Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht - Prof. Dr. iur. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) - UZH
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Faculty of Law Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht Prof. Dr. iur. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) https://www.competition.org.za/review/2017/12/20/excessive-pricing-in-the-global-pharmaceutical-industry 11. September 2018 Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 1
Faculty of Law https://www.wsj.com/articles/how-big- pharma-sandbags-generic-competition- Wettbewerbsbedingungen im Pharmasektor (1) 1510701694 Quelle: The 2017 EU Industrial R&D Investment Scoreboard, 11 Quelle: EvaluatePharma World Preview 2017, 19 – Erhebliche F&E-Investitionen und Umsatzerlöse der Pharmabranche im internationalen Vergleich – Schwierigkeiten bei Kostenamortisation ohne IP-Exklusivrechte und darauf basierende Preisbildung 11. September 2018 Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 2
Faculty of Law https://www.wsj.com/articles/how-big- pharma-sandbags-generic-competition- Wettbewerbsbedingungen im Pharmasektor (2) 1510701694 – Pharmabranche im Umbruch: Viele „Blockbuster“-Medikamente schon/bald ohne Patentschutz. Trotz erheblicher F&E-Investitionen Schwierigkeiten Produktpalette aufzufüllen, Abnahme bei den marktreifen Produkten. – Trend zur Wirkstoffentwicklung durch spezialisierte Biotechnologie-Unternehmen bei verhältnismässig reduzierter Investitionsbereitschaft klassischer Pharmabranche. Zurückzuführen u.a. auf hohe Risiken der Wirkstoffentwicklung. – In einem Marktumfeld mit schwächelnden Blockbustern, höheren Nichtigkeitsrisiken für Pharmapatente und gestiegener Bedeutung kleiner Biotech-Unternehmen reagieren die Unternehmen durch – problematisches und unproblematisches – Wettbewerbsverhalten in den Bereichen: (1) Wettbewerbsabreden (Art. 101 AEUV/Art. 5 KG): Preiskoordinierung; settlements betreffend den Markteintritt von Generika; post expiration/post invalidation royalties; off-label use (2) Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung (Art. 102 AEUV/Art. 7 KG): Hochpreisstrategien (3) Fusionskontrolle (FKVO/KG+VKU): Zusammenschlüsse von grossen Playern mit kleineren, forschungsstarken (Biotech-)Unternehmen Pipeline-Einkäufe 11. September 2018 Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 3
Faculty of Law Europäische Union: Wettbewerbsabreden (Art. 101 AEUV) (1) (a) Patent settlement agreements / “pay-for-delay” EuG, 8.9.2016, T-472/13 – Lundbeck – Sachverhalt: Nachdem der Patentschutz für das Blockbuster-Medikament „Citalopram“ (Antidepressivum) abgelaufen war, schloss Lundbeck Vereinbarungen mit vier konkurrierenden Generikaherstellern, um ihren Markteintritt zu verhindern. Für die Dauer der sog. „pay-for-delay“- Vereinbarungen vermochte Lundbeck den Preis seines Originalpräparats künstlich hochzuhalten. – Urteil: Bestätigung der Kommissionsentscheidung (AT.39226), die Bussen von 93.8 Mio. EUR (Lundbeck) bzw. 52.2 Mio. EUR (Generikahersteller) verhängte Potentieller Wettbewerb zw. Generikaherstellern und Lundbeck Bezweckte Wettbewerbsbeschränkung gem. Art. 101 Abs. 1 lit. c AEUV Beschwerde beim EuGH anhängig (C-591/16 P) – Parallelverfahren: EuG, Sun Pharmaceutical (T-460/13); EuG, Arrow (T-467/13); EuG, Generics (UK) (T-469/13); EuG, Merck (T-470/13); EuG, Xellia Pharmaceuticals ua (T-471/13) 11. September 2018 Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 4
Faculty of Law Europäische Union: Wettbewerbsabreden (Art. 101 AEUV) (2) (a) Patent settlement agreements / “pay-for-delay” Kommission, 30.9.2016, Case AT.39612 – Perindopril (Servier) – Sachverhalt: Nach Ablauf des Patentschutzes für das Blutdruckmedikament „Perindopril“ im Jahr 2003 schloss der Hersteller Servier eine Reihe von Vereinbarungen mit Generikaproduzenten, um das Originalpräparat vor Preiswettbewerb in der EU zu schützen. Durch Technologieerwerb und „patent settlement agreements“ versuchte Servier den Wettbewerbsdruck bewusst zu reduzieren. – Entscheidung: Verstoss gegen Art. 101 und Art. 102 AEUV sowie Bussen von 330 Mio. EUR (Servier) und 97 Mio. EUR (Generikahersteller). Bezweckte Wettbewerbsbeschränkung gem. Art. 101 Abs. 1 lit. c AEUV Einschränkung von Erzeugung, Absatz od. techn. Entwicklung gem. Art. 102 lit. b AEUV Beschwerde beim EuG anhängig (T-705/14; T-701/14; T-691/14; T-684/14; T-682/14; T-680/14; T-679/14; T-677/14) 11. September 2018 Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 5
Faculty of Law Pharma-PfD-Monitoring der EU-Kommission dauert an EU Commission’s Pharmaceutical Sector Inquiry (2009) 8th Report on the Monitoring of Patent Settlements (2018) 11. September 2018 Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 6
Faculty of Law Europäische Union: Wettbewerbsabreden (Art. 101 AEUV) (3) (b) Post-expiration royalties: EuGH, 7.4.2016, C-567/14 – Genentech – Sachverhalt: Genentech erhielt von Berhingwerke AG (nunmehr: Hoechst) eine weltweite, nicht ausschliessliche Lizenz zur Nutzung eines „HCMV-Enhancer“, wobei das zugrundeliegende Patent nur in den USA Bestand hatte, das parallele Europäische Patent hingegen (mit Rückwirkung) für nichtig erklärt wurde. Da Genentech zwar die vereinbarten einmaligen und jährlichen Lizenzgebührenzahlungen leistete, nicht aber die laufende, umsatzbezogene Lizenzgebühr, leiteten Hoechst und ihr deutsches Tochterunternehmen, Sanofi-Aventis, ein Schiedsverfahren ein und erreichten einen Schiedsspruch auf Zahlung der laufenden Gebühr. Die durch Klage auf Nichtigerklärung des Schiedsspruchs angerufene Cour d’appel de Paris legte dem EuGH die Frage vor, ob Art. 101 AEUV der Wirksamkeit eines Vertrags entgegensteht, welcher den Lizenznehmer trotz Nichtigerklärung des lizenzierten Patents zur Zahlung der Lizenzgebühr verpflichtet. (1) Lizenz (HCMV-Enhancer) (2) Lizenzgebühren (4) Nichtig- - Einmalig (5) AEUV 267 keitsklage Beteiligung (100%) - Jährlich - Umsatzbezogen (3) Schiedsverfahren 11. September 2018 Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 7
Faculty of Law Europäische Union: Wettbewerbsabreden (Art. 101 AEUV) (3) (b) Post-expiration royalties: EuGH, 7.4.2016, C-567/14 – Genentech – Zwei Hauptgesichtspunkte: o Kartellrechtskonformität von Lizenzgebührenzahlungspflichten ohne Inanspruchnahme eines wirksamen Patents o Bedeutung des EU-Kartellrechts für Schiedsverfahren: ordre public-Charakter; Umfang der Prüfpflicht des Schiedsgerichts; Vorlageberechtigung von Schiedsgerichten? 11. September 2018 Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 8
Faculty of Law Europäische Union: Wettbewerbsabreden (Art. 101 AEUV) (3) (b) Post-expiration royalties: EuGH, 7.4.2016, C-567/14 – Genentech I. Kartellrechtskonformität von Lizenzgebührenzahlungspflichten ohne Inanspruchnahme eines wirksamen Patents – EuGH, 12.5.1989, C-320/87 – Ottung o Kein Verstoss, wenn die Zahlungspflicht zeitlich über den Wegfall des wirksamen und benutzten Patents ausgedehnt wird o Jedenfalls sofern der Lizenzvertrag nach Patentantrag und unmittelbar vor der Patenterteilung geschlossen wurde o Zentrales Argument: Zahlungspflicht kann in ihrem Gesamtumfang den Wert widerspiegeln, der «den mit dem Lizenzvertrag verbundenen Möglichkeiten der Nutzbarmachung beigemessen wird» o Kündigungsrecht des Lizenznehmers wohl kein zwingendes Erfordernis, lediglich klargestellt, dass bei jederzeitiger Kündigungsmöglichkeit schon nicht im Anwendungsbereich des Art. 101 AEUV 11. September 2018 Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 9
Faculty of Law Europäische Union: Wettbewerbsabreden (Art. 101 AEUV) (3) (b) Post-expiration royalties: EuGH, 7.4.2016, C-567/14 – Genentech I. Kartellrechtskonformität von Lizenzgebührenzahlungspflichten ohne Inanspruchnahme eines wirksamen Patents – EuGH, 7.4.2016, C-567/14 – Genentech o Kein Verstoss, wenn Lizenzvertrag mit einer angemessenen Frist gekündigt werden kann o Dies gilt bei Ungültigkeit des Patents (Vorlagesachverhalt) o Aber auch bei Nichtverletzung des (gültigen) Patents 11. September 2018 Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 10
Faculty of Law Europäische Union: Wettbewerbsabreden (Art. 101 AEUV) (3) (b) Post-expiration royalties: EuGH, 7.4.2016, C-567/14 – Genentech I. Kartellrechtskonformität von Lizenzgebührenzahlungspflichten ohne Inanspruchnahme eines wirksamen Patents – Leitlinien EU-Kommission zur TT-GVO, Rn. 187 o «Die Gruppenfreistellung gilt zwar nur so lange, wie die Technologierechte gültig und rechtswirksam sind, o doch können die Vertragsparteien in der Regel ohne Verstoss gegen Artikel 101 Absatz 1 AEUV vereinbaren, die Lizenzgebührenpflicht über die Geltungsdauer der lizenzierten Rechte des geistigen Eigentums hinaus auszudehnen. [kein Kündigungserfordernis!] o Wenn diese Rechte erloschen sind, können Dritte die betreffende Technologie rechtmässig nutzen und mit den Vertragsparteien konkurrieren. Ein solcher tatsächlicher oder potenzieller Wettbewerb genügt in der Regel, damit die betreffende Lizenzgebühr keine spürbaren wettbewerbsschädigenden Wirkungen hat.» 11. September 2018 Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 11
Faculty of Law Europäische Union: Wettbewerbsabreden (Art. 101 AEUV) (3) (b) Post-expiration royalties: EuGH, 7.4.2016, C-567/14 – Genentech I. Kartellrechtskonformität von Lizenzgebührenzahlungspflichten ohne Inanspruchnahme eines wirksamen Patents – Fazit o Gewisse Unsicherheiten im EU-Rechtsrahmen o Jedenfalls gewährt EU-Recht deutlich mehr Vertragsfreiheit als US-Lizenzkartellrecht (vgl. Kimble v. Marvel Entertainment, LLC, 576 U.S.___ (2015)) o Einige offene Fragen, z.B. Zulässigkeit von gekoppelten Lizenzzahlungspflichten für Gebiete mit und ohne Schutz? o Abgrenzung von/Auswirkungen auf kombinierte Zahlungspflichten für geschützte und nicht geschützte Produktkomponenten (vgl. EuGH, 25.2.1986, C-193/83 – Windsurfing International) 11. September 2018 Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 12
Faculty of Law Europäische Union: Wettbewerbsabreden (Art. 101 AEUV) (3) (b) Post-expiration royalties: EuGH, 7.4.2016, C-567/14 – Genentech II. Bedeutung des EU-Kartellrechts für Schiedsverfahren 1. EU-Kartellrecht als ordre public i.S.v. Art. V Abs. 2 lit. b) NYÜ? – Sofern und soweit ja, besteht für Schiedssprüche, die nicht im Einklang mit EU-Kartellrecht stehen, das erhebliche Risiko eines Vollstreckbarkeitshindernisses – EuGH und GA Wathelet offenbar: Art. 101, Art. 102 mit Gesamtheit ihres Rechtsbestandes ordre public – Bedenken: o Sekundär- und Tertiärrecht zu Art. 101, 102 AEUV sehr umfangreich, detailbezogen, wandelbar, teils ohne formelle Bindungswirkung (z.B. Kommissionsleitlinien), mitunter inkohärent o Konzept des ordre public als Fundamentalwertungen einer Rechtsordnung o Starke Rechtsunsicherheit für Schiedsverfahren und Schiedssprüche 11. September 2018 Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 13
Faculty of Law Europäische Union: Wettbewerbsabreden (Art. 101 AEUV) (3) (b) Post-expiration royalties: EuGH, 7.4.2016, C-567/14 – Genentech II. Bedeutung des EU-Kartellrechts für Schiedsverfahren 2. Prüfumfang von Schiedsgerichten hinsichtlich EU-Kartellrecht – Mitgliedstaatsgerichte uneins – GA Wathelet in Genentech: vollumfänglich und unabhängig vom Parteivorbringen – EuGH in Genentech: offengelassen – Vollumfängliche Prüfung des EU-Kartellrechts auch insoweit, als Verletzung nicht offensichtlich und nicht von Parteien vorgebracht, bedeutete hohe Anforderungen an Schiedsgerichte – Jedenfalls abzulehnen: Kartellverstoss von Schiedsverfahrensparteien schon durch (gemeinsames) Nichtvorbringen von kartellrechtlichen Aspekten 11. September 2018 Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 14
Faculty of Law Europäische Union: Wettbewerbsabreden (Art. 101 AEUV) (3) (b) Post-expiration royalties: EuGH, 7.4.2016, C-567/14 – Genentech II. Bedeutung des EU-Kartellrechts für Schiedsverfahren 3. Vorlageberechtigung von Schiedsgerichten (Art. 267 AEUV) bzgl. Kartellrechtsfragen – EuGH, Eco Swiss; Gazprom: keine Vorlageberechtigung, da keine «Gerichte der Mitgliedstaaten» – Korrespondiert in gewisser Weise mit den Anforderungen an die Kartellrechtsberücksichtigung durch Schiedsgerichte: Wenn keine Vorlageberechtigung, darf Positionierung des Schiedsgerichts zu einer noch nicht höchstrichterlich entschiedenen Kartellrechtsfrage i.d.R. keinen ordre public-Verstoss begründen, selbst wenn das hierüber entscheidende Gericht das EU-Kartellrecht anders interpretiert 11. September 2018 Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 15
Faculty of Law Europäische Union: Wettbewerbsabreden (Art. 101 AEUV) (4) (c) Unternehmensabsprachen zu Arzneimittelinformationen EuGH, 23.1.2018, C-179/16 – Italienischer Arzneimittelmarkt – Sachverhalt: Roche und Novartis entwickelten zunächst Tumormedikament („Avastin“) und anschliessend Augenmedikament („Lucentis“), die beide zur Behandlung von Makuladegeneration einsetzbar waren. Roche vereinbarte mit Novartis indes die Veröffentlichung irreführender Informationen über die Sicherheit des „off-label use“ von Avastin, um Wettbewerbsdruck auf Lucentis zu reduzieren, welches aufgrund eines Lizenzvertrags von Novartis vertrieben wurde. – Urteil: Verstoss gegen Art. 101 AEUV Relevanter Markt für Medikamente zur Behandlung bestimmter Krankheiten umfasst zugelassene sowie nicht zugelassene Arzneimittel („off-label use“) Bezweckte Wettbewerbsbeschränkung gem. Art. 101 AEUV Wettbewerbsbeschränkung nicht objektiv notwendig für Lizenzvereinbarung, daher keine Freistellung als „ancillary restraint“ (oder) gem. Art. 101 Abs. 3 AEUV. Offengelassen: Dürfen sich sich Wettbewerber zu Informationen über Nebenwirkungen, die nicht irreführend sind, abstimmen (so, unter Voraussetzungen, GA Saugsmandsgaard Øe) 11. September 2018 Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 16
Faculty of Law Europäische Union: Missbrauch einer marktbeh. Stellung (Art. 102 AEUV) (a) Preismissbrauch Pressemitteilung 15.5.2017: Kommission untersucht Preispolitik von Aspen Pharma – Bereits nationales Verfahren in Italien – Seltener Fall eines Verfahrens wegen Preismissbrauchs – Dem Vernehmen nach sieht die Kommission das Verhalten von Aspen als durchaus problematisch an 11. September 2018 Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 17
Faculty of Law Europäische Union: Missbrauch einer marktbeh. Stellung (Art. 102 AEUV) (a) Preismissbrauch AGCM, 14.10.2016, Case A-480 – Aspen – Sachverhalt: Beherrschende Stellung von Aspen auf dem Markt für “Cosmos drugs”, d.h. Krebsmedikamente, welche die Wirkstoffe Leukeran (Chlorambucil), Alkeran (Melphalan), Purinethol (Mercaptopurine) und Tioguanine (Tioguanine) verwenden und deren Patentschutz bereits ausgelaufen ist. Medikamente sind lebenswichtig für die Behandlung bestimmter Krankheiten, haben regulierte Preise, die zwischen Zulassungsinhaber und italien. Arzneimittelagentur (AIFA) ausgehandelt werden, und werden durch nationales Gesundheitssystem erstattet. Da nur Aspen über Marktzulassung für Medikamente verfügte, begann Unternehmen aggressive Preisverhandlungen mit italien. Arzneimittelagentur und erreichte schliesslich Preiserhöhung zw. 300-1500%. Aspen drohte, die Medikamente anderenfalls vom Markt zu nehmen – Relevanter Markt: entspricht den vom Preisanstieg betroffenen Wirkstoffen, namentlich Chlorambucil, Melphalan, Mercaptopurine und Tioguanine – Marktbeherrschende Stellung: Aspen mit beherrschender Stellung auf relevantem Markt, weil es als einziges Pharmaunternehmen die betreffenden Krebsmedikamente vertreibt. Zudem keine Konkurrenzprodukte oder Generika auf dem Markt 1 March 2018 Alleged Excessive Pricing of Pharmaceutical Products, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 18
Faculty of Law Europäische Union: Missbrauch einer marktbeh. Stellung (Art. 102 AEUV) (a) Preismissbrauch AGCM, 14.10.2016, Case A-480 – Aspen Preis/Kosten-Analyse o Zwei Methoden zur Analyse der Preis/Kosten-Differenz (vgl. Schlussanträge GA Wahl, C-177/16, Rn. 43, 112) (1) Bruttogewinnmarge Ermittlung des Preisübermasses aufgrund prozentualer Bruttogewinnmarge jedes einzelnen Medikaments (2) Rentabilitätsanalyse Ermittlung des Preisübermasses anhand Differenz zw. Gewinnen und «cost plus», d.h. Aspens Gesamtkosten zur Realisierung jeder «Cosmos drug». «Cost plus» umfasst direkte Kosten (CDQ), den Anteil indirekter Kosten des Produkts (ߙIC) sowie die Umsatzrendite (ROS). o Beide Methoden ergaben signifikanten Anstieg der neuen Preise im Verhältnis zum Gesamtwert der «Cosmos drugs». Die Verkaufserlöse beliefen sich auf 100-400% der Produktionskosten 1 March 2018 Alleged Excessive Pricing of Pharmaceutical Products, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 19
Faculty of Law Europäische Union: Missbrauch einer marktbeh. Stellung (Art. 102 AEUV) (a) Preismissbrauch AGCM, 14.10.2016, Case A-480 – Aspen Weitere Aspekte Preisübermass o F&E-/Marketingkosten bereits vom ursprüngl. Erfinder GlaxoSmithKline (GSK) getragen o Preise ohne Bezug zu Produktionskosten und F&E-Investitionen Medikamentenherstellung durch Subunternehmer; keine Inanspruchnahme finanzieller Ressourcen Abnahme der Produktionskosten im Laufe der Zeit o Keine Verbesserung von Produkten oder Servicequalität durch Aspen o Keine Medikamentenwerbung notwendig und keine Marketingkosten o Kein aktueller oder potentieller Wettbewerb und keine starke Verhandlungsmacht der Marktgegenseite o Aspens Rechtfertigung der Verhinderung von Parallelimporten wurde zurückgewiesen 1 March 2018 Alleged Excessive Pricing of Pharmaceutical Products, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 20
Faculty of Law Europäische Union: Missbrauch einer marktbeh. Stellung (Art. 102 AEUV) (a) Preismissbrauch AGCM, 14.10.2016, Case A-480 – Aspen Verstoss gegen Art. 102 lit. a AEUV durch Preismissbrauch. 5 Mio. EUR Sanktion gegen Aspen Bestätigt durch Verwaltungsgericht in Lazio (TAR) im Mai 2017 Einhaltung italien. Arzneimittelgesetzgebung Festlegung der Preise für lebenswichtige Medikamente durch Verhandlung zw. Zulassungsinhaber und AIFA. Freie Preissetzung durch Zulassungsinhaber bei Uneinigkeit möglich, aber keine Erstattung durch nationales Gesundheitssystem (Art. 6 Delibera CIPE n. 3/2001) Zulassungsinhaber kann Direktversorgung mit Medikamenten aus wirtschaftlichen Gründen unterbrechen. Direktbezug vom Hersteller möglich, aber freie Preissetzung (Art. 34 Decreto Legislativo 219/2006) 1 March 2018 Alleged Excessive Pricing of Pharmaceutical Products, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 21
Faculty of Law Europäische Union: Missbrauch einer marktbeh. Stellung (Art. 102 AEUV) (a) Preismissbrauch AGCM, 14.10.2016, Case A-480 – Aspen Weiterführende Überlegungen: – …und bei bestehendem Patentschutz? – Ausübung (nationaler) Immaterialgüterrecht nur ausnahmsweise missbräuchlich – Traditioneller Ansatz: Zugang unter bestimmten Bedingungen (Magill, IMS Health, Microsoft) – Freie Preisbildung für IP-geschützte Produkte/freie Determinierung von Lizenzgebühren als potentieller Wettbewerbsverstoss, obwohl Immaterialgüterrechte staatlich verliehene Monopolpositionen? o FRAND-Lizenzen für standardessentielle Patent (Huawei/ZTE, Unwired Planet) – aber nur, falls FRAND-Erklärung abgegeben wurden? o Entwicklung nach Aspen Pharma: Missbräuchliche Preisbildung für Medikamente? 1 March 2018 Alleged Excessive Pricing of Pharmaceutical Products, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 22
Faculty of Law Europäische Union: Fusionskontrolle (FKVO) (1) (a) Kommission, 4.8.2015, M.7559 – Hospira/Pfizer – Sachverhalt: Kontrollerwerb (100%) Co-Marketing Vereinbarung – Überschneidungen: a) mAK Biosimilar: für Medikament „Infliximab“ und b) Sterile Injektionsprodukte (Carboplatin; Cytarabine; Epirubicin; Irinotecan; Vancomycin; Voriconazole) 11. September 2018 Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 23
Faculty of Law Europäische Union: Fusionskontrolle (FKVO) (1) (a) Kommission, 4.8.2015, M.7559 – Hospira/Pfizer – Wettbewerbsrechtliche Bedenken: a) Pfizers Erwerb beider Biosimilare reduziert Wettbewerb auf Infliximab-Markt entweder (i) weil Pfizer die Entwicklung seines Biosimilars einstellt oder (ii) weil Rückübertragung von Hospiras Vertriebsrechten intensiven Preiswettbewerb mit Celltrion aufhebt b) Infolge Fusion bestände kein/verringerter Substitutionswettbewerb für bestimmte sterile Injektionsprodukte auf verschiedenen nationalen Märkten – Entscheidung: Freigabe unter Auflagen (Art. 6 Abs. 2 iVm Art. 6 Abs. 1 lit. b FKVO) Umfassende Veräusserung bestimmter Geschäftsbereiche betreffend Biosimilars und steriler Injektionsprodukte 11. September 2018 Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 24
Faculty of Law Europäische Union: Fusionskontrolle (FKVO) (2) (b) Kommission, 9.6.2017, M.8401 – Johnson&Johnson/Actelion – Sachverhalt: Kooperationsvereinbarung JNJ-7922 + Minderheitsbeteiligung (11%) (2) Kontrollerwerb (100%) (1) Spin-off für frühe ACT-541468 klinische Forschung – Überschneidungen: (a) Insomnie (Schlafstörungen) und (b) Multiple Sklerose (MS) 11. September 2018 Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 25
Faculty of Law Europäische Union: Fusionskontrolle (FKVO) (2) (b) Kommission, 9.6.2017, M.8401 – Johnson&Johnson/Actelion – Wettbewerbsrechtliche Bedenken: a) Insomnie: (1) Geringer Substitutionswettbewerb im EWR infolge weniger Orexin-Antagonisten (ACT-541468, JNJ-7922 und Eisai/ Purdue) in Phase II/III. Marktreifes Konkurrenzprodukt (Merck) lediglich in USA. (2) Reduzierter Innovationswettbewerb durch allfällige Einstellung, Verzögerung oder Neuausrichtung bei Produktent- wicklung (ACT-541468 bzw. JNJ-7922) (3) Hohe Markteintrittsschwellen b) Multiple Sklerose: Keine negativer Einfluss durch Transaktion. 11. September 2018 Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 26
Faculty of Law Europäische Union: Fusionskontrolle (FKVO) (2) (b) Kommission, 9.6.2017, M.8401 – Johnson&Johnson/Actelion – Entscheidung: Freigabe unter Auflagen (Art. 6 Abs. 2 iVm Art. 6 Abs. 1 lit. b FKVO) – Ursprünglich angebotene Auflagen nach Markttest (begrenzt) verschärft Auflagen – Entscheidungskompetenz bzgl. Entwicklung und Vertrieb von JNJ-7922 bei Minerva, wohl durch Verpflichtung zur Nichtausübung entsprechender vertraglicher Rechte durch J&J – 100% der Finanzierung von F&E bzgl. JNJ-7922 Phase II und weitgehende Finanzierung von Phase III durch J&J – Keine Lizenzgebühren von Minerva – Aufgabe der J&J-Beteiligung an Minerva durch Einziehung oder unentgeltliche Rückübertragung der Anteile 11. September 2018 Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 27
Faculty of Law Europäische Union: Fusionskontrolle (FKVO) (2) (b) Kommission, 9.6.2017, M.8401 – Johnson&Johnson/Actelion Auflagen Beteiligungsreduktion (< 10% bis max. 16%) durch J&J J&J verzichtet auf eigenes Exekutivmitglied Informationsbarrieren bzgl. ACT-541468 11. September 2018 Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 28
Faculty of Law Europäische Union: Fusionskontrolle (FKVO) (2) (b) Kommission, 9.6.2017, M.8401 – Johnson&Johnson/Actelion Bedeutsam – Wie gelingt der Aufbau/Erhalt eines lebens- und konkurrenzfähigen Wettbewerbers in F&E-intensiven Bereichen des Pharmasektors? o Primär Aktienrückerwerb durch Actelion statt Veräusserung an Dritten o F&D-Finanzierung (vgl. Du Pont/ICI) sowie Lizenzhoheit über grds. gemeinsame Lizenzierungsaktivität ( Lizenzgewährungsanspruch, wie etwa Komm., M.950 „Hoffmann-La Roche/Boeringer Mannheim“) als kruziale Faktoren – Lücke in der Abhilfemassnahmen-Mitteilung der Kommission o Spezifische Konstellation: Zu stärkender Wettbewerber kein (gänzlich) unabhängiger Dritter, sondern verbundenes Unternehmen 11. September 2018 Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 29
Faculty of Law Europäische Union: Fusionskontrolle (FKVO) (2) (b) Kommission, 9.6.2017, M.8401 – Johnson&Johnson/Actelion – Kombination aus strukturellen und – ausgeprägten – verhaltensbezogenen Abhilfemassnahmen – Kontroll- und Erfolgsaussichten? o Verhältnismässig flexible Haltung der EU-Instanzen ggü. verhaltensbezogenen Massnahmen (vgl. EuG, Gencore; EuGH, Tetra Laval) o Keine Nutzung von Informations- und faktischen Einflussquellen – schwer zu kontrollieren (vgl. aber KOMM., M.4153, „Toshiba/Westinghouse“; M.3440 „ENI/EDP/GDP“) o Fortlaufende Finanzierung durch J&J und überlegenes Vertriebs-know-how als potentieller Einflusshebel o Zentrale Bedeutung des Überwachungs- und – falls parteiseitige Veräusserung fehlschlägt – Veräusserungstreuhänders (s.a. neue BKartA-Leitlinien «Zusagen in der Fusionskontrolle») – Prototypische Bedeutung für künftige David-Goliath-Fusionen in der Pharmabranche? 11. September 2018 Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 30
Faculty of Law Europäische Union: Fusionskontrolle (FKVO) (3) (c) Kommission, 20.12.2017, M.8675 – CVC/Teva’s International Women‘s Health Business – Sachverhalt: Kontrollerwerb (100%) Beteiligung Beteiligung (100%) (100%) – Überschneidungen: Tätigkeiten auf horizontal verbundenen Märkten Produktmarktabgrenzung gemäss Anatomischen Therapeutischen Klassifikation (ATC) Nationale Marktabgrenzung für Fertigarzneimittel 11. September 2018 Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 31
Faculty of Law Europäische Union: Fusionskontrolle (FKVO) (3) (c) Kommission, 20.12.2017, M.8675 – CVC/Teva’s International Women‘s Health Business – Wettbewerbsrechtliche Bedenken: a) Risedronic Acid (M5B) Molekulare Überschneidung: Actonel/Optinate (Teva) und Risedronato (DOC) Kombinierte Marktanteile (2016): 40-50% (Umsatz) und 50-60% (Wert) Keine Veränderung der Wettbewerbsverhältnisse b) M5B Bone Calcium Regulators / M5B3 Bisphosphonates for osteoporosis and related disorders Überschneidungen auf ATC3/4-Ebene: Tevas + DOCs Tätigkeiten auf M5B/M5B3-Märkten Kombinierte Marktanteile (2016): 40-60% (Umsatz) und 5-20% (Wert) Keine Veränderung der Wettbewerbsverhältnisse – Entscheidung: Freigabe (Art. 6 Abs. 1 lit. b FKVO) 11. September 2018 Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 32
Faculty of Law Europäische Union: Fusionskontrolle (FKVO) (4) (d) Kommission, 21.4.2017, M.8362 – Lonza Group/Capsugel – Sachverhalt: – Überschneidungen: Kontrollerwerb (100%) 11. September 2018 Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 33
Faculty of Law Europäische Union: Fusionskontrolle (FKVO) (4) (d) Kommission, 21.4.2017, M.8362 – Lonza Group/Capsugel – Wettbewerbsrechtliche Bedenken: a) Vertikale Effekte b) Konglomerate Effekte Nutrition&Health Ingredients Gefahr von «monopoly leveraging» durch «tying and bundling» - Sorbitanester: 0-5% wert-/umsatzbezogener Betroffene Produktmärkte Marktanteil im EWR/weltweit Auftragsproduktion Produktion fester - L-Carnitin: 20-30% wert-/umsatzbezogener von Wirkstoffen oraler Arzneimittel Marktanteil im EWR/weltweit Produktion eigener Wirkstoffe Flüssigkeitsgefüllte Hartkapseln Dosierungsrezeptur Nutrition&Health + F&E-Services 30-40% Marktanteil weltweit Ingredients + 20-30% Marktanteil im EWR Ergebnis: Weder «technical» noch «commercial bundling» Entscheidung: Freigabe (Art. 6 Abs. 1 lit. b FKVO) 11. September 2018 Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 34
Faculty of Law Schweiz: Wettbewerbsabreden (Art. 5 KG) (a) BVGer, 19.12.2017, B-843/2015 – Sanktionsverfügung: Hors-Liste Medikamente – Sachverhalt: Vertrieb von Medikamenten gegen erektile Dysfunktion durch Eli Lilly (Cialis), Bayer (Levitra) und Pfizer (Viagra) über Ärzte und Apotheken. Die verschreibungspflichtigen Medikamente werden nicht von Grundversicherung übernommen, weil sie nicht auf Spezialitätenliste (SL), sondern auf sog. „Hors-Liste Medikamente“ (HL) stehen. Alle drei Pharmaunternehmen haben „unverbindliche“ Preisempfehlungen an Grossisten/Verkaufsstellen für ihre Medikamente abgegeben. Weko, 2.11.2009: CHF 5.7 Mio. Direktsanktion gem. Art. 49a Abs. 1 KG BVGer, 3.12.2013 – B-360/2010: Erfolgreiche Anfechtung durch Eli Lilly BGer, 28.1.2015 – 2C_79/2014: Gutheissung der Beschwerde des WBF + Rückweisung ans BVGer 11. September 2018 Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 35
Faculty of Law Schweiz: Wettbewerbsabreden (Art. 5 KG) (a) BVGer, 19.12.2017, B-843/2015 – Sanktionsverfügung: Hors-Liste Medikamente – Urteil: Aufhebung der Weko-Verfügung (Verbot + Sanktionen) a) Unverbindliche Publikumspreisempfehlung als abgestimmte Verhaltensweise gem. Art. 4 Abs. 1 iVm Art. 5 Abs. 1, 4 KG? b) Publikumspreisempfehlung als zulässige Preisobergrenze c) Befolgungsgrad durch Apotheken/Ärzte kaum aussagekräftig Beschwerde am BGer anhängig 11. September 2018 Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 36
Faculty of Law Schweiz: Missbrauch einer marktbeherr. Stellung (Art. 7 KG) (1) (a) Sekretariat der Weko, 11.5.2015, RPW 3/2015, 363 ff. – Lieferstopp durch Alloga AG – Sachverhalt: Alloga AG, ein auf dem schweizerischen Markt tätiger Prewholesaler der Galenica- Gruppe, drohte der Amedis AG mit dem Stopp sämtlicher offener Bestellungen/Lieferungen aufgrund ihrer schlechten finanziellen Situation und verlangte Besicherungsleistungen (Sicherheitszahlungen, Bankgarantien) in Höhe von CHF 20 Mio. Amedis AG erachtete dieses Vorgehen als Erzwingung unangemessener Geschäftsbedingungen (Art. 7 Abs. 2 lit. c KG) und als Versuch, sie als grösste Konkurrentin der Galexis AG vom Wholesale-Markt zu verdrängen. Zudem läge eine Diskriminierung (Art. 7 Abs. 2 lit. b KG) ggü. anderen Grossisten vor, die keine Sicherheiten beibringen müssten. Konzernmutter Prewholesale Wholesale Wettbewerb 11. September 2018 Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 37
Faculty of Law Schweiz: Missbrauch einer marktbeherr. Stellung (Art. 7 KG) (1) (a) Sekretariat der Weko, 11.5.2015, RPW 3/2015, 363 ff. – Lieferstopp durch Alloga AG – Einschätzung: o Problematisches Verhalten von Alloga mit Blick auf Art. 7 Abs. 2 lit. c KG o Angespannte Finanzsituation zwar allfälliger Rechtfertigungsgrund für Besicherung, aber Höhe + Dauer i.c. nicht angemessen Einstellung der Vorabklärung 11. September 2018 Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 38
Faculty of Law Schweiz: Missbrauch einer marktbeherr. Stellung (Art. 7 KG) (2) (b) Weko, 19.12.2016, Kommerzialisierung von elektronischen Medikamenteninformationen – Sachverhalt: HCI Solutions AG (zuvor: Documed AG/e-mediat AG), aggregiert elektronische Medikamenteninformationen und betreibt umfassende Datenbanken über in der Schweiz zugelassener Arzneimittel. HCI soll einerseits systematisch Vertragsklauseln implementiert haben, die Softwarehäuser von der Verwendung konkurrenzierender Datenbanken abhalten. Andererseits soll HCI Pharmaherstellern die Aufnahme von Medikamenteninformationen in ihre Datenbanken nur gekoppelt mit weiteren Dienstleistungen angeboten haben. Konzernmutter Cotent&Process Wettbewerb Vormalige Tochter- unternehmen 11. September 2018 Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 39
Faculty of Law Schweiz: Missbrauch einer marktbeherr. Stellung (Art. 7 KG) (2) (b) Weko, 19.12.2016, Kommerzialisierung von elektronischen Medikamenteninformationen – Relevanter Markt: Markt für veredelte, – Entscheidung: CHF 4.55 Mio. Direktsanktion gem. maschinenlesbare Daten betreffend Art. 49a Abs. 1 KG Medikamenteninformationen in der Schweiz. a) Marktbeherrschende Stellung (+) b) Erzwingung unangemessener Preise und Geschäftsbedingungen (Art. 7 Abs. 2 lit. c KG) (-, idpr) c) Predatory Pricing (Art. 7 Abs. 2 lit. d KG) (offen) d) Einschränkung der Erzeugung, des Absatzes oder der technisch. Entwicklung (Art. 7 Abs. 2 lit. e KG) (+) e) Koppelung (Art. 7 Abs. 2 lit. f KG) (+) 11. September 2018 Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 40
Faculty of Law Schweiz: Missbrauch einer marktbeherr. Stellung (Art. 7 KG) (2) (b) Weko, 19.12.2016, Kommerzialisierung von elektronischen Medikamenteninformationen Einschränkung der Erzeugung, des Absatzes oder der technisch. Entwicklung (Art. 7 Abs. 2 lit. e KG) im vorliegenden Fall – Absatzeinschränkung: Vertragsklauseln mit Softwarehäusern, wonach (i) HCI Vorrecht hat, zusätzliche Datennachfrage zu befriedigen, und (ii) untersagt, vorhandene Strukturen für Produkte anderer Datenveredeler bzw. für eigene Datenveredelung/Datenbanken zu verwenden – Wettbewerbsbehinderung: Klauseln – auf breiter Front verwendet – verschliessen Markt für veredelte, maschinenlesbare Daten betreffend Medikamenteninformationen für aktuelle/potentielle Konkurrenten bzw. errichten hohe Marktzutrittsschranken (Komplettangebot). Nicht Ergebnis von Leistungswettbewerb – Rechtfertigungsgründe: Keine, da Datenintegration aus verschiedenen Quellen technisch möglich und auch kein Reputationsrisiko für HCI infolge Qualitätskontrolle der Daten durch Swissmedic 11. September 2018 Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 41
Faculty of Law Schweiz: Missbrauch einer marktbeherr. Stellung (Art. 7 KG) (2) (b) Weko, 19.12.2016, Kommerzialisierung von elektronischen Medikamenteninformationen Einordnung der Beurteilung nach Art. 7 Abs. 2 lit. e KG – Weiter, einschränkungsbedürftiger Auffangtatbestand für Behinderungsmissbräuche. Parallele zu Art. 102 Abs. 2 lit. b AEUV, aber ohne Kriterium der Verbraucherschädigung – Fehlen eines breit etablierten/konsentierten Tests, wann die Einschränkungswirkung missbräuchlich o Konsumentenschaden Berücksichtigung der ökonomischen Auswirkungen o Gezielte Beeinträchtigung o Beeinträchtigung der Konkurrenten-Marktposition Stärkung der eigenen Marktposition o Leistungswettbewerb – WEKO in HCI: Kombinierter Ansatz – Leistungswettbewerb, strategische Ausrichtung des Verhaltens, tatsächliche Beeinträchtigung von Wettbewerbern 11. September 2018 Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 42
Faculty of Law Schweiz: Missbrauch einer marktbeherr. Stellung (Art. 7 KG) (2) (b) Weko, 19.12.2016, Kommerzialisierung von elektronischen Medikamenteninformationen Einordnung der Beurteilung nach Art. 7 Abs. 2 lit. e KG Relativ geringe Fallpraxis: HCI •CH: Telecom PTT-Fachhändlerverträge ‐Rabatte •EU: Hoffmann-La Roche; Michelin I/II; British Airways • CH: Teleclub/Cablecom/Swisscable ‐Alleinbezugsverpflichtungen • EU: AKZO; Almelo •CH: SVKB ‐Exklusivbelieferungsverträge •EU: Alrosa/De Beers; BRT II •CH: Biomilch; Teleclub/Cablecom/Swisscable ‐Verknappung des eigenen Angebots •EU: British Telecom; United Brands ‐Verschaffung exklusiven Zugangs zu innovativer •EU: Michelin I/II Technologie ‐Verweigerung Informations-/Datenzugang •EU: Microsoft; (IMS Health; Magill) ‐Aufteilung von Qualitätsstufen des Angebots •EU: Decca Navigator ‐Gerichtsverfahren •EU: ITT Promedia 11. September 2018 Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 43
Faculty of Law Schweiz: Missbrauch einer marktbeherr. Stellung (Art. 7 KG) (2) (b) Weko, 19.12.2016, Kommerzialisierung von elektronischen Medikamenteninformationen Einordnung der Beurteilung nach Art. 7 Abs. 2 lit. e KG – Geringe Betonung des Innovationsgesichtspunkts – Relevanz des – erwähnten – Entscheids KOMM., 22. 6. 2005, COMP/A. 39.116/B2, Coca-Cola (vgl. auch EuG, Van den Bergh Foods)? – Relevanz des – in HCI nicht erwähnten – Entscheids EuGH, 29. 4. 2004, C-418/01 IMS Health? o In casu keine Urheberrechtslizenz begehrt, aber ebenfalls Zugang von Konkurrenzprodukten zu Datenbankstruktur gegenständlich o Teils direkte, teils mittelbare Nutzungsverweigerung durch Verträge mit den Softwarehäusern o Erst-Recht- oder Gegenschluss zu den Magill/IMS-Health-Kriterien? Kriterium der «exceptional circumstances» anwendbar? o Falls Fehlen eines (konkreten) «neuen Produkts», (verbesserte) Konkurrenzprodukte hinreichend? 11. September 2018 Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 44
Faculty of Law Schweiz: Fusionskontrolle (Art. 10 f. KG/VKU) (a) Weko, 19.12.2016, RPW 2/2018, 386 ff. – Galexis AG/Pharmapool Aktiengesellschaft – Sachverhalt: Konzernmutter Wholesale Kontrollerwerb (100%) Pharmapool PharmaBlist Zentralapotheke AG AG – Überschneidungen: (a) Pharmagrosshandel mit Arzneimitteln und (b) Detailhandel mit Arzneimitteln an Konsumenten 11. September 2018 Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 45
Faculty of Law Schweiz: Fusionskontrolle (Art. 10 f. KG/VKU) (a) Weko, 19.12.2016, RPW 2/2018, 386 ff. – Galexis AG/Pharmapool Aktiengesellschaft – Wettbewerbsrechtliche Bedenken: a) Pharmagrosshandel mit Arzneimitteln Aggregierte Marktanteile (2015): 50-60% (Umsatz) im Apothekenkanal und 40-50% im SD-Ärztekanal Kein potentieller, aber ausreichender aktueller Wettbewerb b) Detailhandeln mit Arzneimitteln Aggregierte Marktanteile (2015): 40-50% (Umsatz) im Vertriebskanal Apotheken lokal Kein potentieller, aber nicht unerheblicher aktueller Wettbewerb – Entscheidung: Freigabe 11. September 2018 Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 46
Faculty of Law International/Ausblick: UK Competition and Markets Authority (CMA), Case CE/9742-13 – Pfizer/Flynn (2016) – UK Competition and Markets Authority (CMA), Case CE/9531/11 – Paroxetine (2016) South African Competition Commission (CompCom), Roche/Pfizer/Aspen (2017) 11. September 2018 Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 47
Faculty of Law Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! peter.picht@rwi.uzh.ch 11. September 2018 Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Page 48
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