Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht - Prof. Dr. iur. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) - UZH

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Aktuelle Entwicklungen im
Pharmakartellrecht
Prof. Dr. iur. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale)

                                                                                                               https://www.competition.org.za/review/2017/12/20/excessive-pricing-in-the-global-pharmaceutical-industry

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                                                                                                                                                            pharma-sandbags-generic-competition-

         Wettbewerbsbedingungen im Pharmasektor (1)
                                                                                                                                                            1510701694

Quelle: The 2017 EU Industrial R&D Investment Scoreboard, 11                                               Quelle: EvaluatePharma World Preview 2017, 19

         – Erhebliche F&E-Investitionen und Umsatzerlöse der Pharmabranche im internationalen Vergleich
         – Schwierigkeiten bei Kostenamortisation ohne IP-Exklusivrechte und darauf basierende
           Preisbildung
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                                                                                                                pharma-sandbags-generic-competition-

Wettbewerbsbedingungen im Pharmasektor (2)
                                                                                                                1510701694

–    Pharmabranche im Umbruch: Viele „Blockbuster“-Medikamente schon/bald ohne Patentschutz. Trotz
     erheblicher F&E-Investitionen Schwierigkeiten Produktpalette aufzufüllen, Abnahme bei den marktreifen
     Produkten.
–    Trend zur Wirkstoffentwicklung durch spezialisierte Biotechnologie-Unternehmen bei verhältnismässig
     reduzierter Investitionsbereitschaft klassischer Pharmabranche. Zurückzuführen u.a. auf hohe Risiken der
     Wirkstoffentwicklung.
–    In einem Marktumfeld mit schwächelnden Blockbustern, höheren Nichtigkeitsrisiken für
     Pharmapatente und gestiegener Bedeutung kleiner Biotech-Unternehmen reagieren die Unternehmen
     durch – problematisches und unproblematisches – Wettbewerbsverhalten in den Bereichen:
          (1) Wettbewerbsabreden (Art. 101 AEUV/Art. 5 KG): Preiskoordinierung; settlements betreffend den
          Markteintritt von Generika; post expiration/post invalidation royalties; off-label use
          (2) Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung (Art. 102 AEUV/Art. 7 KG): Hochpreisstrategien
          (3) Fusionskontrolle (FKVO/KG+VKU): Zusammenschlüsse von grossen Playern mit kleineren,
          forschungsstarken (Biotech-)Unternehmen  Pipeline-Einkäufe

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Europäische Union: Wettbewerbsabreden (Art. 101 AEUV) (1)
(a) Patent settlement agreements / “pay-for-delay”
     EuG, 8.9.2016, T-472/13 – Lundbeck
– Sachverhalt: Nachdem der Patentschutz für das Blockbuster-Medikament „Citalopram“
  (Antidepressivum) abgelaufen war, schloss Lundbeck Vereinbarungen mit vier konkurrierenden
  Generikaherstellern, um ihren Markteintritt zu verhindern. Für die Dauer der sog. „pay-for-delay“-
  Vereinbarungen vermochte Lundbeck den Preis seines Originalpräparats künstlich hochzuhalten.
– Urteil: Bestätigung der Kommissionsentscheidung (AT.39226), die Bussen von 93.8 Mio. EUR
  (Lundbeck) bzw. 52.2 Mio. EUR (Generikahersteller) verhängte
      Potentieller Wettbewerb zw. Generikaherstellern und Lundbeck
      Bezweckte Wettbewerbsbeschränkung gem. Art. 101 Abs. 1 lit. c AEUV
      Beschwerde beim EuGH anhängig (C-591/16 P)
– Parallelverfahren: EuG, Sun Pharmaceutical (T-460/13); EuG, Arrow (T-467/13); EuG, Generics (UK)
  (T-469/13); EuG, Merck (T-470/13); EuG, Xellia Pharmaceuticals ua (T-471/13)

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Europäische Union: Wettbewerbsabreden (Art. 101 AEUV) (2)
(a) Patent settlement agreements / “pay-for-delay”
     Kommission, 30.9.2016, Case AT.39612 – Perindopril (Servier)

– Sachverhalt: Nach Ablauf des Patentschutzes für das Blutdruckmedikament „Perindopril“ im Jahr
  2003 schloss der Hersteller Servier eine Reihe von Vereinbarungen mit Generikaproduzenten, um
  das Originalpräparat vor Preiswettbewerb in der EU zu schützen. Durch Technologieerwerb und
  „patent settlement agreements“ versuchte Servier den Wettbewerbsdruck bewusst zu reduzieren.
– Entscheidung: Verstoss gegen Art. 101 und Art. 102 AEUV sowie Bussen von 330 Mio. EUR
  (Servier) und 97 Mio. EUR (Generikahersteller).
      Bezweckte Wettbewerbsbeschränkung gem. Art. 101 Abs. 1 lit. c AEUV
      Einschränkung von Erzeugung, Absatz od. techn. Entwicklung gem. Art. 102 lit. b AEUV
      Beschwerde beim EuG anhängig (T-705/14; T-701/14; T-691/14; T-684/14; T-682/14; T-680/14; T-679/14;
       T-677/14)

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Pharma-PfD-Monitoring der EU-Kommission dauert an

 EU Commission’s Pharmaceutical Sector Inquiry (2009)
      8th Report on the Monitoring of Patent Settlements (2018)

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Europäische Union: Wettbewerbsabreden (Art. 101 AEUV) (3)
(b) Post-expiration royalties: EuGH, 7.4.2016, C-567/14 – Genentech
– Sachverhalt: Genentech erhielt von Berhingwerke AG (nunmehr: Hoechst) eine weltweite, nicht ausschliessliche
     Lizenz zur Nutzung eines „HCMV-Enhancer“, wobei das zugrundeliegende Patent nur in den USA Bestand hatte,
     das parallele Europäische Patent hingegen (mit Rückwirkung) für nichtig erklärt wurde. Da Genentech zwar die
     vereinbarten einmaligen und jährlichen Lizenzgebührenzahlungen leistete, nicht aber die laufende,
     umsatzbezogene Lizenzgebühr, leiteten Hoechst und ihr deutsches Tochterunternehmen, Sanofi-Aventis, ein
     Schiedsverfahren ein und erreichten einen Schiedsspruch auf Zahlung der laufenden Gebühr. Die durch Klage
     auf Nichtigerklärung des Schiedsspruchs angerufene Cour d’appel de Paris legte dem EuGH die Frage vor, ob
     Art. 101 AEUV der Wirksamkeit eines Vertrags entgegensteht, welcher den Lizenznehmer trotz Nichtigerklärung
     des lizenzierten Patents zur Zahlung der Lizenzgebühr verpflichtet.

                                                                                         (1) Lizenz (HCMV-Enhancer)

                                                                                         (2) Lizenzgebühren
                                     (4) Nichtig-                                            - Einmalig 
      (5) AEUV 267                    keitsklage                                                                      Beteiligung (100%)
                                                                                             - Jährlich 
                                                                                             - Umsatzbezogen 
                                                                                       (3) Schiedsverfahren

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Europäische Union: Wettbewerbsabreden (Art. 101 AEUV) (3)
(b) Post-expiration royalties: EuGH, 7.4.2016, C-567/14 – Genentech
– Zwei Hauptgesichtspunkte:
     o    Kartellrechtskonformität von Lizenzgebührenzahlungspflichten ohne Inanspruchnahme eines wirksamen
          Patents
     o    Bedeutung des EU-Kartellrechts für Schiedsverfahren: ordre public-Charakter; Umfang der Prüfpflicht des
          Schiedsgerichts; Vorlageberechtigung von Schiedsgerichten?

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Europäische Union: Wettbewerbsabreden (Art. 101 AEUV) (3)
(b) Post-expiration royalties: EuGH, 7.4.2016, C-567/14 – Genentech
I. Kartellrechtskonformität von Lizenzgebührenzahlungspflichten ohne Inanspruchnahme eines
wirksamen Patents
– EuGH, 12.5.1989, C-320/87 – Ottung
     o    Kein Verstoss, wenn die Zahlungspflicht zeitlich über den Wegfall des wirksamen und benutzten Patents
          ausgedehnt wird
     o    Jedenfalls sofern der Lizenzvertrag nach Patentantrag und unmittelbar vor der Patenterteilung geschlossen
          wurde
     o    Zentrales Argument: Zahlungspflicht kann in ihrem Gesamtumfang den Wert widerspiegeln, der «den mit dem
          Lizenzvertrag verbundenen Möglichkeiten der Nutzbarmachung beigemessen wird»
     o    Kündigungsrecht des Lizenznehmers wohl kein zwingendes Erfordernis, lediglich klargestellt, dass bei
          jederzeitiger Kündigungsmöglichkeit schon nicht im Anwendungsbereich des Art. 101 AEUV

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Europäische Union: Wettbewerbsabreden (Art. 101 AEUV) (3)
(b) Post-expiration royalties: EuGH, 7.4.2016, C-567/14 – Genentech
I. Kartellrechtskonformität von Lizenzgebührenzahlungspflichten ohne Inanspruchnahme eines
wirksamen Patents
– EuGH, 7.4.2016, C-567/14 – Genentech
     o    Kein Verstoss, wenn Lizenzvertrag mit einer angemessenen Frist gekündigt werden kann
     o    Dies gilt bei Ungültigkeit des Patents (Vorlagesachverhalt)
     o    Aber auch bei Nichtverletzung des (gültigen) Patents

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Europäische Union: Wettbewerbsabreden (Art. 101 AEUV) (3)
(b) Post-expiration royalties: EuGH, 7.4.2016, C-567/14 – Genentech
I. Kartellrechtskonformität von Lizenzgebührenzahlungspflichten ohne Inanspruchnahme eines
wirksamen Patents
– Leitlinien EU-Kommission zur TT-GVO, Rn. 187
     o    «Die Gruppenfreistellung gilt zwar nur so lange, wie die Technologierechte gültig und rechtswirksam sind,
     o    doch können die Vertragsparteien in der Regel ohne Verstoss gegen Artikel 101 Absatz 1 AEUV vereinbaren,
          die Lizenzgebührenpflicht über die Geltungsdauer der lizenzierten Rechte des geistigen Eigentums hinaus
          auszudehnen. [kein Kündigungserfordernis!]
     o    Wenn diese Rechte erloschen sind, können Dritte die betreffende Technologie rechtmässig nutzen und mit
          den Vertragsparteien konkurrieren. Ein solcher tatsächlicher oder potenzieller Wettbewerb genügt in der
          Regel, damit die betreffende Lizenzgebühr keine spürbaren wettbewerbsschädigenden Wirkungen hat.»

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Europäische Union: Wettbewerbsabreden (Art. 101 AEUV) (3)
(b) Post-expiration royalties: EuGH, 7.4.2016, C-567/14 – Genentech
I. Kartellrechtskonformität von Lizenzgebührenzahlungspflichten ohne Inanspruchnahme eines
wirksamen Patents
– Fazit
     o    Gewisse Unsicherheiten im EU-Rechtsrahmen
     o    Jedenfalls gewährt EU-Recht deutlich mehr Vertragsfreiheit als US-Lizenzkartellrecht (vgl. Kimble v. Marvel
          Entertainment, LLC, 576 U.S.___ (2015))
     o    Einige offene Fragen, z.B. Zulässigkeit von gekoppelten Lizenzzahlungspflichten für Gebiete mit und ohne
          Schutz?
     o    Abgrenzung von/Auswirkungen auf kombinierte Zahlungspflichten für geschützte und nicht geschützte
          Produktkomponenten (vgl. EuGH, 25.2.1986, C-193/83 – Windsurfing International)

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Europäische Union: Wettbewerbsabreden (Art. 101 AEUV) (3)
(b) Post-expiration royalties: EuGH, 7.4.2016, C-567/14 – Genentech
II. Bedeutung des EU-Kartellrechts für Schiedsverfahren
1. EU-Kartellrecht als ordre public i.S.v. Art. V Abs. 2 lit. b) NYÜ?
– Sofern und soweit ja, besteht für Schiedssprüche, die nicht im Einklang mit EU-Kartellrecht stehen,
  das erhebliche Risiko eines Vollstreckbarkeitshindernisses
– EuGH und GA Wathelet offenbar: Art. 101, Art. 102 mit Gesamtheit ihres Rechtsbestandes ordre
  public
– Bedenken:
     o    Sekundär- und Tertiärrecht zu Art. 101, 102 AEUV sehr umfangreich, detailbezogen, wandelbar, teils ohne
          formelle Bindungswirkung (z.B. Kommissionsleitlinien), mitunter inkohärent
     o     Konzept des ordre public als Fundamentalwertungen einer Rechtsordnung
     o    Starke Rechtsunsicherheit für Schiedsverfahren und Schiedssprüche

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Europäische Union: Wettbewerbsabreden (Art. 101 AEUV) (3)
(b) Post-expiration royalties: EuGH, 7.4.2016, C-567/14 – Genentech
II. Bedeutung des EU-Kartellrechts für Schiedsverfahren
2. Prüfumfang von Schiedsgerichten hinsichtlich EU-Kartellrecht
–    Mitgliedstaatsgerichte uneins
–    GA Wathelet in Genentech: vollumfänglich und unabhängig vom Parteivorbringen
–    EuGH in Genentech: offengelassen
–    Vollumfängliche Prüfung des EU-Kartellrechts auch insoweit, als Verletzung nicht offensichtlich und nicht
     von Parteien vorgebracht, bedeutete hohe Anforderungen an Schiedsgerichte
–    Jedenfalls abzulehnen: Kartellverstoss von Schiedsverfahrensparteien schon durch (gemeinsames)
     Nichtvorbringen von kartellrechtlichen Aspekten

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Europäische Union: Wettbewerbsabreden (Art. 101 AEUV) (3)
(b) Post-expiration royalties: EuGH, 7.4.2016, C-567/14 – Genentech
II. Bedeutung des EU-Kartellrechts für Schiedsverfahren
3. Vorlageberechtigung von Schiedsgerichten (Art. 267 AEUV) bzgl. Kartellrechtsfragen
–    EuGH, Eco Swiss; Gazprom: keine Vorlageberechtigung, da keine «Gerichte der Mitgliedstaaten»
–    Korrespondiert in gewisser Weise mit den Anforderungen an die Kartellrechtsberücksichtigung durch
     Schiedsgerichte: Wenn keine Vorlageberechtigung, darf Positionierung des Schiedsgerichts zu einer noch
     nicht höchstrichterlich entschiedenen Kartellrechtsfrage i.d.R. keinen ordre public-Verstoss begründen,
     selbst wenn das hierüber entscheidende Gericht das EU-Kartellrecht anders interpretiert

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Europäische Union: Wettbewerbsabreden (Art. 101 AEUV) (4)
(c) Unternehmensabsprachen zu Arzneimittelinformationen
     EuGH, 23.1.2018, C-179/16 – Italienischer Arzneimittelmarkt
– Sachverhalt: Roche und Novartis entwickelten zunächst Tumormedikament („Avastin“) und
  anschliessend Augenmedikament („Lucentis“), die beide zur Behandlung von Makuladegeneration
  einsetzbar waren. Roche vereinbarte mit Novartis indes die Veröffentlichung irreführender
  Informationen über die Sicherheit des „off-label use“ von Avastin, um Wettbewerbsdruck auf Lucentis
  zu reduzieren, welches aufgrund eines Lizenzvertrags von Novartis vertrieben wurde.
– Urteil: Verstoss gegen Art. 101 AEUV
      Relevanter Markt für Medikamente zur Behandlung bestimmter Krankheiten umfasst zugelassene sowie nicht
       zugelassene Arzneimittel („off-label use“)
      Bezweckte Wettbewerbsbeschränkung gem. Art. 101 AEUV
      Wettbewerbsbeschränkung nicht objektiv notwendig für Lizenzvereinbarung, daher keine Freistellung als
       „ancillary restraint“ (oder) gem. Art. 101 Abs. 3 AEUV.
      Offengelassen: Dürfen sich sich Wettbewerber zu Informationen über Nebenwirkungen, die nicht irreführend
       sind, abstimmen (so, unter Voraussetzungen, GA Saugsmandsgaard Øe)
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Europäische Union: Missbrauch einer marktbeh. Stellung (Art. 102 AEUV)
(a) Preismissbrauch
     Pressemitteilung 15.5.2017: Kommission untersucht Preispolitik von Aspen Pharma

– Bereits nationales Verfahren in Italien
– Seltener Fall eines Verfahrens wegen Preismissbrauchs
– Dem Vernehmen nach sieht die Kommission das Verhalten von Aspen als durchaus problematisch
  an

11. September 2018   Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale)   Page 17
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Europäische Union: Missbrauch einer marktbeh. Stellung (Art. 102 AEUV)
(a) Preismissbrauch
     AGCM, 14.10.2016, Case A-480 – Aspen
– Sachverhalt: Beherrschende Stellung von Aspen auf dem Markt für “Cosmos drugs”, d.h. Krebsmedikamente,
     welche die Wirkstoffe Leukeran (Chlorambucil), Alkeran (Melphalan), Purinethol (Mercaptopurine) und
     Tioguanine (Tioguanine) verwenden und deren Patentschutz bereits ausgelaufen ist. Medikamente sind
     lebenswichtig für die Behandlung bestimmter Krankheiten, haben regulierte Preise, die zwischen
     Zulassungsinhaber und italien. Arzneimittelagentur (AIFA) ausgehandelt werden, und werden durch nationales
     Gesundheitssystem erstattet. Da nur Aspen über Marktzulassung für Medikamente verfügte, begann
     Unternehmen aggressive Preisverhandlungen mit italien. Arzneimittelagentur und erreichte schliesslich
     Preiserhöhung zw. 300-1500%. Aspen drohte, die Medikamente anderenfalls vom Markt zu nehmen
– Relevanter Markt: entspricht den vom Preisanstieg betroffenen Wirkstoffen, namentlich Chlorambucil,
     Melphalan, Mercaptopurine und Tioguanine
– Marktbeherrschende Stellung: Aspen mit beherrschender Stellung auf relevantem Markt, weil es als einziges
     Pharmaunternehmen die betreffenden Krebsmedikamente vertreibt. Zudem keine Konkurrenzprodukte oder
     Generika auf dem Markt

1 March 2018     Alleged Excessive Pricing of Pharmaceutical Products, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale)   Page 18
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Europäische Union: Missbrauch einer marktbeh. Stellung (Art. 102 AEUV)
(a) Preismissbrauch
     AGCM, 14.10.2016, Case A-480 – Aspen
 Preis/Kosten-Analyse
     o    Zwei Methoden zur Analyse der Preis/Kosten-Differenz (vgl. Schlussanträge GA Wahl, C-177/16, Rn. 43, 112)
          (1) Bruttogewinnmarge
          Ermittlung des Preisübermasses aufgrund prozentualer Bruttogewinnmarge jedes einzelnen Medikaments
          (2) Rentabilitätsanalyse
          Ermittlung des Preisübermasses anhand Differenz zw. Gewinnen und «cost plus», d.h. Aspens Gesamtkosten zur
          Realisierung jeder «Cosmos drug». «Cost plus» umfasst direkte Kosten (CDQ), den Anteil indirekter Kosten des
          Produkts (ߙIC) sowie die Umsatzrendite (ROS).
     o    Beide Methoden ergaben signifikanten Anstieg der neuen Preise im Verhältnis zum Gesamtwert der «Cosmos
          drugs». Die Verkaufserlöse beliefen sich auf 100-400% der Produktionskosten

1 March 2018     Alleged Excessive Pricing of Pharmaceutical Products, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale)   Page 19
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Europäische Union: Missbrauch einer marktbeh. Stellung (Art. 102 AEUV)
(a) Preismissbrauch
     AGCM, 14.10.2016, Case A-480 – Aspen
 Weitere Aspekte Preisübermass
     o    F&E-/Marketingkosten bereits vom ursprüngl. Erfinder GlaxoSmithKline (GSK) getragen
     o    Preise ohne Bezug zu Produktionskosten und F&E-Investitionen
              Medikamentenherstellung durch Subunternehmer; keine Inanspruchnahme finanzieller Ressourcen
              Abnahme der Produktionskosten im Laufe der Zeit
     o    Keine Verbesserung von Produkten oder Servicequalität durch Aspen
     o    Keine Medikamentenwerbung notwendig und keine Marketingkosten
     o    Kein aktueller oder potentieller Wettbewerb und keine starke Verhandlungsmacht der Marktgegenseite
     o    Aspens Rechtfertigung der Verhinderung von Parallelimporten wurde zurückgewiesen

1 March 2018      Alleged Excessive Pricing of Pharmaceutical Products, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale)   Page 20
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Europäische Union: Missbrauch einer marktbeh. Stellung (Art. 102 AEUV)
(a) Preismissbrauch
     AGCM, 14.10.2016, Case A-480 – Aspen
 Verstoss gegen Art. 102 lit. a AEUV durch Preismissbrauch. 5 Mio. EUR Sanktion gegen Aspen
 Bestätigt durch Verwaltungsgericht in Lazio (TAR) im Mai 2017

     Einhaltung italien. Arzneimittelgesetzgebung
 Festlegung der Preise für lebenswichtige Medikamente durch Verhandlung zw. Zulassungsinhaber und
  AIFA. Freie Preissetzung durch Zulassungsinhaber bei Uneinigkeit möglich, aber keine Erstattung durch
  nationales Gesundheitssystem (Art. 6 Delibera CIPE n. 3/2001)
 Zulassungsinhaber kann Direktversorgung mit Medikamenten aus wirtschaftlichen Gründen unterbrechen.
  Direktbezug vom Hersteller möglich, aber freie Preissetzung (Art. 34 Decreto Legislativo 219/2006)

1 March 2018     Alleged Excessive Pricing of Pharmaceutical Products, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale)   Page 21
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Europäische Union: Missbrauch einer marktbeh. Stellung (Art. 102 AEUV)
(a) Preismissbrauch
     AGCM, 14.10.2016, Case A-480 – Aspen

     Weiterführende Überlegungen:
– …und bei bestehendem Patentschutz?
– Ausübung (nationaler) Immaterialgüterrecht nur ausnahmsweise missbräuchlich
– Traditioneller Ansatz: Zugang unter bestimmten Bedingungen (Magill, IMS Health, Microsoft)
– Freie Preisbildung für IP-geschützte Produkte/freie Determinierung von Lizenzgebühren als potentieller
  Wettbewerbsverstoss, obwohl Immaterialgüterrechte staatlich verliehene Monopolpositionen?
     o    FRAND-Lizenzen für standardessentielle Patent (Huawei/ZTE, Unwired Planet) – aber nur, falls FRAND-Erklärung
          abgegeben wurden?
     o    Entwicklung nach Aspen Pharma: Missbräuchliche Preisbildung für Medikamente?

1 March 2018     Alleged Excessive Pricing of Pharmaceutical Products, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale)   Page 22
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Europäische Union: Fusionskontrolle (FKVO) (1)
(a) Kommission, 4.8.2015, M.7559 – Hospira/Pfizer
– Sachverhalt:

                                     Kontrollerwerb (100%)

                                                                        Co-Marketing
                                                                        Vereinbarung

– Überschneidungen: a) mAK Biosimilar: für Medikament „Infliximab“ und b) Sterile Injektionsprodukte
  (Carboplatin; Cytarabine; Epirubicin; Irinotecan; Vancomycin; Voriconazole)
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Europäische Union: Fusionskontrolle (FKVO) (1)
(a) Kommission, 4.8.2015, M.7559 – Hospira/Pfizer

– Wettbewerbsrechtliche Bedenken:
     a) Pfizers Erwerb beider Biosimilare reduziert Wettbewerb auf Infliximab-Markt entweder (i) weil Pfizer die
        Entwicklung seines Biosimilars einstellt oder (ii) weil Rückübertragung von Hospiras Vertriebsrechten
        intensiven Preiswettbewerb mit Celltrion aufhebt
     b) Infolge Fusion bestände kein/verringerter Substitutionswettbewerb für bestimmte sterile Injektionsprodukte auf
        verschiedenen nationalen Märkten

– Entscheidung: Freigabe unter Auflagen (Art. 6 Abs. 2 iVm Art. 6 Abs. 1 lit. b FKVO)
      Umfassende Veräusserung                               bestimmter             Geschäftsbereiche          betreffend   Biosimilars   und    steriler
       Injektionsprodukte

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Europäische Union: Fusionskontrolle (FKVO) (2)
(b) Kommission, 9.6.2017, M.8401 – Johnson&Johnson/Actelion
– Sachverhalt:

                      Kooperationsvereinbarung
     JNJ-7922         + Minderheitsbeteiligung (11%)

                                                (2) Kontrollerwerb (100%)

                                                                                      (1) Spin-off für frühe   ACT-541468

                                                                                      klinische Forschung

– Überschneidungen: (a) Insomnie (Schlafstörungen) und (b) Multiple Sklerose (MS)
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Europäische Union: Fusionskontrolle (FKVO) (2)
(b) Kommission, 9.6.2017, M.8401 – Johnson&Johnson/Actelion

– Wettbewerbsrechtliche Bedenken:
     a) Insomnie:
          (1) Geringer Substitutionswettbewerb im EWR infolge weniger Orexin-Antagonisten (ACT-541468, JNJ-7922 und Eisai/
              Purdue) in Phase II/III. Marktreifes Konkurrenzprodukt (Merck) lediglich in USA.
          (2) Reduzierter Innovationswettbewerb durch allfällige Einstellung, Verzögerung oder Neuausrichtung bei Produktent-
              wicklung (ACT-541468 bzw. JNJ-7922)
          (3) Hohe Markteintrittsschwellen

     b) Multiple Sklerose: Keine negativer Einfluss durch Transaktion.

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Europäische Union: Fusionskontrolle (FKVO) (2)
(b) Kommission, 9.6.2017, M.8401 – Johnson&Johnson/Actelion

– Entscheidung: Freigabe unter Auflagen (Art. 6 Abs. 2 iVm Art. 6 Abs. 1 lit. b FKVO)
– Ursprünglich angebotene Auflagen nach Markttest (begrenzt) verschärft

     Auflagen
– Entscheidungskompetenz bzgl. Entwicklung und Vertrieb von JNJ-7922 bei Minerva, wohl
  durch Verpflichtung zur Nichtausübung entsprechender vertraglicher Rechte durch J&J
– 100% der Finanzierung von F&E bzgl. JNJ-7922 Phase II und weitgehende Finanzierung
  von Phase III durch J&J
– Keine Lizenzgebühren von Minerva
– Aufgabe der J&J-Beteiligung an Minerva durch Einziehung oder unentgeltliche
  Rückübertragung der Anteile

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Europäische Union: Fusionskontrolle (FKVO) (2)
(b) Kommission, 9.6.2017, M.8401 – Johnson&Johnson/Actelion

 Auflagen
  Beteiligungsreduktion (< 10% bis max. 16%) durch J&J
  J&J verzichtet auf eigenes Exekutivmitglied
  Informationsbarrieren bzgl. ACT-541468

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Europäische Union: Fusionskontrolle (FKVO) (2)
(b) Kommission, 9.6.2017, M.8401 – Johnson&Johnson/Actelion

      Bedeutsam
 – Wie gelingt der Aufbau/Erhalt eines lebens- und konkurrenzfähigen Wettbewerbers in
   F&E-intensiven Bereichen des Pharmasektors?
      o     Primär Aktienrückerwerb durch Actelion statt Veräusserung an Dritten
      o     F&D-Finanzierung (vgl. Du Pont/ICI) sowie Lizenzhoheit über grds. gemeinsame
            Lizenzierungsaktivität ( Lizenzgewährungsanspruch, wie etwa Komm., M.950 „Hoffmann-La
            Roche/Boeringer Mannheim“) als kruziale Faktoren – Lücke in der Abhilfemassnahmen-Mitteilung
            der Kommission
      o     Spezifische Konstellation: Zu stärkender Wettbewerber kein (gänzlich) unabhängiger Dritter,
            sondern verbundenes Unternehmen

11. September 2018   Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale)   Page 29
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Europäische Union: Fusionskontrolle (FKVO) (2)
(b) Kommission, 9.6.2017, M.8401 – Johnson&Johnson/Actelion

 – Kombination aus strukturellen und – ausgeprägten – verhaltensbezogenen Abhilfemassnahmen –
   Kontroll- und Erfolgsaussichten?
      o     Verhältnismässig flexible Haltung der EU-Instanzen ggü. verhaltensbezogenen Massnahmen (vgl. EuG,
            Gencore; EuGH, Tetra Laval)
      o     Keine Nutzung von Informations- und faktischen Einflussquellen – schwer zu kontrollieren (vgl. aber
            KOMM., M.4153, „Toshiba/Westinghouse“; M.3440 „ENI/EDP/GDP“)
      o     Fortlaufende Finanzierung durch J&J und überlegenes Vertriebs-know-how als potentieller Einflusshebel
      o     Zentrale Bedeutung des Überwachungs- und – falls parteiseitige Veräusserung fehlschlägt –
            Veräusserungstreuhänders (s.a. neue BKartA-Leitlinien «Zusagen in der Fusionskontrolle»)

 – Prototypische Bedeutung für künftige David-Goliath-Fusionen in der Pharmabranche?

11. September 2018   Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale)      Page 30
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Europäische Union: Fusionskontrolle (FKVO) (3)
(c) Kommission, 20.12.2017, M.8675 – CVC/Teva’s International Women‘s Health Business
– Sachverhalt:

                                                          Kontrollerwerb (100%)

       Beteiligung                         Beteiligung
        (100%)                              (100%)

– Überschneidungen: Tätigkeiten auf horizontal verbundenen Märkten
      Produktmarktabgrenzung gemäss Anatomischen Therapeutischen Klassifikation (ATC)
      Nationale Marktabgrenzung für Fertigarzneimittel
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Europäische Union: Fusionskontrolle (FKVO) (3)
(c) Kommission, 20.12.2017, M.8675 – CVC/Teva’s International Women‘s Health Business
– Wettbewerbsrechtliche Bedenken:
     a) Risedronic Acid (M5B)
               Molekulare Überschneidung: Actonel/Optinate (Teva) und Risedronato (DOC)
               Kombinierte Marktanteile (2016): 40-50% (Umsatz) und 50-60% (Wert)
           Keine Veränderung der Wettbewerbsverhältnisse

     b) M5B Bone Calcium Regulators / M5B3 Bisphosphonates for osteoporosis and related disorders
               Überschneidungen auf ATC3/4-Ebene: Tevas + DOCs Tätigkeiten auf M5B/M5B3-Märkten
               Kombinierte Marktanteile (2016): 40-60% (Umsatz) und 5-20% (Wert)
           Keine Veränderung der Wettbewerbsverhältnisse

– Entscheidung: Freigabe (Art. 6 Abs. 1 lit. b FKVO)

11. September 2018   Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale)   Page 32
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Europäische Union: Fusionskontrolle (FKVO) (4)
(d) Kommission, 21.4.2017, M.8362 – Lonza Group/Capsugel

– Sachverhalt:                                                                                 – Überschneidungen:

                     Kontrollerwerb (100%)

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Europäische Union: Fusionskontrolle (FKVO) (4)
(d) Kommission, 21.4.2017, M.8362 – Lonza Group/Capsugel
– Wettbewerbsrechtliche Bedenken:
a) Vertikale Effekte                                                                                 b) Konglomerate Effekte
          Nutrition&Health Ingredients
                                                                                                                 Gefahr von «monopoly leveraging» durch «tying and bundling»
 - Sorbitanester: 0-5% wert-/umsatzbezogener
                                                                                                                 Betroffene Produktmärkte
 Marktanteil im EWR/weltweit
                                                                                                               Auftragsproduktion                     Produktion fester
 - L-Carnitin: 20-30% wert-/umsatzbezogener                                                                     von Wirkstoffen                       oraler Arzneimittel
 Marktanteil im EWR/weltweit

                                                                                                               Produktion eigener
                                                                                                                   Wirkstoffe

         Flüssigkeitsgefüllte Hartkapseln
                                                                                                                                                      Dosierungsrezeptur
                                                                                                                Nutrition&Health                       + F&E-Services
          30-40% Marktanteil weltweit
                                                                                                                  Ingredients
         + 20-30% Marktanteil im EWR

                                                                                                             Ergebnis: Weder «technical» noch «commercial bundling»
 Entscheidung: Freigabe (Art. 6 Abs. 1 lit. b FKVO)
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Schweiz: Wettbewerbsabreden (Art. 5 KG)
(a) BVGer, 19.12.2017, B-843/2015 – Sanktionsverfügung: Hors-Liste Medikamente
– Sachverhalt: Vertrieb von Medikamenten gegen erektile Dysfunktion durch Eli Lilly (Cialis), Bayer
  (Levitra) und Pfizer (Viagra) über Ärzte und Apotheken. Die verschreibungspflichtigen Medikamente
  werden nicht von Grundversicherung übernommen, weil sie nicht auf Spezialitätenliste (SL), sondern
  auf sog. „Hors-Liste Medikamente“ (HL) stehen. Alle drei Pharmaunternehmen haben
  „unverbindliche“ Preisempfehlungen an Grossisten/Verkaufsstellen für ihre Medikamente abgegeben.

 Weko, 2.11.2009: CHF 5.7 Mio. Direktsanktion gem. Art. 49a Abs. 1 KG

 BVGer, 3.12.2013 – B-360/2010: Erfolgreiche Anfechtung durch Eli Lilly

 BGer, 28.1.2015 – 2C_79/2014: Gutheissung der Beschwerde des WBF + Rückweisung ans BVGer

11. September 2018   Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale)   Page 35
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Schweiz: Wettbewerbsabreden (Art. 5 KG)
(a) BVGer, 19.12.2017, B-843/2015 – Sanktionsverfügung: Hors-Liste Medikamente

– Urteil: Aufhebung der Weko-Verfügung (Verbot + Sanktionen)
     a) Unverbindliche Publikumspreisempfehlung als abgestimmte Verhaltensweise gem. Art. 4 Abs. 1 iVm Art. 5
        Abs. 1, 4 KG?

     b) Publikumspreisempfehlung als zulässige Preisobergrenze

     c) Befolgungsgrad durch Apotheken/Ärzte kaum aussagekräftig

      Beschwerde am BGer anhängig

11. September 2018   Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale)   Page 36
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Schweiz: Missbrauch einer marktbeherr. Stellung (Art. 7 KG) (1)
(a) Sekretariat der Weko, 11.5.2015, RPW 3/2015, 363 ff. – Lieferstopp durch Alloga AG
– Sachverhalt: Alloga AG, ein auf dem schweizerischen Markt tätiger Prewholesaler der Galenica-
  Gruppe, drohte der Amedis AG mit dem Stopp sämtlicher offener Bestellungen/Lieferungen aufgrund
  ihrer schlechten finanziellen Situation und verlangte Besicherungsleistungen (Sicherheitszahlungen,
  Bankgarantien) in Höhe von CHF 20 Mio. Amedis AG erachtete dieses Vorgehen als Erzwingung
  unangemessener Geschäftsbedingungen (Art. 7 Abs. 2 lit. c KG) und als Versuch, sie als grösste
  Konkurrentin der Galexis AG vom Wholesale-Markt zu verdrängen. Zudem läge eine Diskriminierung
  (Art. 7 Abs. 2 lit. b KG) ggü. anderen Grossisten vor, die keine Sicherheiten beibringen müssten.
                     Konzernmutter

                     Prewholesale

                      Wholesale

                                                                              Wettbewerb
11. September 2018      Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale)   Page 37
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Schweiz: Missbrauch einer marktbeherr. Stellung (Art. 7 KG) (1)
(a) Sekretariat der Weko, 11.5.2015, RPW 3/2015, 363 ff. – Lieferstopp durch Alloga AG

– Einschätzung:
     o    Problematisches Verhalten von Alloga mit Blick auf Art. 7 Abs. 2 lit. c KG
     o    Angespannte Finanzsituation zwar allfälliger Rechtfertigungsgrund für Besicherung, aber Höhe + Dauer i.c.
          nicht angemessen

      Einstellung der Vorabklärung

11. September 2018   Aktuelle Entwicklungen im Pharmakartellrecht, Prof. Dr. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale)   Page 38
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Schweiz: Missbrauch einer marktbeherr. Stellung (Art. 7 KG) (2)
(b) Weko, 19.12.2016, Kommerzialisierung von elektronischen Medikamenteninformationen
– Sachverhalt: HCI Solutions AG (zuvor: Documed AG/e-mediat AG), aggregiert elektronische
  Medikamenteninformationen und betreibt umfassende Datenbanken über in der Schweiz
  zugelassener Arzneimittel. HCI soll einerseits systematisch Vertragsklauseln implementiert haben,
  die Softwarehäuser von der Verwendung konkurrenzierender Datenbanken abhalten. Andererseits
  soll HCI Pharmaherstellern die Aufnahme von Medikamenteninformationen in ihre Datenbanken nur
  gekoppelt mit weiteren Dienstleistungen angeboten haben.

           Konzernmutter

          Cotent&Process

                                                                            Wettbewerb

            Vormalige
             Tochter-
           unternehmen

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Schweiz: Missbrauch einer marktbeherr. Stellung (Art. 7 KG) (2)
(b) Weko, 19.12.2016, Kommerzialisierung von elektronischen Medikamenteninformationen

– Relevanter Markt: Markt für veredelte,                                                      – Entscheidung: CHF 4.55 Mio. Direktsanktion gem.
  maschinenlesbare      Daten      betreffend                                                   Art. 49a Abs. 1 KG
  Medikamenteninformationen in der Schweiz.
                                                                                                    a) Marktbeherrschende Stellung (+)
                                                                                                    b) Erzwingung unangemessener Preise und
                                                                                                       Geschäftsbedingungen (Art. 7 Abs. 2 lit. c KG) (-, idpr)
                                                                                                    c) Predatory Pricing (Art. 7 Abs. 2 lit. d KG) (offen)
                                                                                                    d) Einschränkung der Erzeugung, des Absatzes oder
                                                                                                       der technisch. Entwicklung (Art. 7 Abs. 2 lit. e KG) (+)
                                                                                                    e) Koppelung (Art. 7 Abs. 2 lit. f KG) (+)

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Schweiz: Missbrauch einer marktbeherr. Stellung (Art. 7 KG) (2)
(b) Weko, 19.12.2016, Kommerzialisierung von elektronischen Medikamenteninformationen

Einschränkung der Erzeugung, des Absatzes oder der technisch. Entwicklung (Art. 7 Abs. 2
lit. e KG) im vorliegenden Fall
– Absatzeinschränkung: Vertragsklauseln mit Softwarehäusern, wonach (i) HCI Vorrecht hat,
  zusätzliche Datennachfrage zu befriedigen, und (ii) untersagt, vorhandene Strukturen für
  Produkte anderer Datenveredeler bzw. für eigene Datenveredelung/Datenbanken zu
  verwenden
– Wettbewerbsbehinderung: Klauseln – auf breiter Front verwendet – verschliessen Markt für
  veredelte, maschinenlesbare Daten betreffend Medikamenteninformationen für
  aktuelle/potentielle Konkurrenten bzw. errichten hohe Marktzutrittsschranken
  (Komplettangebot). Nicht Ergebnis von Leistungswettbewerb
– Rechtfertigungsgründe: Keine, da Datenintegration aus verschiedenen Quellen technisch
  möglich und auch kein Reputationsrisiko für HCI infolge Qualitätskontrolle der Daten durch
  Swissmedic
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Einordnung der Beurteilung nach Art. 7 Abs. 2 lit. e KG
– Weiter, einschränkungsbedürftiger Auffangtatbestand für Behinderungsmissbräuche. Parallele
  zu Art. 102 Abs. 2 lit. b AEUV, aber ohne Kriterium der Verbraucherschädigung
– Fehlen eines breit etablierten/konsentierten Tests, wann die Einschränkungswirkung
  missbräuchlich
     o    Konsumentenschaden  Berücksichtigung der ökonomischen Auswirkungen
     o    Gezielte Beeinträchtigung
     o    Beeinträchtigung der Konkurrenten-Marktposition  Stärkung der eigenen Marktposition
     o    Leistungswettbewerb
– WEKO in HCI: Kombinierter Ansatz – Leistungswettbewerb, strategische Ausrichtung des
  Verhaltens, tatsächliche Beeinträchtigung von Wettbewerbern

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Schweiz: Missbrauch einer marktbeherr. Stellung (Art. 7 KG) (2)
(b) Weko, 19.12.2016, Kommerzialisierung von elektronischen Medikamenteninformationen

Einordnung der Beurteilung nach Art. 7 Abs. 2 lit. e KG
Relativ geringe Fallpraxis:                                                                                            HCI
                                                              •CH: Telecom PTT-Fachhändlerverträge
                         ‐Rabatte                             •EU: Hoffmann-La Roche; Michelin I/II; British Airways

                                                              • CH: Teleclub/Cablecom/Swisscable
             ‐Alleinbezugsverpflichtungen                     • EU: AKZO; Almelo

                                                              •CH: SVKB
             ‐Exklusivbelieferungsverträge                    •EU: Alrosa/De Beers; BRT II

                                                              •CH: Biomilch; Teleclub/Cablecom/Swisscable
         ‐Verknappung des eigenen Angebots                    •EU: British Telecom; United Brands

   ‐Verschaffung exklusiven Zugangs zu innovativer            •EU: Michelin I/II
                     Technologie

       ‐Verweigerung Informations-/Datenzugang                •EU: Microsoft; (IMS Health; Magill)

     ‐Aufteilung von Qualitätsstufen des Angebots             •EU: Decca Navigator

                     ‐Gerichtsverfahren                       •EU: ITT Promedia

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Schweiz: Missbrauch einer marktbeherr. Stellung (Art. 7 KG) (2)
(b) Weko, 19.12.2016, Kommerzialisierung von elektronischen Medikamenteninformationen

Einordnung der Beurteilung nach Art. 7 Abs. 2 lit. e KG
– Geringe Betonung des Innovationsgesichtspunkts
– Relevanz des – erwähnten – Entscheids KOMM., 22. 6. 2005, COMP/A. 39.116/B2, Coca-Cola
  (vgl. auch EuG, Van den Bergh Foods)?
– Relevanz des – in HCI nicht erwähnten – Entscheids EuGH, 29. 4. 2004, C-418/01 IMS Health?
     o    In casu keine Urheberrechtslizenz begehrt, aber ebenfalls Zugang von Konkurrenzprodukten zu
          Datenbankstruktur gegenständlich
     o    Teils direkte, teils mittelbare Nutzungsverweigerung durch Verträge mit den Softwarehäusern
     o    Erst-Recht- oder Gegenschluss zu den Magill/IMS-Health-Kriterien? Kriterium der «exceptional
          circumstances» anwendbar?
     o    Falls Fehlen eines (konkreten) «neuen Produkts», (verbesserte) Konkurrenzprodukte hinreichend?

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Schweiz: Fusionskontrolle (Art. 10 f. KG/VKU)
(a) Weko, 19.12.2016, RPW 2/2018, 386 ff. – Galexis AG/Pharmapool Aktiengesellschaft
– Sachverhalt:

         Konzernmutter

          Wholesale
                                                            Kontrollerwerb (100%)

                                                                                                                 Pharmapool
                                                                                        PharmaBlist
                                                                                                               Zentralapotheke
                                                                                            AG
                                                                                                                     AG

– Überschneidungen: (a) Pharmagrosshandel mit Arzneimitteln und (b) Detailhandel mit Arzneimitteln
  an Konsumenten
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Schweiz: Fusionskontrolle (Art. 10 f. KG/VKU)
(a) Weko, 19.12.2016, RPW 2/2018, 386 ff. – Galexis AG/Pharmapool Aktiengesellschaft

– Wettbewerbsrechtliche Bedenken:
     a) Pharmagrosshandel mit Arzneimitteln
               Aggregierte Marktanteile (2015): 50-60% (Umsatz) im Apothekenkanal und 40-50% im SD-Ärztekanal
               Kein potentieller, aber ausreichender aktueller Wettbewerb

     b) Detailhandeln mit Arzneimitteln
               Aggregierte Marktanteile (2015): 40-50% (Umsatz) im Vertriebskanal Apotheken lokal
               Kein potentieller, aber nicht unerheblicher aktueller Wettbewerb

– Entscheidung: Freigabe

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International/Ausblick:

 UK Competition and Markets Authority (CMA), Case CE/9742-13 – Pfizer/Flynn (2016)

– UK Competition and Markets Authority (CMA), Case CE/9531/11 – Paroxetine (2016)

 South African Competition Commission (CompCom), Roche/Pfizer/Aspen (2017)

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                                         Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

                                                                  peter.picht@rwi.uzh.ch

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