Anästhesie bei septischen Patienten - Universitätsspital Basel

 
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Anästhesie bei septischen Patienten - Universitätsspital Basel
Anästhesie bei septischen Patienten

Diplomarbeit zum diplomierten Experte Anästhesiepflege NDS HF

                      Mario Lazarevski

                        Februar 2021

                   Universitätsspital Basel

                     Fachkurs 2019 Juni
Inhaltsverzeichnis
1. EINLEITUNG ................................................................................................................3
1.1 VORWORT UND THEMENWAHL .....................................................................................3
1.2 FRAGESTELLUNG ........................................................................................................4
1.3 ZIEL............................................................................................................................4
1.4 ABGRENZUNG .............................................................................................................5
1.5 METHODIK ..................................................................................................................5
2. HAUPTTEIL .................................................................................................................6
2.1 EPIDEMIOLOGIE ...........................................................................................................6
2.2 PATHOGENESE DER SEPSIS .........................................................................................6
2.3 ÄTIOLOGIE DER SEPSIS ................................................................................................7
2.4 DEFINITION VON SEPSIS UND SEPTISCHEN SCHOCK ......................................................8
2.5 WIESO EINE NEUE DEFINITION? ....................................................................................9
2.4.1 SYSTEMISCHES INFLAMMATORISCHES RESPONSE-SYNDROM (SIRS) UND DER
SEQUENTIAL ORGAN FAILURE ASSESSMENT (SOFA) SCORE ............................................10
3. DIE BESONDERHEITEN BEIM SEPTISCHEN PATIENTEN ....................................................12
3.1 DAS HERZ UND DER BLUTKREISLAUF ..........................................................................12
3.2 GESTÖRTE ENDOTHELFUNKTION, DAS KAPILLARE LECK UND DIE BLUTGERINNUNG.......13
3.3 DIE LUNGE ...............................................................................................................14
3.4 DIE NIEREN ...............................................................................................................14
3.5 DIE DARMBARRIERESTÖRUNG, DASS PFORTADERSYSTEM UND DIE LEBER ...................15
4. ANÄSTHESIOLOGISCHES MANAGEMENT BEIM SEPTISCHEN PATIENT ..............................16
4.1 DIE NARKOSE-EINLEITUNG ........................................................................................16
4.2 DER NARKOSE-UNTERHALT .......................................................................................17
4.3 DIE NARKOSE-AUSLEITUNG .......................................................................................18
5. DISKUSSION ................................................................................................................20
6. SCHLUSSTEIL ..............................................................................................................25
7. REFLEXION..................................................................................................................26
8. LITERATUR UND ABBILDUNGSVERZEICHNIS ..................................................................28

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1. Einleitung

1.1 Vorwort und Themenwahl

Im Rahmen des Studiengangs zum diplomierten Experte Anästhesiepflege gehört in
der letzten Stufe das Schreiben einer Diplomarbeit. Ich machte mir oft Gedanken über
welches Thema ich schreiben möchte und konnte mich lange nicht festlegen. Eine
Situation in der Praxis inspirierte mich schlussendlich für meine Themenwahl.

Während meines Rea/Schockraum Praktikums betreute ich einen Patienten, der mit
der Sanität in den Schockraum gebracht wurde. In der Anmeldung hiess es: «Es
kommt ein männlicher Patient Jahrgang 1987 im A frei im B beidseits belüftet im C
instabil, es wird Noradrenalin und Volumen gegeben und im D einen GCS 15». Die
Sanitäter hatten den Verdacht auf innere Blutungen ohne Trauma. Hypovolämischer
Schock war mein erster Gedanke, aber aus welchem Grund soll ein Patient mit
Jahrgang 1987 innere Blutungen haben? Ich machte mich auf den Weg in den
Schockraum und wartete mit dem restlichen Team auf den Patienten. Als ein paar
Minuten später der Patient eintraf und wir die Übergabe der Sanitäter erhielten,
verschafften wir uns ein eigenes Bild anhand des ABC-Algorithmus. Schnell war klar,
der Blutdruck ist zwar eher tief und die Herzfrequenz hoch, aber der Patient schien
nicht blass zu sein und das Hämoglobin in der venösen Blutgasanalyse zeigte einen
eher hochnormalen Wert. Ausserdem stellten wir fest, dass der Patient stark schwitzte
und die Temperatur mit 38,5 °C febrile war, was wiederum zu inneren Blutungen nicht
passt. Wir gaben dem Patienten zügig 1 Liter Volumen in Form von Kristalloiden
Infusionslösungen und konnten danach das Noradrenalin langsam ausschleichen. In
der Computertomografie konnten keine inneren Blutungen festgestellt werden, aber
eine ausgeprägte Pankreatitis. Dies erklärte auch die Temperatur von 38.5 °C. Danach
war klar, der Patient hat einen septischen Schock und nicht einen hypovolämischen
Schock. Wir konnten den Patienten auf die Notfallstation in einer Koje abgeben und
verabschiedeten uns. Auf dem Rückweg in den OP stellte ich mir die Frage, wie das
Anästhesiologische Management bei einem septischen Patienten 1aussieht und ob es
etwas Spezielles zu beachten gibt. Ich durchstöberte das Internet und fand einige
spannende Artikel, aber wenige waren spezifisch auf das Anästhesiologische

1
 Zur besseren Lesbarkeit wird in dieser Arbeit ausschliesslich die männliche Form verwendet, wobei
aber beide Geschlechter gleichermassen gemeint sind.
                                                                                                3
Management gerichtet. Dies weckte mein Interesse, mich mit diesem Thema besser
auseinander zu setzten. Deswegen werde ich meine Diplomarbeit für das NDS
Anästhesiepflege Studium über das Thema septischer Schock in der Anästhesie
schreiben.

1.2      Fragestellung

      1. Was ist eine Sepsis und was ein septischer Schock?
      2. Wie sieht das anästhesiologische Management bei einem septischen Patienten
         während einer Allgemeinanästhesie aus?
      3. Wo liegen die Besonderheiten im Operativem Setting beim septischen
         Patienten?

1.3      Ziel

In meiner Diplomarbeit möchte ich kurz aufzeigen, welche Sepsis-Definitionen es gibt
und was eine Sepsis von einem Septischen Schock unterscheidet. Ausserdem wie
wird die Diagnose mittels den verschiedenen Assessment-Tools gestellt. Danach
möchte ich die Besonderheiten, die der septische Patient mit sich bringt und die für
das operative Setting von Bedeutung sind erkennen und erklären. Vor allem möchte
ich auf das anästhesiologische Management beim erwachsenen septischen Patienten
während einer Allgemeinanästhesie eingehen. Dabei möchte ich vor allem
herausfinden, wie sieht die Narkose-Einleitung, der Narkose-Unterhalt und die
Narkose-Ausleitung aus. Was muss beachtet werden, was ist speziell und was sollte
gemacht werden damit der Patient nach dem neusten Standard behandelt wird. Meine
Arbeit richtet sich an Anästhesiefachpersonen und soll eine Zusammenfassung zum
Thema Sepsis in der Anästhesie sein.

                                                                                  4
1.4    Abgrenzung

In meiner Arbeit beziehe ich mich nur auf erwachsene Personen, Kinder sind nicht
Schwerpunkt dieser Arbeit. Ausserdem lege ich den Fokus auf die Sepsis
Besonderheiten, die während einer Operation wichtig sind. Und ich gehe nicht auf
relevante Veränderungen, die bei längerer Liegedauer wichtig werden, ein. Die
Pathogenese wird nur kurz beschrieben und es wird nicht detailliert darauf
eingegangen, da dies den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. In meiner Arbeit
geht es nur um die operative Phase, die die Einleitung, den Unterhalt und die
Ausleitung umfasst. Und der Fokus liegt in der Allgemeinanästhesie. Auf einer
Kombinations-Anästhesie mit einer Regionalanästhesie wird nicht eingegangen. Die
weitere Behandlung auf der Intensivstation oder auf der Normalstation sind nicht Teil
dieser Arbeit.

1.5    Methodik

Meine Recherche erfolgt über das Internet und über Bücher wie auch über
Fachzeitschriften. Im Internet durchsuche ich die elektronische Datenbank Pubmed
und Thieme wie auch Google Scholar. In Büchern wie auch in Fachzeitschriften finde
ich viele interessante Artikel zum Thema Sepsis unter anderem auch spezifisch für die
Anästhesie. Dabei suche ich in Deutscher wie auch Englischer Sprache. Als
Suchbegriffe gebe ich Sepsis, Sepsis in der Anästhesie, Anaesthetic management,
severe sepsis ein.

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2. Hauptteil

2.1 Epidemiologie

Die Sepsis ist eine bedeutsame Erkrankung die schweizweit verbreitet ist. Ich werde
anhand einer Tabelle aufzeigen, wie häufig die Sepsis im Universitätsspital Basel
vorkommt. Und zwar wird unterschieden in Hauptdiagnose (HD) Sepsis und
Nebendiagnose (ND) Sepsis und in Sepsis und septischer Schock.

                       2015             2016              2017             2018

 HD-Sepsis              341              295              269              336

 HD-Septischer          322              294              267              335
 Schock

 ND-Sepsis              698              670              664              683

 ND-Septischer          123              121              138              145
 Schock

(Bundesamt für Gesundheit BAG Direktionsbereich Kranken- und Unfallversicherung
Sektion Datenmanagement und Statistik, 2020)

2.2 Pathogenese der Sepsis

Eine wichtige Bedingung für das Entstehen einer Sepsis ist die Aktivierung des
Mediatorensystem, das sich mit der Zeit verselbstständigen kann. Mediatoren sind
Stoffe, die Entzündungsvorgänge steuern. Es gibt zwei Arten von Mediatoren, solche
die entzündungsfördernd (proinflammatorisch) und jene, die entzündungshemmend
(antiinflammatorisch) wirken. Durch Regulation des Mediatorensystems kann unser
Körper auf schädigenden Einflüssen angemessen reagieren. Funktioniert dieses
System im Gleichgewicht, so hat es eine schützende Funktion. Ist dieses
Gleichgewicht gestört, so wie es bei einer Sepsis der Fall ist, kann sich dieses System
gegen unseren eigenen Körper wenden. Abwehrvorgänge, die uns vor Schädlingen
schützen sollen, richten sich gegen das eigene Gewebe. Das System gerät ausser
Kontrolle und aus einer lokalen Entzündung kann sich eine systemische Entzündung
entwickeln. Es kommt zu einer Organdysfunktionen und schlussendlich zum
Multiorganversagen. (Deiml & Kürzel, 2017)

                                                                                     6
Dies ist eine sehr vereinfachte Erklärung der Pathogenese einer Sepsis. Durch das
Entstehen eines Ungleichgewichts im Mediatorensystem werden Vorgänge, wie die
Störung der Endothelzellfunktion, das Kapillarleck und auch eine Störung der
Blutgerinnung ausgelöst. Diese und weitere Besonderheiten werden im Kapitel
«Besonderheiten beim septischen Patienten» erklärt.

Die folgende Auflistung zeigt exemplarisch, welche Folgen ein Ungleichgewicht im
Mediatorensystem beim jeweiligen Organ haben kann:

   •   Herz: Septische Kardiomyopathie
   •   Lunge: Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS)
   •   Zentralnervensystem (ZNS): Septische Enzephalopathie
   •   Niere: Akutes Nierenversagen
   •   Leber: Akutes Leberversagen
   •   Darm: Paralytischer Ileus

2.3 Ätiologie der Sepsis

Die Ursachen einer Sepsis sind sehr unterschiedlich. Auslöser sind immer
Entzündungsreaktionen verursacht durch Erreger, meist Bakterien, selten kommen
auch Viren, Pilze oder Parasiten in Frage. Anhand von zwei Auflistungen wird
aufgezeigt welches die häufigsten bakteriellen Erreger sind und wo sich die häufigsten
Infektionsorte befinden.

Häufigste bakterielle Erreger, die Daten stammen aus einer Untersuchung des
CSCC (Center for Sepsis Control and Care) und wurden aus der Website Amboss
übernommen.

   1. Escheria coli (44,7%)
   2. Staphylococcus aureus (26,8%)
   3. Streptococcus spp. (18,7%)
   4. Pseudomonas spp. (4,6%)

Spp. steht als Akronym für lat. species pluralis = "mehrere Arten" und bezeichnet
mehrere Spezies einer Gattung, ohne diese im Einzelnen zu nennen

                                                                                    7
Häufigste Infektionsorte, in der Studie EPIC II (2009) wurden bei intensivstationären
Patienten mit Sepsis die Häufigkeiten einzelner Infektionsherde untersucht. Die
folgenden Angaben wurden ebenso aus der Website Amboss kopiert.

   1. Respirationstrakt
   2. Abdomen
   3. Blutstrominfektion
   4. Niere und ableitende Harnwege
   5. Haut und Weichteile
   6. Katheter-assoziierte Infektionen
   7. ZNS

(Amboss, 2020)

2.4 Definition von Sepsis und Septischen Schock

In den vergangenen Jahren wurde die Sepsis Definition insgesamt dreimal
neuerarbeitet. Dabei wurden die Kriterien, die eine Sepsis erfüllen muss, angepasst
und ein neues Screeningtool wurde entwickelt. Mit diesem neuen Screeningtool, das
Quick-SOFA, lässt sich sehr schnell und ohne invasive Massnahmen der Verdacht
einer Sepsis erkennen. Dieses Tool wurde für die Normalstation und der Notfallstation
entwickelt, lässt sich aber von der Anästhesie im Schockraum wunderbar nutzen.
Ausserdem wird die neue Definition nicht mehr wie die alte Definition nach dem
systemischem inflammatorisches Response-Syndrom (SIRS) Kriterien definiert.
Sondern nach dem Sequential Organ Failure Assessment (SOFA) Score, der viel
spezifischer auf die Organdysfunktion eingeht. Schlussendlich ergeben sich, die als
Sepsis-3 bekannten neuen Definition von Sepsis und septischer Schock.

Definition Sepsis-3

«Eine Sepsis ist eine akut lebensbedrohliche Organdysfunktion, hervorgerufen
durch eine inadäquate Wirtsantwort auf eine Infektion.» (Bone, 2020, S. S.38)

«Für die Diagnose einer Sepsisassoziierten Organdysfunktion ist eine Veränderung
des Sequential Organ Failure Assessment (SOFA) Score um >2 Punkten zu
verwenden.» (Bone, 2020, S. S.38)

                                                                                   8
«Ein septischer Schock ist definiert als eine trotz adäquater Volumentherapie
persistierende arterielle Hypotension mit der Notwendigkeit einer Therapie mit
Vasopressoren, um einen mittleren arteriellen Blutdruck von ≥65mmHg zu
erreichen. Gleichzeitig muss der Laktatwert im Serum>2mmol/l betragen» (Bone,
2020, S. S.39)

2.5 Wieso eine neue Definition?

Die Definition der Sepsis wurde dreimal neuerarbeitet. Ein Grund dafür war die hohe
Ungenauigkeit bei der Diagnosestellung. Die alten Definitionen wurden anhand der
SIRS-Kriterien definiert. Dies wurde immer stärker hinterfragt, bis die heute gültige
Definition Sepsis-3 entstanden ist.

Mehrere Studien haben gezeigt, dass die alte Definition nach Sepsis 1 und 2, also die
heute nicht mehr gültigen Definitionen, zum Teil sehr unspezifisch sind. Mit dem ist
gemeint, dass Patienten einerseits fälschlicherweise in die Definition hineinpassten,
obwohl sie an keiner klinischen Sepsis litten oder andererseits Patienten, die in die
Definition nicht hineinpassten, aber klinisch eine Sepsis hatten. Zu diesem Sachverhalt
gibt es zwei interessante Studien.

Die erste Studie von Kukonen et al., die 2015 im «The New England Journal of
Medicine» mit dem Titel «Systemic Inflammatory Response Syndrome Criteria in
Defining Severe Sepsis» veröffentlich wurde, zeigt hierzu interessante Ergebnisse. Es
wurde untersucht, welche Patienten in den ersten 24 Stunden auf der Intensivstation
klinisch an einer schweren Sepsis litten. Danach wurde die Patienten herausgesucht,
die zuvor zwei oder mehrere SIRS Kriterien erfüllten. Dabei fand man heraus, dass
jeder achte Patient zwar keine oder weniger als zwei SIRS Kriterien hatte, aber
trotzdem klinisch an einer schweren Sepsis litt. Das bedeutet, dass in dieser Studie
jeder achte Patient anhand der alten Definition nicht in die Sepsis Definition
hineinpasst, trotz klaren klinischen Sepsis-Symptomen. (Kirsi-Maija Kaukonen, 2015)

Die zweite Studie zeigte genau das Gegenteil. Churpek et al. 2015 veröffentlicht die
Studie im «American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine». Und zeigt,
dass 50 % der Patienten auf Normallstation, zwei oder mehrere SIRS Kriterien erfüllten
und somit nach der alten Definition an einer Sepsis litten. Obwohl die Patienten klinisch
keine Sepsis aufwiesen und somit auch nicht wegen einer Sepsis in Behandlung
waren. Diese Ergebnisse wurden durch andere Arbeiten aus der Intensivmedizin und
Notfallmedizin bestätigt. (Matthew M. Churpek, 2015)
                                                                                       9
Diese Erkenntnisse bewogen die European Society of Intensive Care Medicine
(ESICM) und die Society of Critical Care Medicine (SCCM) eine Sepsis-3-Taskforce
einzuberufen. Mithilfe einer systematische Literaturrecherche und eines Delphi-
Prozess wurde eine neue Sepsis Definition erarbeitet, die zur ersten empirischen,
evidenz- und datenbasierten Beschreibung der Sepsis gehört. (Bracht, Hafner, &
Weiß, 2019) (Bone, 2020)

2.4.1 Systemisches inflammatorisches Response-Syndrom (SIRS) und der
Sequential Organ Failure Assessment (SOFA) Score

Um eine Sepsis nach der alten, nicht mehr gültigen Sepsis 1 und 2 Definition zu
definieren, braucht es zwei bis vier SIRS Kriterien und einen vermuteten oder
bestätigten Infekt.

Die SIRS Kriterien sind die folgenden:

   •   Hypothermie (38°C)
   •   Tachykardie (>90/min)
   •   Tachypnoe (>20/min)
   •   Leukozytose (> 12 000/µl sowie PaCO2 < 32 mmHg)
       oder Leukopenie < 4000/µl und/oder eine Linksverschiebung > 10%.

Später wurden diese vier klinischen SIRS Kriterien durch den SOFA Score ersetzt,
denn dieser ist spezifischer auf die Organdysfunktion ausgerichtet und somit
Bestandteil der Sepsis-3-Definition, die ab dem Jahr 2016 gültig ist.

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Abbildung 1: The SOFA (Sepsis-related Organ Failure Assessment) score to describe organ dysfunction/ failure.
(Vincent JL, Moreno R, Takala J et al. 1996; 22: 707–710)

Für die Diagnosestellung einer Sepsis bedarf es an mindesten zwei Punkte im SOFA-
Score (siehe Abbildung 1). Bei Personen ohne Organdysfunktion geht man von null
Punkten aus. Viele Parameter, die man für den SOFA-Score erheben muss, sind sehr
spezifisch und zeitaufwändig. Um aber eine schnellere Ersteinschätzung vornehmen
zu können wurde im Rahmen der Sepsis-3-Definition ein neues Screeningtool
entwickelt, der Quick-SOFA oder qSOFA. Dieser ermöglicht eine schnelle
Risikoeinschätzung auf Normallstation oder auf der Notfallstation. Der Score beinhaltet
drei Parameter.

Quick-SOFA

        1. Der Glasgow Coma Scale (GCS) sollte unter 15 Punkte liegen
        2. Systolischer Blutdruck 22/ min

Bei Vorhandensein von mindestens zwei Parametern, kann man von einer
Organdysfunktion sprechen und der Verdacht einer Sepsis liegt nahe. Im nächsten
Schritt muss anhand des SOFA-Scores weitere Diagnostik durchgeführt werden, um
eine Sepsis bestätigen zu könne. Dazu wären Laborparameter notwendig, um die
Leber, Nieren und auch Gerinnungswerte auf ihre Funktion hin zu kontrollieren. Erst
wenn die Laborparameter vorliegen kann anhand des SOFA-Scores die Sepsis
bestätigt werden. Das Warten auf Laborparameter kann die Behandlung einer Sepsis
verzögern. Dies ist ein Kritikpunkt, der der neuen Sepsis Definition unterstellt wird.
Deswegen wird in den neuen Leitlinien explizit betont, dass bei einem starken Sepsis-

                                                                                                         11
Verdacht, der unter anderem mit dem Quick-SOFA schnell vorliegt, die antimikrobielle
Behandlung im besten Fall sofort begonnen werden soll (
Dies führt zu einem steigenden Pulmonalarteriendruck. Die Mischung aus
       niedrigem systemischem Blutdruck, also auch niedrigem Druck in den
       Koronararterien und erhöhtem Druck im rechten Ventrikel verschlechtern die
       Koronarperfusion im rechten Ventrikel. Somit kann das rechte Herz
       dekompensieren         und   zu     einer    massiven           Verschlechterung      der
       Kreislaufsituation führen. (Deiml & Kürzel, 2017)

3.2 Gestörte Endothelfunktion, das Kapillare Leck und die Blutgerinnung

   •   Das Kapillare Leck
       Die Durchlässigkeit der Kapillarwände ist während einer Entzündungsreaktion
       erhöht. Somit könne Proteine, Zellen und Wasser schnell ins umgebende
       Gewebe verschoben werden und es entsteht ein entzündliches interstitielles
       Ödem. Das Entzündungsödem erschwert es dem Sauerstoff aus den
       Erythrozyten    ins    Gewebe      zu   diffundieren.    Danach       bilden   sich    im
       Entzündungsödem Bindegewebszellen (Fibrozyten), die eine Rückführung von
       Gewebeflüssigkeit in die Blutbahn erschweren. Eine gezielte Behandlung gibt
       es nicht. Wahrscheinlich wirkt die entzündungshemmende Wirkung von
       Glukokortikoiden diesem Prozess entgegen, aber diese Wirkung ist nicht
       gesichert. In einem solchen Fall ist es wichtig, dass ein niedriger
       Plasmaeiweissspiegel nicht mit Albumin korrigiert wird. Albumin ist ein
       langlebiger Eiweissstoff und fördert das interstitielle Ödem zusätzlich. Aus
       diesem Grund wird ein Volumenmangel mit kristalloiden Infusionen ersetzt und
       nicht mit Albumin. (Deiml & Kürzel, 2017)

   •   Die Blutgerinnung
       Die veränderte Eigenschaft des Kapillarendothels, sowie die verminderte
       Durchblutung in einigen Körperregionen und auch die Wirkung der
       verschiedenen         Mediatoren    führen     zu       einer      Ausschüttung       von
       Gewebsthromboplastin (tissue factor). Thrombozyten heften sich an den
       Kapillarwänden fest und die Aktivierung der Fibrinbildung wird begünstigt.
       Diesen Vorgang nennt man disseminierte intravasale Gerinnung (DIG) oder
       auch Verbrauchskoagulopathie. Eine Folge ist Thrombenbildung in den
       Kapillaren, die eine oxygenierung des Gewebes erschwert und auch eine

                                                                                             13
Abnahme der Thrombozytenanzahl im Plasma verursacht. Bei einem
       chirurgischen Eingriff kann es nötig sein den Blutverlust mit Erythrozyten-
       Konzentrat (EC) und fresh frozen plasma (FFPs) 1:1 zu ersetzen. Auch könnte
       der Einsatz von Thrombozytenkonzentrate nötig sein. (Deiml & Kürzel, 2017)

3.3 Die Lunge

   •   Neben dem Gasaustauch hat die Lunge eine weitere wichtige Funktion, und
       zwar die als Lungenkapillarfilter. Schon im Alltag gelangen bei jedem Mensch
       Bakterientoxine, mechanische     Verunreinigung, kleinste    Thromben     und
       Luftbläschen in den venösen Kreislauf. Würden diese ins arterielle System
       gelangen, könnte dies gravierende Folgen für die Gesundheit des Menschen
       haben. Deswegen werden diese in der Regel im Lungenkapillarfilter
       aufgefangen und unschädlich gemacht. Somit schützt uns diese Funktion vor
       das Eindringen von Fremdstoffen in den Körperkreislauf. Ausserdem kann sich
       das Gefässendothel der Lunge erweitern und verengen und somit das
       Belüftungs-Durchblutungs-Verhältnis   optimieren    auch    Euler-Lilljestrand-
       Mechanismus genannt. Dies sorgt für eine ausreichende Sauerstoffaufnahme
       bei regionalen Belüftung Störungen in der Lunge. Die Lunge kann als direkter
       Verursacher einer Sepsis verantwortlich gemacht werden. Sei es in Form einer
       Aspirationspneumonie, einer stillen Pneumonie, die häufig bei beatmeten
       Patienten auftritt, und die häufige bakterielle Pneumonie. Bei allen Formen
       versucht das Lungengewebe anhand von Entzündungsprozessen die
       Fremdstoffe zu neutralisieren. Als Folge davon kann es zu einer Sepsis-
       typischen Entzündungsreaktion kommen, die ARDS. Die wichtigste Therapie ist
       die Reduktion von interstitiellen Gewebewasser in der Lunge und die Reduktion
       des Beatmungsdruck. (Deiml & Kürzel, 2017)

3.4 Die Nieren

   •   Während einer Sepsis sind die Nieren als Organsystem sehr oft mitbetroffen.
       Als Folge der Mediatorfreisetzung werden die Nieren schlechter durchblutet.
       Folgen davon sind beispielsweise Tubuluszellnekrosen aufgrund von
       Ischämien, eingeschränkte glomeruläre Filtration aufgrund des niedrigere
       Perfusionsdruck und ein tiefes Herzzeitvolumen (HZV). Dabei nimmt die

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Urinproduktion ab und die harnpflichtigen Stoffe nehmen im Blut zu. Um dem
       entgegenzuwirken, ergreift man Massnahmen zur Perfusionsverbesserung mit
       Volumengabe und Noradrenalin-Verabreichung und die Steigerung der
       Urinproduktion mit Diuretika. Auf die niedrig Dosierte Gabe von Dopamin, als
       Nieren Schutz, sollte verzichten werden. (Deiml & Kürzel, 2017) (Bone, 2020)

3.5 Die Darmbarrierestörung, dass Pfortadersystem und die Leber

   •   Der Darm
       Der Darm ist besiedelt von einer Vielzahl an Bakterien. Diese sind nötig, um die
       Darmflora intakt zu halten und sie helfen dem Körper, ein gut funktionierendes
       Immunsystem aufrechtzuerhalten. Während eines Kreislaufschocks mit
       niedrigem Blutdruck und tiefen HZV kann die Sauerstoffversorgung des Darms
       gefährdet sein. Eine Funktionsstörung der Darmwand ist die Folge. Dabei
       gelangen die sonst zur natürlichen Darmflora gehörenden Bakterien über die
       Darmwand ins Pfortadersystem, danach in die Leber und somit in den Kreislauf.
       Normalerweise ist die Aufrechterhaltung der Barrierefunktion der Darmwand
       eine wichtige Aufgabe des Darms. Kommt es dennoch zu einer Störung der
       Barriere, versucht die Leber, die durch die Pfortader gelangten Toxine, zu
       neutralisieren. Dabei setzt sie Mediatoren frei. Dieser Vorgang wird als
       wesentlicher Auslöser für die Sepsis gesehen. (Deiml & Kürzel, 2017)

   •   Die Leber
       Die Leber selbst kann auch mitbetroffen sein als Folge einer Sepsis. Dabei ist
       die Leberfunktion eingeschränkt und sie kann wichtige Aufgaben nicht mehr
       richtig erfüllen. Eine eingeschränkte Leberfunktion erkennt man zum Beispiel
       an einem erhöhten ASAT- bzw. ALAT-Wert und einer Erhöhung des Bilirubins.
       Unter anderem ist dabei auch die Synthese von Gerinnungsfaktoren gehemmt.
       Dies erkennt man ein einem sinkenden Quick-Wert, was eine erhöhte
       Blutungsneigung zur Folge hat. In extremen Fällen wird nicht genügend
       Harnstoff gebildet, der als Vehikel für die Stickstoffausscheidung fungiert. Wenn
       dies der Fall ist, findet sich der Stickstoff als Ammoniak im Blut wieder.
       Ammoniak ist ein starkes Nervengift, das sich nicht in der Blutbahn befinden
       sollte. (Deiml & Kürzel, 2017)

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4. Anästhesiologisches Management beim septischen Patienten

Im regulären Operationsprogramm werden selten elektive Sepsis-Patienten operiert.
Häufiger findet man diese als Notfälle im Spät- und Nachtdienst. Aus diesem Grund
und wegen der vergleichsweisen hohen Fallzahlen an Sepsis-Patienten, die wir im
Universitätsspital Basel behandeln, ist es wichtig eine Vorstellung davon zu haben,
wie das anästhesiologische Management aussehen könnte. Patienten, die an einer
Sepsis leiden, brauchen häufig eine sofortige Sanierung der infizierten Körperregion
oder des infizierten Implantats. Dies macht eine zügige Operation notwendig.

4.1 Die Narkose-Einleitung

Patienten, die eine Operation benötigen, haben meistens durch eine kombinierte
Auswirkung von Sepsis, Anästhesie, intravaskulären Volumenstatus, möglichen
Blutungen und dem chirurgischen Stress einen oft instabilen kardiovaskulären
Zustand. Eine schonende Einleitung ist wichtig, denn diese Patienten befinden sich
meist schon in einem dekompensierten Zustand, der idealweise durch unsere
Anästhesie nicht weiter verschlechtert werden soll. An Installation empfiehlt sich nebst
dem Standardmonitoring mit EKG, Blutdruck und Pulsoximeter, eine arterielle
Blutdruck-Messung, eine Diurese-Kontrolle in Form eines Blasenkatheters und
genügend periphere Zugänge, um Volumen- und vasoaktive Medikamentengaben zu
ermöglichen.

Je nachdem, wie dringend ein Patient operiert werden muss, muss damit gerechnet
werden, dass der Patient nicht nüchtern ist und deswegen eine Rapid-Sequence-
Induktion (RSI) notwendig ist. Aus diesem Grund ist eine gute Präoxigenierung wichtig,
um über eine ausreichende Sauerstoffreserve zu verfügen. Bezüglich der
Induktionstechnik gibt es mehrere Möglichkeiten. Hier hat es bewährt sich auf Mittel
zurückzugreifen, die dem Anästhesisten bekannt sind. So kann mittels langsamer
Verabreichung von Propofol oder durch die reine Benutzung von Ketamin oder
Etomidat ein gutes Ergebnis erzielt werden. Wichtig ist zu wissen, dass die meisten
intravasalen oder Inhalationsanästhetika eine Vasodilatation verursachen und die
Kontraktilität der Ventrikel beeinträchtigen. Deswegen ist eine schrittweise Titration
des Hypnotikums, je nach klinischer Reaktion des Patienten, wichtiger als die richtige
Wahl des Hypnotikums. Die Verabreichung von Ketamin oder Midazolam kann eine

                                                                                     16
gewisse hämodynamische Stabilität bieten und die Gabe von Opioiden, wie zum
Beispiel Fentanyl reduzieren den Hypnotikabedarf. Somit wird für eine stabilere
hämodynamische       Einleitung      gesorgt.   Hier   gilt    es    aufgrund       möglicher
Organdysfunktion durch die Sepsis zu beachten, dass die renale und hepatische
Leistung beeinträchtigt sein kann. Intravasale Opioide können somit in ihrer Wirkung
und Wirkdauer verstärkt sein. Das Muskelrelaxans soll so gewählt sein, dass eine
Histaminliberation nicht oder nur gering stattfindet. Danach kann die Intubation mit
Hilfe des Tubus erfolgen. Es empfiehlt sich während der Einleitung einen Zugang zu
haben, an dem schon in niedriger Dosis Noradrenalin verabreicht wird, um schnell
reagieren zu können, falls der Blutdruck abfällt.                   Ausserdem sollte die
Volumensubstitution, die begonnen wurde, weitergeführt werden oder wenn bis dahin
noch keine begonnen wurde, sollte sie in der Einleitung gestartet werden. Hier
empfiehlt es sich, eine Infusion mit 30ml/kg/KG über drei Stunden zu verabreichen. Es
wird empfohlen auf Kristalloide zurückzugreifen und Albumin nur zu verabreichen, falls
erhebliche Mengen an Kristalloiden gebraucht wurden. Bei der Beatmung muss darauf
geachtet   werden,    dass    eine     genügend    hohe       fraktionierte     inspiratorische
Sauerstoffkonzentration (FiO2) verwendet wird, um einen Sauerstoffpartialdruck
(PaO2) von über 12kPa zu erreichen. Ausserdem sollte auf eine lungenprotektiven
Beatmung     mit     tiefen   Tidalvolumen       6ml/kg       geachtet        werden.    Hohe
Spitzenbeatmungsdrücke von über 30 cmH2O sind zu vermeiden. Ausserdem sollte
beachtet werden, welche antimikrobielle Therapie weitergeführt werden soll oder ob
zuerst Proben entnommen werden und dann eine Therapie gestartet wird. Dies muss
aber vertretbar erscheinen, was den zeitlichen Rahmen bezüglich Starts der Therapie
angeht. Es wird empfohlen, falls noch gar keine antimikrobielle Therapie läuft,
innerhalb einer Stunde nach Verdacht oder Diagnose schnellstmöglich damit zu
starten. (D. Eissa, 2010) (Rahmel, 2018)

4.2 Der Narkose-Unterhalt

Zur Aufrechterhaltung der Anästhesie können Inhalationsanästhetika oder intravasale
Anästhetika verwendet werden, dabei ist zu beachten, dass die minimale alveoläre
Konzentration (MAC-Wert) bei Inhalationsanästhetika beim septischen Schock
reduziert ist. Bezüglich der Opioide ist Remifentanil dem Fentanyl vorzuziehen.
Remifentanil akkumuliert nicht, ist sehr kurz wirksam und wird organunabhängig

                                                                                            17
abgebaut. Mithilfe eines Bispektralindex (BIS) kann die Narkosetiefe besser überwacht
werden und es können somit Hypnotika stärker reduziert werden. Während der
Operation kann sich der hämodynamische Zustand des Patienten verschlechtern.
Gründe dafür können einerseits systemische Freisetzung von Bakterien oder
Endotoxine wie auch stärkere Blutungen im Operationsgebiet sein. Dies muss
beachtet werden und sofortige Massnahmen nach Klinik sind notwendig, wie auch eine
gute Absprache mit den Operateuren. Die Volumensubstitution sollten während der
ganzen Operation stattfinden. Um eine Einschätzung des aktuellen Volumenstatus des
Patienten vornehmen zu können, gibt es mehrere Parameter, denen Beachtung
geschenkt werden soll. Einerseits ist dies der Blutdruck: Der mittlere arterielle
Blutdruck (MAP) sollte über 65 mmHg liegen. Dies ist ein sehr zuverlässiger und
sensibler Marker, den man aber nicht allein betrachten sollte. Anderseits gibt es die
Diurese, sie sollte 0.5ml/kg/KG betragen. Ausserdem kann die Pulse Pressure
Variation (PPV) zur Hilfe genommen werden. Sie sollte nicht über 15% liegen und der
zentralvenöse Druck (ZVD) sollte bei 8-12 mmHg liegen. Wobei zu erwähnen ist, dass
der PPV dem ZVD überlegen ist. Zuletzt kann eine regelmässige Kontrolle des
Laktatwertes als weiterer Parameter benutzt werden, der unter 1,5 mmol/l liegen oder
eine Tendenz nach unten aufweisen sollte. Bei allen Parametern ist es wichtig, sie
nicht isoliert, sondern in Gesamtbild zu betrachten. Unterstützend zum Volumen
werden auch Vasoaktiva zur Blutdruckstabilisierung benutzt. Hier wird als erstes Mittel
das Noradrenalin empfohlen. Falls sehr hohe Dosen Noradrenalin verabreicht werden
müssen und man diese reduzieren möchte, gibt es die Möglichkeit das Vasopressin
oder Adrenalin als Adjuvant zu geben. Während des ganzen Unterhalts, am besten
schon in der Einleitung, sollten Massnahmen ergriffen werden, um den Patienten vor
einer Hypothermie zu schützen. Eine Hypothermie sorgt unter anderem für eine
Thrombozyten- und Gerinnungsfaktorendysfunktion, was es zu verhindern gilt. (D.
Eissa, 2010) (Rahmel, 2018)

4.3 Die Narkose-Ausleitung

Bei Operationsende ist ein besonderes Augenmerk darauf zu legen, dass der
Blutverlust möglichst ausgeglichen wurde. Einerseits kann dies mit kristalloiden
Lösungen aber auch mit EC erfolgen. Es wird empfohlen, dass bei einem Hämoglobin-
Wert von unter 7,0g/dl EC-Konzentrate verabreicht werden. Ausgenommen sind

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Patienten, die vorbestehend eine anämische Hypoxie haben. Dies zeigt sich als
Tachykardie, Hypotension, Laktazidose oder EKG-Ischämien. Das gleiche gilt für
Patienten, die an einer eingeschränkten Kompensationsmöglichkeit leiden, wie zum
Beispiel koronare Herzkrankheit, Herzinsuffizienz oder eine cerebrovaskuläre
Insuffizienz. Ausserdem sollte die antimikrobielle Therapie fortgesetzt und bei Bedarf
intraoperativ wiederholt werden. Falls es intraoperativ zu einem Blutverlust von über
2000ml kommt, sollte die antimikrobielle Therapie wiederholt werden, damit stets eine
genügende Plasmakonzentrationen gewährleistet ist. Ob der Patient extubiert werden
kann oder nicht, hängt ganz vom aktuellen Zustand des Patienten und vom Erfolg der
Operation ab. Es ist gut möglich, dass der Patient beatmet auf die Intensivstation
verlegt wird. Dabei muss beachtet werden, dass der Patient vorher dort angemeldet
wurde. Bei der Patientenübergabe ist auf einen detaillierten Rapport zu achten, damit
wichtige Patienteninformationen nicht verloren gehen. Wichtig ist unter anderem, wie
viel Blutverlust der Patient erlitten hat und wie dieser kompensiert wurde, welche
antimikrobielle Therapie angewendet wurde, was fortgesetzt werden sollte und wie der
Kreislauf stabilisiert wurde. Weitere wichtige Informationen umfassen, die Art der
Narkose, Relaxation des Patienten während der Operation und eventuell weitere
erforderliche Schmerztherapie. (D. Eissa, 2010) (Rahmel, 2018) (Bone, 2020)

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5. Diskussion

Die Sepsis ist ein Krankheitsbild, das in der Anästhesie nicht an Bedeutung verlieren
darf. Wie in der Tabelle zur Epidemiologie im Kapitel 2.1 zu sehen ist, trifft es doch
einige hundert Patienten pro Jahr im Basler Universitätsspital. Die Zahl scheint stabil
zu sein und es ist keine Trend nach oben oder nach unten sichtbar. Dies ist erfreulich,
aber nichtsdestotrotz kann diese Erkrankung einen fulminanten Weg einschlagen.
Deswegen ist der Sepsis eine hohe Bedeutung zu schenken und man sollte wissen,
wie damit umzugehen ist. Die Pathogenese scheint gut erforscht zu sein. Deiml und
Kürzel (2017) schreiben in ihrem Buch «Ausgewählte Themen zur Operativen
Intensivmedizin», dass eine wichtige Voraussetzung für das Entwickeln einer Sepsis
die Aktivierung des Mediatorensystems ist. Dieses System kann sich im Verlauf
verselbstständigen. Das Resultat ist, dass weitere Mechanismen aktiviert werden, die
wiederum zu anderen Problemen führen. Somit entwickelt sich der Verlauf exorbitant.
Die Mediatoren, die dafür verantwortlich gemacht werden, sind vielzählig. Viele von
ihnen wurden erkannt und benannt, doch trotz des Wissens konnte bis heute noch
keine gezielte Therapie entwickelt werden. Die Therapie beschränkt sich darauf,
Symptome zu behandeln. Im Gegensatz zum gezielten Therapieansatz, ist man sich
bei den Ursachen einig. Es muss immer eine Infektion vorliegen, damit es als Sepsis
definiert werden kann. Bezüglich des Infektionsortes ist ersichtlich, dass der Atemweg
als häufigste Infektionsquelle genannt wurde. Hier können wir von der Anästhesie
einen wichtigen Beitrag zur Prävention leisten, indem wir darauf achten, dass kein
Magen- oder Rachensekret unnötig in die Lungen gelangt. Eine stille Aspiration gilt es
zu vermeiden. Auch können wir durch die protektive Beatmung das Lungengewebe
schonen und so eine Lungenkontusion vermeiden, was zu einer zusätzlichen
Mediatoren-Ausschüttung beitragen würde. (Deiml & Kürzel, 2017)

Die aktuell gültige Sepsis-Definition ist bereits die dritte überarbeitete Version. Wobei
sich die heutige von den älteren Definitionen deutlich unterscheidet. Es wird neu
zwischen Sepsis und septischer Schock unterschieden. Und nicht wie früher in
schwerer Sepsis und septischen Schock. Die Kriterien nach SIRS wurden abgelöst
und vom SOFA-Score ersetzt. Die Begründung hierfür ist, dass mit den SIRS-Kriterien
die Spezifität für eine Diagnosestellung «Sepsis» fehlt. Anderseits wurde auch Kritik
laut bezüglich des SOFA-Scores, denn er würde viel Zeit in Anspruch nehmen, weil er
Laborparameter erfordert. Dies ist zeitaufwändig und könnte den Therapiebeginn

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verzögern. Deswegen wurde mit der Einführung der Definition-3 Sepsis ein neues Tool
entwickelt, der Quick SOFA-Score. Er benötigt keine Laborparameter, weist aber
trotzdem eine ziemlich hohe Spezifität für eine Sepsis auf. Allerdings dient der Quick
SOFA nur für den Sepsis-Verdacht und nicht für die Diagnosestellung. Sie sollte
aufgrund des SOFA-Scores erfolgen. Das bestätigt eine Kohorten-Studie von Freund
et al. aus dem Jahr 2017 mit dem Titel «Prognostic Accuracy of Sepsis-3 Criteria for
In-Hospital Mortality Among Patients With Suspected Infection Presenting to the
Emergency Department». In dieser Studie zeigt sich, dass die Spezifität für eine
Sepsis, beim Anwenden des SOFA beziehungsweise dem Quick SOFA-Score, höher
liegt als die Spezifität für eine Sepsis, wenn sie mit den SIRS Kriterien ermittelt wurde.
Wiederum ist die Sensitivität bei den SIRS Kriterien leicht höher als die beim SOFA
oder Quick SOFA-Score aber anscheinend nicht signifikant. (Yonathan Freund, et al.,
2017) Diese Studie und die zwei weiteren Studien, die im Kapitel 2.5 «Wieso eine neue
Definition» von Kaukonen et al. (2015) und von Churpek et al. (2015) erwähnt wurden,
zeigen deutlich, dass eine Ablösung der SIRS-Kriterien nötig war. Ob der SOFA-Score
die optimale Lösung darstellt, ist umstritten. Einige Autoren bemängeln den hohen
Zeitaufwand zur Erhebung des SOFA-Scores bedingt durch die geforderten
Laborparameter. Durch die Entwicklung des Quick SOFA-Scores kann allerdings
trotzdem in kurzer Zeit eine Verdachtsdiagnose erstellt werden. Eine antimikrobielle
Therapie sollte man bei einem Verdacht sofort starten und nicht bis zur definitiven
Diagnosestellung mit dem SOFA-Scores zuwarten. (Rahmel, 2018)

Bezüglich der Besonderheiten beim septischen Patienten gibt es einige spezielle
Mechanismen, die aber alle den gleichen Auslöser zu scheinen haben. Und zwar ist
dieser Auslöser das Ungleichgewicht im Mediatorensystem. Dieses Ungleichgewicht
stört einerseits die Durchblutung im gesamten Körper. Dabei reagieren Organe, die
auf einer guten Durchblutung angewiesen sind, besonders sensibel. Beispiele hierfür
sind die Nieren oder die Leber. Auf eine Insuffizienz kann ein Versagen folgen. Allein
schon   die   Insuffizienz   stellt   für   den   Körper   eine   hohe   Belastung   dar.
Gerinnungsaktivierung mit Thromboseneigung ist die Folge und eine DIG entsteht. Auf
der anderen Seite entsteht durch die verminderte Gerinnungsfaktorenbildung in der
Leber, die Gefahr einer erhöhten Blutungsneigung. Sie wird durch das kapillare Leck
begünstigt. Durch den Unterschied zwischen dem Blutdruck intravasal und dem
Flüssigkeits- und Gewebsdruck im umliegenden Gewebe kommt es durch Diffusion
zur Verschiebung von Wasser und es entsteht das Ödem. Ausserdem entsteht eine

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immer grössere Differenz zwischen dem kolloidosmotischen Druck-Verhältnis im
Plasma und im Gewebe. Dadurch dass der Entzündungsprozess die Endothelwand
verändert, werden nun die Eiweissstoffe durchgelassen und somit wird der
Wasseraustritt ins Gewebe noch mehr gefördert. Das sind wesentliche Mechanismen
beim kapillaren Leck. Dieser Prozess ist teilweise normal und erwünscht. Er gehört zur
körpereigenen Abwehr und nur die Verselbständigung, wie sie bei einer Sepsis erfolgt,
ist unerwünscht und gravierend. Überraschenderweise nehmen die Folgen einer
erhöhten NO-Produktion eine wichtige Rolle beim Sepsis-Geschehen ein Sie bewirken
einen Blutdruckabfall, eine Fehverteilung des regionalen Blutflusses, eine gestörte
Sauerstoffaufnahme im Gewebe und eine verminderte Antwort auf Katecholamine auf
die Gefässwand. Hinzu kommt, dass die Lunge mit ihrer Lungenstrombahn, die als
Blutfilter fungiert, eine wichtige Funktion zum Schutz des Körpers einnimmt. Sie kann
kleine Thromben mit Hilfe von fibrolytischen Potentialen, die das Lungengewebe
bietet, abbauen. Und durch die gefässerweiternden und gefässverengenden
Substanzen das Belüftungs-Durchblutungs-Verhältnis optimieren. Es befinden sich
hohe Konzentrationen an Entzündungsmediatoren im Lungengewebe. Deswegen gibt
es die Theorie, dass durch das Einschwemmen von Bakterientoxine und Mediatoren,
die von anderen Körper Regionen herkommen. Dieser Entzündungsvorgang im
Lungengewebe aktiviert und somit noch mehr Mediatoren freigesetzt werden. Und
zuletzt kann der Darm aufgrund eines tiefen systemischen Blutdrucks, seine wichtige
Funktion als Darmbarriere nicht mehr aufrechterhalten. Darmbakterien gelangen durch
dir Darmwand über das Pfortadersystem, schliesslich in die Leber und da werden dann
vermehrt Mediatoren freigesetzt, die eine Sepsis zusätzlich begünstigen. (Deiml &
Kürzel, 2017)

Die vielen Besonderheiten, die bei der Sepsis entstehen können, stellen uns von der
Anästhesie vor grössere Herausforderungen. Vor allem wenn der Patient schon in
einem sehr instabilen hämodynamischen Zustand ist und er dann möglichst schnell
eine Operation benötigt. Durch intraoperativen Blutverlust, chirurgischen Stress und
wie auch unserer Anästhesie gelangt die Situation noch mehr in schieflage und es ist
unsere   Aufgabe     diesen   Zustand    möglichst    gut   zu   stabilisieren.   Jede
Allgemeinanästhesie beginnt mit einer Narkose-Einleitung. Dadurch, dass sich der
Patient wahrscheinlich mit einem eher hypotonen Blutdruck präsentiert, wird
empfohlen die Einleitung mit Noradrenalin zu beginnen. Man sollte einen Zugang
haben, an dem das Noradrenalin angeschlossen ist und sehr tief dosiert oder nach

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Bedarf   verabreicht   wird.   Mit   so   einer   Massnahme      kann    man     bei
Blutdruckveränderungen schnell reagieren. Noradrenalin wird als Vasoaktiva in den
S3-Guideline Sepsis 2018 sehr stark empfohlen. Es wird beschrieben, dass die
Anwendung von Noradrenalin dem Dopamin vorzuziehen ist. Der Grund lieg darin,
dass das Dopamin eher mit einer Steigerung des Herzminutenvolumens arbeitet und
die Kontraktilität und die Herzfrequenz beeinflusst. Somit bewirkt es auch mehr
Rhythmusstörungen als das Noradrenalin. Im Gegensatz dazu bewirkt das
Noradrenalin eine Vasokonstriktion und sorgt somit für eine MAP-Steigerung.
Ausserdem muss darauf geachtet werden, dass genügend Volumen verabreicht wird.
Die S3-Guideline Sepsis 2018 empfiehlt dafür, in den ersten 3 Stunden eine Menge
von 30ml/kg/KG zu verabreichen. Anschliessend kann das Volumen nach Klinik
verabreicht werden. Dafür sind vor allem der PPV, die Diurese und das Laktat-Basen
Überschuss (BE) Verhältnis wichtige Indikatoren. Der PPV sollte dem ZVD vorgezogen
werden, da der ZVD als besserer Verlaufsparameter fungiert und der PPV eine
genauere akute Volumensituation wiedergibt. Die Diurese sollte über 0.5ml/kg/KG
liegen. Mit dem Laktat-Basen Überschuss Verhältnis ist ein erhöhter Laktatwert und
ein negativer BE gemeint. Das könnte ein Hinweis für eine Mikrozirkulationsstörung
sein und dies könnte durch Volumenmangel ausgelöst werden. Laut Eissa et al. (2010)
spielt es keine Rolle welches Hypnotikum benutz wird. Viel wichtiger ist es sich
Vorsichtig anzutasten. Also eine langsame Eintitrierung des Hypnotikums anhand der
klinischen Patienten Parameter vorzunehmen. Auch sagt Eissa et al. (2010), dass es
hilfreich sein könnte das Ketamin als Co-Hypnotikum zu benutzen oder rein mit
Midazolam einzuleiten. Dies könnte eine stabilere hämodynamische Situation
schaffen. Aber auch die gleichzeitige Verabreichung von «prophylaktischen
Vasoaktiva» zur Einleitungsdosis des Hypnotikums können die Hämodynamik positiv
beeinflussen. Ausserdem ist es sehr empfehlenswert, wenn ein Opioid dazugegeben
wird, denn dadurch reduziert sich der Hypnotikabedarf stark. Dabei sollte man sich
überlegen, welches Opioid man wählt. Zwar ist Remifentanil gut, weil es
organunabhängig abgebaut wird und so eine Akkumulation vermieden wird, aber es
führt doch häufig zu einer unerwünschten Bradykardie. Stattdessen könnte man
Fentanyl benutzen, da es weniger Bradykardien verursacht. Allerdings kann es sich
bei einer hepatischen und renalen Insuffizienz oder Versagen akkumulieren. Dieser
Umstand sollte man stets beachten. Während und nach der Medikamentengabe prüft
man sofort alle wichtigen klinischen Parameter: Wie verhält sich das Bewusstsein, wo

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steht der Blutdruck und was macht die Herzfrequenz? Sobald der Patient
eingeschlafen ist, wird ein Muskelrelaxans verabreicht. Dabei ist es wichtig, dass man
eines wählt das eine geringe oder fast keine Histaminliberation auslöst. Danach kann
eine Intubation mittels Tubus erfolgen. Ob eine Larynxsmaske auch möglich wäre
wurde nicht beschrieben. Man müsste sich überlegen welche Vorteile oder Nachteile
hätten man, um dann das Risiko Nutzen Verhältnis abschätzen zu können. Und vor
allem in was für einen Zustand befindet sich der Patient was für eine Operation wird
unternommen. Zur Aufrechterhaltung spielt es laut Eissa et al. (2010) keine Rolle, ob
es ein intravasales oder ein inhalatives Hypnotikum ist. Wichtig ist hier zu wissen, dass
sich der MAC-Wert bei septischen Patienten verringert und deswegen sollte dieser
niedriger gewählt werden. Auch sollte man ein BIS benutzen, denn dadurch kann die
Gefahr   einer   Awareness      reduziert   werden    und   Hypnotika    noch    stärker
zurückgenommen werden. Patienten, die in einem Schock liegen, haben ein erhöhtes
Risiko eine Awareness zu erleben. Aus diesem Grund erscheint die Anwendung eines
BIS als sinnvoll. Intraoperativ sollten arterielle Blutgasanalysen (ABGA) vorgenommen
werden. Dadurch kann der Blutverlust abgeschätzt werden und weitere wichtige
Parameter wie beispielsweise der Laktat-Wert können kontrolliert werden. Ausserdem
kann man die Beatmungseinstellungen anhand der ABGA anpassen und somit eine
gezieltere Beatmung schaffen. Bei Blutverlust sollten ECs und FFPs verabreicht
werden, wenn nötig auch Thrombozytenkonzentrate. Die S3 Guideline zur Sepsis
2018 empfehlen eine Hb-Grenze von 7,0g/dl. Dazu muss gesagt werden, dass diese
Grenze nur empfohlen wird, wenn der Patient ansonsten keine eingeschränkte
Kompensationsmöglichkeit hat und oder er nicht an einer anämischen Hypoxie leidet.
Wenn dies der Fall ist, müssen schon früher EC verabreicht werden. In der Literatur
wird immer wieder beschrieben, dass die antimikrobielle Therapie eine sehr wichtige
Rolle in der Behandlung der Sepsis einnimmt. Dies sollte der Anästhesie bekannt sein
und es sollte möglichst früh mit der Therapie begonnen werden. Es sollten keine
Verzögerungen in Kauf genommen werden, um Proben zu gewinnen. Es sollte
ausreichen, Blutkulturen zu bestimmen, um dann sofort die antimikrobielle Therapie
zu starten. Dieses Vorgehen ist in der Literatur unumstritten. (D. Eissa, 2010) (Bone,
2020)

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6. Schlussteil

Meiner Meinung nach ist die Sepsis eine schwere Erkrankung, die ich hoffentlich nie
erleben werde. Anhand der Fallzahlen sieht man, dass wir doch einige Patienten mit
einer Sepsis hier am Universitätsspital Basel behandeln. Dadurch dass diese
Erkrankung viele Folgen auf verschiedene Organe hat, liegen bei diesen Patienten
mehrere Vitalparameter ausserhalb der Normwerte. Einerseits ist dies der Blutdruck,
der aufgrund des Mediatoren-Ungleichgewichts ausser Kontrolle gerät. Folglich
werden viele Organe schlechter durchblutet und büssen somit an Leistung ein.
Anderseits gibt es das durch das kapillare Leck verursachte Ungleichgewicht von intra-
und extravasalem Wasser, das zu Ödemen führt und die Sauerstoffabgabe der
Erythrozyten ins Gewebe erschwert. Ausserdem ist da noch der Infekt, der die
eigentliche Ursache ist und gefunden und auch saniert werden muss. Ich war
überrascht, dass die Katheter-assoziierte Infektionen einen so tiefen Platz im Ranking
der «häufigsten Infektionsorte» belegen. Wenig überraschend war für mich, dass der
Respirationstrakt der häufigste Infektionsort ist. Zu den Sepsis-Definitionen muss
gesagt werden, dass die heute gültige Definition meiner Meinung nach eine sehr
passend Beschreibung für die Sepsis ist. Mit dem SOFA-Score, der gezielt auf die
Organdysfunktion eingeht, wird eine genaue Funktionsanalyse der Organleistung
erstellt. Die Kritik, dass er viel Zeit in Anspruch nimmt, ist meiner Meinung nach nicht
sehr zutreffend. Für dringende Fälle wurde speziell der Quick SOFA entwickelt, auf
dem man zurückgreifen kann. Und mithilfe dieses Scores und der klinischen
Untersuchung kann bei Verdacht eine antimikrobielle Therapie sofort begonnen
werden. In der Anästhesie können wir den Quick SOFA wunderbar nutzen, sei es im
Schockraum oder bei sonstigen Patienten, bei denen ein Verdacht besteht. Zum Punkt
Besonderheiten beim Septischen Patient wurde mir einiges klar. Ich weiss jetzt, wieso
septische Patienten zum Teil sehr hohe Dosen an Vasoaktiva brauchen und dass dies
mit der massiven Produktion von Stickstoffmonoxid in den Endothelzellen
zusammenhängt. Ebenso wurde klar, dass durch das kapillare Leck Albumin intravasal
verloren geht und so schnell die Entscheidung getroffen wird Albumin zu substituieren,
obwohl genau dies falsch wäre. Zum anästhesiologischen Management beim
septischen Patienten fand ich die Erkenntnis, dass das richtige Hypnotikum nicht
relevant    ist,   sondern     die     richtige   Dosierung      und     die    richtige

                                                                                     25
Verabreichungsgeschwindigkeit, für meinen Berufsalltag wichtig. Das Stichwort ist hier
Titrierung, und zwar nach Klinik des Patienten. Ausserdem ist es interessant, dass
dem Noradrenalin einen so hohen Stellenwert gewidmet wird, bezüglich dem
Blutdruckmanagement. Vasopressin und Adrenalin werden in der Literatur auch
erwähnt aber als erste Wahl wurde ganz klar überall das Noradrenalin empfohlen. Es
sind viele Erkenntnisse, die für eine sichere Anästhesie-Betreuung wichtig sind.

Mit der gefundenen Literatur konnte ich die Fragen, die sich mir stellten, beantworten.
Ich verschaffte mir ein Überblick über das Thema und konnte im späteren Verlauf
vertiefter auf das anästhesiologische Management eingehen. Mir ist jetzt klar, was die
Sepsis vom septischen Schock unterscheidet. Und dass es viele Besonderheiten beim
septischen Patienten gibt, aber nicht alle sind für die Anästhesie von Bedeutung.
Ebenso weiss ich jetzt, wie mein Anästhesiologisches Management aussehen könnte,
wenn ich das nächste Mal einen septischen Patienten im OP betreue. Ich weiss jetzt,
was ich vorbereiten muss, wie ich die Einleitung gestallten würde und was ich
intraoperativ beachten soll.

Hätte ich wieder so eine Situation wie im Kapitel 1.1 «Vorwort zur Themenwahl» würde
ich mich aufgrund meines jetzigen Wissensstands sehr sicher fühlen und ich wüsste,
wo die Schwerpunkte liegen würden. Ich kann die verschiedenen Sepsis-Formen
unterscheiden und ich weiss, dass beim Blutdruck das Erreichen eines guten MAP
sehr wichtig ist für die Perfusion der Organe. So weiss ich auch, dass eine möglichst
schnelle Fokussuche und die sofortige Behandlung mit der antimikrobiellen Therapie
wichtig ist. Diese Massnahmen können die Letalität senken und der Patient profitiert
von einer guten Behandlung.

7. Reflexion

Mit dieser Arbeit habe ich meine Diplomarbeit die für das Erreichen des Titels
Diplomierter Experte NDS Anästhesiepflege geschrieben. Ich habe zuerst sehr viel
Zeit gebraucht, um die Literatur zusammenzustellen. In der Literatur, die ich verwendet
habe, wurde sehr viele an Sekundarquellen benutzt und somit musste ich nach diesen
suchen. Dabei waren die meisten Artikel auf Englisch und die Recherche nach
brauchbaren Informationen kostete mich Zeit. Zwar war dies nicht immer sehr einfach
wie zum Beispiel bei der Fragestellung «Das Anästhesiologische Management beim

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Septischen Patient». Zu diesem Thema fand ich kaum Artikel. Dabei habe ich die S3-
Guideline Sepsis 2018, die ziemlich umfangreich sind nach passenden Informationen
durchstöbert. Bei der Fragestellung «Besonderheiten beim Septischen Patient» habe
ich sehr viel Literatur gefunden. Dadurch dass sie häufig auf die intensivmedizinische
Betreuung ausgerichtet war, konnte ich sie nicht immer für meine Arbeit gebrauchen.
Schlussendlich hatte ich die ganze Literatur zusammen und jetzt bestand die
Herausforderung darin, dies aufs Papier zu bringen. Da das Schreiben einer Arbeit
nicht zu meinen Stärken gehört, stellte sich dieser Prozess für mich wenig
überraschend als mühselig dar. Aber jetzt bin ich froh ein Endprodukt zu haben und
ich muss sagen, dass ich mit dem Ergebnis zufrieden bin.

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