Anforderungen an eine fachlich valide Erprobung von technischen Systemen zur bedarfsgerechten Betriebsregulierung - von Windenergieanlagen ...
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ANFORDERUNGSPROFIL Anforderungen an eine fachlich valide Erprobung von technischen Systemen zur bedarfsgerechten Betriebsregulierung von Windenergieanlagen
Impressum: © KNE gGmbH, Stand 14.03.2019 Herausgeber: Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende Kochstraße 6–7, 10969 Berlin +49 30 7673738-0 info@naturschutz-energiewende.de www.naturschutz-energiewende.de Twitter: @KNE_tweet YouTube: Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende V. i. S. d. P.: Dr. Torsten Raynal-Ehrke HRB: 178532 B Bearbeitung: Eva Schuster, Dr. Elke Bruns Zitiervorschlag: KNE (2019): Anforderungsprofil „Anforderungen an eine fachlich valide Erprobung von technischen Sys- temen zur bedarfsgerechten Betriebsregulierung von Windenergieanlagen“. Haftungsausschluss: Die Inhalte dieses Dokumentes wurden nach bestem Wissen geprüft, ausgewertet und zusammengestellt. Eine Haftung für die Richtigkeit sowie die Vollständig- keit der hier enthaltenen Angaben wird ausgeschlos- sen. Dies betrifft insbesondere die Haftung für even- tuelle Schäden, die durch die direkte oder indirekte Nutzung der Inhalte entstehen. Sämtliche Inhalte dieses Dokumentes dienen der allgemeinen Informa- tion. Sie können eine Beratung oder Rechtsberatung im Einzelfall nicht ersetzen. Bildnachweis: Titel: fotolia.de – Frank, Mattoff
| 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 1.1 Stand des Wissens und Notwendigkeit der Erprobung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 1.2 Zielstellung des vorliegenden Papiers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1.3 Vorgehensweise bei der Erstellung des vorliegenden Papiers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2. Erprobungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 3. Rahmenbedingungen der Erprobung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 4. Zweitsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 4.1 Einsatz von geschulten Beobachtern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 4.2 Einsatz technischer Zweitsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 4.3 Sicherung einer ausreichenden Stichprobenzahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 5. Untersuchungszeitraum und -design . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 6. Erprobungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 6.1 Abdeckungsrate und allgemeine Standorteignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 6.2 Erfassungsreichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 6.3 Erfassungsrate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 6.4 Klassifizierung des Flugobjektes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 6.5 Wirksamkeit und Effizienz der Systemreaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 7. Vorüberlegungen und Hinweise zur Erprobung der (Langzeit-) Wirkung akustischer Warnung/ Vergrämung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 8. Ablauf einer Erprobung unter der fachlichen Begleitung des KNE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 8.1 Initiierung eines Erprobungsfalls durch einen Akteur bzw. eine Akteursgruppe (bspw. Betreiber) . . . . 24 8.2 Vernetzung beteiligter Akteure und Moderation begleitender Arbeitstreffen . . . . . . . . . . . . . . . . 25 8.3 Durchführung der Erprobung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 8.4 Veröffentlichung der Ergebnisse und Wissenstransfer in die Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 8.5 Zusammenführung der Erprobungsergebnisse aus mehreren Erprobungsfällen . . . . . . . . . . . . . . 26 9. Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 10. Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Anforderungsprofil „Erprobung“ – © 2019 Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende
4 | KAPITEL 1 Einführung 1.1 Stand des Wissens und Notwendigkeit der Erprobung Der Einsatz von technischen (insbesondere Kamera- In betreiberinitiierten Erprobungsfällen, in denen und Radar-)Systemen zur Verminderung von Vogel- das KNE als „neutrale Instanz und Wissensträger“ ein- kollisionsrisiken an Windenergieanlagen (WEA) durch bezogen ist, dient das Anforderungsprofil als Grund- bedarfsgerechte Betriebsregulierung wird aktuell lage der Beratung. Es wird jeweils zu entscheiden sein, intensiv diskutiert. Es stellen sich die Fragen, ob a) diese wie die Anforderungen in den Erprobungsfällen best- Systeme Prognoseunsicherheiten über Kollisionsrisi- möglich erfüllt werden können. Das Anforderungspro- ken am Standort verringern können und ob b) durch fil kann – unter Einbeziehung von Anwendungserfah- die mit der Vogelerkennung gekoppelte, bedarfsge- rungen aus den Erprobungsfällen in Forschung und rechte Abschaltung das Kollisionsrisiko unter die Signi- Praxis – in einen „Leitfaden Erprobung“ münden. Hier- fikanzschwelle gesenkt werden kann. für werden weitere Abstimmungsschritte erforderlich Sowohl von Betreiber- als auch von Behörden- und sein. Verbandsseite besteht ein Interesse daran, Antwor- ten auf diese Fragen zu erhalten und Klarheit über die Einsatzmöglichkeiten von Detektionssystemen mit automatisierter Abschaltung zu gewinnen. Ob die marktverfügbaren Detektionssysteme1 hinreichend leistungsfähig und zuverlässig sind, um das Kollisions- risiko unter die Signifikanzschwelle senken zu können, wurde bislang noch kaum fachwissenschaftlich unter- sucht. 2 Durch die Entwicklung eines Anforderungspro- fils für die fundierte Erprobung der Systeme möchte das KNE mit Unterstützung von Fachexperten und -expertinnen einen Beitrag zur Klärung dieser Frage leisten. 1 Eine Übersicht über marktverfügbare Systeme liefert KNE (2018). GPS/Geofences als technischer Ansatz zur Vogelortung und zur bedarfsgerechten Betriebsregulierung bleiben hier unberücksichtigt. Ihr Einsatz kommt nur in speziellen Fällen in Betracht. Sie werden in Kapitel 4 als mögliches Zweitsystem angeführt. 2 Die Weiterführung des FuE-Projektes „NatForWINSENT“ des Bundesamtes für Naturschutz (Laufzeit: 01.11.2018 – 30.10.2021), soll dazu beitragen, Erkenntnisse über die Verminderungswirksamkeit von ausgewählten Systemen an einem Standort in Baden-Württemberg zu gewinnen. Anforderungsprofil „Erprobung“ – © 2019 Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende
K apitel 1 | 5 1.2 Zielstellung des vorliegenden Papiers Ziel ist es, durch die Bereitstellung des Anforderungs- Natürlich kann es auch Fälle geben, in denen es profils eine Orientierung für die Durchführung von der Behörde zur Klärung der Genehmigungsfähigkeit Systemerprobungen in der Praxis zu leisten, um die einer Einzelanlage genügt, wenn nicht das vollständige Neutralität und Qualität der Erprobungsergebnisse zu Prüfprogramm entsprechend dem Anforderungsprofil sichern. Die Erprobungen tragen so zur Bildung einer durchgeführt wird. In solchen Fällen kann jedoch keine fundierten Entscheidungsgrundlage bei, um die grund- generalisierte Zulassung des Systems als „geeignete sätzliche, systemspezifische Eignung von Detektions- und wirksame Verminderungsmaßnahme“ daraus systemen als wirksame Verminderungsmaßnahme abgeleitet werden. zu beurteilen und um eine Identifikation sinnvoller Anwendungsfälle zu ermöglichen. 1.3 Vorgehensweise bei der Erstellung des vorliegenden Papiers Am 5. Juli 2018 fand ein Fachgespräch mit Experten werden im Folgenden nicht weiter behandelt. Der Ein- bzw. Expertinnen aus Wissenschaft und Genehmi- satz erfolgt bei L etzteren insbesondere zur Erkennung gungspraxis (s. Anhang 10.1) statt. Die Teilnehmer und von Kleinvögeln, die vor allem zur Zugzeit in großer Teilnehmerinnen waren eingeladen, sich über den Dichte vorkommen und in topografisch beeinflussten bisherigen Wissensstand bezüglich der Erprobung Gebieten an WEA verunfallen (schriftlicher Kommentar von marktverfügbaren Kamera- und Radarsystemen Janine Aschwanden). zu informieren. Anschließend brachten die Teilneh- Das vorliegende Anforderungsprofil stellt einen menden ihre Erfahrungen in die Diskussion über Eck- fachlich konsolidierten Arbeitsstand dar, der durch punkte eines Anforderungsprofils für die Durchfüh- einen fortschreitenden Erkenntnisgewinn aus ersten rung „Bottom-up“-initiierter Erprobungen ein. Erprobungsfällen iterativ weiterentwickelt werden soll. Das vorliegende Papier fasst den Stand des Wis- sens über Rahmenbedingungen der Erprobung sowie über die Durchführung einer strukturierten und fach- lich validen Erprobung der Technologien auf der Basis des Fachgesprächs zusammen. Auch wurden schrift- liche Kommentare der Experten und Expertinnen zum Anforderungsprofil bei einer nachfolgenden Über- arbeitung berücksichtigt und das Papier dadurch kon- solidiert. Der Fokus liegt auf Systemen zur Erkennung einzelner, sich der WEA annähernden mittelgroßen bis großen Vögeln. Systeme, die eine Quantifizierung der generellen Flugaktivität von insbesondere Zugvögeln (Anzahl der Vögel pro Kilometer und Stunde) vorse- hen, um dann, ab einer gewissen Anzahl, abzuschalten, Anforderungsprofil „Erprobung“ – © 2019 Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende
6 | KAPITEL 2 Erprobungsfragen Im Rahmen einer Systemerprobung am jeweiligen Daraus ergeben sich die folgenden Erprobungskrite- Standort sind eine Reihe von Fragen zu beantworten, rien, die in Kapitel 6 näher beschrieben werden: um eine differenzierte Darstellung der Systemleis- Abdeckungsrate und allgemeine Standorteignung, tungsfähigkeit in Abhängigkeit von unterschiedlichen Standorteigenschaften und vorherrschenden Bedin- Erfassungsreichweite, gungen zu erreichen. Neben der Überprüfung der Sys- Erfassungsrate, temzuverlässigkeit hinsichtlich der Verminderung des Vogelkollisionsrisikos (Wirksamkeit) werden deshalb Flugobjektklassifizierung, auch die Praktikabilität sowie die Wirtschaftlichkeit Wirksamkeit und Effizienz der Systemreaktion. (Effizienz) bei der Anwendung am WEA-Standort mit- berücksichtigt, um eine umfassende Entscheidungs- grundlage zu erhalten. Nachfolgende Erprobungs Aus dem Fachgespräch ging hervor, dass der Einsatz fragen gilt es zu beantworten: einer akustischen Warnung bzw. Vergrämung unter anderem aufgrund artenschutzrechtlicher Bedenken 1) Welche räumliche und zeitliche Abdeckung wird in wenigen Einzelfällen in Betracht kommt. Der Voll- durch das erprobte System grundsätzlich erreicht, ständigkeit halber werden in Kapitel 7 Vorüberlegun- und was sind die begrenzenden s ystem- und gen für eine Erprobung einer akustischen Warnung/ standortspezifischen Faktoren? Vergrämung dargestellt. Im Erprobungsfall bedarf es hierzu einer weiteren Konkretisierung. 2) Auf welche Entfernung zur WEA werden F lugobjekte in Abhängigkeit von Körpergröße, Flug- verhalten, Anflugwinkel und Witterungs-/Lichtver- hältnissen sicher erfasst? 3) Wie viele von den tatsächlich vorkommenden Flugobjekten werden erfasst, und w elche Faktoren beeinflussen die Erfassungsrate (korrekte Erfas- sung, Falsch-Positiv- und Falsch-Negativ-Rate)? 4) Werden die erfassten Flugobjekte durch das System richtig in systemspezifische K lassen (u. a. vogelartige Flugobjekte, Zielarten) unterschieden? 5) Welche Wirksamkeit und Effizienz werden durch die Systemreaktion (hier: Abschaltung) erreicht? Anforderungsprofil „Erprobung“ – © 2019 Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende
| 7 KAPITEL 3 Rahmenbedingungen der Erprobung Die im Nachfolgenden genannten Anforderungen WEA-Bestand und Genehmigungsstatus bieten den fachwissenschaftlichen Rahmen für eine valide Systemerprobung. Soweit möglich, wird auf Nicht nur die Eigenschaften des Erprobungssystems mögliche Fallkonstellationen bzw. Szenarien einge- und des Standorts (u. a. Geländestruktur, WEA-An- gangen. Es wird aber darüber hinaus erforderlich sein, zahl und Anordnung) können Anpassungen der Erpro- die Erprobungsmethode unter Berücksichtigung der bungsmethode erfordern, sondern auch der Status der einzelfallspezifischen Gegebenheiten zu konkretisie- Genehmigung. Möglicherweise kann in manchen Fällen ren. Die einzelfallspezifischen Aspekte, von denen das dann keine vollständige Abarbeitung aller Erprobungs- Erprobungsdesign abhängt, sind: kriterien erfolgen. So kann es sich um eine Erprobung: an bereits genehmigten und in Betrieb befindlichen Zu erprobende marktverfügbare WEA handeln, mit dem Ziel, auf der Grundlage eines Kamera- und Radarsysteme Auflagenvorbehaltes oder eines Antrags auf Geneh- Durch Unterschiede in der Funktionsweise von migungsänderung, eine Reduzierung pauschaler Kamera- und Radarsystemen wie auch deren Positio- Abschaltzeiten durch eine bedarfsgerechte Betriebs- nierung (bspw. Installation am Turm oder entfernt von regulierung zu erreichen. WEA) ergeben sich unterschiedliche Erfordernisse bei an bereits genehmigten und in Betrieb befind der Abarbeitung der Erprobungskriterien (s. Kapitel 6). lichen WEA handeln, zu welchen der Betreiber So können diese Unterschiede beispielsweise Auswir- freiwillig bereit ist, um einen Erkenntnisgewinn für kungen auf die Wahl des eingesetzten Zweitsystems zukünftige Vorhaben zu erreichen. Gegebenenfalls (s. Kapitel 4) zur Erprobung oder auf die Position des wird die Erprobung hier ohne eine tatsächliche Beobachters haben oder aber auch zu einem Fokus Abschaltung der WEA durchgeführt. Dabei muss auf einzelne Erprobungsfragen führen. Die Erfas- sichergestellt werden, dass dem Projektierer durch sungsreichweite kann im Fall einer Radarerprobung neugewonnene Erkenntnisse über Artvorkommen direkt aus den Systemdaten entnommen werden, bzw. Flugaktivitäten am Standort kein Nachteil während sie bei den meisten Kamerasystemen, mit entsteht. Ausnahme von Stereokameras, über ein zweites Sys- tem ermittelt werden muss. Generell sollte in diesen eines Systems als Bestandteil der beantragten Beispielfällen jedoch die Genauigkeit der Systeme mit Genehmigung handeln, wodurch ein stufenweises automatischer Reichweitenerfassung im Erprobungs- Vorgehen (Erprobungsphase vor Bau, Inbetrieb- fall verifiziert werden. Dies kann mit Hilfe von syste- nahme nach erfolgreicher Erprobung) erforderlich matischen Drohnenflügen erfolgen (s. Kapitel 4.3 und werden kann. Zudem können weitere „Sicher- 6.2). An manchen Standorten können zudem mehrere heitsmaßnahmen“ (bspw. manuelle Abschaltung Systeme parallel erprobt werden. bei akuter Kollisionsgefahr) in Erwägung gezogen werden. Anforderungsprofil „Erprobung“ – © 2019 Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende
8 | K apitel 3 an Standorten ohne vorhandene WEA handeln, bei Zu berücksichtigendes Artenspektrum der die grundlegende Leistungsfähigkeit des zu Ob bei der Erprobung alle am Standort vorkommen- erprobenden Systems hinsichtlich seiner Detek- den kollisionsgefährdeten Arten (vgl. LAG VSW 2015 tionseigenschaften (Erfassungsrate, Erfassungs- bzw. die länderspezifischen Regelungen) berücksich- reichweite und Klassifizierung) überprüft werden tigt werden oder nur einzelne Zielarten, ergibt sich aus kann. Dadurch wird es ermöglicht, ein Detektions- der Zielstellung der Erprobung: Wird eine Lösung für system gezielt an Standorten mit hoher Flugaktivi- eine bestimmte Zielart gesucht oder wird ein Standort tät windenergiesensibler Vogelarten bzw. einzelner mit den dort vorkommenden Arten zur Erprobung ver- Zielarten zu erproben (Stichwort: hohe Stichpro- fügbar gemacht, um die Leistungsfähigkeit eines oder benzahl). Dabei handelt es sich um Bedingungen, unterschiedlicher Systeme zu erproben? die an genehmigten WEA-Standorten nicht unbe- Des Weiteren kann das bei der Erprobung berück- dingt gegeben sind bzw. sein sollten. Eine abschlie- sichtigte Artenspektrum vom durch den Hersteller ßende Systemerprobung (insbesondere System- beschriebenen Leistungsprofil eingeschränkt sein: reaktion, räumliche und zeitliche Abdeckung) muss Wird der Systemeinsatz ausschließlich zur Erkennung dann jedoch nachgeholt werden, da sie an Stand- von mittelgroßen oder großen Vögeln empfohlen oder orten mit WEA zu erfolgen hat. bietet das System keine automatische Klassifizierung an einer bereits gebauten, aber nicht in Betrieb auf Artenebene (bspw. Größenklassen-, Artengrup- genommenen oder nachträglich stillgelegten pen- oder Artenebene), so kann die Zielsetzung der WEA handeln (Problem-WEA), mit dem Ziel durch Erprobungsfrage nicht darüber hinausgehen. die Umsetzung einer zusätzlichen Schutzmaß- nahme (bedarfsgerechte Betriebsregulierung), Einsatz von Zweitsystemen das vorherrschende Kollisionsrisiko nachträglich weiter zu reduzieren oder/und durch neuge- Um die Leistungsfähigkeit eines Systems zu erpro- wonnene Erkenntnisse eine (teilweise) Wieder ben, wird ein Kontrollsystem – hier als „Zweitsystem“ inbetriebnahme zu prüfen. bezeichnet, benötigt. Dessen Leistungsfähigkeit muss, bezogen auf die Erprobungsfrage(n), ausreichend bekannt sein. Das Spektrum an möglichen Zweitsyste- men wird in Kapitel 4 näher ausgeführt. Nicht nur die Eigenschaften des Zweitsystems selbst, sondern auch die Gegebenheiten am Standort können die Entschei- dung, welches Zweitsystem eingesetzt werden soll, beeinflussen. Daraus kann resultieren, dass keine voll- ständige Abarbeitung der Erprobungskriterien mög- lich ist und lediglich eine Teilerprobung durchgeführt werden kann. Anforderungsprofil „Erprobung“ – © 2019 Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende
| 9 KAPITEL 4 Zweitsysteme Die Wahl des Zweitsystems, mit dem die Leistungsfä- aller Kriterien (s. Kapitel 6), ist diese mit Hilfe eines higkeit des zu erprobenden Systems überprüft wer- geschulten Beobachters durchzuführen. Die dabei den soll, hat eine hohe Bedeutung für die Validierung. bestehenden Anforderungen werden im Folgenden Im Fachgespräch wurden Möglichkeiten und Grenzen beschrieben. Anschließend werden technische Zweit- der Systeme diskutiert. In Frage kommen zum einen systeme der Vollständigkeit halber genannt sowie geschulte Beobachter und zum anderen technische deren Vor- und Nachteile kurz aufgeführt. In einzelnen Zweitsysteme (insbesondere Telemetrie, Radarsys- Situationen kann deren (zusätzlicher) Einsatz zielfüh- teme zur Erprobung von Kamerasystemen, mehrere rend sein oder zumindest eine Teilerprobung durch- Kamerasysteme, Kamerasysteme zur Erprobung von geführt werden. Radarsystemen). Erfolgt eine vollständige Erprobung 4.1 Einsatz von geschulten Beobachtern Durch den Einsatz von Beobachtern können Flugob- Einsatz von geschulten Beobachtern zur Systemer- jekte vor Ort klassifiziert bzw. identifiziert werden. probung wurden im Fachgespräch folgende Punkte Allerdings ist die Beobachtung nicht dauerhaft, son- genannt 3 , die zu beachten sind: dern auf Stichproben begrenzt (s. Kapitel 5). Für den 3 Die aufgeführten Anforderungen an eine Erprobung mittels Beobachter greifen im Wesentlichen die Methode von McClure et al. (2018) zur Erprobung des IdentiFlight Systems auf. Sie wurden durch Expertenbeiträge aus dem Fachgespräch leicht angepasst und konkretisiert. Anforderungsprofil „Erprobung“ – © 2019 Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende
10 | K apitel 4 »» Anforderungen »» Empfehlungen Die Position des Beobachters bzw. der Beobachter Werden Position und Flughöhe des Flugobjektes ist so zu wählen, dass das Gelände um die (geplante) automatisch vom Erprobungssystem erfasst, ist WEA bzw. um den Windpark (WP) gut überblickt die Verwendung eines Laser-Rangefinders durch werden kann. Es ist erforderlich, dass zumindest der den Beobachter hilfreich, um Daten des Zweitsys- zielartenspezifische Reaktionsbereich (s. Definition in tems zu validieren und weitere Daten über die Flug- Kapitel 6.2) und darüber hinaus der gesamte Erfas- objekte zu erheben, die vom Erprobungssystem sungsbereich des zu erprobenden Systems einseh- nicht erfasst wurden (Falsch-Negativ-Rate). bar ist, insbesondere auch um die Detektionsreich- Da eine Vielzahl von Daten gleichzeitig zu erheben weite zu ermitteln. Handelt es sich um ein schlecht und zu dokumentieren ist, wird die Erhebung durch einsehbares Gelände oder um einen größeren zwei Beobachter pro Beobachtungsstandort emp- Bereich mit mehreren WEA, wird der Einsatz von wei- fohlen. Zudem kann die Erfassung der Witterungs- teren Beobachtern, von einer zweiten Position aus, bedingungen auch mit Hilfe einer Wetterstation erforderlich.4 erfolgen. Um die am Erprobungstag vorherrschenden Wit- Zur weiteren Vereinfachung der Datenerhebung, terungs- und Lichtverhältnisse nachvollziehbar zu können die Informationen zunächst auch mit dokumentieren, sollte eine fotografische Dokumen- einem Diktiergerät aufgenommen werden. Dabei tation mit Zeitstempel in engen Zeitintervallen (alle ist darauf zu achten, dass die Zeitangaben so 15 Minuten während des Beobachtungsintervalls, präzise vorgenommen werden, dass die Ereignisse in Blickrichtung des Beobachters und vertikal) mit später exakt dokumentiert werden können. einer Handkamera (bspw. einer GoPro) erfolgen (s. Anhang 10.3). Es ist davon auszugehen, dass die durch geschulte Die zum Zeitpunkt des Flugereignisses aufgenom- Beobachter erreichte Erfassungsrate während der menen Daten sind mit einem Zeitstempel zu ver- Erprobungsintervalle keine 100 Prozent beträgt (s. sehen, damit eine genaue Zuordnung zum durch auch McClure et al. 2018). Da die Durchführung von das Erprobungssystem dokumentierten Fluger- Raumnutzungsanalysen durch Beobachter in der aktu- eignis möglich ist (erforderlich: Uhrzeiteneichung ellen Planungspraxis dennoch als „valide“ Methode zwischen Erprobungs- und Zweitsystem). akzeptiert ist, wird auch bei einer Systemerpro- bung davon ausgegangen, dass die Beobachtung als Wird die Erfassung der Position und der Flughöhe Methode belastbare Ergebnisse liefert. des Flugobjektes nicht automatisch vom Erpro- bungssystem vorgenommen, ist die Verwendung eines Laser-Rangefinders durch den Beobachter erforderlich. Für eine standardisierte Dokumentation (Sicht- bedingungen, Flugaktivität) sind vorgefertigte Protokollbögen zu verwenden (Vorschläge dafür s. Anhang 10.2 und 10.3). 4 So kann ermittelt werden, ob die geleistete Erfassungsreichweite des Erprobungssystems ausreichen würde, um eine rechtzeitige Abschaltung der WEA zu ermöglichen (s. Kapitel 6.2). Anforderungsprofil „Erprobung“ – © 2019 Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende
K apitel 4 | 11 4.2 Einsatz technischer Zweitsysteme Durch den Einsatz technischer Zweitsysteme (insbe- Der Einsatz von GPS-gestützten Geofences (virtu- sondere Telemetrie, Radarsysteme zur Erprobung von elle Grenzzäune) zur Begrenzung der Flugdatenerfas- Kamerasystemen, mehrere Kamerasysteme, Kame- sung auf das für die Erprobung relevante WEA- bzw. rasysteme zur Erprobung von Radarsystemen) ist es WP-Umfeld kann eine Möglichkeit darstellen, um mit möglich, über einen längeren Zeitraum kontinuierlich der eingeschränkten Batterieleistung beziehungs- und mit vergleichsweise großer Reichweite Flugereig- weise Lebensdauer umzugehen. nisse im WEA- bzw. WP-Umfeld zu erheben. Eine Flug- objektklassifizierung kann mit diesen Systemen in der Radarsysteme zur Erprobung von Regel jedoch nicht ad-hoc erfolgen. Kamerasystemen Durch die radargestützte Ermittlung der Flugobjekt- Telemetrie position könnte die Erfassungsreichweite und -rate Werden Einzelvögel vor Ort besendert, können (bei von Kamerasystemen erprobt werden. Zur Erprobung Einsatz entsprechender geeigneter Sender und deren der Flugobjektklassifikation bzw. der Ermittlung von Programmierung) genaue, lückenlose und artspezi- artspezifischen Daten ist Radar als Zweitsystem nur fische Daten über deren Position und das Flugver- bedingt geeignet, da derzeit eine Klassifizierung von halten erhoben werden. Die Erhebungen sind von Arten bzw. Artengruppen nur aufgrund ihrer Größe Witterungs- und Lichtverhältnissen unabhängig. Alle möglich ist. Eine artspezifische Identifikation über Flü- anderen Vögel, die keinen Sender tragen, bleiben im gelschlagmuster befindet sich derzeit in der Entwick- Rahmen der Telemetrierung demnach unberücksich- lung, weshalb dieser Ansatz als Zweitsystem derzeit tigt, weshalb nur ein Teil der Daten des Erprobungs- nicht geeignet ist und ebenfalls einer Erprobung unter- systems mit Hilfe der Telemetriedaten überprüft wer- zogen werden müsste. den kann. Radarsysteme ermöglichen eine nahezu lücken- Der Fang und die Besenderung der planungsrele- lose – bei entsprechender Einsehbarkeit – weiträu- vanten Individuen am betroffenen Standort können mige Flugobjekterfassung unabhängig von Sicht- und sich als schwierig erweisen und sind immer mit einem Lichtverhältnissen. Allerdings können räumliche Erfas- Verletzungsrisiko der Vögel verbunden.5 Zudem ist sungslücken durch „Clutter“6 entstehen. Das durch die Leistungsfähigkeit (Dichte der Erfassungs- und Reflexionen an Boden- oder Vegetationsoberflä- Übertragungsintervalle versus Anwendungsdauer) chen verursachte Clutter lässt sich erst beim Einsatz abhängig von der Batterieleistung und/oder vom ver- des Radars am Standort feststellen. Bei Regen und fügbaren Sonnenlicht (bspw. Aktivitätszeit, Beschat- Schneefall kann das an Tropfen bzw. Flocken reflek- tung durch Gefieder oder Bewaldung, Witterung). Dies tierte Radarecho die Erfassung von Vögeln maskieren schränkt den Einsatz von Telemetrierungen ein. (Wetterclutter). 5 Nach Auffassung der LAG VSW ist die Besenderung von Individuen gefährdeter Vogelarten kein geeignetes Instrument für die Praxis, da Spezialkenntnisse erforderlich seien, um eine Verletzung und ggf. Tötung der Tiere zu vermeiden. Im Falle einer Systemerprobung würde es sich um Grundlagenforschung handeln und kann somit in Betracht gezogen werden (vgl. Langgemach und Meyburg 2011; schriftlicher Kommentar Torsten Langgemach). 6 Unter Clutter versteht man Ziele, die durch das Radargerät erfasst werden, jedoch unerwünscht sind, da sie die Entdeckungswahrscheinlichkeit der eigentlichen Ziele (hier: Vögel) herabsetzen. Anforderungsprofil „Erprobung“ – © 2019 Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende
12 | K apitel 4 Kamerasysteme zur Erprobung von Mehrere parallel zu erprobende Radarsystemen Kameras ysteme am gleichen Standort Kamerasysteme als Zweitsystem ermöglichen die Durch die Installation mehrerer Kamerasysteme am Überprüfung der Flugobjektklassifikation durch die gleichen Standort wird eine gute Vergleichbarkeit unter nachträgliche Auswertung des Bildmaterials. Auf- ähnlichen Bedingungen ermöglicht. Allerdings werden grund einer geringeren Erfassungsreichweite wäre Situationen, welche dann von allen Systemen gleicher- ausschließlich die optische Abdeckung des Umfeldes maßen „übersehen“ werden, demzufolge nicht doku- einzelner WEA möglich. Gegebenenfalls könnten sie an mentiert und können nicht nachvollzogen werden. der Grenze des artspezifischen Reaktionsbereichs (s. Kapitel 6.2) oder des Radarerfassungsbereichs posi- tioniert werden. Flugereignisse könnten so allerdings nur in einem Teilbereich erfasst werden. Durch eine Erhöhung der Kameraanzahl wäre eine Ausweitung der abgedeckten Fläche zwar denkbar, eine Erprobung eines Radarsystems über die gesamte Fläche eines Windparks wäre so jedoch kaum möglich. 4.3 Sicherung einer ausreichenden Stichprobenzahl Einsatz GPS-besenderter Drohnen Einsatz von in Gefangenschaft lebenden Greifvögeln Durch den Einsatz einer GPS-besenderten Drohne kann in vergleichsweise kurzer Zeit eine hohe Stichproben- Der Einsatz trainierter Greifvögel durch einen Falkner zahl (erfasste Flugbewegungen im WEA-Umfeld) durch kann für die Erprobung der Flugobjektklassifikation, die Simulation unterschiedlicher Flugmanöver erreicht die zielartspezifische Datenfilterung, die Erkennung werden. So können erste Erkenntnisse über die Erfas- von Körpergröße und/oder weiterer artspezifischer sungsrate und Reichweite in Abhängigkeit zur Körper- Charakteristika nützliche Erkenntnisse liefern. Es größe und Flugbewegung eines Flugobjektes gewonnen muss aber davon ausgegangen werden, dass sich das werden. Insbesondere kann die Erfassungsgenauigkeit Flugverhalten und die Fluggeschwindigkeiten dieser der Flugobjektposition durch das Erprobungssystem „zahmen“ Vögel von dem der wildlebenden Greifvögel mit Hilfe von Drohnen verifiziert werden. Die Übertrag- unterscheiden. Demzufolge ist eine Festlegung der barkeit der Drohnenortungen auf Vögel, hinsichtlich artspezifischen Reaktionsbereiche (s. Kapitel 6.2) mit- der Erfassungsreichweite und -rate, ist aber nur ein- tels Testflügen von in Gefangenschaft lebenden Greif- geschränkt möglich, da Drohnen zum Beispiel deut- vögeln nicht möglich. Testflüge an in Betrieb befindli- lich andere (standardisierte) Flugeigenschaften zeigen. chen WEA bergen zudem das Risiko, dass das Leben Drohnen können aufgrund des Metallanteils von Radar- der Tiere gefährdet wird, weshalb in diesem Fall – aus systemen immer deutlich besser als Vögel erkannt wer- Tierschutzgründen – vom Einsatz trainierter Greifvö- den. Einzelne Teilnehmer des Fachgesprächs hielten gel abzusehen ist. den Drohneneinsatz daher nicht für eine belastbare Lösung für eine abschließende Systemerprobung. Anforderungsprofil „Erprobung“ – © 2019 Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende
| 13 KAPITEL 5 Untersuchungszeitraum und -design Der Untersuchungszeitraum und die Zeitpunkte sind 1) Liegen bereits aktuelle standortspezifische Erhe- so zu wählen, dass eine ausreichende Stichproben- bungen über die Raumnutzung vor, kann auf deren zahl (erfasste Flugaktivitäten am Standort) erreicht Basis mit Hilfe einer „Power Analyse“ (vgl. Johnson wird und das größtmögliche Spektrum an „Risikositu- et al. 2015) der in diesem Zeitraum erforderliche ationen“ abgedeckt ist. Für eine sinnvolle Abgrenzung Untersuchungsaufwand ermittelt werden. des Untersuchungszeitraums spielen daher mehrere 2) Liegen keine ausreichenden Informationen zur Punkte eine Rolle: Raumnutzung vor, ist die Erprobung zunächst an Vorkommen der Zielart(en) bzw. kollisionsge- 24 bis 30 Tagen während der Brut- und Aufzucht- fährdeter Arten am Standort zum Zeitpunkt der zeit durchzuführen (vgl. McClure et al. 2018). An Erprobung, den Erprobungstagen sind innerhalb von acht bis zehn Stunden vier Beobachtungsintervalle vorzu- Erprobung insbesondere zu Zeiten mit hoher Flug- sehen (ebd.), zwischen denen jeweils eine Pause aktivität der Zielart(en) bzw. kollisionsgefährdeter eingeschoben wird. Über den Tag verteilt sind Arten, so 420 Beobachtungsminuten zu leisten. Wird in Berücksichtigung verschiedener phänologisch und diesem Untersuchungszeitraum die erforderliche witterungsbedingter Flugverhalten. Stichprobenzahl (= Flugereignisse) nicht erreicht, wird eine Ausweitung der Erprobung auf weitere »» Anforderungen Erprobungstage innerhalb der gleichen Brut- bzw. Aufzuchtperiode 7 empfohlen. Unter den Experten und Expertinnen des Fach- gesprächs herrschte Einigkeit darüber, dass die Grundsätzlich verkürzt sich der erforderliche Untersu- Erprobung während der Brut- und Aufzuchtperiode chungszeitraum mit steigender Anzahl der am Standort vorzunehmen ist, deren genaue zeitliche Abgrenzung vorkommenden Flugereignissen bzw. Risikosituationen, für die jeweilige(n) Zielart(en) den Empfehlungen der wobei der Erprobungszeitraum von 24 bis 30 Tagen Länder zu entnehmen ist. nicht unterschritten werden soll. Umgekehrt erhöht sich die Anzahl an Stichproben innerhalb eines definier- Da eine Dauererprobung über einen längeren Zeit- ten Untersuchungszeitraums, wenn nicht nur einzelne raum bei Einsatz eines Beobachters aufgrund des Zielarten, sondern ein möglichst breites Spektrum an Aufwandes nicht möglich ist, ist die erforderliche Arten bei der Erprobung berücksichtigt werden. Anzahl der Beobachtungstage im Untersuchungs- Es lässt sich daher schlussfolgern, dass grundsätz- zeitraum zu ermitteln. Für die Festlegung der lich ein gewisses Konfliktmaß (= Häufigkeit von Flugak- erforderlichen Erprobungstage für den jeweiligen tivität der Zielarten am Standort) gegeben sein sollte, Standort bestehen zwei Optionen: um Kamera- und Radarsysteme erproben zu können. 7 Ist eine Erprobung einer Anlagengenehmigung vorgelagert bzw. verschafft sie dieser bei positivem Ausgang eine Genehmigungsfähigkeit, wird durch die Begrenzung auf eine Brut- und Aufzuchtperiode einer aus fachlichen Gründen nicht zwingend erforderlichen Planungsverzögerung vorgebeugt. Anforderungsprofil „Erprobung“ – © 2019 Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende
14 | KAPITEL 6 Erprobungskriterien 6.1 Abdeckungsrate und allgemeine Standorteignung ZIEL: Um die Leistungsfähigkeit eines Systems zu untersuchen, ist es zunächst e rforderlich, die erreichbare Abdeckung und die den Abdeckungsgrad beeinflussenden Faktoren für den jeweiligen Standort zu dokumentieren. Kann eine ausreichende Abdeckungsrate nicht erreicht im System enthaltenen Kameras oder Radaranten- werden, ist eine Systemanwendung am jeweiligen nen nur ein gewisser Winkel abgedeckt werden. 8 Soll Standort gegebenenfalls nicht zu empfehlen. Ein allge- eine breitere Abdeckung erfolgen, kann eine Erhö- meingültiger Schwellenwert im Sinne einer „Mindest- hung der Kamera- bzw. Antennenanzahl, eine gewisse abdeckungsrate“ existiert derzeit nicht. Ob es sinnvoll Überlappung der einzelnen Komponenten oder die ist, einen solchen Schwellenwert festzulegen, wäre im Anpassung der Komponentenausrichtung Abhilfe weiteren Prozess zu diskutieren. Die für eine ausrei- schaffen. chende Verminderungsleistung (Reduzierung von Kol- lisionen) erforderliche Abdeckung muss – unabhängig Standortspezifische Gegebenheiten von einem allgemeinen Schwellenwert – immer im Ein- (räumliche Abdeckung) zelfall festgelegt werden. Die Abdeckung kann aus mehreren Gründen von Am und um den Standort herum aufragende Struk- der theoretisch maximal möglichen räumlichen Abde- turen, wie bspw. Wälder, Felsen, Hügel, Gebäude ckung (360° horizontal als auch vertikal, im Bereich oder die WEA selbst, können den Erfassungsbereich über der WEA) sowie zeitlichen Abdeckung (Radar: einschränken. Weder Radar- noch Kamerasysteme dauerhaft, Kamera: bei Tageslicht) abweichen. (noch Beobachter) können diese Strukturen durch- dringen. Diese Einschränkung kann lediglich durch eine Erhöhung der Anzahl der Beobachter bezie- Systemspezifische räumliche hungsweise der Systeme reduziert werden. Auch Abdeckung ist es möglich, dass eine direkt über Baumkronen Die räumliche Abdeckung ist zu einem wesentlichen oder über dem Untergrund angrenzende Schicht Teil von den Systemkomponenten und der Konfigu- vom Detektionssystem nicht optimal abgedeckt ration abhängig. So kann möglicherweise von den werden kann. 8 Ist eine WEA-unabhängige Systemerprobung vorgesehen, können die Erprobungskriterien grundsätzlich auch in dem von der einzelnen Systemkomponente abgedeckten Teilbereich ermittelt werden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sich je nach Blickrichtung variierende Bedingungen (Kamerasysteme: insbesondere Sonnenstand) auf die ermittelten Ergebnisse auswirken. Die Voraussetzungen müssen deshalb genau dokumentiert werden. Anforderungsprofil „Erprobung“ – © 2019 Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende
K apitel 6 | 15 Da in ausgeblendeten Bereichen keine Vögel »» Anforderungen erfasst werden können, ist die Ermittlung der einseh- baren Flächen essenziell für die Beurteilung der Stand- Zur Erprobung des Kriteriums „Abdeckungsrate und orteignung. Diese Ermittlung (i. S. einer Sichtbarkeits- allgemeine Standorteignung“ sind die räumliche und analyse) kann mit Hilfe digitaler Geländemodelle und die zeitliche Abdeckung für den jeweiligen Standort von Luftbildern erfolgen. und die diese beeinflussenden standort- und system- Werden Radarsysteme eingesetzt, ist (vom Herstel- spezifischen Gegebenheiten genau darzustellen und ler) zu Beginn des Einsatzes eine Clutter-Analyse des zu dokumentieren. Nachfolgende Punkte sind hierfür jeweiligen Standorts durchzuführen. Ergebnis ist eine zu berücksichtigen: Clutter-Karte, in der Umfang und Lage der standort- spezifischen Radarschatten abgebildet sind. Für die Dokumentation ist ein einheitliches Um den Anteil von Sichtverschattungen zu reduzie- Datenblatt (siehe zum Beispiel Anhang 10.2) zu ren und die räumliche Abdeckung durch das System zu verwenden. optimieren, sollte die optimale Systemposition ermit- Genaue Dokumentation der allgemeinen System- telt werden (s. „Maßnahmen zur Optimierung“). und Standorteigenschaften sowie der standortspe- zifischen Systemanbringung und -konfiguration. Systemausfälle (zeitliche Abdeckung) Kartografische Darstellung der standortspezi- Neben den sich im Tagesverlauf verändernden Wit- fischen Sichtverschattung und der systemspezi- terungs- und Sichtverhältnissen, können beson- fischen räumlichen Abdeckung mittels 3D-Gelän- dere Gegebenheiten am Standort dazu führen, dass demodellierung innerhalb der Systemreichweite, temporär keine oder nur eine eingeschränkte Erfas- jedoch mindestens im zielartenspezifischen sung von Flugobjekten möglich ist (insbesondere Sys- Reaktionsbereich (s. Kapitel 6.2). temausfälle). Dabei gilt es, die Zeiträume und Ursa- Dokumentation von Systemausfällen (zeitliche chen genau zu dokumentieren, die zu einer zeitlichen Abdeckung), Ausfalldauer und deren Ursachen. Funktionseinschränkung geführt haben. Anzahl und Dauer von Systemausfällen geben Hin- Dokumentation ergriffener Optimierungs- weise auf die Zuverlässigkeit und Funktionsfähigkeit. maßnahmen und der dadurch erzeugten Es wird zu beurteilen sein, welcher Grad an Ausfällen Optimierungswirkung. hinnehmbar ist. Systemausfälle sollten in der Regel Ableitung von allgemeinen Hinweisen, ausgehend zu einer Abschaltung der WEA führen (die ggf. in der von gemachten Erfahrungen bei der Anbringung Genehmigung festzulegen ist). und Konfiguration des Erprobungssystems, die eine künftige Einschätzung über die standortspezi- Maßnahmen zur Optimierung der fische Eignung einer Systemanwendung bereits im räumlichen und zeitlichen Abdeckung Vorfeld unterstützen. Ist die räumliche und zeitliche Abdeckung auf dem jewei- ligen Standort eingeschränkt, sind Maßnahmen zur Opti- mierung zu prüfen. Diese Maßnahmen können beispiels- weise die Anbringung in größerer Höhe (zum Beispiel am WEA-Turm oder auf einem gesonderten System-Turm), die Verbesserung der Wetterbeständigkeit des Systems, die Optimierung der Systemausrichtung, die Erhöhung der Antennen- bzw. Kameraanzahl oder die Anpassung der Systemposition am Standort umfassen. Anforderungsprofil „Erprobung“ – © 2019 Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende
16 | K apitel 6 6.2 Erfassungsreichweite ZIEL: Um die Leistungsfähigkeit eines Systems zu erproben, ist es erforderlich, die Entfernung, bis zu der eine sichere Erfassung von Flugobjekten in Abhängigkeit von Körpergröße, Flugverhalten, Anflugwinkel und vorherrschenden Witterungs- und Lichtverhältnissen möglich ist, zu ermitteln. Sie ist entscheidend für eine rechtzeitige und somit wirksame Betriebsregulierung (Abschaltung). Dabei ist zu klären, ob der erforderliche Radius des eine automatische Flugobjektklassifikation vorsehen, zielartenspezifischen Reaktionsbereichs durch die muss der daraus entstehende Zeitaufwand ebenfalls systemspezifische Erfassungsreichweite abgedeckt berücksichtigt werden. Da eine Kollision bereits mit werden kann. Dieser ergibt sich aus der artspezi- dem Eintreten des Vogels in den Rotorbereich und fischen Fluggeschwindigkeit (ground speed, mixed somit an den Rotorblattspitzen möglich ist, ist die behaviour) einer Art (vgl. Bruderer und Boldt 2001, Länge des Rotorblattes des eingesetzten WEA-Typs Tab. 4), der WEA-Typ-spezifischen Zeitdauer bis zum zudem zu berücksichtigen. Daraus ergibt sich folgende Austrudeln des Rotors sowie der Dauer bis zur Sig- 9 Berechnung des artspezifischen Reaktionsbereichs: nalübermittlung bzw. -verarbeitung. Für Systeme, die r Reaktion = [(v ) × (t [Art] Klass +t Signal +t Trudel )] + r Rotor rReaktion = Radius der erforderlichen Systemreichweite ab WEA, um rechtzeitig für eine gegebene Ziel- art, unter konservativen Annahmen, eine Systemreaktion (hier: Abschaltung) auszulösen. V [Art] = Artspezifische Fluggeschwindigkeit [vgl. Bruderer u. Boldt 2001, S. 186 f, Tab. 4, Maximal- wert des „ground speeds“ (Vg), „mixed behaviour“ (=~)]. tKlass = Dauer von der Erkennung bis zur abgeschlossenen Flugobjektklassifikation. t Signal = Dauer bis zur Signalübermittlung und -verarbeitung. tTrudel = Dauer bis zum Austrudeln des Rotors in Abhängigkeit vom WEA-Typ. rRotor = Rotorblattlänge in Abhängigkeit des eingesetzten WEA-Typs. 9 Gemeint ist eine Reduzierung der Rotorgeschwindigkeit auf eine Umdrehungszahl, die für Vögel kein Risiko mehr birgt, um mit den Rotorblättern zu kollidieren. Ein allgemeingültiger Schwellenwert existiert derzeit nicht. Hier besteht Klärungsbedarf. Anforderungsprofil „Erprobung“ – © 2019 Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende
K apitel 6 | 17 eines Sicherheitsaufschlags ein zu kompliziertes Hilfs- Bedeutung der artspezifischen konstrukt. Wenn die maximale Fluggeschwindigkeit Fluggeschwindigkeit zugrunde gelegt werde, könne eine Diskussion über Die Fluggeschwindigkeit eines Vogels ist für die Beur- die Höhe des „richtigen“ pauschalen Sicherheitszu- teilung der Erfassungsreichweite entscheidend. Hohe schlag vermieden werden (schriftlicher Kommentar Fluggeschwindigkeiten erfordern zum einen eine des AK Naturschutz und Windenergie des BWE vom kurze Reaktionszeit des Erprobungssystems bis zum 22. Januar 2019). Austrudeln des Rotors. Zum anderen muss die erfor- Nicht nur bei der Ermittlung des Reaktionsberei- derliche Erfassungsreichweite des Systems entspre- ches im Rahmen einer Erprobung, sondern auch mit chend größer sein, um den Vogel rechtzeitig zu erfas- Blick auf einen möglichen künftigen Systemeinsatz in sen. Mit abnehmender systemspezifischer Reaktions- der Praxis verbleibt an dieser Stelle Klärungsbedarf. zeit würde sich die erforderliche Erfassungsreichweite Bis zur Klärung dieses Sachverhaltes wird empfoh- somit reduzieren. In Bruderer und Boldt (2001, Tab. len, die Erprobung unter konservativen Annahmen 4) werden artspezifische Fluggeschwindigkeiten für durchzuführen. unterschiedliche Flugverhalten von Thermikseglern Darüber hinaus sehen manche zu erprobenden aufgeführt, die wissenschaftlich und standardisiert Systeme eine Unterscheidung zwischen Risikosituatio- unter Einsatz eines Radarsystems ermittelt wurden. nen in Echtzeit vor, durch die eine Verringerung des Eine Vielzahl der Experten argumentierte im Fach- artspezifischen Reaktionsbereichs möglich wäre: der gespräch, dass es ausreichend sei, bei der Ermittlung Vogel befindet sich, anders als im Extremfall, nicht im des zielartenspezifischen Reaktionsbereichs jeweils geradlinigen direkten Anflug auf die WEA, sondern die mittlere Fluggeschwindigkeit unter Berücksich- kreist beispielsweise im Abstand von hundert Metern tigung eines breiten Spektrums von Flugverhalten von der WEA. Denkbar wären auch Fälle, in denen der (mixed behaviour = Berücksichtigung von Gleitflug und Vogel zwar geradlinig, jedoch „schräg“ an der WEA aktivem Flug) heranzuziehen. Diese würde die Fluger- vorbeifliegt und sich somit nicht auf Kollisionskurs eignisse am Standort überwiegend abdecken.10 Jedoch befindet. könne ein „Sicherheitsaufschlag“ vorgesehen werden, Sieht ein Detektionssystem den Einsatz einer akus- um einzelnen Sondersituationen mit sehr hohen Flug- tischen Warnung bzw. Vergrämung als Vorstufe zur geschwindigkeiten bzw. Höchstgeschwindigkeiten bedarfsgerechten Betriebsregulierung vor, muss die Rechnung zu tragen. Zur Berücksichtigung des Ein- Erkennungsreichweite über den artspezifischen Reak- flusses der Windgeschwindigkeit auf die gemessene tionsbereich hinaus entsprechend erhöht werden (s. Fluggeschwindigkeit seien die „ground speed“ Werte Kapitel 7). zu verwenden (Wert ‚Vg‘, vgl. Bruderer und Boldt 2001, Tab. 4). Im Rahmen eines weiteren KNE-Fachgesprächs11 forderten die Teilnehmer hingegen, dass bei der Ermittlung des artspezifischen Reaktionsbereichs „eine maximal gemessene (aber realistische) Flugge- schwindigkeit für die jeweilige Zielart angenommen werden“ müsse. Die Verwendung der mittleren Flug- geschwindigkeit sei wenig plausibel, die Annahme 10 Als Begründung wurde gesagt, dass zur Senkung des signifikant erhöhten Tötungsrisikos eine Verminderung des Kollisionsrisikos erforderlich sei. Ein „Null-Risiko“ sei hingegen nicht zu fordern. 11 Fachgespräch des KNE „Wirtschaftliche und technische Aspekte der bedarfsgerechten Betriebsregulierung“ am 11.12.2019 in Kassel. Hieran nahmen Projektierer, Betreiber und Vertreter bzw. Vertreterinnen des BWE Bundesverbandes und einzelner Landesverbände teil. Anforderungsprofil „Erprobung“ – © 2019 Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende
18 | K apitel 6 2. Das zu erprobende System ermittelt die tatsäch- Rahmenbedingungen, die die liche Position des Flugobjektes (insbesondere Erfassungsreichweite beeinflussen die meisten Kamerasysteme) nicht automa- Grundsätzlich kann die Erfassungsreichweite in tisch. Abhängigkeit der vorherrschenden Bedingungen vari- In diesem Fall hat die Datenerhebung vollständig ieren. Die Reichweite von Kamerasystemen wird ins- durch das Zweitsystem (zum Beispiel Beobach- besondere von Licht- und Sichtverhältnissen, Witte- ter mit Laser-Rangefinder) zu erfolgen. rung, Bewölkung, Sonnenstand, Flügelspannweite des Alternativ oder ergänzend kann in diesem Flugobjektes, Flugverhalten, Anflugwinkel und Verweil- Fall für die Erprobung der Erfassungsreichweite dauer im Systemsichtfeld beeinflusst. Bei Radarsyste- der Einsatz technischer Zweitsysteme (bspw. men können sich ebenfalls Flugobjektgröße, Flugver- Radar, Telemetrie) sinnvoll sein. Unter der Ver- halten, Anflugwinkel und Niederschlag auf die Erfas- wendung einer unbemannten Drohne mit GPS sungsreichweite des Systems auswirken. kann zumindest eine Ersterprobung durchge- führt werden. Details über die unterschiedlichen Zweitsysteme sind in Kapitel 4 ausgeführt. »» Anforderungen Bei der Erprobung sind Licht-, Sicht- und Witte- rungsbedingungen, Bewölkung, Sonnenstand Für die Dokumentation ist ein einheitliches vor Ort zu erfassen und per Handkamera inklusive Datenblatt (siehe zum Beispiel Anhang 10.3) zu Zeitstempel (bspw. GoPro) zu dokumentieren (s. verwenden. Kapitel 4.1 und Anhang 10.3). Bei der Erprobung der Erfassungsreichweite ist Aus der Gesamtheit aller Stichproben ist dann die zwischen zwei Fällen zu unterscheiden: sichere Erfassungsreichweite (der Bereich, in dem 1. Das zu erprobende System ermittelt die Position die Erfassungsrate den für das jeweilige Erpro- des Flugobjektes (insbesondere Radarsysteme, bungssystem höchstmöglichen Wert erreicht) zu Stereokamerasysteme) automatisch. 12 ermitteln. In diesem Fall ist die maximale Erfassungsreich- Durch die weitere Bestimmung des Flugobjektes weite pro Flugereignis bzw. Flugobjekt durch und dessen Verhalten durch einen Beobachter (s. die Auswertung der Systemdaten selbst zu Kapitel 6.3 und 6.4), sind artspezifische Erfassungs- ermitteln. Die Überprüfung der Genauigkeit der reichweiten abzuleiten. automatischen Positionsbestimmung durch das zu erprobende System hat durch eine GPS-be- Zur Beantwortung der Frage, ob die Erfassungs- senderte Drohne zu erfolgen. Die Testflüge sind reichweite, unter konservativen Annahmen, gleichmäßig auf den artspezifischen Reaktions- ausreichend ist, um eine WEA-Abschaltung sicher bereich zu verteilen. durchführen zu können, ist die ermittelte artspezi- Das Zweitsystem (zum Beispiel: Beobachter mit fische Erfassungsreichweite mit dem errechneten Laser-Rangefinder) übernimmt darüber hinaus artspezifischen Radius des Reaktionsbereichs zu die Erfassung von Flugobjekten und deren Flug- vergleichen (s. weiter oben in Kapitel 6.2). weg bzw. Position, die nicht vom Erprobungssys- tem erfasst wurden (Falsch-Negativ-Rate). 12 Neben den Systemen, die eine tatsächliche Bestimmung der Flugobjektposition durchführen (Radar- oder Stereokamerasysteme), existieren Kamerasysteme, die auf der Grundlage der „Größe“ der Pixelwolke und der definierten Flügelspannweite der jeweiligen Zielart eine Abschätzung der Erfassungsreichweite für einzelne Flugereignisse vornehmen. Anforderungsprofil „Erprobung“ – © 2019 Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende
K apitel 6 | 19 6.3 Erfassungsrate ZIEL: Die Erprobung der Erfassungsrate ist erforderlich, um eine Aussage darüber treffen zu können, wie viele der tatsächlich vorkommenden Flugobjekte durch das System erfasst werden. Dabei sind falsch-negativ Fälle (Flugobjekte, die durch »» Anforderungen das System „übersehen“ werden) von falsch-positiv Fällen (Flugobjekte, die nicht existieren oder kein Vogel Für die Dokumentation der vorherrschenden sind, aber durch das System als relevant registriert Bedingungen vor Ort und des Flugobjektes werden) voneinander zu trennen. Eine Unterscheidung bzw. dessen Flugverhalten ist ein einheitliches zwischen den Arten bzw. die Zielartenerkennung spielt Datenblatt (siehe zum Beispiel Anhang 10.3) zu an dieser Stelle noch keine Rolle (s. Kapitel 6.4). Die verwenden. jeweiligen Richtig-Fälle sind zu dokumentieren (Erfas- Bei der Ermittlung der Erfassungsrate sowie der sungsrate). Wie die Erfassungsreichweite wird auch die Falsch-Positiv- und Falsch-Negativ-Rate ist den in Erfassungsrate von den vorherrschenden Bedingun- den Kapiteln 4.1 und 6.2 beschriebenen Vorge- gen (Radarsysteme: insbesondere Witterung, Kamera- hensweisen bei der Datenerhebung zu folgen. systeme: Bewölkung, Sonnenstand, Sichtverhältnisse) und durch das betrachtete Flugobjekt (insbesondere Situationen, in denen das Flugobjekt nicht erfasst Flugverhalten, Körpergröße, Anflugwinkel) beeinflusst. wurde, sind unter Berücksichtigung der jeweils vorherrschenden Bedingungen sowie des Flugver- haltens zu dokumentieren (s. Anhang 10.3). Anforderungsprofil „Erprobung“ – © 2019 Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende
20 | K apitel 6 6.4 Klassifizierung des Flugobjektes ZIEL: Sieht das Erprobungssystem eine automatische Klassifizierung des erfassten Vogels vor (bspw. Größenklassen, Artengruppen, [Ziel-]Art), ist diese zu überprüfen. Sie stellt die Grundlage für eine art- bzw. artengruppenspezifische bedarfsgerechte Abschaltung dar. Die Überprüfung kann gegebenenfalls nur für einen »» Anforderungen Teil des Erfassungsbereichs des Erprobungssystems erfolgen, was die Validität der Ergebnisse aber nicht Die Erprobung des Kamera- bzw. Radarsystems grundsätzlich einschränken muss. hinsichtlich der korrekten Klassifizierung hat durch den Vergleich der Systemdaten mit den Beobach- tungsdaten zu erfolgen. Validierung der automatisierten standortspezifischen Alle richtig sowie falsch zugeordneten Fälle sind Systemdatenanalyse zu dokumentieren. Die Gründe (bspw. Sichtver- hältnisse, Flugverhalten, Anflugwinkel) für falsche Bei der Fokussierung auf relevante Flugobjekte am Klassifizierungen sind nachvollziehbar im Einzelfall jeweiligen Standort muss über Parameter und Schwel- zu beschreiben. lenwerte entschieden werden, um genau diese Objekte herausfiltern zu können (insbesondere bestimmte Können Ursachen für mehrfach auftretende falsche Größenklassen, Flugverhalten, Fluggeschwindigkeit, Klassifizierungen sicher identifiziert werden, sind dar- Flügelschlagfrequenz). Gegebenenfalls ist das System auf aufbauend Hinweise für die Weiterentwicklung in Bezug auf die Datenanalyse nachzujustieren bzw. des Erprobungssystems zu formulieren. zu optimieren. Eine abschließende Systemerprobung Die für die Durchführung der automatischen Klas- hat auf der Basis der finalen Systemkonfiguration zu sifizierung durch das Erprobungssystem erforder- erfolgen. liche Zeitdauer (in Sekunden) ist zu dokumentieren (s. Kapitel 6.2). Es ist erforderlich, die für die Datenanalyse und somit für die Fokussierung auf die vorkommenden Zielarten gesetzten Parameter und Schwellenwerte genau zu dokumentieren. Wurden Maßnahmen zur Optimierung der Datenanalyse ergriffen, sind die Anpassungen und der Optimierungserfolg detail- liert zu beschreiben. Sonderfall: Liegen keine Beobachtungsdaten bzw. Zweitsystemdaten vor, hat bei der Erprobung von Kamerasystemen eine Überprüfung der vorge- nommenen Klassifizierung durch die Sichtung der Videosequenzen zu erfolgen. Diese ist von einem erfahrenen Ornithologen durchzuführen. Kann das Flugobjekt nicht durch manuelle Auswertung der Aufzeichnungen bestimmt werden, sind die Gründe dafür genau darzulegen. Anforderungsprofil „Erprobung“ – © 2019 Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende
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