie will erwarten 39
Rezeption und Forschung Wir verfügen über etliche Hinweise, dass Wolf Huber bereits zu Lebzeiten ein überaus geschätzter und bewunderter, oft kopierter Künstler war. Dennoch Hausschild in der Wolf-Huber-Straße geriet er bald nach seinem Tod in Vergessenheit. Feldkirch Jahrhunderte lang nahm die Kunstgeschichte keine Bauamt Feldkirch Notiz von ihm. Keines der einschlägigen Werke oder der umfangreichen Fachlexika erwähnte nur seinen Namen. Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts begann deren Hauptvertreter Albrecht Altdorfer und Wolf man sich allmählich, des einflussreichen Vertreters Huber galten, erfuhr in Folge viel Wertschätzung der später so genannten Donauschule zu entsinnen. durch das nationalsozialistische Regime. Eine Aner- kennung, die später verständlicherweise sehr zwie- Dem deutschen Kunsthistoriker Georg Kaspar Nag- spältig beurteilt werden sollte. ler (1801-1866) gelang es 1839 erstmals, das charak- teristische Monogramm „W.H.“ einiger Holzschnitte Ebenso verdient machte sich der Münchner Kunst- dem Künstler Wolf Huber zuzuordnen. Aber erst 1891 historiker und Direktor der Staatlichen Graphischen erkannte der Direktor des königlich bayrischen Kup- Sammlung München, Peter Halm (1900-1966). Nach ferstichkabinetts, Wilhelm Schmidt, die Überein- dem Krieg gingen viele Impulse zur Erforschung des stimmung mit vielen auf gleiche Weise signierten Huberschen Werks von der ersten umfassenden Zeichnungen. Zwei Jahre später schrieb Schmidt das Wolf-Huber-Schau im Schloss Oberhaus in Passau bekannte Beweinungsbild in der Feldkircher Stadt- 1953 aus. Im gleichen Jahr entdeckte der Vorarlber- pfarrkirche auch Wolf Huber zu. Damit war nicht nur ger Landeskonservator Erwin Heinzle (1913-1990) der Grafiker und der Zeichner, sondern auch der Ma- die vier seit dem 19. Jahrhundert verschollenen ler neu entdeckt. Flügel des St. Annenaltars im Kloster Riedenburg. Und dem wieder entdeckten Künstler wurde nun Heinzle verfasste im gleichen Jahr die erste Gesamt- mehr und mehr Aufmerksamkeit zuteil. 1907 er- schau auf das Werk Wolf Hubers und blieb damit schienen fast zeitgleich die ersten ausführlichen wegweisend für die nachfolgende Forschung. 1979 Monographien, die Dissertationen des Schweizer legte dann Franz Winzinger (1910-1983), Maler und Rudolf Riggenbach (1892-1961) und des Norddeut- Kunsthistoriker, die noch heute unübertroffene schen Hermann Voß (1884-1969). Letzterer erkannte Synthese des Werks Wolf Hubers in zwei Bänden vor. im berühmten „Schweißtuch Christi“ die Urheber- schaft Wolf Hubers, später plante er als „Sonder- In den letzten Jahrzehnten waren es vor allem Ga- beauftragter“ Adolf Hitlers ein „Führermuseum“ in briele Tschallener, Margit Stadlober oder Susanne Linz. Jaeger, die sich um die Erforschung des großen Vor- arlberger Künstlers verdient gemacht haben. 1938 wurde in München eine große Ausstellung zu Albrecht Altdorfer organisiert. Erstmals wurden hier Die Stadt Feldkirch hat nach dem Künstler Wolf Hu- auch Werke von Wolf Huber in größerem Umfang ber eine Straße benannt. Wolf-Huber-Straßen gibt gezeigt. Die nunmehr so genannte Donauschule, als es ebenso in Bregenz, Hohenems, Linz und Passau. 40
Das Leben des Wolf Huber um 1480 geboren in Feldkirch nach 1500 Lehr- und Wanderjahre vor 1515 eigene Werkstatt in Passau 1515 Vertrag für St. Annenaltar 1521 Aufstellung des St. Annenaltars in Feldkirch 1529-1531 Baumeister für Erweiterungen am Schloss Neuburg am Inn 1529 Schlösschen Neufils am Inn 1530 Beisetzung des Grafen Niklas I. von Salm in Wien Wolf Huber-Medaille, 1983 1532 Eintrag „Wolfgang, maler“ im Stadtarchiv Feldkirch Feldkircher Beichtregister 1539 Bürger zu Passau 1539 Erwähnung der Ehefrau „Anna“ 1541 Nennung als Stadtbaumeister von Passau 1542 Bestätigung als bischöflicher Hofmaler 1553 Tod am 3. Juni in Passau Im September 1983 prägte die Gesellschaft Vorarl- berger Münzfreunde im Gedenken an Wolf Huber eine Medaille. Auf der Vorderseite ist das im Feld- kircher Dom befindliche Tafelgemälde „Beweinung Christi“ zu sehen, auf der Rückseite unter anderem ein Ausschnitt aus der Urkunde von 1529 zu lesen, in der Wolf Hubers Abstammung aus Feldkirch er- wähnt wird. 1959 erschien in der bibliophilen und unter Samm- lern hochgeschätzten „Insel-Bücherei“ unter der Jubiläumsnummer 700 eine von Erwin Heinzle he- rausgegebene Schrift. Auf zwanzig farbigen Bild- tafeln wurde der St. Annenaltar des Wolf Huber in Einzel- und Detailaufnahmen vorgestellt. Wolf Huber, Der Sankt-Annen-Altar, 1959 Insel-Bücherei Nr. 700 41
Das Werk Wir müssen davon ausgehen, dass ein Großteil des Forschungsstelle der Schaffens von Wolf Huber verloren gegangen ist und Stadtbibliothek Feldkirch sich nur ein geringer Teil seines Werkes erhalten hat. Von den überlieferten Bildern ist nur knapp ein Drit- Noch immer gelangt die Wissenschaft zu neuen tel mit dem typischen Monogramm „WH“ signiert. Ergebnissen, werden Datierungsversuche und Zu- Der Rest musste in einem langwierigen Prozess von schreibungen überdacht und korrigiert. Die Wolf- der Forschung erschlossen werden. Diese komplexe Huber-Forschungsstelle der Stadtbibliothek Feld- und über Jahrzehnte dauernde Leistung setzte eine kirch will diese Ergebnisse künftig nachvollziehbar gewisse Anzahl von kohärenten Werken voraus, die machen und in einer Datenbank dokumentieren. alle über ganz bestimmte Stilmerkmale verfügen. Heute lassen sich dem Künstler Wolf Huber 162 So können etwa die Schriftform der Datierung, die eigenhändige Zeichnungen, 13 Holzschnitte und 28 spezifische Form des Nimbus (Heiligenscheins), sich Gemälde zuschreiben. Damit verfügen wir über einen wiederholende Objekte des Hintergrunds, geogra- Bestand von 203 originalen Werken. Hinzu kommen phische Vorlieben, die unverkennbare Strichfüh- derzeit noch 106 Kopien, die sich auf Zeichnungen rung und viele weitere Details Hinweise auf den Ur- und Gemälde des Meisters zurückführen lassen, von heber liefern. denen in 51 Fällen das Original nicht mehr erhalten Mittlerweile herrscht ein Kanon von Bildern vor, von ist. Für die Untersuchung von Bildinhalten stehen denen man mit großer Sicherheit annehmen kann, uns also 254 Werke zur Verfügung. dass sie von Wolf Huber stammen. In erster Linie ist es Erwin Heinzle und im Besonderen dann Franz Datierte und signierte Werke Winzinger zu verdanken, dass heute eine konsisten- te Zuschreibung vorliegt. Ziemlich genau die Hälfte von Hubers Werken ist datiert (49,8 %), ca. ein Drittel ist mit seinem mar- kanten Monogramm signiert (31,5 %) und ein gutes Zuschreibungsprobleme Viertel (25,6 %) ist sowohl datiert als auch signiert. Die Zeichnungen (55,6 %) sind weitaus häufiger da- Jedes einzelne Werk hat eine aufwändige Deutungs- tiert als die Gemälde (35,8 %) oder die Holzschnitte geschichte hinter sich. So wurde beispielsweise die (7,7 %). Interessanterweise sind allerdings die Holz- aquarellierte Federzeichnung „Der Steg“ ursprüng- schnitte (76,9 %) viel öfter signiert als die Zeichnun- lich Augustin Hirschvogel (1503-1553) zugeschrie- gen (29,6 %) oder Gemälde (21,4 %). ben. Für den „Kirchweg“ nahm man zuerst Albrecht Wenn man sich den Bildinhalten zuwendet, fällt be- Altdorfer, dann Augustin Hirschvogel als Urheber sonders auf, dass der Anteil der datierten (67,6 %) an. Auch das Tafelgemälde „Abschied Christi von bzw. signierten (59,5 %) Porträts viel höher ausfällt Maria“ von 1519 wurde lange Albrecht Altdorfer zu- als bei Werken mit religiösen Inhalten (36,3 % bzw. geschrieben, ehe es wie die anderen Werke von der 28,6 %) oder Landschaftsdarstellungen (39,5 % bzw. Forschung eindeutig Wolf Huber zugeordnet wer- 9,9 %). Dies ist wohl auf das Interesse der Abgebil- den konnte. deten bzw. deren Familien zurückzuführen, denen eine zeitliche Einordnung und Zuweisung an einen bestimmten Künstler bedeutsam erschien. 42
Wolf Huber, Der Kirchweg, um 1518/20 Wolf Huber, Abschied Christi von Maria, 1519 Dresden, Kupferstichkabinett, Residenzschloss Wien, Kunsthistorisches Museum Wolf Huber, Der Steg, um 1519/20 Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz, Kupferstichkabinett 43
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