Aspekte der Digital Humanities in Bibliotheken - Aspects of Digital Humanities in Libraries - De Gruyter
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Bibliotheksdienst 2022; 56(3–4): 212–226 Johanna Schüpbach, Catrina Langenegger und Sumanghalyah Suntharam Aspekte der Digital Humanities in Bibliotheken Aspects of Digital Humanities in Libraries https://doi.org/10.1515/bd-2022-0034 Zusammenfassung: Je länger je mehr sind auch aus den Geisteswissenschaften digitale Arbeitsmethoden nicht mehr wegzudenken. Sie eröffnen neue Wege und Untersuchungsweisen in der Arbeit mit (digitalen) Quellen. Wissenschaft- liche Bibliotheken sehen sich diesbezüglich mit neuen Herausforderungen und Chancen konfrontiert und in der Position, ihre Angebote für Forschende an der Arbeit in den Digital Humanities anzupassen. Drei Absolventinnen des MAS-Stu- diengangs in Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Universität Zürich stellen je einen von ihnen untersuchter Ansatz, Digital Humanities in der Biblio- thek zu verankern vor: ein Memorandum für das Fachreferat zur Sensibilisierung im Umgang mit DH-Projekten, eine Untersuchung von drei Digitalisierungspro- jekten im Hinblick auf die Zusammenarbeit zwischen Bibliothek und Forschung, sowie eine Analyse der Chancen und Möglichkeiten von Library Labs als Ord- nungsstruktur. Schlüsselwörter: Digital Humanities, Library Labs, Digitalisierungsprojekte, Zusammenarbeit, Digitaler Wandel, Digitale Arbeitsmethoden, Abschlussarbeit Abstract: Digital working methods are becoming increasingly important in the humanities, too. They facilitate new approaches and improve work practices involving (digital) sources and references. Scientific libraries are thus facing new challenges amid opportunities of adapting their services for researchers in digital humanities. We will present three final papers by students of library and informa- tion studies at Zurich University, which focused on a number of ways to anchor digital humanities within library contexts and services: one paper deals with a memorandum intended for the competent department in libraries to sensitize staff involved in DH projects; another paper analyses three digitization projects Johanna Schüpbach: johanna.schuepbach@unibas.ch Catrina Langenegger: c.langenegger@unibas.ch Sumanghalyah Suntharam: sumanghalyah.suntharam@unibe.ch Open Access. © 2022 Johanna Schüpbach, Catrina Langenegger, Sumanghalyah Suntharam, publiziert von De Gruyter. Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.
Aspekte der Digital Humanities in Bibliotheken 213 particularly regarding options for cooperation between libraries and research institutions; the third one is an analysis of the chances and opportunities of Library Labs used as organisational structure. Keywords: Digital humanities, Library Labs, digitization projects, cooperation, digital change, digital work practices, degree thesis Digitale Arbeitsmethoden sind je länger je weniger aus den Geisteswissenschaften wegzudenken. Mit den Digital Humanities (DH) eröffnen sich nicht nur andere Forschungsperspektiven und -schwerpunkte, sondern sie erlauben auch neue Herangehensweisen im Umgang mit (digitalen) Quellen und Daten. Mit dem Aufkommen der DH, also dem Versuch, geisteswissenschaftliche Fragestel- lungen unter Zuhilfenahme digitaler Methoden zu beantworten, sind auch die Bedürfnisse aufseiten der Forschenden gestiegen, im Bereich digitaler Metho- den geschult und unterstützt zu werden. Wissenschaftliche Bibliotheken sind bemüht, diesen neuen Anforderungen gerecht zu werden und Angebote für die Forschenden zu schaffen. Bibliotheken und andere Gedächtnisorganisationen sind ihrerseits von den digitalen Veränderungen betroffen und reagieren darauf; sei es mit dem Ausbau der Digitalisierung von eigenen Beständen oder durch den Umgang mit genuin digitalen Medien wie Open-Access-Zeitschriften. Das Thema stieß auch in der Ausbildung Wissenschaftlicher Bibliothekar*in- nen auf großes Interesse – gleich drei Absolventinnen des MAS-BIW-Studiengangs der Universität Zürich 2019–2021 haben ihre Abschlussarbeit zu verschiedenen Ansätzen, die DH in den Bibliotheken zu verankern, verfasst und präsentieren ihre Erkenntnisse im folgenden Artikel. Johanna Schüpbach (Universitätsbiblio- thek Basel) stellt ein Memorandum vor, welches dem Fachreferat dienen soll, auf DH-Projekte einzugehen; Catrina Langenegger (Universitätsbibliothek Basel; Karl-Barth-Edition) berichtet von drei Digitalisierungsprojekten, die sie beglei- tet und auf die Zusammenarbeit zwischen Bibliothek und Forschung hin ana- lysiert hat und Sumanghalyah Suntharam (Universitätsbibliothek Bern) stellt die Chancen und Möglichkeiten von Library Labs als Organisationsstruktur vor, um in den Bibliotheken auf den digitalen Wandel zu reagieren. 1 Ein Memorandum für das Fachreferat Die DH sind in den USA schon seit über zehn Jahren an vielen Bibliotheken bereits fest verankert und die Fachreferent*innen (FR) sind oft von Anfang an in For- schungsprojekte eingebunden – die Bibliotheken sind also nicht nur Dienstleis-
214 Johanna Schüpbach et al. terinnen, sondern aktive Forschungspartnerinnen. Bereits vor knapp einem Jahr- zehnt wurde dieser Grundgedanke verbreitet, unter anderem von Miriam Posner, die in ihrem Blog schrieb: „Digital humanities projects in general do not need supporters – they need collaborators“.1 In Europa und v. a. in der Schweiz ist dieses Selbstverständnis noch nicht überall etabliert. Es gibt zwar seit Jahren eine stete Zunahme an DH-Projekten und -Forschung, und deshalb auch vermehrte Anfragen zu Support und Auskunft in der Bibliothek, es fehlen jedoch konkrete Strategien, wie in Kollaboration mit der Forschung auch seitens Bibliothek aktiv DH betrieben werden können. Diesem Bedürfnis soll mit einem Portfolio für den Aufbau einer DH-Unterstützungsstruktur exemplarisch für die Universitätsbiblio- thek Basel (UB Basel) nachgekommen werden. Bei der UB Basel handelt es sich um eine Institution, in der es bisher noch keine explizite Infrastruktur oder Anlaufstelle für DH-Fragen gibt. Trotzdem oder gerade deshalb ist es wichtig, die FR zur Thematik zu sensibilisieren und das Bewusstsein für die DH und im Hinblick auf Forschungskollaborationen zu fördern, ebenso wie es für die Forschenden wichtig ist, von den verschiedensten Angeboten und Möglichkeiten an der Universitätsbibliothek zu erfahren. Dafür wurde an der UB Basel im Fachreferat eine Arbeitsgruppe für Digital Humanities (AG DH) gegründet, um verschiedene Optionen zu analysieren und auszuarbei- ten. In diesem Rahmen wurde auch für die MAS-Arbeit ein Portfolio in zwei Teilen erarbeitet: für den internen Gebrauch ein Memorandum für das Fachreferat und für die bessere Präsentation nach außen eine überarbeitete Unterseite auf der Homepage der UB Basel, welche als Linksammlung, Knotenpunkt zur Vernetzung verschiedenster DH-Infrastrukturen an der Universität und innerhalb der Biblio- thek zusammenbringen soll.2 Für den Rest dieses Abschnitts wird der Fokus allerdings auf das Memorandum gelegt. Das Memorandum für das Fachreferat besteht im Wesentlichen aus fünf Bereichen, die für eine erfolgreiche Zusammenarbeit sowohl mit den Forschenden wie auch innerhalb der verschiedenen Abteilungen in der UB Basel unabdingbar sind. Dabei geht das Memorandum nicht auf konkrete Tools und Methoden ein, sondern bietet die Flexibilität, in jedem Fachbereich zur Anwendung kommen zu können. 1 Posner, Miriam: No Half Measures: Overcoming Common Challenges to Doing Digital Huma- nities in the Library. In: Journal of Library Administration 53.1 (2013), S. 43–52, https://doi.org/1 0.1080/01930826.2013.756694. 2 Die Seite kann unter https://ub.unibas.ch/de/digitale-dienste/digital-humanities-digitale- dienste-1 eingesehen werden und wird sukzessive um neue Angebote, Kontaktstellen, Links etc. ergänzt.
Aspekte der Digital Humanities in Bibliotheken 215 1.1 Wissensaufbau Der Auf- und Ausbau von Wissen und Kompetenzen zu DH-Themen geschieht mehrgleisig: Welche Methoden, Ressourcen und Kenntnisse erworben oder ver- tieft werden sollen, wird einerseits durch die Art der Anfrage beantwortet. Ande- rerseits aber auch durch das eigene Tagesgeschäft, wo Wissenslücken erkannt und gefüllt werden möchten oder eigene fachbezogene Projekte verfolgt werden können. Es wird keine grundsätzliche Expertise im Umgang mit DH-Methoden und Technologien für eine erfolgreiche Mitarbeit bei einem DH-Projekt voraus- gesetzt.3 Wissen zum Umgang mit bestimmten Tools und Methoden wird ange- eignet, wie es dem Bedarf der Forschenden entspricht, respektive wenn die Notwendigkeit, neue Kompetenzen zu erarbeiten, absehbar ist. Ebenso gehört zum Wissensaufbau, bereits vorhandenes Wissen zusammenzutragen. Wissen und Kompetenzen müssen nicht von allen Fachreferent*innen gleichermaßen erworben werden und auch das „level of commitment“4 wird entsprechend der heterogenen Bedürfnisse der Fachbereiche unterschiedlich ausfallen. Wichtig ist lediglich, dass das zusammengetragene Wissen und die vorhandenen Expertisen sowohl öffentlich einsehbar sein werden, wie auch intern dokumentiert und im Geschäftsverwaltungssystem abgelegt werden. 1.2 Vermittlung Vermittlungsarbeit ist ein integraler Teil der Bibliotheksarbeit. Zur Förderung der Kenntnisse und Sensibilisierung auf DH-Fragen von Studierenden und Forschen- den, und nicht zuletzt auch zugunsten des eigenen Wissensaufbaus, werden die Kurse, Workshops und Trainingseinheiten zu unterschiedlichen DH-Themen und Methoden konzipiert. Dabei sollen einerseits niederschwellige, einführende Angebote zu bestimmten DH-Themen in kleineren Formaten (z. B. Coffee Lectures, Mini-Workshops etc.) angeboten werden. Andererseits soll jedoch auch graduell ein Angebot für fortgeschrittene Studierende oder Doktorierende mit vertiefenden Themenschwerpunkten Tools oder Methoden der DH aufgebaut werden, entweder 3 “[…] there is no requirement for subject librarians to have direct experience with various technologies in order to play a role in library or campus digital humanities initiatives”. Lippin- cott, Joan K.: Foreword. In: Digital Humanities in the Library: Challenges and Opportunities for Subject Specialists. Chicago (IL) 2015, S. vii–x. 4 Gibson, Kate et al.: Traversing the Gap. Subject Specialists Connecting Humanities Resear- chers and Digital Scholarship Centers. In: Digital Humanities in the Library: Challenges and Opportunities for Subject Specialists. Chicago (IL) 2015, S. 3–17.
216 Johanna Schüpbach et al. als Workshop-Einheit oder auch im Rahmen eines Semesterkurses. Das Angebot soll sich auf jedem Fall dem Bedarf aus der Forschung annehmen und zielgrup- pengerecht (Studierende, Graduate School etc.) auf- und ausgebaut werden. Für das Fachreferat und gerade auch zum eigenen Wissensaufbau ist in der Anfangs- phase ein Fokus auf Studierende und Nachwuchsforschende sinnvoller. 1.3 Netzwerke und Kommunikation DH-Projekte sind keine Einzelarbeit. Es geht nichts ohne Kollaboration und eine erfolgreiche Zusammenarbeit gelingt nur, wenn die Kommunikation stimmt. Zentral für die Kommunikation nach außen und mit den Fachbereichen in Bezug auf das DH-Angebot ist das Selbstverständnis der Universitätsbibliothek, res- pektive der FR: Expertisen und Kenntnisse in DH-Themen sollen als solche nach außen kommuniziert werden und es darf auch ein Unterschied zwischen Service- dienstleistung und eigener Forschungsleistung gemacht werden. Die Unterstüt- zung der Forschenden in den digitalen Geisteswissenschaften soll auch als aktiver Beitrag zur Forschung verstanden werden. Gerade bei ihnen besteht jedoch oft Nachholbedarf: Forschende kennen oft nicht die Angebote, die es bereits an der UB gibt, respektive wo sich gegebenenfalls Möglichkeiten für Partnerschaften bieten (v. a., wenn es Bestände der eigenen Institution betrifft). Es ist deshalb am Fachreferat, mit den Forschenden in ihren Fachbereichen den Kontakt aufzu- bauen und zu pflegen, über die aktuellen und vergangenen Forschungsprojekte im Bild zu sein und gegebenenfalls proaktiv auf die Forschenden zuzugehen, wenn ersichtlich ist, dass ein Projekt von einer Zusammenarbeit mit der UB pro- fitieren kann. Ebenso wertvoll ist der Austausch mit Kolleg*innen aus anderen Institutionen, vor allem, wenn dort bereits mehr Projekterfahrung besteht. Der fachliche Austausch endet jedoch keinesfalls bei der Universität, sondern findet auch im Netz statt: Social Media ermöglichen nicht nur eine weitere Art der Ver- netzung, sondern dienen zugleich als Sounding Board, dem internationalen Aus- tausch und auch Sichtbarmachung der eigenen DH-Projekte. Catrina Langenegger und Sumanghalyah Suntharam werden in ihren Teilen auf konkrete Beispiele ein- gehen, wie die aufgebauten Netzwerke zu Kollaborationen zwischen Bibliothek und Forschung geführt haben. 1.4 Datenaufbereitung Es ist wichtig, dass die UB sich langfristig als Datenlieferantin und -geberin ver- steht, sprich: ihre Bestände als Daten sieht. Bei der Digitalisierung gibt es einen
Aspekte der Digital Humanities in Bibliotheken 217 Paradigmenwechsel zu beobachten: Anstatt dass die Bestände für ein vorwiegend menschliches Zielpublikum (für das auch niedrigere Qualität lesbar bleibt) digita- lisiert werden, muss die Qualität der Digitalisate mittlerweile so gut sein, dass sie nun auch von Computern gelesen werden können.5 Neben den Kolleg*innen in der Katalogisierung und der GND-Redaktion tragen auch die FR mit einer sorgfäl- tigen Beschlagwortungspraxis nachhaltig zu einer hohen Qualität der Metadaten bei. Für FR, die bei DH-Projekten mitarbeiten, ist bibliothekarisches Know-how insbesondere in Bezug auf Metadaten und Metadatencodierung also mittlerweile unabdingbar. Mit Schnittstellen versehen können die Bestände so in digitalen Sammlungen besser sichtbar gemacht werden. FR, die in einem DH-Projekt mit- arbeiten, müssen sich dafür einsetzen, dass die Daten „FAIR“6 sind und der Zugang dazu (zum Beispiel einer digitalen Ausstellung zum Projekt) nachhaltig gesichert ist. 1.5 Projektpartnerschaften Damit ein gemeinsames Forschungsprojekt aus den Geisteswissenschaften in Zusammenarbeit mit der UB ein Erfolg für alle Beteiligten wird, muss bereits zu Beginn Wert auf gewisse organisatorische Aspekte gelegt werden. Die FR sollen sich zudem nicht scheuen, auch eigene Projekte in Angriff zu nehmen. Es darf mutig ausprobiert werden und auch wenn mal etwas nicht klappt: wichtig ist, die „Lessons Learned“ zu dokumentieren, damit es in einem nächsten Projekt glückt. Die Funktion der FR ist es, die Brücke zwischen Forschenden und UB zu schla- gen und als Übersetzer*in zwischen verschiedenen Stellen zu fungieren. Dieser Austausch ermöglicht den FR, Forschende fachlich und methodisch zu beraten, beziehungsweise auch die Ansprechpartner innerhalb der Uni zu benennen, um sicherstellen zu können, dass alle Forschenden die gleichen Services von der UB erhalten. So kann garantiert werden, dass bei einer Zusammenarbeit mit der UB für alle Forschende das Gleiche gilt und klar ist, was über die Basisdienstleistun- gen hinausgeht, ab wann gewisse Services kostenpflichtig werden und wann es 5 “Humans are far better at reading documents of relatively low quality than computers. The demand for high quality images used for OCR processes and thus for corpus linguistic projects has risen over the years. Most of the libraries are adapting to this new trend and are providing the necessary images”. Jentsch, Patrick; Porada, Stephan: From Text to Data. Digitization, Text Analysis and Corpus Linguistics. In: Schwandt, Silke (Hg.), Digital Methods in the Humanities. Bielefeld 2020, S. 101. 6 FAIR Data = Findable, Accessible, Interoperable, Reusable. Siehe dazu auch https://www. go-fair.org/fair-principles [Zugriff: 12.01.2022].
218 Johanna Schüpbach et al. sich (nicht) um eine Ko-Autorenschaft handelt. Damit eine erfolgreiche Projekt- partnerschaft zustande kommen kann, müssen im Vorfeld u. a. auch Fragen zu – Nutzen für die UB (und ggf. den*die FR) – Kommunikationsflüssen innerhalb des Projektteams – Projektdokumentation und -organisation – Aufgaben, Verantwortungen und Kompetenzen geklärt werden. Nach Beendigung des Projekts werden allfällige neu gewonnene Kompetenzen sowie neu verwendete Tools und Methoden in die dafür vorgese- henen Dokumente im Geschäftsverwaltungssystem abgelegt, damit in Zukunft andere FR von diesem Wissen profitieren können. Ebenfalls dem Wissenstransfer und -austausch dient eine abschließende Einladung in Sitzungsrunden relevanter Abteilungen, um über das Projekt zu berichten und gewonnene Erkenntnisse zu teilen – was schlussendlich wieder dem Wissensaufbau zugutekommt. 2 Digitalisierungsprojekte Ein Service, der in vielen wissenschaftlichen und Universitätsbibliotheken ange- boten wird, ist die Digitalisierung für die Forschung. Digitalisierung meint hier den Prozess der Verarbeitung von analogen Untersuchungsgegenständen hin zu Daten, welche durch den Einsatz von digitalen Forschungsmethoden analysiert werden können. Mögliche Dienstleistungen sind die Erstellung von Korpora, die Digitalisierung der Untersuchungsgegenstände, die Bereitstellung dieser als Datensets, die Bereitstellung einer virtuellen Forschungsumgebung, die Nutzung digitaler Forschungsmethoden und die Archivierung der Forschungsdaten.7 Das Engagement, das vonseiten der Bibliothek erbracht werden kann, hängt dabei stark von den Ressourcen ab, die ihr zur Verfügung stehen. Dazu gehören neben der Infrastruktur und dem Personal auch das Wissen in den DH. Alle drei Kompo- nenten sind oft sehr knapp bemessen oder erst im Aufbau begriffen, wie dies auch von Johanna Schüpbach dargelegt wurde.8 7 Zum Prozess der Digitalisierung insbesondere von Bildern und Texten sowie den weiteren Schritten der Datennutzung, z. B. der Texterfassung vgl. Jannidis, Fotis; Kohle, Hubertus; Reh- bein, Malte: Digital Humanities. Eine Einführung. Stuttgart 2007, S. 179–198. 8 Dazu auch: Vgl. Posner, Miriam: No Half Measures: Overcoming Common Challenges to Doing Digital Humanities in the Library. In: Journal of Library Administration 53.1 (2013), S. 43–52, https://doi.org/10.1080/01930826.2013.756694. Vgl. auch: Harris, Grant; Potter, Abigail; Zwaar, Kate: Digital Scholarship at the Library of Congress. User demand, current practices, and options for expanded services. 17.03.2020, https://labs.loc.gov/static/labs/work/reports/ DHWorkingGroupPaper-v1.0.pdf [Zugriff: 11.04.2021]; vgl. auch: Schreier, Gero: Digital Humani-
Aspekte der Digital Humanities in Bibliotheken 219 Dennoch sind die Voraussetzungen für gelungene Digitalisierungsprojekte zwischen Wissenschaft und Bibliothek grundsätzlich gut. Viele Bibliotheken haben Erfahrungen in der Digitalisierung ihrer eigenen Bestände und können auf diese und die etablierten Workflows zurückgreifen.9 Es stellt sich die Frage, ob diese Workflows und Dienstleistungen den Qualitätsansprüchen der Forschung genügen und wie die Zusammenarbeit gewinnbringend gestaltet werden kann. Im Folgenden werden zwei Digitalisierungsprojekte, welche die Zusammenarbeit zwischen der Forschung und der UB Basel illustrieren, vorgestellt und die wich- tigsten Erkenntnisse für die Bibliotheken herausgearbeitet.10 Das erste größere Digitalisierungsprojekt für die Forschung war das „Avis- Blatt“. Es untersucht den Basler Anzeigenmarkt im langen 18. Jahrhundert anhand des Basler Avisblattes, das aufgrund seiner guten Überlieferungslage den Ausgangspunkt für eine exemplarische Langzeitstudie zur Konsumgeschichte der eidgenössischen Städte bildete.11 Ziel des Projektes war es auch, unter Rückgriff auf die IIIF-Technologie Digitalisate zu annotieren und mit den so generierten Daten eine Datenbank aufzubauen. Dabei sollten in diesem Projekt digitale Werk- zeuge weiterentwickelt werden, so dass sie für andere digitale Quellenkorpora genutzt werden können. Der Zusammenarbeit ging ein langes Vorprojekt, in welchem die Basis für die Projektumsetzung gelegt wurde, voraus. Dieses war grundlegend für den Erfolg des Projektes. In diesem Vorprojekt wurden die Grundlagen für die OCR-Erken- nung mit Transkribus erarbeitet, die Anforderungen für die Digitalisierung defi- niert und die Forschenden durch Beratung im Bereich Datenmanagementplan unterstützt. Es folgte die Projektphase. Die zentrale Dienstleistung der UB Basel war die Digitalisierung des Bestandes unter den definierten Qualitätsstufen. Da die Forschung nur an den Inhalten der Digitalisate interessiert war, musste der etablierte Digitalisierungsworkflow der UB Basel stark angepasst werden. Dieser zielt standardmäßig auf eine exemplarspezifische Digitalisierung. Also ties-Unterstützung durch Bibliotheken. Theoretische und praktische Perspektiven. Universität Zürich, MAS-Arbeit 2019. 9 Die Universitätsbibliothek Basel beispielsweise baut ihre Digitalisierung seit dem Jahr 2007 aus. Sie digitalisiert den eigenen Bestand, nimmt aber auch Aufträge von anderen Institutio- nen und der Forschung an. Weiter wirkt sie an verschiedenen Plattformen mit, darunter e-rara [https://www.e-rara.ch] und e-manuscripta [https://www.e-manuscripta.ch], wo die von der UB Basel digitalisierten Bestände mit IIIF-Technologie zugänglich gemacht werden [Zugriffe: 12.01.2022]. 10 Auf die Präsentation des dritten Projektes wird verzichtet, da dieses noch in der Antrags- phase begriffen ist. 11 Vgl. http://p3.snf.ch/Project-182156 [Zugriff: 05.03.2012]. Weitere Informationen auch unter https://avisblatt.ch [Zugriff: 05.03.2021].
220 Johanna Schüpbach et al. einer digitalen Abbildung in der Form, in der das Exemplar physisch vorliegt. Für dieses Forschungsprojekt mussten beispielsweise schräg gedruckte Textblö- cke horizontal ausgerichtet werden, um so die Datenerkennung zu gewährleisten. Dafür wurde eine zusätzliche Person eingestellt. Auch in der Qualitätskontrolle wurden die Forschenden in die Abläufe der Digitalisierung involviert. Die Koor- dination der Zusammenarbeit und Einarbeitung der Forschenden wurde von der UB übernommen und bedeutete aufgrund der vielen nötigen Absprachen einen großen Aufwand. Dieser Aufwand wurde von der UB Basel ohne Entgelt geleistet, weiter hat sie sich auch mittels „in kind contribution“ an den vorangeschlagenen Kosten der Digitalisierung beteiligt. Eine Vollkostenrechnung wäre nicht möglich gewesen. Die avisierte Zusammenarbeit im Bereich der digitalen Forschungs- umgebung und der Langzeitarchivierung kam nicht im gewünschten Umfang zustande, da der Kontakt zur Partnerfirma abbrach. Die Digitalisierung dieses Projektes ist bereits seit Längerem abgeschlossen. Offen ist noch die Rücknahme und Publikation der Daten auf einer geeigneten Plattform. Als wichtigste Erkenntnis aus diesem Projekt kann der absolute Nutzen des Vorprojekts bezeichnet werden. Weiter hat das Projekt gezeigt, dass trotz der großen Erfahrung, welche die UB Basel bereits in der Digitalisierung der eigenen Bestände hat, die Digitalisierung für die Forschung andere Ansprüche hat und sehr zeit- und personalintensiv ist. Dies hat sie mit dem Selbstverständnis einer wissenschaftlichen Bibliothek und als Teil der Universität im Sinne einer Koope- ration umgesetzt. Ohne diese Haltung und das Engagement der Mitarbeitenden hätte das Projekt nicht umgesetzt werden können. Besonders im ersten Teil der Kooperation konnte die UB Basel an technologischen Neuentwicklungen partizi- pieren. Diese Art der Zusammenarbeit kann von großer Bedeutung sein. So fließt das Wissen wieder zurück in die Bibliothek. Als dauerhafte Institution kann sie das Wissen für weitere Forschungsprojekte nutzbar machen. Das zweite Projekt trägt den Namen „High Mountains“. Darin werden Emo- tionen rund um Toponyme in Schweizer Romanen aus der Zeit 1880–1930 unter- sucht. Es werden mit Methoden der DH Verbindungen von Raum und Gefühls- darstellungen untersucht.12 Auch diesem Projekt ging ein Vorprojekt voran und zwar im Rahmen einer Winter School.13 Darin konnten Erfahrung mit dem Untersuchungsgegenstand, der Produktionskette von der Digitalisierung über das OCR-Verfahren, die XML-TEI-Codierung und die Analyse mit der Software R erfolgen. Ebenso wichtig war die Beschäftigung mit der Frage nach einem aus- 12 Vgl. http://p3.snf.ch/Project-189832 [Zugriff: 19.03.2021]. 13 Vgl. https://www.unil.ch/doc-digitalstudies/files/live/sites/doc-digitalstudies/files/Programme %202018/cours%202019/PDEN_Distant%20Reading_programme-1.pdf [Zugriff: 21.03.2021].
Aspekte der Digital Humanities in Bibliotheken 221 balancierten Korpus, das als repräsentativ gelten kann, ohne Besonderheiten zu vernachlässigen. Die Dienstleistungen, welche von der UB Basel erbracht wurden und werden, haben zwei Schwerpunkte: die Korpuserstellung und die Retrodigitalisierung nur physisch vorhandener Werke inklusive Auslieferung der Bilder und Voll- texte. An der Korpuserstellung lässt sich zeigen, dass Anfragen der Forschung an wissenschaftliche Bibliotheken oft nicht nur eine Abteilung betreffen, sondern das Wissen der ganzen Institution brauchen. An der Korpuserstellung waren ver- schiedene Abteilungen beteiligt, die IT, die GND-Redaktion und nicht zuletzt auch das Fachreferat. In diesem Projekt lässt sich die Zusammenarbeit zwischen Biblio- thek und Forschung sehr schön zeigen, das Projekt hat sich nämlich mit Susanne Gubser die Fachreferentin für Germanistik ins Team geholt und für dieses Projekt angestellt. Da dieses Projekt besonders nah am Bibliothekswesen angesiedelt ist, hat es auch explizit auf bibliothekarisches Wissen gebaut.14 Dies erforderte eine hohe koordinierende Kompetenz und es zeigte sich, dass die Aufrechterhaltung der Kommunikation, sowohl im Betrieb der UB Basel selbst als auch mit den For- schenden, eine der wichtigsten Aufgaben war. Auch in diesem Projekt war das Vorprojekt zentral. Hauptaufgabe der Zusam- menarbeit ist die Korpuserstellung. Daran lässt sich zeigen, dass Metadatensets in den Fokus der Forschung rücken und hier Bibliotheken – deren Kerngeschäft Metadaten sind – auch als Lieferantinnen von Metadaten gefragt sein werden. Die eigentliche Digitalisierung konnte in den gewohnten Workflows, mit nur gering- fügigen Anpassungen, geschehen. Für beide Projekte gilt, dass sie dem Wissensaufbau innerhalb der Institution gedient haben und aus dieser Perspektive gesehen wären weitere Projekte hilf- reich. In der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Bibliothek gilt es, die unterschiedlichen Arbeitsrhythmen und Ansprüche zu kennen. In der Forschung gehören Irrwege dazu und tragen zu einem besseren Resultat bei. Die Digitalisie- rung für die Wissenschaft geht weit über die etablierte Digitalisierung der eigenen Bestände hinaus. Sie braucht zusätzliches Personal, Wissen und eine koordinie- rende Stelle, die sich für den Fortgang des Projektes einsetzt. Daher muss ihr Stel- lenwert für den Betrieb geklärt werden. Dazu gehört auch die Klärung der Rolle der Bibliothek innerhalb der Universität und ihren Institutionen. Die Bibliothek als Gedächtnisinstitution scheint als Ort für diesen Wissensaufbau im Bereich 14 Zur Korpuserstellung vgl. Herrmann, J. Berenike; Grisot, Giulia; Gubser, Susanne; Kreyen- bühl, Elias: Ein grosser Berg Daten? Zur bibliothekswissenschaftlichen Dimension des korpus- literaturwissenschaftlichen Digital Humanities-Projekts „High Mountains – Deutschschweizer Erzählliteratur 1880–1930“. In: 027.7 Zeitschrift für Bibliothekskultur 8.1 (2021), https://doi. org/10.21428/1bfadeb6.6e2feff6.
222 Johanna Schüpbach et al. der DH prädestiniert. Mit den FR ist zusätzlich auch Fachwissen aus den einzel- nen Disziplinen vorhanden, das in die Projekte und Dienstleistungen einfließt. Es stellt sich die Frage, ob Bibliotheken den Schritt weg von der quantifizierbaren Dienstleisterin hin zur projektbezogenen Ko-Wissenschaftlerin wagen können und wollen. Eine mögliche Antwort darauf wird Sumanghalyah Suntharam in Form von Library Labs präsentieren. 3 Library Labs Library Labs stellen eine mögliche Organisationsstruktur dar, welche versucht, das Bibliothekswesen mit den digitalen Forschungsmethoden und Ansätzen zu verbinden. Konkret wird Library Lab als ein Umfeld definiert, in welchem auf kreative und strukturierte Art und Weise Fragestellungen, welche die Bibliothek und Forschende betreffen, bearbeitet werden können.15 Da der Aufbau und das Durchführen von Library Labs eine junge Bewegung im Bibliothekswesen darstellt, wurden im Rahmen der Abschlussarbeit unter anderem die Beweggründe und Voraussetzungen, um ein Library Lab in einer Hochschulbibliothek einzuführen, untersucht. Dazu wurden neben einer Litera- turrecherche zwei bereits etablierte Library Labs genauer unter die Lupe genom- men. Um die Erkenntnisse zusammenzufassen, wurde im Anschluss für die Uni- versitätsbibliothek Bern eine Umsetzungsmöglichkeit für ein potenzielles Library Lab skizziert. Es wurden Interviews mit verschiedenen Personen aus dem ETH Library Lab16 in Zürich und dem KB LAB17 der Nationalbibliothek der Niederlande (Koninklijke Bibliotheek, kurz KB) durchgeführt. Bei diesen Interviews wurde einerseits ver- sucht, die Managementebene und andererseits die Teilnehmenden des Library Labs zu beleuchten. Aus diesen Interviews und der Literaturrecherche hat sich ergeben, dass das Konzept Library Lab einen wesentlichen Beitrag liefert, die Bibliothek und die Wissenschaft auf der digitalen Ebene zu verbinden. Konkret hat sich herausge- stellt, dass verschiedene Faktoren zusammenspielen müssen, um das Konzept Library Lab an einer Hochschule einzuführen.18 15 Brooks, Mackenzie; Heller, Margaret; Phetteplace, Eric: Library Labs. In: Reference & User Services Quarterly 52.3 (2013), S. 186–190. 16 ETH Library Lab, https://www.librarylab.ethz.ch [Zugriff: 15.12.2021]. 17 KB LAB, https://lab.kb.nl [Zugriff: 15.12.2021]. 18 Mahey, Mahendra et al.: Open a GLAM Lab, http://qspace.qu.edu.qa/handle/10576/12115 [Zugriff: 07.02.2021].
Aspekte der Digital Humanities in Bibliotheken 223 Um zu verstehen, wie ein Library Lab operiert, wird im Folgenden ein Projekt, welches am ETH Library Lab durchgeführt wurde, näher beleuchtet. Durch Twitter wurde ein Forscher auf das ETH Library Lab und die Auffor- derung zur Einreichung von Ideen aufmerksam gemacht. Der Forscher durchlief daraufhin einen Bewerbungsprozess, wobei er seine Projektidee entwickeln und vorstellen konnte. Nach erfolgreicher Annahme des Projektkonzepts erhielt er die nötigen Ressourcen, um an diesem Konzept zu arbeiten. Konkret entwickelte er die Idee, mit Texten aus der e-Periodica-Plattform19 zu arbeiten. e-Periodica sammelt Zeitschriften aus der Schweiz aus dem 18. Jahrhundert und stellt diese online dar. Insgesamt gibt es acht Millionen Seiten, die nur durch die Dewey-Dezi- malklassifikation kategorisiert sind. Zurzeit bietet die e-Periodica-Plattform eine simple Suchmaske. Die Ausgangslage des Projektkonzepts war es, eine etwas komplexere Filteroption zu generieren, um ähnliche Artikel aufgrund von seman- tischen Merkmalen zu finden. Grundsätzlich sollen Artikel gesucht werden, die miteinander in Verbindung stehen, welche in einem weiteren Schritt dem Nut- zenden vorgeschlagen werden. Dieser Ansatz wurde mithilfe von maschinellen Lernverfahren aus dem Natural Language Processing20,21-Gebiet verfolgt. Somit fördern Library Labs also grundsätzlich die Forschung. Das ETH Library Lab und das KB LAB, welche untersucht wurden, sind vom Konzept Library Lab überzeugt. Die wichtigste Grundlage, um ein Library Lab erfolgreich zu etablieren, ist der Digitalisierungsstand der Bibliothek. Beide Labs, die untersucht wurden, haben bereits früh mit der Digitalisierung ihrer Bestände begonnen. Diese digitalen Bestände können als Forschungsuntersuchungsgegenstände betrachtet werden und ermöglichen der Bibliothek die Erfüllung ihrer Aufgabe als informationsver- mittelnde Instanz. Neben der Digitalisierung ist die Finanzierung ein weiterer Faktor. Diese Finanzierung diktiert demnach auch die Dauer und Größe eines Projekts. Um die Zusammenarbeit zwischen Bibliothek und Forschung zu stärken, haben die Library Labs ein Gastforschenden-Programm wie ein Fellowship- oder Researcher-in-Residence-Programm entwickelt, um die Forschenden zu akquirie- ren. Die Programme bieten nicht nur die Ressourcen, sondern legen auch einen zeitlichen Rahmen fest, in der die Ideen und Konzepte im Rahmen des Library Labs bearbeitet werden können. Der Hauptfokus sollte dabei vor allem auf die Zusammenarbeit und den Aufbau des Netzwerkes gelegt werden und nicht nur 19 E-Periodica, https://www.e-periodica.ch [Zugriff: 15.12.2021]. 20 Natural Language Processing beschreibt Techniken und Methoden zur maschinellen Ver- arbeitung natürlicher Sprache. 21 Eisenstein, Jacob: Introduction to Natural Language Processing. Cambridge (MA) 2019, S. 1.
224 Johanna Schüpbach et al. auf ein Endprodukt. Dabei ist wichtig zu erwähnen, dass genau die Integration der Ergebnisse der Projekte in die Alltagsgeschäfte der Bibliothek eine Heraus- forderung darstellt. Im Allgemeinen benötigt es für den Aufbau eines Library Labs eine Koordina- tionsstelle und zusätzliche technische Unterstützung. Grundsätzlich muss im Rahmen eines Library Labs die Grundeinstellung, dass eine mögliche Zusammenarbeit bereits eine Bereicherung für eine Institution darstellt, bereits gegeben sein. Dabei muss erwähnt werden, dass die Projekte, die in Labs durchgeführt werden, meist Start-ups sind. Diese können dann auch mit einer Finanzierung außerhalb der Library-Lab-Umgebung weitergeführt werden. Jedoch sollte sichergestellt werden, dass die fachliche Unterstützung durch ein Library Lab auch nach Ablauf des festgelegten Gastforschenden-Programms fort- geführt wird. Die Finanzierung sollte zugleich für einen Zeitraum fix eingeplant werden, damit die Koordinationspersonen Spielraum haben, um verschiedene Konzepte zu testen und die Abläufe der Organisationsstruktur zu evaluieren. Außerdem setzt ebendiese Finanzierung auch voraus, dass die Koordinationsperson die anfallenden Aufgaben überhaupt wahrnehmen kann. Für die Konzipierung und den Aufbau einer solchen Organisation lässt sich schlussfolgern, dass eine kommunikative Persönlichkeit und die finanziellen Res- sourcen benötigt werden, um ein Netzwerk zu kreieren. Aufgrund der Kommuni- kation, Ressourcen und Aufbau des Netzwerkes kann ein Library Lab aufgebaut werden, damit Bibliotheken auch im Wandel der digitalen Zeit ihre Aufgabe als Informationsvermittlerin wahrnehmen kann. Falls diese zwei Voraussetzungen erfüllt sind, bieten Library Labs Pro- gramme für potenzielle Kandidaten und Kandidatinnen mit ihren Projektideen an. Die Projektidee muss nicht zwingend eine Verbindung zu den Beständen der Bibliothek haben, sondern soll das Grundmotiv der bibliothekarischen Tätigkeit im Fokus haben. Das bedeutet, dass Zugang, Speicherung und Sammlung von Informationen von Relevanz sein müssen. Die Fragestellungen und Projektideen, die in Library Labs behandelt werden, müssen nicht disziplinspezifisch sein. Das bedeutet, dass nicht nur Fragestellungen aus dem DH-Bereich in Library Labs bearbeitet werden. Es wird jedoch festgestellt, dass die Konzepte oftmals Data Science-Ansätze verwenden und die Fragestellungen die DH tangieren. Bei der Umsetzung braucht es einerseits die Unterstützung von den Leitungs- abteilungen der Organisation. Andererseits muss ebenfalls ein breit gefächertes Beratungsangebot von externen Experten vorhanden sein, um den Teilnehmen- den in einem Library Lab die Möglichkeit zu bieten, in verschiedenste Bereiche Einsicht zu bieten. Diese könnten die FR der Hochschulbibliotheken sein. Außer- dem muss klargestellt werden, dass es sich beim Lab um ein experimentelles
Aspekte der Digital Humanities in Bibliotheken 225 Umfeld handelt, in der die Forschung betrieben werden kann, ohne dass ein fer- tiges Produkt daraus entstehen muss. Ein wichtiger Aspekt des Library Labs ist der Wunsch, ein Netzwerk aufzubauen, das eine gemeinsame Vision in Hinsicht auf Bibliothek und digitale Forschung teilt. Deshalb werden die Abläufe und Pro- gramme in Library Labs kontinuierlich evaluiert und weiterentwickelt. 4 Fazit Obwohl sich alle drei Abschlussarbeiten unterschiedlichen Aspekten der Zusam- menarbeit zwischen Forschung und Bibliothek gewidmet haben, haben sich gewisse Gemeinsamkeiten herauskristallisiert. Grundsätzlich ist dies erst einmal, ein Selbstverständnis der eigenen Institution zu fördern: Die Bibliothek ist ein Teil der Universität; die Universität betreibt Lehre und Forschung, ergo darf die Bibliothek nicht auf ihren Büchern sitzen bleiben, sondern muss auch einem Forschungsauftrag nachkommen. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass bereits mit ihren eigenen Beständen DH betrieben werden kann: Nicht nur im Rahmen von eigenen Digitalisierungsstrategien und den neuen Forschungs- feldern, die sich mit den neu digitalisierten Beständen eröffnen, sondern auch im Aufbau von Kompetenzen und im Verständnis von Abläufen. Dafür ist ein Aufbau einer (auch räumlich) separaten Abteilung für DH an der Bibliothek bei Weitem nicht zwingend nötig. Um auf DH-Anliegen und Bedürfnisse eingehen zu können, reicht schon eine minimale Infrastruktur: Solange zwischen den FR und den Kol- leg*innen an der Bibliothek wie auch den Forschenden ihrer Fachbereiche ein guter Austausch besteht, können die FR im Rahmen ihrer Arbeit entweder selber den gewünschten Support bieten, oder sie können die Forschenden an die jewei- ligen Stellen innerhalb der Bibliothek weiterleiten. Das Sammeln und Zusammen- führen von Ressourcen und Wissen ist jedoch immer ein Kernelement. Es braucht kommunikative Personen, die bei DH-Projekten in der Bibliothek die Fäden in der Hand behalten und zwischen den verschiedensten involvierten Stellen zu ver- mitteln wissen. Ohne Möglichkeit auf Finanzierung ist dieser Aufwand, Digitali- sierungsprojekte mitzugestalten, Library Labs aufzubauen oder andere Kollabo- rationen einzugehen, jedoch nicht zu stemmen. Es ist deshalb wichtig, dass das Involvement in Projekten bereits frühzeitig auch in Anträgen vermerkt (extern) oder in der Strategie der Bibliothek (intern) eingebettet ist und klar definiert wird, was der Nutzen für die Bibliothek ist. Schlussendlich gehört auch immer ein gewisser Mut zum Scheitern dazu; das Ausprobieren und Experimentieren mit neuen Formaten, Angeboten und Kollaborationen soll einen höheren Stellenwert haben als die Sicherheit auf ein erfolgreiches Endprodukt.
226 Johanna Schüpbach et al. Um eine möglichst große Reichweite für die Angebote der eigenen Institu- tion zu generieren, muss auf jeden Fall die Sichtbarkeit gewährleistet sein. So sollen alle Angebote, allfällige lizenzierte Tools oder Programme und die jeweili- gen Ansprechpersonen auch nach außen kommuniziert werden. Dafür kann auf der Website eine zentrale Anlaufstelle für Studierende und Forschende zur Ver- fügung gestellt werden, die auf alle vorhandenen Ressourcen der Bibliothek zu den DH verweist. Gleichzeitig soll auch eine Angebotsvielfalt gefördert werden: Der DH-Support an der Bibliothek soll nie eine Konkurrenz zu bereits bestehen- den DH-Infrastrukturen, sondern immer Ergänzung darstellen. In diesem Sinne sollen sich die Bibliotheken ihre Stärken zu eigen machen und dort Kompeten- zen fördern, aufbauen und weiterbilden (Metadatenpflege, Digitalisierung, IK); so kann vorhandenes Wissen genutzt und neues Wissen und neue Kompetenzen können bedarfsorientiert aufgebaut und gefördert werden. Johanna Schüpbach MA, MAS LIS Fachreferentin für Englische Sprach- und Literaturwissenschaft und Allgemeine Linguistik Universitätsbibliothek Basel Schönbeinstraße 18–20 CH-4056 Basel Schweiz E-Mail: johanna.schuepbach@unibas.ch ORCID-ID: https://orcid.org/0000-0002-0905-2056 Catrina Langenegger MA, MAS LIS Fachreferentin für Jüdische Literatur- und Kulturgeschichte Universitätsbibliothek Religion Nadelberg 10 CH-4051 Basel Schweiz E-Mail: c.langenegger@unibas.ch ORCID-ID: https://orcid.org/0000-0001-8875-2730 Sumanghalyah Suntharam MA, MAS LIS Wissenschaftliche Mitarbeiterin Universitätsbibliothek Bern, Open Science Hochschulstraße 6 CH-3012 Bern Schweiz E-Mail: sumanghalyah.suntharam@unibe.ch ORCID-ID: https://orcid.org/0000-0001-6341-2975
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