Anhedonie als psychopathologisches Symptom - Eine Untersuchung zur hedonischen Bewertung von Geruchsstoffen bei psychiatrischen Patienten

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Anhedonie als psychopathologisches Symptom - Eine Untersuchung zur hedonischen Bewertung von Geruchsstoffen bei psychiatrischen Patienten
Aus der Psychiatrischen und Psychotherapeutischen Klinik der
      Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
                Direktor: Prof. Dr. J. Kornhuber

   Anhedonie als psychopathologisches
    Symptom – Eine Untersuchung zur
hedonischen Bewertung von Geruchsstoffen
         bei psychiatrischen Patienten

                     Inaugural-Dissertation
       zur Erlangung der Doktorwürde der Humanbiologie
                 an der Medizinischen Fakultät
     der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

                         vorgelegt von
                  Dipl.-Psych. Marion Clepce
                          aus Coburg
Anhedonie als psychopathologisches Symptom - Eine Untersuchung zur hedonischen Bewertung von Geruchsstoffen bei psychiatrischen Patienten
Gedruckt mit Erlaubnis der Medizinischen Fakultät
            der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Dekan:                           Prof. Dr. med. Dr. h.c. Jürgen Schüttler
Referent:                        PD Dr. med. Norbert Thürauf
Korreferenten:                   PD Dr. med. Juan Manuel Maler
                                 Prof. Dr. phil. Heinz Jürgen Kaiser
Tag der mündlichen Prüfung:      07.09.2010
Anhedonie als psychopathologisches Symptom - Eine Untersuchung zur hedonischen Bewertung von Geruchsstoffen bei psychiatrischen Patienten
Inhaltsverzeichnis

1.   Zusammenfassung ..............................................................................................6
2.   Einleitung ............................................................................................................7
3.   Theoretischer Hintergrund................................................................................8
     3.1. Das psychopathologische Symptom der Anhedonie...................................8
     3.2. Der Geruchssinn des Menschen ................................................................10
     3.3. Geruchswahrnehmung und psychiatrische Erkrankungen ........................13
             3.3.1.        Geruchswahrnehmung bei depressiven Patienten.......................14
             3.3.2.        Geruchswahrnehmung bei schizophrenen Patienten ..................17
             3.3.3.        Geruchswahrnehmung bei Demenzpatienten .............................22
             3.3.4.        Geruchswahrnehmung bei Patienten mit Angsterkrankungen....25
4.   Ziele der Untersuchung....................................................................................27
5.   Material und Methoden ...................................................................................28
     5.1. Teilnehmende Probanden..........................................................................28
     5.2. Verwendete Erhebungsinstrumente ..........................................................30
             5.2.1.        Subjektive Geruchstestung mit dem Sniffin’ Sticks Test ...........30
             5.2.2.        Psychologische Diagnostik .........................................................33
     5.3. Ablauf der Untersuchung ..........................................................................36
6.   Statistische Analyse ..........................................................................................38
7.   Ergebnisse .........................................................................................................38
     7.1. Ergebnisse der Auswertungen für Depressionspatienten..........................39
             7.1.1.        Ergebnisse zu Depressions- und Anhedoniemaßen ....................39
             7.1.2.        Ergebnisse zur Geruchsschwelle für die Gruppe der
                           depressiven Patienten..................................................................40
             7.1.3.        Ergebnisse zur Diskrimination für die Gruppe der depressiven
                           Patienten......................................................................................40
             7.1.4.        Ergebnisse zur Identifikation für die Gruppe der depressiven
                           Patienten......................................................................................41
             7.1.5.        Ergebnisse zu den Einschätzungen von Intensität und Hedonik
                           für die Gruppe der depressiven Patienten ...................................42
             7.1.6.        Ergebnisse zu Zusammenhängen zwischen Symptommaßen
                           und Geruchsparametern für die Gruppe der depressiven
                           Patienten......................................................................................42
7.1.7.    Zusammenfassung der Ergebnisse für die Gruppe der
                depressiven Patienten..................................................................43
7.2. Ergebnisse der Auswertungen für Schizophreniepatienten ......................44
      7.2.1.    Ergebnisse zu Schizophrenie- und Anhedoniemaßen.................44
      7.2.2.    Ergebnisse zur Geruchsschwelle für die Gruppe der
                Schizophreniepatienten ...............................................................45
      7.2.3.    Ergebnisse zur Diskrimination für die Gruppe der
                Schizophreniepatienten ...............................................................45
      7.2.4.    Ergebnisse zur Identifikation für die Gruppe der
                Schizophreniepatienten ...............................................................46
      7.2.5.    Ergebnisse zu den Einschätzungen von Intensität und Hedonik
                für die Gruppe der Schizophreniepatienten ................................47
      7.2.6.    Ergebnisse zu Zusammenhängen zwischen Symptommaßen
                und Geruchsparametern für die Gruppe der
                Schizophreniepatienten ...............................................................48
      7.2.7.    Zusammenfassung der Ergebnisse für die Gruppe der
                Schizophreniepatienten ...............................................................48
7.3. Ergebnisse der Auswertungen für Demenzpatienten ................................49
      7.3.1.    Ergebnisse zu Demenz- und Anhedoniemaßen ..........................49
      7.3.2.    Ergebnisse zur Geruchsschwelle für die Gruppe der
                Demenzpatienten ........................................................................49
      7.3.3.    Ergebnisse zur Diskrimination für die Gruppe der
                Demenzpatienten ........................................................................50
      7.3.4.    Ergebnisse zur Identifikation für die Gruppe der
                Demenzpatienten ........................................................................50
      7.3.5.    Ergebnisse zu den Einschätzungen von Intensität und Hedonik
                für die Gruppe der Demenzpatienten..........................................50
      7.3.6.    Ergebnisse zu Zusammenhängen zwischen Symptommaßen
                und Geruchsparametern für die Gruppe der Demenzpatienten ..52
      7.3.7.    Zusammenfassung der Ergebnisse für die Gruppe der
                Demenzpatienten ........................................................................52
7.4. Ergebnisse der Auswertungen für Angstpatienten....................................53
      7.4.1.    Ergebnisse zu Angst- und Anhedoniemaßen ..............................53
7.4.2.        Ergebnisse zur Geruchsschwelle für die Gruppe der
                            Angstpatienten ............................................................................55
              7.4.3.        Ergebnisse zur Diskrimination für die Gruppe der
                            Angstpatienten ............................................................................55
              7.4.4.        Ergebnisse zur Identifikation für die Gruppe der
                            Angstpatienten ............................................................................56
              7.4.5.        Ergebnisse zu den Einschätzungen von Intensität und Hedonik
                            für die Gruppe der Angstpatienten..............................................56
              7.4.6.        Ergebnisse zu Zusammenhängen zwischen Symptommaßen
                            und Geruchsparametern für die Gruppe der Angstpatienten ......58
              7.4.7.        Zusammenfassung der Ergebnisse für die Gruppe der
                            Angstpatienten ............................................................................59
8.    Diskussion..........................................................................................................59
      8.1. Diskussion des methodischen Vorgehens .................................................60
      8.2. Diskussion der Ergebnisse für Depressionspatienten ...............................62
      8.3. Diskussion der Ergebnisse für Schizophreniepatienten ............................65
      8.4. Diskussion der Ergebnisse für Demenzpatienten......................................68
      8.5. Diskussion der Ergebnisse für Angstpatienten .........................................71
      8.6. Zusammenfassende Interpretation und Bewertung...................................72
9.    Ausblick .............................................................................................................73
10.   Literaturverzeichnis .........................................................................................74
11.   Abkürzungsverzeichnis....................................................................................89
12.   Publikationen ....................................................................................................90
13.   Danksagung.......................................................................................................91
14.   Lebenslauf .........................................................................................................92
6

1.   Zusammenfassung

Hintergrund und Ziele: Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Erfassung
von Veränderungen in der Geruchswahrnehmung bei psychiatrischen Patienten. Der
Schwerpunkt liegt auf der hedonischen Bewertung olfaktorischer Stimuli und
möglichen Zusammenhängen mit dem psychopathologischen Symptom der
Anhedonie. Anhedonie beschreibt das Phänomen der Unfähigkeit, Freude an
Aktivitäten des täglichen Lebens zu empfinden, die normalerweise als angenehm
erlebt werden. Es handelt sich um ein häufiges Symptom psychiatrischer
Störungsbilder, wie zum Beispiel Depression, Schizophrenie, Suchterkrankungen
oder Demenz, das für Betroffene großes Leid und Beeinträchtigungen im alltäglichen
Lebensvollzug mit sich bringt. Vorliegende Forschungsergebnisse zu Riechstörungen
bei psychiatrisch Erkrankten und den neuronalen Verknüpfungen des Geruchssinns
mit dem emotionalen System werfen die Frage auf, ob sich das klinische Bild der
Anhedonie auch auf einer basalen physiologischen Ebene in Form einer
eingeschränkten hedonischen Bewertung von Geruchsstoffen nachweisen lässt.
       Methoden: Die Fragestellung soll für drei psychiatrische Krankheitsbilder
überprüft werden, bei denen Anhedonie typischerweise auftritt, nämlich Depression
(n=37), Schizophrenie (n=34) und Demenz (n=18). Verglichen werden die Daten mit
denen einer nach Alter und Geschlecht parallelisierten Kontrollgruppe. Die
Kontrollprobanden werden aus dem Pool der Datenbank Hedos-F gezogen, die
Riechtestbefunde von n=201 gesunden Personen enthält. Zur Kontrolle von
Medikamenteneinflüssen wird eine weitere klinische Kontrollgruppe von Patienten
mit Angststörungen (n=17) untersucht, die ebenso wie Depressive mit Antidepressiva
behandelt werden, bei denen aber Anhedonie nicht zu den typischen Symptomen
zählt. Es erfolgt eine Verlaufsuntersuchung mit zwei Erhebungszeitpunkten,
terminiert   gemäß    klinischer   Verlaufsaspekte   der   Störungsbilder.   Zu   den
Messzeitpunkten wird der Sniffin’ Sticks-Test zur Erfassung von Riechschwelle,
Identifikation und Diskrimination eingesetzt, erweitert um visuelle Analogskalen zur
Erfassung der Intensitätseinschätzung und hedonischen Bewertung der präsentierten
olfaktorischen   Stimuli.   Parallel   kommen   psychologische    Testverfahren   zur
Schweregradeinschätzung der psychiatrischen Symptomatik zum Einsatz (Angst:
Beck Angst-Inventar; Demenz: Mini Mental Status Test; Depression: Beck-
7

Depressions-Inventar; Schizophrenie: Positive and Negative Syndrome Scale), sowie
die Snaith-Hamilton-Pleasure-Scale zur Erfassung der empfundenen Anhedonie.
       Ergebnisse und Beobachtungen: Bezüglich Riechschwelle, Identifikation
und Diskrimination ergab sich für die vier Störungsgruppen jeweils ein
charakteristisches Muster von Defiziten und erhaltenen Fähigkeiten. Die hedonischen
Geruchsurteile erschienen im Rahmen einer akuten Depression intakt, während
Demenzpatienten die Testgerüche im Vergleich mit Gesunden als angenehmer
beurteilten. Schizophrenie- und Angstpatienten zeigten bei ihren hedonischen Ratings
einen erweiterten Beurteilungsrange. Statistische Zusammenhänge zwischen den
hedonischen Bewertungen und Anhedonie ergaben sich nur für die Gruppe der
Depressionspatienten.
     Praktische Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse zu Veränderungen der
Riechwahrnehmung im Rahmen der vier untersuchten Störungsbilder sprechen für die
in der Literatur geäußerte Hypothese, dass Riechstörungen als biologischer Marker
für neurologische und psychiatrische Erkrankungen gelten können. Dabei ergibt sich
jeweils ein spezifisches und typisches Muster an Beeinträchtigungen. Die Frage nach
dem Zusammenhang zwischen erlebter Anhedonie und Veränderungen in der
hedonischen Wahrnehmung von Gerüchen lässt sich gemäß der vorliegenden
Befunde nicht allgemein beantworten, sondern muss für jedes Störungsbild gesondert
betrachtet werden. Die Hypothese, dass Anhedonie bei verschiedenen psychiatrischen
Erkrankungen nicht auf die gleichen biologischen Phänomene reduziert werden kann,
erscheint deshalb wahrscheinlich.

2.   Einleitung

Inzwischen kann es als belegt gelten, dass als Begleitphänomen verschiedener
psychiatrischer und neurologischer Erkrankungen Veränderungen des Geruchssinns
auftreten, so zum Beispiel bei Demenz, Parkinson oder Schizophrenie (Albers, M.W.,
Tabert, M.H. & Devanand, D.P., 2006; Atanasova, B., Graux, J., El Hage, W. et al.,
2008). Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Natur dieser Anomalien in der
olfaktorischen Wahrnehmung für ausgewählte psychiatrische Störungsbilder näher zu
untersuchen. Ein besonderer Schwerpunkt soll dabei auf der subjektiven hedonischen
Bewertung präsentierter Geruchsstimuli liegen. Die Beurteilung von Reizen als
8

angenehm oder unangenehm erscheint besonders im Bereich psychiatrischer
Erkrankungen als vielversprechendes Forschungsfeld. Interessant ist hier vor allem
eine mögliche Verknüpfung zwischen Veränderungen in der hedonischen
Wahrnehmung und dem psychopathologischen Symptom der Anhedonie, einem
Defizit in der Fähigkeit, Freude und Genuss an alltäglichen Erlebnissen zu
empfinden, das im Rahmen verschiedener psychiatrischer Störungsbilder auftritt.

3.     Theoretischer Hintergrund

Im folgenden Abschnitt soll ein Überblick zum theoretischen Hintergrund dieser
Arbeit gegeben werden. Dabei wird zunächst auf das Symptom der Anhedonie näher
eingegangen (siehe Kapitel 3.1.). Es folgt eine Darstellung der anatomischen und
physiologischen Grundlagen des Riechsystems (siehe Kapitel 3.2.). Anschließend soll
ein    Überblick   über    die    aktuelle   Literatur   zu    Veränderungen      der
Geruchswahrnehmung im Rahmen der psychiatrischen Störungsbilder gegeben
werden, die im Blickpunkt dieser Arbeit stehen, nämlich Schizophrenie, Depression,
Demenz und Angsterkrankungen (siehe Kapitel 3.3.).

3.1.     Das psychopathologische Symptom der Anhedonie

Nach Berrios und Olivares (1995) wurde der Begriff Anhedonie 1897 durch den
französischen Philosophen und Psychologen Ribot geprägt, zur Beschreibung des
Phänomens einer „general inability to experience pleasure” (S. 453). Weitere
Definitionen für dieses psychopathologische Symptom finden sich in der Literatur.
Dazu zählen „a relative lack of pleasure in response to formerly rewarding stimuli”
(Keedwell, P.A., Andrew, C., Williams, S.C. et al., 2005, S. 843) oder Anhedonie als
„blocking of the reward reinforcement of usually reinforcing stimuli” (Rado, 1956;
zitiert nach Berrios, G.E. & Olivares, J.M., 1995, S. 454). Anhedonie beschreibt also
einen Zustand, der durch einen Verlust der Freude an vormals als angenehm erlebten
Aktivitäten und Erfahrungen geprägt ist. Anhedonie ist ein häufiges Symptom
verschiedener psychiatrischer Störungsbilder, wie zum Beispiel Depression (Clark,
D.A., Beck, A.T. & Beck, J.S., 1994; Dilling, H., Mombour, W. & Schmidt, M.H.,
1991), Schizophrenie (Dilling, H., Mombour, W. & Schmidt, M.H., 1991), Demenz
9

(Bungener, C., Jouvent, R. & Derouesne, C., 1996; Reichman, W.E. & Coyne, A.C.,
1995) oder Abhängigkeitserkrankungen (Heinz, A., Schmidt, L.G. & Reischies, F.M.,
1994). Für betroffene Patienten bedeutet dieses Symptom großes Leid und schwere
Beeinträchtigungen des alltäglichen Lebensvollzugs.
       Nach Berrios und Olivares (1995) unterschied bereits William James um 1903
zwischen Anhedonie als State- und als Trait-Variable. Dementsprechend kann
Anhedonie also entweder im Sinne eines vorübergehenden Zustandes (state) oder
aber auch als überdauerndes Persönlichkeitsmerkmal (trait) verstanden werden. Eine
Zwillingsstudie (Bogdan, R. & Pizzagalli, D.A., 2009) kennzeichnet hedonische
Kapazität und damit auch Anhedonie als Personenmerkmale mit ausgeprägter
erblicher Komponente.
       Die neuronalen Korrelate des psychopathologischen Phänomens der
Anhedonie werden derzeit beforscht. In einer fMRT-Untersuchung an unter
Anhedonie leidenden Depressiven (Keedwell, P.A., Andrew, C., Williams, S.C. et al.,
2005) fanden sich für die Anhedonie ein positiver Zusammenhang mit einer
Aktivierung im ventromedialen präfrontalen Kortex und ein inverser Zusammenhang
mit Aktivierung in Amygdala und ventralem Striatum. In einer weiteren fMRT-Studie
an depressiven Frauen mit hohen Anhedonie-Werten (Mitterschiffthaler, M.T.,
Kumari, V., Malhi, G.S. et al., 2003) zeigten die Patientinnen im Vergleich zu
gesunden Kontrollpersonen eine verminderte Aktivität im medialen frontalen Kortex
und erhöhte Aktivität im inferioren frontalen Kortex, anteriorem Cingulum,
Thalamus, Putamen und der Insula. In einer fMRT-Untersuchung an gesunden
Probanden mit hohen Werten in einem Fragebogen für Anhedonie als Trait-Faktor
(Harvey, P.O., Pruessner, J., Czechowska, Y. et al., 2007) ging Anhedonie mit einer
Volumenminderung im anterioren Nucleus caudatus einher. Auf funktioneller Ebene
ergab sich für die anhedonen Probanden bei der Verarbeitung positiver Reize eine
erhöhte Aktivität im ventromedialen präfrontalen Kortex. In einer Übersichtsarbeit zu
den neuronalen Korrelaten der Anhedonie bringt Gorwood (2008) das Symptom in
Zusammenhang mit einer verminderten Aktivierung im ventralen Striatum
einschließlich des Nucleus accumbens und einer Überaktivität des ventralen
präfrontalen Kortex und des orbitofrontalen Kortex. Eine neuere fMRT-Untersuchung
bringt Anhedonie bei Depression mit Hirnarealen in Verbindung, die für Belohnung
und Motivation relevant sind (Heller, A.S., Johnstone, T., Shackman, A.J. et al.,
2009). Die Autoren verfolgen die Hypothese, dass Anhedonie nicht als eine einfache
10

Minderung der hedonischen Wahrnehmungsfähigkeit zu verstehen ist, sondern als
Unfähigkeit, positive affektive Zustände über längere Zeit aufrecht zu erhalten.
Tatsächlich fanden sie bei ihren depressiven Patienten in einer Aufgabe zur
Emotionsregulation eine verminderte Fähigkeit, die Aktivität des Nucleus accumbens,
eines Hirnareals mit zentraler Bedeutung für Belohnung und positive Affektivität,
über längere Zeit aufrecht zu erhalten. Verursacht wird dieses Defizit durch eine
gestörte Konnektivität mit dem präfrontalen Kortex, der das fronto-striatale
Belohnungsnetzwerk steuert. Heinz (1999) kommt in seiner Zusammenschau der
Literatur zum Thema Anhedonie bei Abhängigkeitserkrankungen dagegen zu dem
Fazit, dass Anhedonie entgegen früherer Annahmen nicht mit Dysfunktionen des
dopaminergen Belohnungssystem assoziiert zu sein scheint.
       Insgesamt sind die neuronalen Grundlagen der Anhedonie bei verschiedenen
psychiatrischen Störungsbildern also noch nicht vollständig entschlüsselt. Auch die
Frage, inwiefern sich Anhedonie möglicherweise auf einer basalen physiologischen
Ebene in Form einer gestörten hedonischen Bewertung von Sinnesreizen in den
verschiedenen Wahrnehmungskanälen niederschlägt, bleibt derzeit noch offen. Nicht
zuletzt wegen der engen Verknüpfung des olfaktorischen Systems mit Emotionen
(siehe Kapitel 3.2.) und zahlreichen Vorbefunden zu Geruchsstörungen im Rahmen
psychiatrischer   Erkrankungen     (siehe    Kapitel   3.3)   erscheint   es   besonders
vielversprechend, die Möglichkeit einer Assoziation zwischen dem Symptom der
Anhedonie und Störungen in der hedonischen Geruchswahrnehmung zu untersuchen:
„It is interesting to study the possibility that anhedonia can be expressed also at the
olfactory level“ (Atanasova, B., Graux, J., El Hage, W. et al., 2008; p. 1322).

3.2.     Der Geruchssinn des Menschen

Die folgende Darstellung der Anatomie und Physiologie des olfaktorischen Systems
folgt im Wesentlichen Birbaumer und Schmidt (1999), sowie Schmidt, Thews und
Lang (2000).
       Geruch und Geschmack werden den chemischen Sinnen zugeordnet.
Phylogenetisch betrachtet gehören sie zu den ältesten Sinnessystemen des Menschen.
Der Geruchssinn – einschließlich des nasal-trigeminalen Systems – hat unter anderem
wichtige Kontrollfunktionen bei der Nahrungsaufnahme oder in Bezug auf potentielle
11

Gefahrenreize aus der Umwelt (zum Beispiel Rauchgeruch als Warnhinweis für
Feuer). Nicht nur in der Tierwelt, sondern auch beim Menschen spielt der
Geruchssinn eine große Rolle in der zwischenmenschlichen Kommunikation, so zum
Beispiel bei der Mutter-Kind-Interaktion oder der Partnerwahl. Der Geruchssinn
besitzt außerdem eine starke emotionale Komponente.
       Prinzipiell kann das menschliche Gehirn etwa 10.000 verschiedene Düfte
unterscheiden. An der Wahrnehmung von Geruchsreizen sind zwei verschiedene
Sinnessysteme beteiligt: das olfaktorische und das trigeminale. Das olfaktorische
System reagiert auf Moleküle flüchtiger Verbindungen in Gasform. Diese Reize
treffen auf die Riechzellen, die in einem Schleimhautareal im Inneren der Nase, dem
sogenannten Riechepithel, angeordnet sind. Das Riechepithel umfasst beidseits eine
Fläche von etwa 5cm2 und befindet sich in der hinteren oberen Nasenhöhle. Der
Mensch besitzt circa 30 Millionen Riechzellen, die nach einer durchschnittlichen
Lebensdauer von etwa 30 Tagen regelmäßig erneuert werden. Die Riechzellen
besitzen einen kurzen dendritischen Fortsatz, der zur Schleimhautoberfläche zieht,
sowie ein langes Axon für die Signalweiterleitung zum Gehirn. Die Dendriten
entsenden zahlreiche Zilien oder Sinneshaare in die Schleimhaut. In der
Zilienmembran befinden sich die Geruchsrezeptoren, an die Riechstoffmoleküle
anbinden müssen, um den Prozess der Signaltransduktion zu starten und
wahrgenommen zu werden. Beim Andocken eines passenden Moleküls an den
Rezeptor wird eine intrazelluläre Signalkaskade ausgelöst, die zur Öffnung von
Ionenkanälen führt. Dadurch entsteht ein depolarisierendes Sensorpotential, das im
Prozess der Transformation in ein Aktionspotential mündet, das über das Axon
weitergeleitet wird.
       Die Axone der Riechzellen bilden beim Austritt aus dem Riechepithel Bündel
von 10 bis 100 Axonen, die sogenannten Fila olfactoria. Die Fila olfactoria treten
durch die winzigen Löcher der Lamina cribosa, also des knöchernen Siebbeins, aus
der Nasenhöhle aus. Vereinigt zum Nervus olfactorius, dem ersten Hirnnerven,
ziehen sie zum Bulbus olfactorius, dem sogenannten Riechkolben des Gehirns. Abb.
1 gibt entsprechend einen grafischen Überblick zur Anatomie der ersten Stationen des
Riechsystems von der Nase bis zum Bulbus olfactorius.
12

     Abb. 1 Anatomischer Aufbau des Riechsystems von der Nase bis zum Bulbus olfactorius.
                           (aus: Birbaumer & Schmidt, 1999, S. 444)

Die Riechbahn führt vom Bulbus olfactorius weiter über den Tractus olfactorius in
verschiedene Gebiete des Paläokortex, die gemeinsam als Riechhirn bezeichnet
werden. Dazu gehören das Tuberculum olfactorium, die Area präpiriformis, Teile des
Mandelkerns und die Regio entorhinalis. Vom Riechhirn wird die Information zum
einen über den Thalamus zum orbitofrontalen Kortex weitergeleitet. Zum anderen
ziehen vom Riechhirn auch Bahnen zu Arealen des limbischen Systems und von dort
weiter zu vegetativen Kernen des Hypothalamus und der Formatio reticularis. Die
enge Verschaltung mit dem limbischen System ist vermutlich für die starke
emotionale Komponente der Geruchswahrnehmung verantwortlich. Abb. 2 zeigt die
Verbindungen der Riechbahn noch einmal grafisch.

                        Abb. 2 Neuronale Verbindungen der Riechbahn.
                           (aus: Birbaumer & Schmidt, 1999, S. 444)
13

Atanasova    und    Kollegen    (2008)    fassen      in   einer   Übersichtsarbeit    zur
Geruchswahrnehmung bei verschiedenen psychiatrischen Erkrankungen die aktuelle
Literatur zur Assoziation bestimmter Hirnareale mit spezifischen Geruchsaufgaben
zusammen. Dabei wird die Intensitätseinschätzung mit Aktivität im piriformen
Kortex (Rolls, E.T., Kringelbach, M.L. & de Araujo, I.E., 2003) und der Amygdala
(Anderson, A.K., Christoff, K., Stappen, I. et al., 2003) in Verbindung gebracht. Der
orbitofrontale Kortex scheint bei der Identifikation, der Diskrimination und der
hedonischen Bewertung von Gerüchen involviert zu sein (Zald, D.H. & Pardo, J.V.,
1997; Zald, D.H., Mattson, D.L. & Pardo, J.V., 2002). Weitere Studien zeigen, dass
an der hedonischen Bewertung von Duftstoffen neben dem orbitofronatalen Kortex
auch das limbische System beteiligt ist (Royet, J.P., Plailly, J., Delon-Martin, C. et
al., 2003; Zald, D.H. & Pardo, J.V., 1997), und hier vor allem die Amygdala. Die
Arbeitsgruppe um Winston (2005) berichtet, dass die Amygdala die Interaktion von
Intensität und hedonischer Valenz codiert. Das würde bedeuten, dass eine
Amygdalaaktivierung weder Geruchsintensität noch hedonische Beurteilung des
Duftstoffes an sich repräsentiert, sondern eine übergreifende emotionale Bewertung
des Stimulus.
       Neben dem olfaktorischen- ist auch das trigeminale System an der
Wahrnehmung von Duftstoffen beteiligt. In Nasenschleimhaut und Mundrachenraum
befinden sich freie Nervenendigungen des Nervus trigeminus mit nozizeptiver und
olfaktorischer Funktion. Dabei unterscheidet man reine Riechstoffe (z.B. Lavendel)
von solchen Duftstoffen, die auch eine trigeminale Komponente besitzen (z.B.
Menthol)    oder   eine   trigeminale    und   eine    Geschmacks-Komponente          (z.B.
Chloroform). Aktivierungen des nasaltrigeminalen Systems werden gewöhnlich als
stechend-beißende Empfindung beschrieben, Aktivierungen des oraltrigeminalen
Systems als brennend-scharf.

3.3.    Geruchswahrnehmung und psychiatrische Erkrankungen

Veränderungen des Geruchssinns sind bei verschiedenen psychiatrischen und
neurologischen Erkrankungen beschrieben, so zum Beispiel bei Schizophrenie,
Depression, Alzheimer, Parkinson oder Chorea Huntington. Einen Überblick liefern
beispielsweise Atanasova und Kollegen (2008) oder Hawkes (2006). Atanasova und
14

Kollegen (2008) kommen nach Sichtung der aktuellen Literatur sogar zu folgender
Schlussfolgerung: „olfactory abnormalities might be a marker of psychiatric
conditions, with a specific pattern for each disease“ (S. 1323). Auf Befunde zu diesen
spezifischen Besonderheiten in der Geruchswahrnehmung soll für die vier
Störungsbilder, die im Mittelpunkt dieser Arbeit stehen, im Folgenden näher
eingegangen werden. Dabei werden, soweit jeweils vorliegend, Ergebnisse zu fünf
verschiedenen Bereichen der Riechleistung dargestellt: 1.) zur olfaktorischen
Sensitivität oder Riechschwelle, 2.) zur Geruchsdiskrimination, also der Fähigkeit zur
Unterscheidung verschiedener Riechstoffe, 3.) zur Identifikation, also dem Erkennen
und Benennen von Gerüchen, 4.) zur Intensitätseinschätzung, also der Bewertung
über die Stärke eines Geruchsreizes und 5.) zur hedonischen Beurteilung, also der
Einstufung von olfaktorischen Stimuli als angenehm oder unangenehm. So weit
vorliegend, soll auch auf entsprechende Befunde zu strukturellen und funktionellen
Anomalien von Gehirn und Nervensystem eingegangen werden.

                 3.3.1.   Geruchswahrnehmung bei depressiven Patienten

Im Tierexperiment finden sich Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen dem
olfaktorischen System und depressiven Symptomen. So beschäftigte sich zum
Beispiel die Arbeitsgruppe um Wang mit Ratten, denen der Bulbus olfactorius
entfernt worden war (2007). Im Verhalten dieser Tiere und verschiedenen
neurochemischen Parametern entdeckten sie Ähnlichkeiten zu Symptomen einer
depressiven Episode mit komorbider Angstsymptomatik, wie zum Beispiel
Agitiertheit, sexuelle und kognitive Dysfunktionen oder Degeneration von Neuronen.
Sie ziehen daraus den Schluss, dass Ratten nach Bulbektomie als ein Tiermodell für
das Studium depressiver Störungen dienen könnten.
       Aber auch beim Menschen belegen zahlreiche Untersuchungen das Vorliegen
einer veränderten Geruchswahrnehmung in Zusammenhang mit depressiven
Erkrankungen. So lassen sich bereits bei der Betrachtung olfaktorisch evozierter
Potentiale Unterschiede zwischen Depressiven und gesunden Kontrollpersonen
feststellen (Pause, B.M., Raack, N., Sojka, B. et al., 2003). Akut erkrankte Patienten
zeigten hier reduzierte Amplituden von P2 und P3-1, was auf eine Störung in einem
frühen Stadium der Reizverarbeitung hindeutet. Nach erfolgreicher medikamentöser
15

Behandlung erwiesen sich diese Veränderungen in der hirnelektrischen Aktivität als
reversibel.
       In mehreren Studien ergab sich bei depressiven Patienten eine im Vergleich zu
Gesunden verminderte olfaktorische Sensitivität (Lombion-Pouthier, S., Vandel, P.,
Nezelof, S. et al., 2006; Pause, B.M., Miranda, A., Goder, R. et al., 2001).
Übereinstimmend fand die Arbeitsgruppe um Pollatos (2007) auch bei Gesunden eine
signifikante negative Korrelation zwischen der Sensitivitätsleistung und Werten im
Beck-Depressions-Inventar als Ausdruck für eine in diesem Falle subklinische
Belastung durch depressive Symptome. Die Ergebnisse von Pause und Kollegen
(2001) lassen vermuten, dass die während einer depressiven Episode festgestellten
Veränderungen in der Riechschwelle reversibel sind und sich nach einer erfolgreichen
Behandlung wieder zurückbilden. Aber es finden sich in der Literatur auch
gegensätzliche Befunde. Gross-Isseroff und Kollegen (1994) untersuchten an einer
relativ kleinen Stichprobe von nur neun depressiven Patienten ebenfalls die
Geruchsschwelle. Dabei fanden sie keine Unterschiede bezüglich der Sensitivität
zwischen Patienten und gesunden Kontrollpersonen. Bei einer Nachuntersuchung
sechs Monate nach Aufnahme einer antidepressiven Behandlung jedoch, zeigten die
Patienten verglichen mit der Kontrollgruppe eine signifikant erhöhte Sensitivität für
die Substanz Isoamyl Acetat. In einer weiteren Untersuchung (Thomas, H.J., Fries,
W. & Distel, H., 2002) fanden sich bei Depressiven keine Veränderungen der
Riechschwelle. Ebenso ergab sich in einer Studie an Personen im höheren Lebensalter
keine Korrelation zwischen depressiven Symptomen und der olfaktorischen
Sensitivität (Scinska, A., Wrobel, E., Korkosz, A. et al., 2008).
       Die Ergebnislage zur saisonalen oder sogenannten Winterdepression ist zum
gegenwärtigen Zeitpunkt unklar. Während die Arbeitsgruppe um Postolache (1999) in
einer ersten Studie keine Unterschiede in der olfaktorischen Sensitivität zwischen
betroffenen Patienten und gesunden Kontrollen entdecken konnten, fanden sie in
einer zweiten Untersuchung (Postolache, T.T., Wehr, T.A., Doty, R.L. et al., 2002)
bei den Patienten eine erhöhte Sensitivität.
       Zur olfaktorischen Diskriminationsfähigkeit depressiver Patienten finden sich
nur wenige Studien. In der bereits genannten Untersuchung von Pollatos und
Kollegen (2007) ergab sich für gesunde Probanden kein signifikanter Zusammenhang
zwischen der Diskriminationsleistung und depressiven Symptomen.
16

       Bezüglich der Identifikation von Gerüchen fanden sich keine Unterschiede
zwischen depressiven Patienten und gesunden Kontrollen (Amsterdam, J.D., Settle,
R.G., Doty, R.L. et al., 1987). In der bereits erwähnten Studie an Personen im
höheren Lebensalter ergab sich auch keine Korrelation zwischen depressiven
Symptomen und der Identifkationsleistung (Scinska, A., Wrobel, E., Korkosz, A. et
al., 2008). Für die saisonale Depression lassen die Daten der Arbeitsgruppe um
Postolache (1999) einen Lateralisierungseffekt vermuten. Hier ergab sich nur für das
rechte Nasenloch eine signifikante negative Korrelation zwischen depressiven
Symptomen und Werten im University of Pennsylvania Smell Identification Test
(UPSIT).
       Bisherige Studien zu Intensitätseinschätzungen von Gerüchen bei Depressiven
lieferten keine Belege für generelle Unterschiede zwischen Patienten und gesunden
Kontrollpersonen (Pause, B.M., Miranda, A., Goder, R. et al., 2001; Thomas, H.J.,
Fries, W. & Distel, H., 2002). Bezüglich der hedonischen Bewertung olfaktorischer
Stimuli ist die bisherige Ergebnislage jedoch als uneindeutig zu bezeichnen. In den
beiden bereits genannten Studien zur subjektiven Bewertung von Geruchsreizen
fanden sich keine Unterschiede, weder zwischen den Einschätzungen von Patienten
und gesunden Kontrollprobanden, noch zwischen den Ratings der Patienten im
akuten und remittierten Zustand (Pause, B.M., Miranda, A., Goder, R. et al., 2001;
Thomas, H.J., Fries, W. & Distel, H., 2002). In einer Untersuchung ergab sich jedoch
eine Ausnahme: depressive Patienten beurteilten den Duftstoff Citral als angenehmer,
als dies Gesunde taten (Pause, B.M., Miranda, A., Goder, R. et al., 2001). In einer
französischen Studie schienen die Patienten dagegen den hedonischen Wert
angenehmer Düfte im Durchschnitt höher zu bewerten (Lombion-Pouthier, S.,
Vandel, P., Nezelof, S. et al., 2006). Diese mangelnde Konsistenz in der Datenlage
kann unter anderem auf methodische Unterschiede zwischen den einzelnen Studien
zurückgeführt werden. So wurden in den verschiedenen Untersuchungen zum
Beispiel unterschiedliche Zusammenstellungen von Geruchsstimuli verwendet: die
Arbeitsgruppe um Thomas (2002) gab ihren Probanden nur acht Düfte zur
Beurteilung vor, Pause und Kollegen (2001) benutzten zehn Gerüche und die
Arbeitsgruppe um Lombion-Pouthier (2006) 16. In allen drei Studien wurde das
Beck-Depressions-Inventar zur Erfassung depressiver Symptome             verwendet.
Besonders zu berücksichtigen ist ferner, dass in keiner der drei Studien die Schwere
der erlebten Anhedonie erhoben wurde. Dies erscheint problematisch, da es sich bei
17

der Anhedonie nicht um ein obligatorisches Symptom für eine depressive Episode
handelt (American Psychiatric Association, 2000; Fawcett, J., Clark, D.C., Scheftner,
W.A. et al., 1983a; Fawcett, J., Clark, D.C., Scheftner, W.A. et al., 1983b) und
deshalb nicht davon ausgegangen werden kann, dass alle Patienten in gleichem Maße
unter anhedonen Beschwerden leiden.
       Insgesamt ist das Vorliegen von Veränderungen in verschiedenen Domänen
des Geruchssinns bei depressiven Patienten also vielfach belegt, auch wenn in einigen
Bereichen die genaue Natur dieser Anomalien noch nicht feststeht.

                  3.3.2.   Geruchswahrnehmung bei schizophrenen Patienten

Anomalien im Geruchsvermögen von schizophrenen Patienten sind inzwischen
ebenfalls vielfach belegt. Übersichten liefern Atanasova und Kollegen (2008), sowie
Moberg und Kollegen (1999).
       Verschiedene Studien geben Hinweise darauf, dass bei Schizophrenen bereits
im peripheren Bereich auf der Ebene der Geruchsrezeptoren Beeinträchtigungen
vorzuliegen scheinen (Turetsky, B.I., Hahn, C.G., Arnold, S.E. et al., 2009; Turetsky,
B.I. & Moberg, P.J., 2009). Als pathophysiologischer Mechanismus werden
Störungen der cAMP-vermittelten intrazellulären Signaltransduktion vermutet.
       Auch auf hirnstruktureller Ebene finden sich im olfaktorischen System
Unterschiede zwischen Schizophrenen und gesunden Vergleichsgruppen. So scheint
bei diesen Patienten das Volumen des Bulbus olfactorius vermindert zu sein
(Turetsky, B.I., Moberg, P.J., Yousem, D.M. et al., 2000; Turetsky, B.I., Moberg,
P.J., Arnold, S.E. et al., 2003). Weitere MRT-Studien an Betroffenen liefern
Hinweise auf das Vorliegen einer beidseitigen Volumenreduktion von Hippokampus
und Amygdala (Rupp, C.I., Fleischhacker, W.W., Kemmler, G. et al., 2005a), sowie
auf ein vermindertes Volumen des perirhinalen und entorhinalen Kortex (Turetsky,
B.I., Moberg, P.J., Roalf, D.R. et al., 2003).
       Hinweise auf funktionelle Anomalien bei der Bearbeitung von Riechaufgaben
liegen ebenfalls vor. So fanden Bertollo, Cowen und Levy (1996) bei schizophrenen
Patienten im Vergleich zu Gesunden einen Hypometabolismus in olfaktorischen
kortikalen Projektionsarealen, und zwar vor allem im lateroposterioren Quadranten
des orbitofrontalen Kortex. Bei der Untersuchung olfaktorisch evozierter Potentiale
18

zeigten Patienten verminderte N1- und P2-Amplituden, sowie eine vergrößerte P2-
Latenz (Turetsky, B.I., Moberg, P.J., Owzar, K. et al., 2003).
          Die Datenlage zur Riechschwelle schizophrener Patienten ist derzeit
widersprüchlich. Während sich in einigen Untersuchungen keine Unterschiede
zwischen Patienten und Kontrollpersonen fanden (Geddes, J., Huws, R. & Pratt, P.,
1991; Moberg, P.J., Arnold, S.E., Doty, R.L. et al., 2006; Plailly, J., d'Amato, T.,
Saoud, M. et al., 2006), oder Patienten gar eine erhöhte Sensitivität zeigten (Sirota,
P., Davidson, B., Mosheva, T. et al., 1999), schnitten Schizophrene in anderen
Untersuchungen schlechter ab als Gesunde (Rupp, C.I., Fleischhacker, W.W.,
Kemmler, G. et al., 2005a; Rupp, C.I., Fleischhacker, W.W., Kemmler, G. et al.,
2005b). Auf hirnstruktureller Ebene fanden Turetsky und Kollegen (2003) in ihrer
bereits     genannten     MRT-Studie     einen     Zusammenhang        zwischen     der
Volumenreduktion im perirhinalen Kortex und einer verminderten olfaktorischen
Sensitivität. In einer anderen Studie derselben Arbeitsgruppe (Turetsky, B.I., Moberg,
P.J., Owzar, K. et al., 2003) ergab sich bei der Untersuchung olfaktorisch evozierter
Potentiale von Schizophrenen eine Korrelation zwischen den beobachteten N1-
Anomalien und einer verminderten Sensitivität.
          Zur Diskriminationsfähigkeit schizophrener Patienten finden sich nur wenige
Untersuchungen. Hier schnitten Erkrankte in der Regel schlechter ab als gesunde
Vergleichspersonen (Rupp, C.I., Fleischhacker, W.W., Kemmler, G. et al., 2005a;
Rupp, C.I., Fleischhacker, W.W., Kemmler, G. et al., 2005b). In der bereits
genannten MRT-Studie (Rupp, C.I., Fleischhacker, W.W., Kemmler, G. et al., 2005a)
ergab sich außerdem für die Patienten ein Zusammenhang zwischen geringerem
Hippokampus-Volumen und schlechteren Leistungen in der Diskriminationsaufgabe.
          Als am besten belegte Anomalie im Bereich der Riechleistung Schizophrener
können Defizite in der Identifikationsfähigkeit gelten (Brewer, W.J., Pantelis, C.,
Anderson, V. et al., 2001; Coleman, E., Goetz, R.R., Leitman, D. et al., 2002;
Compton, M.T., McKenzie Mack, L., Esterberg, M.L. et al., 2006; Corcoran, C.,
Whitaker, A., Coleman, E. et al., 2005; Good, K.P., Martzke, J.S., Honer, W.G. et al.,
1998; Good, K.P., Leslie, R.A., McGlone, J. et al., 2007; Houlihan, D.J., Flaum, M.,
Arnold, S.E. et al., 1994; Kopala, L., Good, K., Martzke, J. et al., 1995; Kopala, L.C.,
Clark, C. & Hurwitz, T., 1993; Malaspina, D. & Coleman, E., 2003; Moberg, P.J.,
Arnold, S.E., Doty, R.L. et al., 2006; Rupp, C.I., Fleischhacker, W.W., Kemmler, G.
et al., 2005a; Rupp, C.I., Fleischhacker, W.W., Kemmler, G. et al., 2005b; Szeszko,
19

P.R., Bates, J., Robinson, D. et al., 2004; Wu, J., Buchsbaum, M.S., Moy, K. et al.,
1993). Auch Atanasova und Kollegen (2008) kommen in ihrer Übersichtsarbeit zu
dem Schluss, dass es sich hierbei um ein charakteristisches Defizit schizophrener
Patienten handelt. Die Minderung der Identifikationsfähigkeit scheint bei weiblichen
Patienten weniger stark ausgeprägt zu sein, als bei männlichen Patienten (Kopala,
L.C., Clark, C. & Hurwitz, T., 1993). In ihrer metaanalytischen Übersicht kommen
Moberg und Kollegen (1999) zu dem Schluss, dass die Defizite in der
Geruchsidentifikation unabhängig von Rauchstatus und Medikation der Patienten,
und damit eine primäre Störung des Geruchssinns zu sein scheinen. In der bereits
genannten Untersuchung von Brewer und Kollegen (2001) erwiesen sich die Mängel
in der Identifikationsleistung zudem als zeitlich stabil. Auch sechs Monate nach der
Eingangsuntersuchung und Beginn der medikamentösen Behandlung schnitten
schizophrene Patienten im University of Pennsylvania Smell Identification Test noch
schlechter ab als gesunde Kontrollpersonen. Eine vorliegende SPECT-Studie
(Malaspina, D., Perera, G.M., Lignelli, A. et al., 1998) gibt Hinweise auf die
hirnfunktionellen Anomalien, die dem Identifikationsdefizit zu Grunde liegen
könnten. Während der Bearbeitung einer olfaktorischen Identifikationsaufgabe fand
sich   bei    schizophrenen     Patienten        ein   Hypometabolismus    in   einem
rechtshemisphärisch angesiedelten kortikalen Gebiet, welches das Broca-Areal, den
oberen Temporallappen, den supramarginalen Gyrus und den Gyrus angularis
umfasst. Anders als gesunde Kontrollpersonen zeigten die Patienten während der
Aufgabe auch keine Steigerung des lokalen zerebralen Blutflusses im Hippokampus
und in visuellen Assoziationsarealen. Gemäß der bereits genannten Studie zu
olfaktorisch evozierten Potentialen (Turetsky, B.I., Moberg, P.J., Owzar, K. et al.,
2003) ist eine negative Korrelation zwischen P2-Latenz und Identifikationsleistung zu
vermuten.
       Auch zur subjektiven Bewertung von Geruchsreizen finden sich verschiedene
Studien. Bezüglich der Intensitätswahrnehmung von Düften ergaben sich in mehreren
Untersuchungen keine Unterschiede zwischen Schizophrenen und Gesunden (Hudry,
J., Saoud, M., D'Amato, T. et al., 2002; Moberg, P.J., Arnold, S.E., Doty, R.L. et al.,
2003; Rupp, C.I., Fleischhacker, W.W., Kemmler, G. et al., 2005a; Rupp, C.I.,
Fleischhacker, W.W., Kemmler, G. et al., 2005b). Entsprechend kommen auch
Atanasova und Kollegen (2008) zu dem Schluss, dass bei Schizophreniepatienten von
intakten Intensitätseinschätzungen ausgegangen werden kann.
20

       Zum Thema der hedonischen Beurteilung von Duftstoffen sollen zunächst
einige Befunde zu hirnfunktionellen Besonderheiten schizophrener Patienten
aufgegriffen werden. So ergaben sich in einer PET-Untersuchung (Crespo-Facorro,
B., Paradiso, S., Andreasen, N.C. et al., 2001) bei Stimulation mit einem
unangenehmen Geruch Unterschiede im Aktivierungsmuster zwischen Patienten und
gesunden Kontrollprobanden: anstelle einer Aktivierung in limbischen und
paralimbischen Regionen (Insula, Nucleus accumbens, Gyrus parahippocampalis),
zeigten schizophrene Patienten eine erhöhte Aktivität im frontokortikalen Bereich. In
einer fMRT-Studie (Schneider, F., Habel, U., Reske, M. et al., 2007) ergab sich unter
Stimulation mit einem unangenehmen Geruch für schizophrene Probanden eine
Hypoaktivität in Gebieten des rechten frontalen und temporalen Kortex.
       In Bezug auf die subjektive hedonische Bewertung von Geruchsreizen ist die
Datenlage gegenwärtig als unklar zu bezeichnen. Crespo-Facorro und Kollegen
(2001) ließen schizophrene Patienten zwei verschiedene Düfte beurteilen, und zwar
einen angenehmen (Vanillin) und einen unangenehmen (4-Methylpentansäure). Im
Vergleich mit gesunden Kontrollprobanden ergaben sich dabei keine Unterschiede in
der Bewertung des unangenehmen Geruchs, wohl aber bei der Bewertung des
angenehmen Duftes: Patienten beurteilten Vanillin als weniger angenehm oder stuften
es sogar vermehrt als unangenehm riechend ein. Die Schwere psychotischer
Symptome korrelierte dabei negativ mit den Ratings für den unangenehmen Geruch,
so dass Patienten mit einer stärkeren Ausprägung einer floriden psychotischen
Symptomatik den unangenehmen Stimulus als unangenehmer beurteilten. Doop und
Park (2006) verwendeten die 40 Gerüche des University of Pennsylvania Smell
Identification Test, um hedonische Bewertungen zu erfassen. Dabei gaben die
schizophrenen Probanden mehr positive Beurteilungen ab als Gesunde, benutzten
dabei allerdings nicht die volle Breite der Schätzskala, sondern nur einen
eingeschränkten, zum positiven Pol hin verschobenen Bereich. In der Patientengruppe
ergab sich außerdem eine positive Korrelation zwischen den hedonischen Ratings und
einer Skala zur Erfassung affektiver Verflachung und die Patienten, die mehr negative
Symptome berichteten, zeigten eine größere Einengung des Beurteilungsspektrums.
In einer weiteren Studie zur affektiven Beurteilung von Geruchsreizen (Hudry, J.,
Saoud, M., D'Amato, T. et al., 2002) ergaben sich bei den Patienten verminderte
hedonische Einstufungen. Die Arbeitsgruppe um Moberg (2003) verwendete
verschiedene Konzentrationen der Substanz Amyl Acetat als Teststimuli. Dabei
21

stuften     gesunde     Kontrollpersonen    beiderlei   Geschlechts      und   weibliche
Schizophreniepatienten niedrigere Konzentrationen des Duftstoffs als angenehmer
ein, während männliche Schizophrene ein umgekehrtes Beurteilungsmuster zeigten.
In einer PET-Studie (Plailly, J., d'Amato, T., Saoud, M. et al., 2006) schätzten
schizophrene Patienten im Vergleich zu Gesunden die präsentierten angenehmen
Testgerüche als weniger angenehm ein. Auf hirnfunktioneller Ebene ergaben sich
entsprechend Anomalien in linkshemissphärischen Regionen der Insula, des Gyrus
frontalis inferior und des anterioren piriformen Cortex/Putamens. In zwei Studien an
ausschließlich männlichen Schizophrenen erhob die Arbeitsgruppe um Rupp (Rupp,
C.I., Fleischhacker, W.W., Kemmler, G. et al., 2005a; Rupp, C.I., Fleischhacker,
W.W., Kemmler, G. et al., 2005b) bei den Patienten Einstufungen der Teststimuli als
angenehmer.
          Die inkonsistente Datenlage im Bereich der subjektiven hedonischen
Bewertung von Geruchsreizen kann zum Teil auf methodologische Unterschiede
zwischen den einzelnen Studien zurückgeführt werden. So verwendeten die
Untersuchungsteams zum Beispiel verschiedenartige Zusammenstellungen von
Teststimuli. In einigen Studien wurden den Probanden nur ein oder zwei Duftstoffe
angeboten (Crespo-Facorro, B., Paradiso, S., Andreasen, N.C. et al., 2001; Moberg,
P.J., Arnold, S.E., Doty, R.L. et al., 2003), während andere Untersucher 40 oder mehr
Geruchsreize verwendeten (Doop, M.L. & Park, S., 2006; Plailly, J., d'Amato, T.,
Saoud, M. et al., 2006). Nicht in allen dargestellten Studien wurde außerdem die
Schwere der erlebten psychotischen Symptomatik systematisch berücksichtigt
(Plailly, J., d'Amato, T., Saoud, M. et al., 2006; Rupp, C.I., Fleischhacker, W.W.,
Kemmler, G. et al., 2005a; Rupp, C.I., Fleischhacker, W.W., Kemmler, G. et al.,
2005b). Wieder muss zudem erwähnt werden, dass bei keiner der genannten
Untersuchungen ein Testverfahren zur Erfassung der Anhedonie zum Einsatz kam.
Auch für Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis ist Anhedonie kein
obligates Symptom (American Psychiatric Association, 2000; Dilling, H., Mombour,
W. & Schmidt, M.H., 1991), so dass nicht automatisch davon ausgegangen werden
kann,     dass   alle   Studienteilnehmer   auch   tatsächlich   unter   entsprechenden
Beschwerden leiden.
22

                 3.3.3.   Geruchswahrnehmung bei Demenzpatienten

Zunächst ist bekannt, dass es mit steigendem Lebensalter zu Veränderungen im
Geruchsvermögen kommt. Einen Überblick liefern zum Beispiel Biacabe, Nores und
Bonfils (1999). Unabhängig davon gibt es zahlreiche Belege für Defizite in der
Geruchswahrnehmung von Demenzpatienten, wobei hier besonders Alzheimerkranke
deutlich schlechter abzuschneiden scheinen als gleichaltrige gesunde Personen.
Überblicksarbeiten zum gegenwärtigen Stand der Forschung liefern unter anderem
Atanasova und Kollegen (2008), Demarquay, Ryvlin und Royet (2007), Hawkes
(2006) oder Mesholam, Moberg, Mahr und Doty (1998). Inzwischen sind die Belege
für olfaktorische   Defizite bei    Demenzpatienten    so   zahlreich,   dass   sogar
vorgeschlagen wurde, sie als ein Diagnosekriterium für die Alzheimererkrankung
aufzunehmen (Foster, J., Sohrabi, H., Verdile, G. et al., 2008). Vertreter der
sogenannten Vektorhypothese gehen davon aus, dass degenerative Erkrankungen des
Gehirns wie Alzheimer oder Parkinson ihren Ausgangspunkt in olfaktorischen
Regionen nehmen und durch bisher noch unbekannte flüchtige Substanzen verursacht
werden, die das Gehirn über die Nase erreichen (Doty, R.L., 1991; Doty, R.L., 2008).
       In der Literatur finden sich tatsächlich Belege für strukturelle Anomalien im
Riechsystem von Demenzkranken. So ergaben sich zum Beispiel Hinweise auf
pathologische Veränderungen in Riechschleimhaut (Brouillard, M., Laccourreye, L.,
Jabbour, W. et al., 1994) und Riechepithel von Alzheimerpatienten (Altman, J.,
1989). Die Arbeitsgruppe um Attems (Attems, J., Lintner, F. & Jellinger, K.A., 2005;
Attems, J. & Jellinger, K.A., 2006) berichtet von pathologischen Tau-Protein-
Ablagerungen im Nervus und Bulbus olfactorius autopsierter Alzheimerfälle. In einer
weiteren Autopsiestudie fanden sie ebenfalls alzheimer-typische degenerative
Veränderungen in Tractus und Bulbus olfactorius von Alzheimerpatienten. In einer
anderen Untersuchung (ter Laak, H.J., Renkawek, K. & van Workum, F.P., 1994)
ergab sich bei Alzheimerpatienten eine Volumenminderung des Bulbus olfactorius.
Kovacs, Cairns und Lantos (2001) beschäftigten sich mit dem zeitlichen Verlauf von
pathologischen Veränderungen in verschiedenen Hirnarealen des Riechsystems von
Alzheimerpatienten. Dabei fanden sich schon in sehr frühen Erkrankungsstadien
Anomalien im Bulbus olfactorius, während der primäre olfaktorische Kortex erst
später betroffen war. Mehrere Forschergruppen berichten von pathologischen
Veränderungen in Hippokampus und entorhinalem Kortex bei Alzheimerpatienten
23

(Kesslak, J.P., Nalcioglu, O. & Cotman, C.W., 1991; Thompson, M.D., Knee, K. &
Golden, C.J., 1998).
       Auf funktioneller Ebene fanden sich ebenfalls Unterschiede zwischen
Demenzpatienten und gesunden Kontrollpersonen. In einer PET-Studie (Kareken,
D.A., Doty, R.L., Moberg, P.J. et al., 2001) zeigten Alzheimerpatienten im Vergleich
mit gesunden älteren Probanden bei olfaktorischer Stimulation eine verminderte
Aktivität im rechten piriformen Kortex und im anterior-ventralen Teil des temporalen
Kortex. In einer Studie zu olfaktorisch evozierten Potentialen (Morgan, C.D. &
Murphy, C., 2002) ergaben sich bei Alzheimerkranken verlängerte P2- und P3-
Latenzen.    Diese     korrelierten   außerdem   signifikant   mit    der   Schwere     der
Demenzsymptomatik, so dass Patienten im fortgeschrittenen Erkrankungsstadium
besonders große Latenzen zeigten.
       Zur Riechschwelle von Demenzpatienten finden sich widersprüchliche
Ergebnisse. In einigen Studien ergaben sich keine Unterschiede zwischen Alzheimer-
Patienten und gesunden Kontrollen (Kareken, D.A., Doty, R.L., Moberg, P.J. et al.,
2001; Koss, E., Weiffenbach, J.M., Haxby, J.V. et al., 1988; Larsson, M., Semb, H.,
Winblad, B. et al., 1999), während in anderen Untersuchungen Alzheimerkranke
(Chan, A., Tam, J., Murphy, C. et al., 2002; Djordjevic, J., Jones-Gotman, M., De
Sousa, K. et al., 2008; Doty, R.L., Reyes, P.F. & Gregor, T., 1987; Lehrner, J.P.,
Brucke, T., Dal-Bianco, P. et al., 1997; Murphy, C., Gilmore, M.M., Seery, C.S. et
al., 1990) und Patienten mit der Diagnose einer leichten kognitiven Störung
(Djordjevic, J., Jones-Gotman, M., De Sousa, K. et al., 2008) signifikant schlechter
abschnitten. In einer Metaanalyse über 43 Studien kommen Mesholam, Moberg,
Mahr   und    Doty      (1998)    zusammenfassend     zu   dem       Ergebnis,   dass   für
Alzheimerpatienten von einer signifikanten Erhöhung der Riechschwelle auszugehen
ist. In einer Untersuchung fand sich auch ein direkter Zusammenhang zwischen der
Ausprägung der Demenzsymptomatik und einer verminderten Leistung im
Schwellentest (Murphy, C., Gilmore, M.M., Seery, C.S. et al., 1990).
       Zur olfaktorischen Diskriminationsfähigkeit von Demenzpatienten finden sich
nur wenige Daten. In den verfügbaren Untersuchungen ergaben sich für Alzheimer-
Betroffene jedoch auch in diesem Bereich signifikante Leistungsdefizite (Djordjevic,
J., Jones-Gotman, M., De Sousa, K. et al., 2008; Luzzi, S., Snowden, J.S., Neary, D.
et al., 2007). Dabei kann vermutlich von einem positiven Zusammenhang zwischen
24

kognitiven Defiziten und Einschränkungen der Diskriminationsfähigkeit ausgegangen
werden (Djordjevic, J., Jones-Gotman, M., De Sousa, K. et al., 2008).
       Defizite in der Identifikationsleistung von Demenzpatienten sind inzwischen
vielfach belegt, am häufigsten für die Alzheimerdemenz (Chan, A., Tam, J., Murphy,
C. et al., 2002; Djordjevic, J., Jones-Gotman, M., De Sousa, K. et al., 2008; Doty,
R.L., Reyes, P.F. & Gregor, T., 1987; Duff, K., McCaffrey, R.J. & Solomon, G.S.,
2002; Gray, A.J., Staples, V., Murren, K. et al., 2001; Kareken, D.A., Doty, R.L.,
Moberg, P.J. et al., 2001; Kesslak, J.P., Cotman, C.W., Chui, H.C. et al., 1988;
Larsson, M., Semb, H., Winblad, B. et al., 1999; Lehrner, J.P., Brucke, T., Dal-
Bianco, P. et al., 1997; McLaughlin, N.C. & Westervelt, H.J., 2008; Rezek, D.L.,
1987; Royet, J.P., Croisile, B., Williamson-Vasta, R. et al., 2001; Serby, M., Larson,
P. & Kalkstein, D., 1991; Suzuki, Y., Yamamoto, S., Umegaki, H. et al., 2004), aber
auch für vaskuläre Demenz (Gray, A.J., Staples, V., Murren, K. et al., 2001),
frontotemporale Demenz (Luzzi, S., Snowden, J.S., Neary, D. et al., 2007;
McLaughlin, N.C. & Westervelt, H.J., 2008), Lewy-Body-Demenz (Westervelt, H.J.,
Stern, R.A. & Tremont, G., 2003; Williams, S.S., Williams, J., Combrinck, M. et al.,
2009) und die Diagnose der leichten kognitiven Störung (Djordjevic, J., Jones-
Gotman, M., De Sousa, K. et al., 2008; Eibenstein, A., Fioretti, A.B., Simaskou, M.N.
et al., 2005; Wang, Q.S., Tian, L., Huang, Y.L. et al., 2002). Aber auch bei gesunden
Verwandten von Alzheimerpatienten (Handley, O.J., Morrison, C.M., Miles, C. et al.,
2006; Serby, M., Mohan, C., Aryan, M. et al., 1996) und bei nicht betroffenen
Personen, die Träger des ApoE4-Allels sind (Calhoun-Haney, R. & Murphy, C.,
2005; Murphy, C., Bacon, A.W., Bondi, M.W. et al., 1998; Salerno-Kennedy, R.,
Cusack, S. & Cashman, K.D., 2005; Wang, Q.S., Tian, L., Huang, Y.L. et al., 2002),
eines genetischen Markers für ein erhöhtes Risiko an Alzheimer zu erkranken, findet
sich gehäuft eine verminderte Fähigkeit zur Identifikation von Gerüchen.
Identifikationsdefizite   scheinen   im   Laufe   einer   Alzheimererkrankung     mit
Fortschreiten der kognitiven Defizite ebenfalls zuzunehmen (Serby, M., Larson, P. &
Kalkstein, D., 1991). In anderen Untersuchungen fand sich ein positiver
Zusammenhang zwischen dem Ausmaß kognitiver Leistungseinschränkungen und
Identifikationsdefiziten (Djordjevic, J., Jones-Gotman, M., De Sousa, K. et al., 2008;
Larsson, M., Semb, H., Winblad, B. et al., 1999; Suzuki, Y., Yamamoto, S.,
Umegaki, H. et al., 2004). In verschiedenen Studien erwies sich eine eingeschränkte
Fähigkeit zur Identifikation von Gerüchen bei älteren Menschen auch als ein
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