Auslandsstudium an der Istanbul Üniversitesi

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Auslandsstudium an der Istanbul Üniversitesi
Auslandsstudium an der Istanbul Üniversitesi

Zum Wintersemester 2012/13 verschlug es uns - zwei Charité-Studenten, damals im 3. klinischen
Semester - im Rahmen von Erasmus nach Istanbul an die Cerrahpasa Tip Fakültesi. Istanbul ist
eine wunderbare Stadt, in der man nicht nur ein luxuriöses und aufregendes Studentenleben
genießen, sondern auch viel über andere Kulturen und ihren Aufprall auf westliche Ideen erfahren
kann. In diesem Bericht möchten wir Euch einen kleinen Einblick in diese Zeit und ein paar
hilfreiche Tipps geben.

Sprache
Obwohl wir Leute getroffen haben, die sich mitunter ein ganzes Jahr fast nur mit Englisch
durchgeschlagen haben (was geht, wenn man sich vor allen Dingen in der Erasmus-Community
bewegt), legen wir euch dennoch sehr ans Herz Türkisch zu lernen.
Angefangen beim Unterricht (der nur pro forma 100% auf Englisch ist... realistischer sind 50%),
über alltägliche Begegnungen (Straße, Supermarkt, auf Reisen), als auch bei Kommilitonen:
Türkisch-Kenntnisse erleichtern einem das Leben hier ungemein und öffnen viele Türen, die sonst
verschlossen geblieben wären. (mehr zu Türkisch-Kursen: s. unten)

Visum
Da die Türkei nicht zum Schengen-Raum gehört, braucht man für den Aufenthalt ein Visum oder
eine Aufenthaltsgenehmigung. Als deutscher Staatsbürger erhält man bei der Einreise formlos ein
Touristenvisum in Form eines Stempels in den Reisepass bzw. auf ein separates Blatt bei Einreise
mit Personalausweis. Dieses Touristenvisum ist 3 Monate gültig. Bei Ablauf dieser 3 Monate kann
das Touristenvisum neuerdings erst nach einem 180-tägigen Aufenthalt außerhalb der Türkei
erneuert werden. Die bis vor kurzem häufig praktizierte Methode über Nacht in ein Nachbarland zu
fahren, um bei der erneuten Einreise ein neues Touristenvisum ausgestellt zu bekommen,
funktioniert also NICHT mehr! Bei einem Aufenthalt von über 3 Monaten führt also kein Weg an der
Aufenthaltsgenehmigung vorbei. Für die Aufenthaltsgenehmigung ist es NICHT notwendig in
Deutschland ein Visum zu beantragen (auch wenn das türkische Konsulat sich immer wieder über
Doppeltbezahlungen freut...). Es reicht, mit dem Touristenvisum einzureisen. Für die
Aufenthaltsgenehmigung muss man dann unter https://e-randevu.iem.gov.tr/yabancilar/
dil_sec.aspx ein Formular ausfüllen und sich einen Termin reservieren lassen. Es empfiehlt sich,
den Termin so früh wie möglich zu reservieren, so manch einer hat schon mehr als 3 Monate auf
einen freien Termin gewartet. Vorteilhaft ist es auch, gleich einen Termin um 8 Uhr früh zu nehmen,
dann halten sich die Wartezeiten in Grenzen. Mit dem Formular, 4 Passfotos, dem Reisepass,
einer Kopie des Reisepass, einem Studentennachweis und ca. 200 Lira geht es dann am
vereinbarten Termin zur Ausländerbehörde direkt an der Metrostation Emniyet-Fatih in der Vatan
Caddesi. Einige Wochen später kann man dann seine Aufenthaltsgenehmigung abholen.

Unterkunft
Wohnungen oder WG-Zimmer kann man über craigslist.com oder (bei schon vorhandenen
Türkischkenntnissen) auf der türkischen Seite sahibinden.com suchen. Auf craigslist lassen sich
dabei WG-Zimmer finden, die sich meist in der Preisklasse zwischen 550 und 850 Lira bewegen.
Man sollte sich aber gleich darauf einstellen, dass die WGs besonders auf craigslist nicht selten
zweckgebunden sind und oft als Einkommensquelle für den Hauptmieter dienen. Ausnahmen
bestätigen die Regel. Bei der Wohnugsbesichtigung deshalb unbedingt auch nachfragen, ob Gäste
ein Problem sind. Mehrere unserer Bekannten wurden damals aus ihrer Wohnung geschmissen,
weil sie Besuch aus Deutschland da hatten... Auf sahibinden.com kann man komplette
Wohnungen finden, diese sind teilweise möbiliert, teilweise unmöbiliert. Hieran sollte man sich
aber nur bei schon guten Türkischkenntnissen wagen. In jedem Falle empfiehlt es sich, bei einem
längeren Aufenthalt die Wohnungsfrage endgültig vor Ort zu klären, erst nachdem man sich das
Zimmer angeguckt hat. Eine Woche reicht dabei in den meisten Fällen für die Wohnugssuche aus,
solange kann man sich je nach Geschmack in ein Hostel oder Hotel einquartieren oder bei
Couchsurfern hausen. Natürlich lohnt es sich, sich bei Freunden oder Bekannte nach freien
Zimmern umzuhören. Beliebte Gegenden zum Wohnen sind: Taksim, Cihangir, Besiktaş, Harbiye,
Osmanbey aber auch das auf der asiatischen Seite liegende Kadıköy, das man problemlos per
Fähre erreichen kann. Auch in der Nähe der Uni gibt es schöne und preiswertere Gegenden z.B.
rund um Capa.

Sicherheit
Generell ist Istanbul bei Tag abgesehen von den ein oder anderen Tricksern, die gerne neu
angekommene Touristen übers Ohr hauen, eine sichere Stadt.
Bei Nacht muss ich allen Frauen, besonders offensichtlich ausländisch aussehenden Frauen,
jedoch raten, Vorsicht walten zu lassen. Auf großen belebten Straßen, wie der Istiklal Caddesi,
werden blonde Frauen ununterbrochen angemacht, das ist natürlich ärgerlich, bleibt dort aber
auch in einem ungefährlichen Rahmen. Dunkle, ausgestorbene Straßen würde ich in der Nacht
unbedingt meiden, lasst euch bitte am besten nach Hause bringen oder nehmt ein Taxi. Man hört
leider hin und wieder beängstigende Geschichten.

Anreise
Von Berlin aus bietet Pegasus in der Regel die billigsten Flüge an. Die Pegasus-Flugzeuge landen
dabei auf dem Sabiha Gökcen Airport, der etwas weiter vom Zentrum gelegen ist als der Atatürk
Airport. Von beiden Flughäfen aus gibt es einen bequemen und günstigen Shuttle-Service namens
Havataş (10 bzw. 13 Lira) direkt nach Taksim. Für die Flugsuche empfehlen sich die Websites
flug.idealo.de oder auch skyscanner.com.

Kommunikation
Bei der Benutzung einer türkischen Simkarte mit einem deutschen Handy wird das Handy
innerhalb der ersten 2-4 Wochen gesperrt. Deshalb sollte man sich entweder ein billiges Handy vor
Ort kaufen oder sein deutsches Handy in einem Steuerbüro (Vergi Dairesi) für ca. 115 Lira
registrieren lassen. Ein Vergi Dairesi befindet sich direkt am Tünel am westlichen Ender der Istiklal
Caddesi. Für die Registrierung benötigt man einen Reisepass. Nach der Registrierung kann man
das Handy ohne Bedenken mit einer türkischen Simkarte benutzen. Der gängigste Anbieter ist
dabei Turkcell. Hier sollte man sich unbedingt sogenannte Pakete kaufen, da das Telefonieren
sonst sehr teuer sein kann. So gibt es zum Beispiel ein SMS-Paket für 11 Lira, mit dem man
10.000 SMS verschicken kann. Ein 100-MB Internetpaket kostet 9 Lira, 1 GB kosten 19 Lira. Die
Pakete laufen automatisch nach einem Monat aus, sofern kein neues Guthaben auf das Handy
geladen wird.
Briefkästen gibt es nur sehr wenige in der Stadt, Briefe deshalb am besten direkt bei der Post
(PTT) abgeben.

Transport
Für die öffentlichen Verkehrsmittel ist es lohnenswert, sich so schnell wie möglich ein Akbil
(Istanbul Kart) zu besorgen. Diese gibt es an allen kleinen Wasser- und Süßigkeitenkiosken, die
ein Schild mit “Akbil Dolu” aushängen haben. Dort kann man sich für 6 Lira ein Akbil kaufen und
gleich mit Guthaben aufladen lassen. Das Aufladen kann auch an jeder Metrostation an
entsprechenden Automaten erfolgen. Mit dem Akbil bezahlt man für jede Fahrt 2 Lira und für eine
Anschlussfahrt innerhalb der nächsten 2 Stunden ungefähr 1 Lira.
Mit einer Studentenbescheinigung, die man sich von Cansu, der Erasmus-Sekretärin der
Cerrahpasa, abholt, und einem Passfoto kann man sich ein Studenten-Akbil beim IETT Office in
Kabataş besorgen. Mit dem Studenten-Akbil bezahlt man 1 Lira pro Fahrt und für jede
Anschlussfahrt 40 Kuruş. Das IETT Office ist im gleichen Gebäude wie der Tünel-Eingang in
Kabataş, einfach vom Tünel-Eingang aus einmal links um das Gebäude zur Hintereite
marschieren. Dort sieht man dann ein rotes IETT-Schild.

Müzekart
Mit einem türkischen Studentenausweis, den man sich im Erasmusbüro des Hauptcampus der
Istanbul Üniversitesi in Beyazit abholt, kann man sich bei einigen Museen, z.B. vor der Hagia
Sophia, eine Müzekart für 15 Lira kaufen. Mit dieser hat man dann kostenlosen Eintritt in alle
staatlichen Museen. Die Müzekart lohnt sich in jedem Fall. Allein der normale Eintritt für die Hagia
Sophia kostet schon 25 Lira...

Finanzen / Ausgaben
Man sollte in Istanbul nicht mit niedrigeren Ausgaben als in Deutschland rechnen. Gemüse und
Obst sowie Textilien kann man zwar zu unschlagbar günstigen Preisen auf den Wochenbazaars
finden, importierte Produkte sind dagegen in der Regel teurer als in Deutschland. Dazu gehören
Kosmetikartikel, Technologie, Alkohol und einige, zumeist hochverarbeitete Nahrungsmittel
(Pasten, Honig, Haferflocken etc.). Auch Markenkleidung ist entgegen aller Erwartungen teurer,
wenn sie nicht gerade aus dem Outlet stammt oder gefälscht ist. Nicht zuletzt ist die Verführung
groß, in den zahlreichen Lokantas und Restaurants essen zu gehen, was im Einzelfall relativ billig
ist, sich über den Monat aber zu stattlichen Beträgen summieren kann.
Es gibt im Zentrum nahezu alle 500 Meter mehrere Geldautomaten, an denen man problemlos mit
einer Visakarte abheben kann. Die Geldautomaten erheben keine Berabeitungsgebühren, einige
Banken schon. Empfehlenswert ist die DKB-Bank, mit deren Visa-Karte man weltweit gebührenfrei
zu tagesaktuellen Kursen abheben kann.

Dilmer und andere Sprachschulen
Die Sprachschule Dilmer (www.dilmer.com) ist zusammen mit Tömer einer der beiden
renommierten und bekannten Sprachschulen in Istanbul.
Tömer ist zwar geringfügig günstiger als Dilmer, es wird aber weniger Grammatik pro Kurs
vermittelt, weshalb es auch mehr Kursstufen gibt. Im Sekreteriat wird leider kaum Englisch
gesprochen und die Sekretäre lassen an Freundlichkeit zu wünschen übrig. Was Kursqualität
angeht, habe ich von ehemaligen Schülern bisher nichts positives gehört.
Eine weitere kleine Sprachschule namens Türkce Atölyesi (www.turkceatolyesi.com) erfreut sich
trotz geringfügig höherer Preise in letzter Zeit an zunehmender Beliebtheit. Die Sprachschule hat
eine wunderbar gemütliche Atmosphäre, die Räumlichkeiten sind super und die Lehrer und das
Sekretariat unglaublich freundlich. Dort wird auch Englisch verstanden und gesprochen. Laut
Berichten einiger Bekannte, die in der Türkce Atölyesi Kurse belegt haben, wird dort sehr viel Wert
auf Sprechen und Verstehen gelegt. Es werden also ständig Konversationen geübt und selbst der
schüchternste Schüler zum Sprechen ermutigt. Allerdings hat die Türkce Atölyesi vor allem
Schüler, die Türkisch als Anfänger lernen, deshalb finden sich nicht immer genügend Teilnehmer
für einen höheren Kurs. Ich habe aber bisher nur Gutes über diese Sprachschule gehört, es lohnt
sich also einmal nachzufragen, ob der gewünschte Kurs angeboten wird.

Die Sprachschule Dilmer hat dagegen ein sehr breites Kursangebot, da auch entsprechend viele
Schüler vorhanden sind. Es gibt einen Studentenrabatt von 10 Prozent. Die Sekretärinnen
sprechen Englisch und die Räumlichkeiten sind durchaus in Ordnung und für den Zweck
angemessen. Bevor man in einen Sprachkurs einsteigt, wird ein Einstufungstest gemacht. Dieser
besteht aus einem grammatikalischen, schriftlichen Teil und aus einem mündlichen Teil. Ein Lehrer
stuft dann das Level hauptsächlich anhand der Grammatikkenntnisse ein. Falls man sich später in
dem zugewiesenen Kurs langweilt oder überfordert ist, kann man immer noch wechseln, dazu
reicht es, mit den Sekretärinnen zu sprechen. Die Lehrer haben einen festen Lehrplan, welche
Grammatik sie in dem jeweiligen Kurs vermitteln sollen. Mittels eines Übungsbuchs wird die
Grammatik dann geübt. Es wird wert darauf gelegt, dass jeder Schüler in der ersten Stunde eines
jeden Kurses spricht, zum Beispiel erzählt, was er gestern gemacht hat. Für Diskussionen und
Witz innerhalb des Kurses ist auch Zeit, die Initiative muss dabei aber eher von den Schülern
ausgehen.
Ich (Madhuri) habe bei Dilmer im Rahmen von zwei Kursen zwei Lehrer kennengelernt (Meltem
und Nurdan), die beide nichts zu wünschen übrig gelassen haben. Die Grammatik wurde uns
verständlich und einfach beigebracht und die Lehrer selbst haben uns durch ihre Redseligkeit die
Angst vorm Sprechen genommen. Mit beiden Kursen bin ich durchweg zufrieden, es gab selten
langweilige Stunden. Zudem hat sich mein Türkisch enorm entwickelt. Am Ende des Kurses wird
eine Prüfung geschrieben. Wenn man die Grammatik beherrscht und auch im Kurs keine
Probleme hatte, kann man diese ohne weiteres bestehen. Man bekommt dann ein Zeugnis, mit
welchem man in die nächste Kursstufe einsteigen kann.
Ich (Lukas) habe quasi das ganze Jahr durch Abend- oder Intensivkurse (insgesamt 6) bei Dilmer
belegt und bin im großen und ganzen sehr zufrieden. Die Lehrer (Meltem, Nurdan, Hakan, Eda)
waren alle sehr fähig und mein Türkisch ist sehr vorangekommen.
Selbst wenn man bei Beginn nur wenig Türkisch spricht, kann man mit den Kursen (und wie bei
jeder Sprache: Fleiß und Motivation) innerhalb weniger Monate bereits flüssig über die meisten
Situationen des Alltags sprechen und auch sonst schon viel verstehen.
Ein Tipp für alle Smartphonebesitzer: Das Türkisch-Deutsch Pons Wörterbuch gibt es als App für
15 Euro im Google Playstore. Wenn man dann noch Swype beherrscht, ist das Nachschlagen von
Vokabeln nurmehr eine Sache von Sekunden. Diese 15 Euro sind also gut investiert!

Tandempartner
Aushänge für Tandempartner findet man im Goethe-Institut oder in der Deutschen Buchhandlung
(Almanca Kitabevi) am westlichen Ende der Istiklal Caddesi. Auch auf craigslist.com oder in der
facebook-Gruppe “Tandem arkadaslari 2013” findet man das ein oder andere Tandem-Inserat. Ihr
werdet aber auch viele Kommilitonen treffen, die deutsch lernen wollen. Die meisten kennen das
Tandem-System nicht, also einfach vorschlagen, sie werden es dankbar annehmen!

Istanbul
Es würde wohl zu weit gehen, die unzähligen Highlights dieser Stadt hier aufzuführen. Es lohnt
sich in jedem Fall auch einmal ohne Reiseführer durch die Straßen zu schlendern, hier und da
einen Tee zu trinken und den Einheimischen beim Tavla-Spielen zuzusehen. Kulinarisch hat
Istanbul unglaublich viel zu bieten. Um die traditionelle türkische Küche kennenzulernen, lohnt sich
ein Gang in ein typisches Lokanta. Bei Mado gibt es die edelsten türkischen Süßspeisen,
unbedingt probieren sollte man Baklava, türkisches Eis (Dondurma) und Künefe (eine Süßspeise
aus Käse). Kumpir und Cig Köfte gehören zu meinen absoluten Lieblingsgerichten, die es auf den
Straßen von Istanbul gibt. Auch als VegetarierIn gibt es immer genügend Auswahl besonders unter
den Meze (türkische Vorspeisen). Unbedingt sollte man auch einen der zahlreichen
Wochenbazaars besuchen. Sonntags gibt es einen Wochenmarkt in Tarlabaşı in der Serdar
Ömerpasa Caddesi. In 4. Levent gibt es dienstags einen riesigen Textilbazaar, in dem so manch
ein Zara oder Mango-Top für lächerliche Preise angeboten wird. Auch die Märkte in Besiktaş und
Kadıköy sind sehr beliebt. Mein Lieblingsbazar ist der Freitagsbazar in Fındıkzade.
Falls man während des Ramadans schon in Istanbul ist, sollte man unbedingt auch einmal an
einem Iftar (Fastenbrechen) teilnehmen. Dazu trifft man sich in Parks, meist in Fatih um Moschees
herum, mit Speis und Trank und nach Freigabe des Imams wird geschlemmt, was das Zeug hält.
Das beste daran: Jeder teilt mit jedem! So kann man einen kleinen Einblick in türkische Familien
und Gerichte bekommen.
Einige unserer wertvollsten und spannendsten Erlebnisse machten wir in der Zeit des kleinen
“türkischen Frühlings”. Wir sind sehr dankbar, solch ein historisches Ereignis so nah miterlebt
haben zu dürfen! Viele unserer Freunde und Kommilitonen waren ganz vorne bei den Protesten
dabei und so konnten wir miterleben, wie eine solch kraftvolle Bewegung entstand.

Reisen
Es lohnt sich natürlich auch die Türkei einmal außerhalb Istanbuls zu erkunden. In allen
Ballungszentren der Stadt finden sich Reisebus-Fillialen von Metro, Pamukkale, Kamil Koc etc., in
denen man bequem Busreisen in die ganze Türkei buchen kann. Von dort gibt es in der Regel
auch einen Shuttle-Service zum Busbahnhof. Wenn man früh bucht, kriegt man über Pegasus
auch sehr günstige Inlandsflüge. Sehenswert sind vor Allem die Mittelmeerküste und Lykien,
Kappadokien, die Gegend am Schwarzen Meer sowie das tiefe östliche Anatolien. Für
letztgenannte Region schadet es nicht, sich vorher beim Auswärtigen Amt über Reisewarnungen
zu erkundigen. In der Türkei, vor allem in Lykien und am schwarzen Meer, gibt es viele
wunderschöne Farmen, die Volunteer-Aufenthalte (“Work-aways”) anbieten. Eine in jedem Fall zu
empfehlende Erfahrung! Auch in Hostels oder ähnlichem kann man sich in der Regel unkompliziert
freiwillig melden. Die Türkei eignet sich auch sehr gut zum Trampen, man wartet nie länger als 10
Minuten. Selbst bin ich nur in ländlichen Regionen, z.B. in Kappadokien, getrampt und natürlich
nicht alleine. Auf dem Land ist es auch für die Ansässigen ganz normal, dass Wartende
mitgenommen werden.

Universität
Eure Helferin für alle Erasmus-Lebenslagen an der Cerrahpasa ist Cansu, die junge, hübsche und
meist liebenswürdige Erasmus-Sekretärin des eigentlichen Erasmus-Koordinators (den die
meisten von uns nie zu Gesicht bekommen haben). Cansu spricht fließend Englisch und hält sich
in Ihrem Büro im Ingilizce Tip Gebäude auf (Englische Medizin). Ihre Sprechzeiten waren im
Sommersemester 2013: Montag, Mittwoch und Freitag; 9-12 und 13.30-16Uhr.
Cansu erstellt mit euch zusammen euren Stundenplan, sobald ihr angekommen seid. Holt euch
gleich am Anfang auch eine Studentenbescheinigung fürs Akbil bei ihr ab. Während des
Semesters könnt ihr Sie jederzeit für Stundenplanänderungen oder andere Fragen kontaktieren.
Generell gilt, dass man bei jeglichen Änderungen, die Kurse betreffen, immer zuerst Cansu fragen
sollte und dann erst die Kursverantwortlichen, sonst fühlt sich Cansu übergangen und kann etwas
zickig werden! Und mit Cansu solltet ihr es euch nicht verderben, denn sie kann einem wirklich viel
helfen. Am Ende des Erasmus-Aufenthalt holt ihr euch bei ihr euer Transcript of Records ab.

Im Erasmus Büro der Istanbul Üniversitesi auf dem Beyazit Campus könnt ihr euch die
Anfangsbestätigung für das Erasmus-Stipendium unterschreiben lassen und euren
Studentenausweis abholen. Da die Öffnungszeiten sich stetig ändern, fragt ihr am besten vorher
bei Cansu nach.

Unileben generell:
Die türkischen Kommilitonen sind wirklich sehr offen und hilfsbereit Erasmus-Studenten
gegenüber. Man wird sehr schnell zum Çay-Trinken und, wenn man ein bisschen Türkisch spricht,
auch zu Aktivitäten am Wochenende oder teilweise sogar nach Hause zu den Familien der
Kommilitonen eingeladen. Außerdem wollen nicht wenige Studenten für einen Erasmus-Aufenthalt
oder zum späteren Arbeiten nach Deutschland gehen und sind entsprechend interessiert. (Dies
kann z.B. auch eine gute Gelegenheit für ein Sprachtandem sein.)
Auch wenn viele Kommilitonen recht passables Englisch sprechen: Türkisch (auch auf niedrigem
Level) macht vieles einfacher.
ESN: Istanbul verfügt über eines der größten Erasmus Students Networks (ESN). Jedes Semester
werden ca. 4 Trips zu verschiedenen Zielen in der Türkei und jede Woche mindestens eine Party
organisiert. Das kann alles sehr viel Spaß machen. Leider kommt man so allerdings (von den
Organisatoren mal abgesehen) kaum mit Türken in Kontakt. Wer in Istanbul aber vor allem auf
Party und internationale (also nicht-türkische) Kontakte aus ist, für den kann das genau das
Richtige sein.
Generell ist es so, dass Studenten im 4. Jahr deutlich mehr Freizeit haben, als Studenten im 5.
Jahr, da diese sich bereits auf das türkische Staatsexamen “TUS” vorbereiten (sehr hart... jedes
Jahr fällt über die Hälfte der Studenten durch...).
Uni-Essen: In der Yemekhane (Mensa) kann man sehr günstig zwischen 11.30-13.30Uhr für
gerade einmal 1,80 Lira essen gehen. Das Essen ist tagesabhängig aber meistens recht gut.
Häufig gibt es Suppe, Hauptspeise (immer mit Fleisch) und Süßes.

Kurse
Anders als in Berlin (wo verschiedene Fächer parallel gelehrt werden), funktioniert der Unterricht in
Istanbul im Blocksystem (Staj-System). Das heißt, dass man für einige Wochen ausschließlich ein
Fach belegt und es nach dieser Zeit auch mit einer Prüfung (meist schriftlich und mündlich)
abschließt.
Wir sind für unser 3. und 4. klinischen Semester nach Istanbul gegangen und haben auf Rat von
Frau Fleischmann und ehemaligen Erasmuslern alle kleinen Fächer plus Gyn und Pädiatrie belegt.
Mit solch einer Kurswahl kann man zurück in Deutschland dann die übrigen Fächer aus k3 und k4
in einem Semester nachholen und im nächsten regülär in k5 einsteigen. Es empfiehlt sich vor dem
Auslandsaufenthalt schon einmal ein paar kleine Kurse aus k3 oder k4 vorzuziehen.
Bei der Kurswahl sollte man im Hinterkopf behalten, dass neuerdings laut Frau Heller mind. 27
EILC Punkte pro Semester nötig sind. Streng kontrolliert wird das aber nicht und solange man eine
gute Begründung hat, reichen auch weniger. Die Website der Cerrahpasa http://www.ctf.edu.tr/
index.php/en/ kann euch bei der Kurswahl behilflich sein (speziell für die Kurse: http://
www.ctf.edu.tr/egitim_ogretim/dersprog.htm)

Entgegen der offiziellen Bezeichnung “English Faculty” werden viele Vorlesungen in türkisch
abgehalten. Oft sprechen die Dozenten aber dennoch englisch. Es lohnt sich daher (sollte die
Vorlesung in türkisch beginnen) nachzufragen, ob die Vorlesung nicht auch in englisch abgehalten
werden kann. Häufig werden dann zumindest englische PPP-Folien verwendet.
Es ist speziell am Anfang sehr frustrierend in der offiziell englischen Fakultät so häufig mit
türkischem Unterricht konfrontiert zu werden. Leider hat es aber System, dass - entgegen den
Wunschvorstellungen der Fakultätsleitung - einige Dozenten schlicht kein gutes Englisch
beherrschen. Mit der Zeit (und besser werdenden Türkisch-Kenntnissen) gewöhnt man sich jedoch
an die Situation.

Orthopedics and Traumatology (5th year): 3 Wochen
Nicht besonders zu empfehlen. Der Großteil der Kurse wird in türkisch abgehalten. Obwohl es
Anwesenheitspflicht für die Studenten gibt sind die Dozenten zu gefühlt 50% der Kurse entweder
gar nicht oder viel zu spät gekommen. Kaum praktischer Unterricht. Die Prüfung (schriftlich und
mündlich) war dafür recht einfach.

Psychiatrics (5th year): 2 Wochen
Sehr sympathischer Dozent, der gutes Englisch spricht. Sehr wenig Anwesenheitspflicht. Gelernt
haben wir leider nur wenig. Die Prüfung war kaum der Rede wert.

Neurosurgery (5th year): 1 Woche
Empfehlenswert. Neben dem theoretischen Unterricht, wird man in 5er-Gruppen einem Arzt
zugeteilt, der mit einem auf Station geht, Patienten untersucht und Fälle bespricht. Außerdem geht
man mind. einmal in den OP. Unsere Ärztin war unglaublich nett und der Kurs insgesamt gut
organisiert. Viele Vorlesungen und der praktische Unterricht waren auf englisch. Die schrifftliche
Prüfung war nicht leicht, aber schaffbar.

Ophtalmology (5th year): 3 Wochen
Sehr zu empfehlen. Unterricht ist sehr gut organisiert und komplett auf englisch. Morgens gibt es
Vorlesungen (Anwesenheitspflicht) und am Nachmittag geht man in 6er-Gruppen in die Polyklinik.
Hätten in Deutschland wahrscheinlich nicht mehr gelernt.
Prüfung war überraschend schwer. Dennoch haben alle bestanden.

Pediatrics (4th year): 10,5 Wochen
Empfehlenswert. Morgens Vorlesung (auf Türkisch, keine Anwesenheitspflicht) und Nachmittags in
6er-Gruppen bei verschiedenen Ärzten Unterricht am Krankenbett. Wir hatten jeden Wochentag
bei einem anderem Hoca (“Meister”, so werden die Fachärzte hier genannt) Unterricht. Fast alle
Hocas konnten relativ gut englisch und wir konnten einen breiten Einblick in die Pädiatrie
gewinnen. Prüfung war nicht leicht aber schaffbar.

Gynecology and Obstetrics (4th year): 7 Wochen
Geschmackssache. Jeden Tag lange Vorlesungen (3-4 Stunden) in minderprächtigem Englisch
(Anwesenheitspflicht). Praxis-Unterricht in der Polyklinik (1 mal pro Woche ist Pflicht, der Rest
freiwillig). OP-Besuch für Erasmus-Studenten ebenfalls freiwillig. Prüfung war die schwerste von
allen Fächern.

Otorhinolaryngology (5th year): 3 Wochen
Durchschnittlich. Erasmus-Studenten kommen in der Regel zu Prof. Ender Inci, der super deutsch
und englisch spricht. Leider war er bei uns (wegen eines Kongresses) nur 2 Tage da. An diesen
Tagen hat er aber sehr guten Unterricht gemacht. ;-P
Die Vorlesungen sind ungefähr zu 70% in Türkisch und 30% in Englisch.

Cardiology: 3 Wochen
Erasmus-Studenten kommen zu Doktor Karadağı. Sehr freundlicher Dozent, der die Studenten
auch hin und wieder zum Essen einlädt. Leider ist er den ganzen Tag im Herzkatheterlabor,
weshalb der Einblick in die Kardiologie sehr beschränkt bleibt.
Morgens gibt es Vorlesungen auf türkisch, an denen man als Erasmus-Student nicht teilnehmen
muss. Mittags ist man bei Dr. Karadağı im Katheterlabor. Nachmittags kann man (freiwillig) in der
Polyklinik oder beim Ultraschall vorbeischauen.

Plastic Surgery: 2 Wochen
Ordentlicher Kurs. Morgens Unterricht auf türkisch (evtl. ist auch englisch möglich, da es aber
mein letzter Kurs war, konnte ich das Türkisch relativ gut verstehen und habe nicht nach Englisch
gefragt...). Nachmittags muss man innerhalb der 2 Wochen mindestens je einmal im OP, der
Polyklinik und auf Station vorbeigeschaut haben.
Prüfung bestand zu 95% aus Altfragen (sehr leicht).
Neurology: 3 Wochen
Empfehlenswert. Morgens und nachmittags englische Vorlesungen. Mittags in 6er-Gruppen
Unterricht beim Hoca. Schriftliche Prüfung war mittelschwer. Mündliche Prüfung war einfach.

Urology: 3,5 Wochen
Haben wir nicht besucht. Soll aber einer der besten Kurse gewesen sein.

Altklausuren
Viele Klausuren lassen sich gut mit Altfragen vorbereiten und bestehen.
Altklausuren kann man für wenig Geld im “Cerrahpaşa Kitabevi” (s. beiligende Karte) erwerben.
Leider sind viele nur in Türkisch und nicht immer aktuell.
Neuerdings werden die Altklausuren auch immer häufiger zwischen den Studenten per WhatsApp
oder Facebook verschickt. Deswegen am besten auch immer mal bei den türkischen Kommilitonen
nachfragen.

Famulatur
2 Wochen auf der Radiologie an der Cerrahpasa: Eine kurze Famulatur kann man direkt beim
Sekretariat der jeweiligen Station organisieren, Cansu muss dazu nicht involviert werden (trotzdem
sollte man ihr Bescheid geben, denn wenn sie sich übergangen fühlt, kann sie etwas zickig
werden). Ich rotierte für jeweils 3-4 Tage in jeder Abteilung der Radiologie und wurde in der Regel
einem Assistenzarzt zugewiesen, der sich Zeit genommen hat zu erklären. Bei der Sonografie
durfte ich oft schallen. Ganz besonders toll ist das Team der Interventionellen Radiologie. Ahmet
Bey und sein Team waren unglaublich freundlich, wir haben viel gelacht und gequatscht, einmal
gemeinsam gefrühstückt und auch Mittagessen gab es immer auf Station.

1 Monat im Deutschen Krankenhaus (Alman Hastanesi) Istanbul: Sehr modernes, privates
Krankenhaus im Zentrum Istanbuls. (5 min. vom Taksim-Platz) Größtenteils habe ich mich im OP-
Bereich aufgehalten, wo es eine enorme Bandbreite (metabolische OPs, gebrochene Nasen,
plastische OPs, neurochirurgische Eingriffe, Herz-OPs, Katarakt-OPs, Kaiserschnitte ....) zu sehen
gab. Außerdem konnte ich, wann ich wollte, auch in den anderen Stationen vorbeischauen. Konnte
so neben dem OP-Bereich noch in der Radiologie, Kardiologie, Notaufnahme und im Labor hinter
die Kulissen schauen.
Entgegen dessen, was der Name "Deutsches Krankenhaus" vermuten lässt, sprechen vom
Personal so gut wie niemand deutsch und auch nicht alle englisch.
Daher sind zumindest grundlegende Türkisch-Kenntnisse sehr zu empfehlen.
Insgesamt konnte ich in der Famulaturzeit sehr viel sehen, aber nur wenig selbst machen, da es
sich um ein privates Krankenhaus handelt und Studenten dort nicht an der Tagesordnung sind.
Die Atmosphäre war immer gut und Ärzte und Pfleger sind stets interessiert wenn man mit
mittelgutem Türkisch erzählt wo man herkommt und was man hier macht.
Auf Nachfrage wird einem auch viel (auf Türkisch) erklärt.
Die Bewerbung erfolgt direkt im Büro des Direktors Erol Düren (eduren@superonline.com). Er hat
selbst lange in Deutschland gearbeitet und spricht sehr gut Deutsch.
1 Monat in der traumatologischen Notaufnahme von Cerrahpaşa: Zur Bewerbung im obersten
Stockwerk der Bibliothek bei “Eda Hanım” (Frau Eda) nachfragen. In der Regel gibt es keine
Probleme und man kann zeitnah anfangen.
In der Notaufnahme gibt es (besonders abends) viel zu sehen (v.a. Trauma- und Brandopfer) und
man darf auch relativ viel machen (Wunden nähen, Verbände anlegen, Tetanus-Impfungen oder
Schmerzmittel geben...). Türkisch-Kenntnisse sind wieder stark von Vorteil.

Fazit
Insgesamt sind wir beide sehr zufrieden mit der Zeit, die wir hier verbracht haben. Wir haben viel
erlebt, wunderbare Menschen kennengelernt und eine Sprache gelernt, die viele Türen (und
Herzen!) öffnen kann. Istanbul ist eine unglaublich facettenreiche Stadt, in der es sich großartig
leben und gut studieren lässt.
Wen die fehlende Natur und die stetige Betriebsamkeit nicht stört, für den bietet diese Metropole
zwischen Orient und Okzident unzählige Möglichkeiten einen tollen Erasmusaufenthalt zu erleben.

Istanbul’da kolay gelsin! :-)

PS: Anbei noch eine kleine Übersichtskarte von Cerrahpaşa. Kann speziell in den ersten Tagen
ganz hilfreich sein ;-)
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