Funktionales Denken entwickeln und fördern
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Funktionales Denken entwickeln und fördern Das Denken und Arbeiten mit Funktionen Wechsel zwischen diesen eine besondere Rolle (vgl. ist charakteristisch für die Mathematik Tab. 1, Klinger 2018; Rolfes 2018). So werden Ei- und einer ihrer wichtigsten Beiträge zur genschaften funktionaler Zusammenhänge für Schü- Strukturierung und zum Verständnis der lerinnen und Schüler greifbar und sie lernen funktio- Umwelt. Im Unterricht sind dazu wesent- nales Denken, das sich aus dem Zusammenspiel von liche Grundvorstellungen aufzubauen – miteinander in Beziehung gesetzten Grundvorstel- anhand konkreter Situationen und in Ver- lungen zu funktionalen Zusammenhängen und dem bindung mit Darstellungen zu Funktionen dafür unerlässlichen Arbeiten mit Darstellungen von wie Sprache, Tabelle, Graph und Term. Funktionen ergibt. Kinder interessieren sich früh für ihre Körpergröße JÜRGEN ROTH, – und viele Eltern halten bei jedem Geburtstag die Grundvorstellungen zu funktionalen MICHAELA LICHTI aktuelle Größe ihres Kindes an einer Messlatte fest Zusammenhängen (Abb. 1). Sie interessieren sich für die Zuordnung von Körpergröße zu Lebensalter sowie für das Än- Grundvorstellungen stellen verschiedene Perspek- derungsverhalten der Körpergröße bei fortschreiten- tiven auf funktionale Zusammenhänge dar und er- dem Alter. Spätestens wenn ein zweites Kind dazu- möglichen im Zusammenspiel ein Gesamtbild ei- kommt, wird mit eben solchem Interesse beobach- nes konkreten funktionalen Zusammenhangs. Die tet, wie sich die Zusammenhänge zwischen Lebens- drei Grundvorstellungen Zuordnung, Änderungs- alter und Körpergröße der beiden Kinder jeweils als verhalten (bzw. Kovariation) und Funktion als Gan- Ganzes im Vergleich zueinander verhalten. zes werden im Folgenden erläutert: Zuordnung, Änderungsverhalten und die Sicht auf das Ganze sind entscheidende Perspektiven auf Zuordnung – einer unabhängigen Größe eine jeden funktionalen Zusammenhang. Diese Grund- andere, davon abhängige Größe zuordnen vorstellungen zu funktionalen Zusammenhängen Durch Funktionen werden Zusammenhänge zwi- gehen auf den Didaktiker Hans-Joachim Vollrath schen Größen beschrieben oder gestiftet: Jedem zurück (Vollrath 1989) und sind Grundlage jegli- Wert der unabhängigen Größe wird genau ein Wert chen Arbeitens mit funktionalen Zusammenhängen, der davon abhängigen Größe zugeordnet. die im Alltag allgegenwärtig und eine der fünf in- Wenn etwa beim nullten, ersten, zweiten, dritten, haltlichen Leitideen der Bildungsstandards Mathe- … Geburtstag eines Kindes jeweils dessen Körper- matik sind (KMK 2004). Die dabei benötigten Vor- größe gemessen wird, dann wird dem Alter in Jah- stellungen, Kenntnisse und Fähigkeiten werden im ren jeweils die aktuelle Körpergröße in Zentimetern Sinne des Spiralprinzips durchgängig systematisch zugeordnet. Hier und beim Eintragen dieser jeweils aufgebaut und weiterentwickelt (Büchter 2014). gemessenen Größen auf einer Messlatte (Abb. 1), Wie aktuelle Forschungsprojekte zeigen (einen macht man die Erfahrung, dass jedem Alter (hier die Überblick finden Sie in Tab. 1 am Ende des Artikels), unabhängige Größe) genau eine Körpergröße (hier können Lernende insbesondere durch das angeleite- die abhängige Größe) zugeordnet ist und nicht meh- te Experimentieren mit geeigneten gegenständlichen rere. Es wäre auch seltsam, wenn eine Person zum Materialien (Vollrath 1978, Ganter 2013) bzw. mit selben Zeitpunkt zwei verschiedene Körpergrößen sinnvoll gestalteten Simulationen den Funktionsbe- hätte. Dagegen ist es bei Erwachsenen die Regel, griff an Phänomenen erfassen und Grundvorstellun- dass sie etwa am 30. und am 31. Geburtstag dieselbe gen dazu aufbauen (Lichti/Roth 2020). Bei solchen Körpergröße aufweisen, zwischendurch also nicht Experimenten sollte die (reale) Situation, aus der ein gewachsen sind. Dass verschiedenen Werten der un- Abb. 1: Funkti- funktionaler Zusammenhang abgelesen (oder in die abhängigen Größe (hier: Lebensalter in Jahren) die- onaler Zusam- er hineingesehen) wird, im Mittelpunkt stehen, damit selben Werte der abhängigen Größe (hier: Körper- menhang im mathematische Erkenntnisse zu Funktionen mit der größe in Zentimetern) zugeordnet werden, kann sich Kinderzimmer: Eintragen der realen Situation abgeglichen und wechselseitig in- aus dieser Situation also durchaus ergeben. Körpergrößen auf terpretiert werden können. Dabei spielt der adäqua- Für Funktionen wird folglich gefordert, dass je- der Messlatte te Einsatz verschiedener Darstellungsformen und der dem x-Wert der unabhängigen Größe genau ein 2 mathematik lehren 226 | 2021
MIT FUNKTIONEN DENKEN UND ARBEITEN | BASISARTIKEL y-Wert der abhängigen Größe zugeordnet wird, aber eben nicht zwingend jedem y-Wert genau ein x-Wert! Die Grundvorstellung Zuordnung lässt sich gut über Real-Experimente entwickeln (Beckmann 2007; Lichti 2019). Änderungsverhalten/Kovariation – Veränderungen wahrnehmen und analysieren Funktionen zeigen, wie sich die Änderung einer Größe auf eine von ihr abhängige Größe auswirkt, wie also die abhängige Größe bei Variation der un- abhängigen Größe mit variiert (kovariiert). Abb. 2: Die Wenn Kinder wissen wollen, wie schnell sie wach- Gleichung x2=2x graphisch Lösen sen, interessiert sie, wie sich ihre Körpergröße in gleichen Zeitschritten (in Abb. 1 ein Jahr) verändert. Ist das gleichmäßig, oder nimmt die Körpergröße zunächst langsamer und dann schneller zu, oder innerhalb des funktionalen Zusammenhangs bei umgekehrt? Um diese Frage zu beantworten, reicht einer Person. es nicht mehr, einzelne Wertepaare zu betrachten. In jedem Fall ist die Betrachtung des funktiona- Stattdessen müssen mehrere benachbarte Werte der len Zusammenhangs in seiner Gesamtheit für die unabhängigen Größe und die jeweils zugehörigen Beantwortung der interessierenden Fragen notwen- Werte der abhängigen Größe zueinander in Bezie- dig. Beim Blick auf Funktionsgraphen kann man hung gesetzt werden. Dies gelingt am Funktionsgra- unter anderem folgende Perspektiven zur Sicht als phen sehr gut, weil benachbarte Punkte leicht ver- Ganzem unterscheiden: Man benötigt Funktionsgra- glichen werden können. phen, wenn man Grundvorstellungen zum Änderungsverhalten 1. charakteristische Eigenschaften des gesamten von Funktionen können mit Hilfe von Schülerex- Verlaufs einer Funktion erfassen will, perimenten anhand geeignet gestalteter (GeoGe- 2. zwei verschiedene Graphen, etwa die der Funk- bra-) Simulationen entwickelt werden (etwa un- tionen x ↦ x2 und x ↦ 2x in Abb. 2, miteinander ter https://dms.uni-landau.de/m/lichti/diss/). Da- vergleichen möchte, oder bei wird in der Simulation eine reale Situation mit 3. verschiedene Abschnitte eines Funktionsgraphen dem zugehörigen Funktionsgraphen in Beziehung bzgl. ihrer Eigenschaften (etwa der Steigung) im gesetzt und die wechselseitige Analyse mit geeig- jeweiligen Abschnitt gegenüberstellen möchte. neten Fokussierungshilfen unterstützt. Eine Mög- Eine Betrachtung im Sinne der Grundvorstellung lichkeit, sich mittels sog. Variationstabellen stär- Funktion als Ganzes ist auch beim graphischen Lö- ker mit dem Änderungsverhalten auseinanderzu- sen einer Gleichung wie x2 = 2x notwendig. Bereits setzen, wird im Beitrag Funktionen à la française! bei der Frage, wie viele Lösungen diese Gleichung vorgestellt. haben kann, ist der Blick auf die beiden funktio- nalen Zusammenhänge x ↦ x2 und x ↦ 2x jeweils Funktion als Ganzes – Was charakterisiert den als Ganzes – etwa in Form des Funktionsgraphen funktionalen Zusammenhang insgesamt? – erforderlich. Mit Blick auf Abb. 2 stellt sich aber Mit Funktionen sieht man einen gegebenen oder ge- auch die Frage, ob – neben den beiden erkennbaren stifteten Zusammenhang als etwas Ganzes. Man be- Schnittstellen – rechts von der sichtbaren Schnitt- trachtet nicht mehr einzelne Wertepaare, sondern stelle x = 2 eine weitere existiert oder nicht.1 Hier ist die Menge aller Wertepaare, und interessiert sich neben der Sicht als Ganzes auch ein Grundwissen für die charakteristischen Eigenschaften, also die zum grundsätzlichen Verlauf von quadratischen und Besonderheiten der gesamten Funktion. Exponentialfunktionen notwendig. Beides muss im Will man die Entwicklung der Körpergröße zweier Unterricht erarbeitet werden. Kinder über die Zeit miteinander vergleichen, ist es Es spricht vieles dafür, zunächst Funktionen zu sinnvoll, systematisch Daten aufzunehmen, diese in thematisieren und erst auf dieser Grundlage Glei- einer Tabelle zu erfassen und in einen Graphen zu chungen im Unterricht zu behandeln, deren Terme screenshot: © geogebra.org übertragen. Auf dieser Basis können der funktionale auf der linken und rechten Seite der Gleichung als Zusammenhang zwischen der verstreichenden Zeit Funktionsterme aufgefasst werden können. Dann und der Körpergröße einer Person als Ganzes be- stehen nicht spezielle Gleichungstypen im Mittel- trachtet und die funktionalen Zusammenhänge für punkt, sondern das Konzept der Gleichung kann auf verschiedene Personen miteinander verglichen wer- das Konzept der Funktionen aufgebaut und grundle- den – oder auch verschiedene Wachstumsverläufe gend mit diesem vernetzt werden (Barzel u. a 2011). mathematik lehren 226 | 2021 3
angewendet werden müssen, auf. Genau hier, also bei Veränderungen innerhalb einer Darstellung und der Übersetzungen zwischen verschiedenen Dar- stellungen, entwickelt sich das Verständnis für den funktionalen Zusammenhang und die Fähigkeit zum funktionalen Denken weiter. Abb. 3: Darstel- Darstellungen spielen einerseits beim Bearbei- lungsformen und ten von Aufgaben im Zusammenhang mit Funkti- Darstellungs- onen eine Rolle. Hierbei können Darstellungen gut wechsel bei funktionalen Zu- oder weniger gut zur Aufgabenstellung passen und sammenhängen, deshalb die geforderte Problemlösung mehr oder die eine Situation weniger gut ermöglichen. Andererseits stellt sich beschreiben auch die Frage, welche Darstellung besonders ler- neffizient ist, das heißt, von welcher Darstellung aus das an ihr entwickelte funktionale Denken beson- Funktionen sind nur über Darstellungen ders gut auf andere Darstellungen übertragen und denk- und fassbar dort angewendet werden kann. Tobias Rolfes konn- te zeigen, dass Aspekte funktionalen Denkens, die Bei der Auseinandersetzung mit Grundvorstellun- mit Funktionsgraphen gelernt wurden, auch gut mit gen zu Funktionen wurden immer wieder Darstel- Tabellen bearbeitbar sind, während der Transfer lungen wie zum Beispiel Funktionsgraphen thema- von der Tabelle hin zum Funktionsgraphen deutlich tisiert. Dies liegt daran, dass man sich mit einem schwieriger ist (Rolfes 2019, vgl. Tab. 1). mathematischen Konzept, wie dem der Funktion, So gesehen lohnt es sich, frühzeitig Graphen für nur über geeignete Darstellungen auseinandersetzen das Lernen funktionalen Denkens einzusetzen. Da- kann. Auch die Entwicklung von Grundvorstellun- bei kann man zur Erarbeitung dieser Darstellung auf gen zu Funktionen selbst kann nur anhand von ihren Tabellen zurückgreifen, die bereits aus der Grund- Darstellungen und deren Vernetzung, das heißt dem schule bekannt sind, insbesondere als heuristisches Wechsel zwischen solchen Darstellungen, gelingen. Hilfsmittel beim systematischen Probieren und Gerade beim Darstellungswechsel werden Grund- beim Arbeiten mit (Mess-)Daten. Zur Einführung vorstellungen benötigt und daher auch trainiert. des neuen Konzepts der Funktionen ist die komple- Abb. 3 zeigt das Zusammenspiel zwischen einer xere Darstellungsform des Funktionsgraphen be- Situation, die mathematisch durch eine Funktion sonders gut geeignet, weil der Transfer zu ande- strukturiert werden kann, Darstellungsformen und ren Darstellungsformen von hier aus besser gelingt. -wechseln. Eine Funktion stellt eine mathematische Dies ist also ein Plädoyer dafür, über die Darstel- Beschreibung einer Situation dar, in der ein funktio- lung Funktionsgraph in das Thema funktionale Zu- naler Zusammenhang enthalten ist oder hineingese- sammenhänge einzusteigen und – vom Funktions- hen werden kann. Wie alle mathematischen Begriffe graphen aus – die Vernetzungen zu anderen wesent- können Funktionen nur anhand von Darstellungen lichen Darstellungen von Funktionen anzustoßen. erfasst und verarbeitet werden. Darstellungsformen, Dazu muss diese wichtige Darstellungsform aber die typischerweise für Funktionen genutzt werden, zunächst erfasst und in der Art der Darstellung eines sind Sprache (verbale Beschreibung), Tabelle, Term funktionalen Zusammenhangs durchschaut werden. und Graph. Alle Darstellungen haben spezifische Vor- sowie Nachteile und müssen zunächst gelesen Darstellungen erfassen: Von der Situation über die bzw. hergestellt werden können. Für ein tieferes Er- Datentabelle zum Graphen fassen funktionaler Zusammenhänge müssen Dar- Die Darstellungsform (Funktions-)Graph muss, wie stellungen bzgl. aller Grundvorstellungen analysiert alle anderen Darstellungsformen auch, in der Art, in werden. Dies geschieht zunächst beim Arbeiten mit der sie den jeweiligen funktionalen Zusammenhang und innerhalb einer Darstellung. Bei einer solchen darstellt, zunächst inhaltlich erfasst werden. Wie ei- Auseinandersetzung werden aber auch immer an- ne Reihe von Untersuchungen zeigt, kommt es sonst dere Darstellungen betrachtet, etwa wenn man sich zu typischen Fehlern beim Interpretieren von und mit einem Lernpartner über das eigene Vorgehen Arbeiten mit Funktionsdarstellungen (vgl. Tab. 1 austauscht und dieses in Sprache fasst. Schon beim Nitsch 2015 sowie den Beitrag Typische Fehler im Um- Übersetzen von Aktionen an einer mathematischen gang mit Funktionen in dieser Ausgabe). Darstellung in gesprochene Sprache und umgekehrt Grundsätzlich bietet es sich an, Darstellun- sind Grundvorstellungen unabdingbar. gen für funktionale Zusammenhänge jeweils an ei- Funktionales Denken tritt gerade bei Darstellungs- ner konkreten Situation zu entwickeln, damit die wechseln, zu deren Umsetzung Grundvorstellungen Darstellung zu jedem Zeitpunkt inhaltlich mit der 4 mathematik lehren 226 | 2021
MIT FUNKTIONEN DENKEN UND ARBEITEN | BASISARTIKEL Abb. 4: So entsteht der Funktionsgraph als Punktmenge im Koordinaten- system Situation abgeglichen werden kann. Hier soll das Möglichkeit zur Anordnung nach der Größe not- am Beispiel folgender Situation geschehen: wendig ist, damit zu einem Zusammenhang ein Funktionsgraph erstellt werden kann. Der Zahlen- strahl der abhängigen Größe (hier: Temperatur in Temperatur: An einem Wintertag werden an °C) wird nun so bewegt (5), dass er senkrecht auf einer Wetterstation in Landau in Abständen dem Zahlenstrahl der unabhängigen Größe (hier: von 6 Stunden jeweils die Lufttemperaturen Zeit in h) steht und die beiden Nullpunkte zusam- gemessen. menfallen (6). Zusammen bilden die beiden Strah- Um 6 Uhr sind es 2° C, um 12 Uhr werden len nun ein Koordinatensystem. 3° C gemessen und um 18 Uhr zeigt das Die Zuordnungen werden nach wie vor durch Thermometer 1° C an. Pfeile visualisiert, die einander zugeordnete Werte der unabhängigen und der abhängigen Größe line- ar verbinden. Wenn man nun die Zuordnungspfei- Zunächst werden die Daten (Messwerte) aus der Si- le abknickt, bis sie jeweils einen rechten Winkel bil- tuation in einer Tabelle zusammengestellt, in der zu den (7), kann man schließlich die Knickstellen mit jedem Wert der unabhängigen Größe (hier die Zeit Punkten markieren (8), deren Koordinaten den ein- in Stunden) der zugehörige Wert der abhängigen ander zugeordneten Werten eines Paares von unab- Größe (hier die Temperatur in °C) notiert wird. In hängiger und abhängiger Größe entsprechen. Jetzt der Tabelle wird diese Zuordnung auch jeweils mit kann man die Pfeile weglassen (9), denn die Punk- einem grünen Zuordnungspfeil hervorgehoben (1). te im Koordinatensystem tragen alle Informatio- Wie man von dieser Darstellung zu einem Funkti- nen der Zuordnung und bilden zusammen den Gra- onsgraphen des funktionalen Zusammenhangs ge- phen der Funktion. Durch diesen Zugang wird dem langt, kann interaktiv mit dem Applet unter geoge- Graph-als-Bild-Fehler entgegen gewirkt. bra.org/m/kknpe5u9 erarbeitet werden. Abb. 4 zeigt dies in einer Bildfolge aus Screenshots aus dem Ap- Darstellungswechsel: Term ↔ Graph plet. Zunächst wird die Tabelle gedreht (2) und an- Bereits im Beispiel des graphischen Lösens der Glei- schließend entfernt, so dass nur noch die Zuordnun- chung x² = 2x wurde ein Wechsel von der Darstellung gen übrigbleiben (3). Die Werte der unabhängi- der funktionalen Zusammenhänge als Funktionster- gen Größe (hier die Zeit in Stunden) sind auf- me x2 bzw. 2x hin zur ihrer Darstellung mit den zu- screenshot: © geogebra.org grund der Situation bereits der Größe nach ange- gehörigen Funktionsgraphen durchgeführt. Dieser ordnet. Sie können auf einem Zahlenstrahl darge- Wechsel sollte idealerweise zunächst im Kopf mög- stellt werden. lich sein, um grob abzuschätzen, wie viele Schnitt- Will man die zugeordneten Werte der abhängi- punkte die Graphen haben, wie viele Lösungen die gen Größe ebenfalls auf einem Zahlenstrahl dar- Gleichung daher besitzt und wo die Schnittstellen un- stellen, muss man sie zunächst der Größe nach an- gefähr liegen werden. Um das durchführen zu können, ordnen (4). Diese Feststellung ist wichtig, da die 5 mathematik lehren 226 | 2021
Darüber hinaus muss auch inhaltlich korrekt über die resultierenden Veränderungen, die die Variation ei- nes Parameters an der Form des Graphen und dessen Lage bewirkt, gesprochen2 und dies auch begleitend richtig mit den Händen angezeigt werden. Wird zum Beispiel der Parameters a der Funktion x ↦ a . x2 dy- namisch variiert, haben viele Menschen den visuel- len Eindruck, die Parabel würde dabei in x-Richtung breiter bzw. schmaler. Dies wird sprachlich häufig auch so ausgedrückt und gestisch mit vor dem Kör- per senkrecht gehaltenen, in x-Richtung aufeinander zu bzw. voneinander weg bewegten Handflächen be- gleitet (vgl. Abb. 5 Mitte). Inhaltlich ist beides aber falsch, wie der Funktionsterm zeigt. Im Vergleich zur Quadratfunktion x ↦ x2 wird an jeder Stelle x der Funktionswert ver-a-facht, wenn a = 2 ist, dann wird der y-Wert an jeder Stelle x im Vergleich zum y-Wert der Quadratfunktion also verdoppelt, wenn a = 1/2 ist, wird der y-Wert an jeder Stelle halbiert. Anschaulich und sprachlich handelt es sich also um eine Streckung bzw. Stauchung in y-Richtung, die durch Handbewegungen wie in Abb. 5 unten un- terstützt werden sollte, wobei die Hände das Stre- cken bzw. Stauchen durch auseinander bzw. aufei- nander zu Bewegen der Hände in y-Richtung dar- Abb. 5: Aus- wirkung von stellen. Eine entsprechende Änderung ist visuell Parametern gut im GeoGebra-Applet unter https://www.geoge- auf Funktions bra.org/m/tjmr8uwz erkennbar. Bei quadratischen graphen Funktionen x ↦ a . (b . (x + c))2 + d sind die Än- derungen, die die beiden Parameter a und b her- vorrufen, am Funktionsgraphen visuell nicht un- müssen im Unterricht Prototypen für den Verlauf von terscheidbar, während das zum Beispiel bei der Graphen verschiedener grundlegender funktionaler Sinusfunktion x ↦ a . sin(b . (x + c)) + d sehr gut Zusammenhänge erarbeitet und verinnerlicht wer- gelingt. Während der Parameter a eine Streckung den. Dies kann und sollte man etwa durch regelmä- (|a| > 1)bzw. Stauchung(0 < |a| < 1) in y -Richtung ßige Wiederholungsfragen im Sinne von Kopfübun- erzeugt, bewirkt der Parameter b eine Streckung gen und die Aufforderung an die Lernenden, entspre- (0 < |b| < 1) bzw. Stauchung (|b| > 1) in x -Richtung, chend prototypische Verläufe von Graphen mit der was jeweils durch die geeigneten Handbewegungen Hand in die Luft zu zeichnen, wachhalten. in Abb. 5 unterstützt werden kann. Darüber hinaus sind auch die Auswirkungen von Weitere Ideen zum Umgang mit Parametern lie- Parametern im Funktionsterm auf die Form und La- fert, am Beispiel der quadratischen Funktionen, der ge des Funktionsgraphen wesentlich. Dies sollte Beitrag Parameter digital entdecken – wirklich so easy? nicht bei jedem Funktionstyp neu erarbeitet werden, sondern – und das ist entscheidend – querschnittlich Darstellungswechsel: Situation ↔ Graph als grundsätzliche Eigenschaft von Parametern, die Wie das Zusammenspiel von Situation und Graph im Funktionsterm an einer bestimmten Stelle stehen gelingen kann, beschreibt der Beitrag Der Einstieg (s. Abb. 5 oben). Besonders gut kann dies interaktiv in Funktionales Denken in dieser Ausgabe. Dort wird anhand von Graphen von Funktionen geschehen, die deutlich, dass sich nur bei adäquater Ausgestaltung mehrere Extrema aufweisen. In einem dynamischen der Simulationen sowie geeigneter Aufgabenstel- Mathematiksystem kann man die jeweiligen Extrem- lung der gewünschte Lerneffekt einstellt. punkte farbig markieren, deren Spur ausgeben lassen screenshot: © geogebra.org und so die Veränderungen am Funktionsgraphen, die Dynagraph: aus der Variation der Parameter resultieren, sehr gut Zusammenhang zwischen Änderungen erfassen beobachten. Es empfiehlt sich dabei, wie im Applet Es kann sinnvoll sein, neben den gängigen Darstel- https://www.geogebra.org/m/tjmr8uwz realisiert, die lungsformen Sprache, Tabelle, Graph und Term ge- Färbung der Extrempunkte vor jeder Variation eines legentlich auch andere Darstellungen für funktio- anderen Parameters entsprechend zu ändern. nale Zusammenhänge im Unterricht einzusetzen. 6 mathematik lehren 226 | 2021
MIT FUNKTIONEN DENKEN UND ARBEITEN | BASISARTIKEL Wenn man die Grundvorstellung zum Änderungs- verhalten vertiefen und trainieren möchte, nachdem die Lernenden einige Erfahrungen mit anderen Dar- stellungsformen gesammelt und wichtigen Funk- tionstypen gemacht haben, kann die Darstellungs- form Dynagraph (Idee: Goldenberg u. a. 1992) ge- winnbringend eingesetzt werden. Hier werden zwei Zahlengeraden parallel zueinander angeordnet (vgl. Abb. 6 bzw. geogebra.org/m/snn7renf). Auf der obe- ren Zahlengerade wird die unabhängige Variable (das Argument) als Punkt x bewegt, auf der unteren Geraden bewegt sich der Funktionswert als Punkt y mit. Bewegt man die unabhängige Variable durch Abb. 6: Dyna Ziehen mit der Maus am Punkt x, kann man durch graph – eine Beobachtung der Bewegung des Punktes y, des zu- Darstellungsform zur Analyse des gehörigen Funktionswertes, ein Gefühl für dessen Änderungsver- Änderungsverhalten gewinnen. Blendet man auch haltens. Welche den zugehörigen Zuordnungspfeil ein, wird die Än- Zusammenhänge derung noch besser sichtbar und mit Hilfe der Spur werden jeweils dargestellt? dieses Zuordnungspfeils lässt sich ein statisches Zur Kontrolle: Bild dieser Änderung festhalten (vgl. Abb. 6). Nach x ↦ x + 2, einiger Erfahrung mit dem selbstständigen Bewegen x ↦ x², des x-Wertes für verschiedene funktionale Zusam- x ↦ sin(x), x ↦ 2x, x ↦ 2x, menhänge kann auch bereits die Interpretation die- x ↦ 1/x ser Abbildungen durch mentale Variation das Kon- zept des Änderungsverhaltens trainieren. Die Darstellungsform Dynagraph ist nicht zur Einführung in funktionale Zusammenhänge geeig- Lehrplänen thematisierten Funktionstypen der Fall net. Sie betont aber den häufig vernachlässigten, al- ist. In aller Regel gibt es davon mehrere. Als Bei- lerdings wichtigen dynamischen Aspekt des Ände- spiel sei das Zylindervolumen genannt. Die Volu- rungsverhaltens, also der Wechselbeziehung zwi- menformel für einen Kreiszylinder lautet bekannter- schen der Änderung der unabhängigen Größe und maßen VZylinder = G . h = r2 π . h, wobei das Volumen der Änderung der abhängigen Größe. Dynagra- offensichtlich vom Radius r und von der Höhe h des phen sind damit sehr gut geeignet, um ein Gefühl Zylinders abhängt. Funktional betrachtet handelt es für das qualitative Änderungsverhalten verschiede- sich hier um eine Funktion zweier Veränderlicher: ner Funktionstypen zu entwickelt und zu trainieren. VZylinder(r, h) = r2π . h Gerade die wechselseitige Analyse des Zusammen- Im Unterricht wird in der Regel eine der Verän- hangs zwischen den bekannten Funktionsgraphen derlichen als Parameter aufgefasst, der festgehalten im kartesischen Koordinatensystem und den ent- wird – damit wieder eine Funktion einer Veränder sprechenden Dynagraphen kann sehr gewinnbrin- lichen vorliegt. Dies kann auf zwei Weisen realisiert gend sein. Dazu wurde im Dynagraph-Applet unter werden: Als proportionale Funktion in Abhängig- geogebra.org/m/snn7renf die Möglichkeit integriert, keit von der Höhe h oder als quadratische Funktion die y-Achse zu drehen – so kann derselbe funktio- in Abhängigkeit vom Radius r: nale Zusammenhang in beiden Darstellungen dyna- Vr(h) = (r2 π) . h oder Vh(r) = (π h) . r2 misch analysiert werden und zur Kontrolle, wenn die Alle genannten Funktionsterme lassen sich wie in y-Achse senkrecht auf der x-Achse steht, auch der Abb. 7 in Funktionsgraphen umsetzen, wobei es sich zugehörige Funktionsgraph eingeblendet werden. beim Graphen der Funktion VZylinder(r, h) = r2π . h um eine räumliche Fläche handelt. Die Darstellung Funktionen mehrerer Veränderlicher: muss also in einem dreidimensionalen Koordina- Das Beispiel Zylindervolumen tensystem erfolgen. Die beiden Funktionsvariab- Neben dem Einbringen von ungewohnten Darstel- len spannen dabei die x-y-Ebene auf. Jedem Punkt screenshot: © geogebra.org lungen für Funktionen wie dem Dynagraphen, lohnt mit den Koordinaten (r, h) in der x-y-Ebene wird da- es, auch den Zoo der typischen funktionalen Zusam- bei ein Volumen VZylinder (r, h) als Funktionswert zu- menhänge der Schule gelegentlich etwas aufzubre- geordnet und in z-Richtung angetragen. Die Punkte chen. In der Realität kommen nur wenige funktio- (r, h,VZylinder (r, h)) bilden zusammen den Funktions- nale Zusammenhänge vor, die nur eine unabhängi- graphen, hier also die räumliche Fläche. Auch die ge Funktionsvariable haben, wie das bei den in den Graphen der beiden Parameterfunktionen Vr(h) = mathematik lehren 226 | 2021 7
und in ihren Eigenschaften verinnerlicht sind, kann das eigentliche Denken und Arbeiten mit Funktio- nen beginnen. Zum Modellieren mit Funktionen be- leuchten die Beiträge Funktionale Zusammenhänge in „(Kon)Texten“ erschließen sowie Was passt da jetzt nicht: Das Modell oder die Wirklichkeit? in dieser Ausgabe verschiedene Aspekte. Einen weiteren Zugang bie- Abb. 7: Zylin- tet der Beitrag Videoanalyse zur Modellierung von Bewe- dervolumen funktional gungen. Hier schließt sich dann der Kreis. Anmerkungen (r π) . h und Vh(r) = (πh) . r lassen sich in dieses Ko- 2 2 1. Es gibt noch eine Schnittstelle rechts von der Schnittstelle x = 2, weil Exponentialfunktionen für große x-Werte schnel- ordinatensystem eintragen. Sie finden je einen sol- ler wachsen als jede Potenzfunktion. Da der Graph der chen Graphen für den festgehaltenen Parameter r = Quadratfunktion im sichtbaren Bereich des Koordinaten- systems oberhalb des Graphen der Exponentialfunktion 3 bzw. h = 5 in Abb. 7 eingezeichnet.3 Diese Art x ↦ 2x liegt, muss der Graph der schneller wachsenden von Untersuchung an solch vertrauten Zusam- Exponentialfunktion den Graphen der Quadratfunktion bei menhängen erlaubt es, den Blick auf funktionale irgendeinem x-Wert größer 2 noch einmal schneiden und dann immer oberhalb der Normalparabel bleiben. Zusammenhänge zu weiten und funktionales 2. Weitere sprachliche Anforderungen beim Umgang mit Denken zu fördern. Für die Auseinandersetzung funktionalen Zusammenhängen nennt Zindel (vgl. Tab. 1). 3. Durch Drehen des Koordinatensystems ist auch die ty- im Unterricht kann geogebra.org/m/pbsqwwjh pische Ansicht der Quadratfunktion (Ansicht senkrecht genutzt werden. zur x-z-Ebene) bzw. der proportionalen Funktion (Ansicht senkrecht zur y-z-Ebene) erkennbar. Der Zylinder kann direkt auf das Koordinatensystem geschoben und so der Rahmung des Themas Funktionen Zusammenhang zwischen den relevanten Größen noch im Mathematikunterricht deutlicher herausgestellt werden. Im Unterricht sollte der Einstieg in das Arbeiten Literatur Barzel, B./Holzäpfel, L. (2011): Gleichungen verstehen – In: mit Funktionen anhand von Experimenten mit mathematik lehren 169, S. 2 –7. Gegenständen und mit Simulationen zu vielfäl- Beckmann, A. (2007): Was verändert sich, wenn … Experimente tigen funktionalen Zusammenhängen unter Ver- zum Funktionsbegriff. – In: mathematik lehren 141, S. 44 – 51. Büchter, A. (2014): Das Spiralprinzip: Begegnen – Wiederauf- wendung der Darstellungsform Graph erfolgen. greifen – Vertiefen. – In: mathematik lehren 182, S. 2 – 9. So kann sowohl die Grundvorstellung Zuordnung Ganter, S. (2013): Experimentieren – ein Weg zum funktionalen (über Experimente mit gegenständlichen Materia- Denken: Empirische Untersuchung zur Wirkung von Schü- lerexperimenten. Hamburg: Kovač. lien) als auch die Grundvorstellung Änderungs- Göbel, L. (2021): Technology-Assisted Guided Discovery to verhalten (über Experimente mit Simulationen) Support Learning: Investigating the Role of Parameters in Quadratic Functions. Wiesbaden: Springer Spektrum. fundiert aufgebaut werden (Lichti/Roth 2020). Es Goldenberg, P./Lewis, P./O’Keefe, J. (1992): Dynamic repre- eine breite Vorstellungsbasis zu funktionalen Zu- sentation and the development of an understanding of sammenhängen gelegt, auf die immer wieder zu- function. – In: Harel, G./Dubinsky, E. (Hrsg.): The concept of Function: Aspects of Epistemology and Pedagogy. Wa- rückgegriffen werden kann. shington, DC: Mathematical Association of America. Insofern lohnt es sich, gerade in diesen Einstieg Höfer, T. (2008): Das Haus des funktionalen Denkens. Hildes- heim: Franzbecker. Unterrichtszeit zu investieren. Durch die vielfäl- Klinger, M. (2018): Funktionales Denken beim Übergang von tigen Erfahrungen zu verschiedensten funktio- der Funktionenlehre zur Analysis: Entwicklung eines Test- nalen Zusammenhängen werden lebensweltliche instruments und empirische Befunde aus der gymnasialen Oberstufe. Wiesbaden: Springer Spektrum. Situationen mit dem mathematischen Konstrukt Lichti, M. (2019): Funktionales denken fördern: Experimen- der Funktion eng verbunden und querschnittlich tieren mit gegenständlichen Materialien oder Computer- Simulationen. Wiesbaden: Springer Spektrum. Grundvorstellungen aufgebaut. Dieses Vorgehen Lichti, M./Roth, J. (2020): Wie Experimente mit gegenständli- vermindert Übergeneralisierungen bestimmter chen Materialien und Simulationen das funktionale Den- Funktionstypen, etwa der proportionalen oder li- ken fördern. – In: Zeitschrift für Mathematikdidaktik in For- schung und Praxis (ZMFP), 1, 1– 35. https://zmfp.de/ nearen Funktionen, in deren Folge alle funktio- Nitsch, R. (2015): Diagnose von Lernschwierigkeiten im Be- nalen Zusammenhänge als proportional oder line- reich funktionaler Zusammenhänge: Eine Studie zu typi- ar interpretiert werden. schen Fehlermustern bei Darstellungswechseln. Wiesba- den: Springer Spektrum. Erst wenn Lernende über eine breite Basis an Rolfes, T. (2018): Funktionales Denken: Empirische Ergebnisse screenshot: © geogebra.org Erfahrungen sowie gefestigte Grundvorstellungen zu zum Einfluss von statischen und dynamischen Repräsen- funktionalen Zusammenhängen verfügen, ist es sinn- tationen. Wiesbaden: Springer Spektrum. Vollrath, H.-J. (1978): Schülerversuche zum Funktionsbegriff. – voll, verschiedene spezielle Funktionstypen und deren In: Der Mathematikunterricht 24(4), S. 90 –101. Eigenschaften gezielt zu untersuchen und festzuhal- Vollrath, H.-J. (1989): Funktionales Denken. – In: JMD (10), S. 3 – 37. ten. Dabei ist es wesentlich, dass jeder neue Funk- Zindel, C. (2019): Den Kern des Funktionsbegriffs verstehen: Eine Entwicklungsforschungsstudie zur fach- und sprach- tionstyp mit seinen Eigenschaften mit den bisher integrierten Förderung. Wiesbaden: Springer Spektrum. schon kennengelernten Funktionstypen verglichen wird. Wenn mehrere Funktionstypen erfasst 8 mathematik lehren 226 | 2021
MIT FUNKTIONEN DENKEN UND ARBEITEN | BASISARTIKEL Schwerpunkt der Forschungsarbeit Nutzen für den Unterricht Thilo Die Fähigkeit des funktionalen Denkens wird auf Basis Mit dem „Haus des funktionalen Denkens“ lässt sich die Höfer des dazu entwickelten Analysemodells „Haus des Fähigkeit des Funktionalen Denkens der Schülerinnen (2008) funktionalen Denkens“ beschrieben. Das Modell nutzt und Schüler unter Berücksichtigung der Grundvorstellun- die Fähigkeiten der Lernenden, zwischen verschiedenen gen zu verorten. Darstellungen von Funktionen zu übersetzen. Sandra Welchen Einfluss haben Lernumgebungen mit gegen- Die Arbeit mit gegenständlichen Materialien übt einen Ganter ständlichen Experimenten bzw. mit Videos auf die Ent- größeren Einfluss auf die Fähigkeit des funktionalen (2013) wicklung der Grundvorstellungen Zuordnung und Kovari- Denkens aus als die Arbeit mit Videos. ation des funktionalen Denkens in Jahrgangsstufe 7? Renate Welche unter Berücksichtigung von Grundvorstellungen Die systematische Darstellung der immer wieder auftre- Nitsch systematischen Fehler und Fehlermuster ergeben sich tenden Fehler bei der Arbeit mit Funktionen und deren (2015) beim Darstellungswechsel von Funktionen? Vernetzung mit den Grundvorstellungen hilft dabei, diese Beispiele: Graph-als-Bild-Fehler und die Verwechslung bei Lernenden wahrzunehmen, ihre Ursachen zu kennen von Funktionswert und Steigung (slope height confusion) und im Unterricht darauf eingehen zu können. Es ist ein Diagnoseinstrument entstanden, mit dem Fehl- vorstellungen zu linearen und quadratischen Funktionen diagnostiziert werden können (codi-test.de). Tobias Studie zum Einfluss von statischen bzw. dynamischen Dynamische Darstellungsformen haben einen signifikant Rolfes Darstellungsformen auf das funktionale Denken (1), höheren Einfluss auf die Entwicklung des funktionalen (2018) sowie (2) zur Lern- und Nutzungseffizienz von Tabelle, Denkens als statische und sollten daher im Unterricht Graph und Säulendiagramm beim Bearbeiten von zum Einsatz kommen. Es ist dabei unerheblich, ob eine Aufgaben zu funktionalen Zusammenhängen. Animation verwendet wird, die zum Beobachten einlädt, Unterscheidung von quantitativem und qualitativem oder eine Simulation, die zudem Aktionen von den funktionalen Denken. Lernenden fordert. Ein Graph ist lerneffizienter für die Arbeit mit Funktionen, d. h. die Übertragung von Gelerntem auf andere Darstel- lungsformen gelingt besonders gut. Marcel Untersucht wird die Fähigkeit des funktionalen Denkens Zusammenhänge zwischen Eigenschaften unterschied- Klinger in der Einführungsphase der Oberstufe. Betrachtet licher Funktionstypen sollten immer wieder hervorgeho- (2018) werden mögliche Leistungsprofile und geschlechtsspezi- ben und konzeptuelles Wissen gestärkt werden. Hierzu fische Leistungsdifferenzen. Hierzu wird ein Kompetenz- bieten sich z. B. Aufgaben zum graphischen Differenzie- strukturmodell zur Aufgabenentwicklung für die Ober- ren an. Es zeigen sich erhebliche geschlechtsspezifische stufe entwickelt, das die Grundvorstellungen mit dem Unterschiede zu Gunsten der Jungen (zum Teil durch ein Wechsel zwischen den Darstellungsformen verknüpft, geringes Selbstkonzept der Mädchen erklärbar). sowie zusätzlich die Funktionsebenen (Funktion → mani- Ein reflektierter Umgang mit diesem Befund durch die pulierte Funktion → differenzierte Funktion) berücksich- Lehrkraft und ein gezieltes Ansprechen der Mädchen ist tigt. wünschenswert. Micha Verglichen wird der Einfluss auf das funktionale Denken Um das Verständnis von Zuordnung zu fördern, sollten ela von Experimentieren in einer digitalen Lernumgebung gegenständliche Materialien verwendet werden. Lichti (Simulationen) mit dem Einfluss realer Experimente Um die Entwicklung der Grundvorstellungen Kovariation (2019) (gegenständliche Materialien). und Funktion als Objekt zu unterstützen, ist eine mittels Simulationen zum Experimentieren anregende digitale Lernumgebung geeigneter. Carina Eine Lernumgebung zur Bewältigung konzeptueller Der „Kern“ sollte immer wieder thematisiert werden. Zindel und sprachlicher Anforderungen beim Umgang mit Fokusfragen sind dabei: Um welche Größen geht es? (2019) funktionalen Zusammenhängen wird gestaltet und die Welche Größe hängt von welcher ab? Auch sprachliche Bearbeitungs- und Lernwege in dieser Lernumgebung Anforderungen, die funktionale Zusammenhänge mit untersucht. Der „Kern“ des Funktionsbegriffs wird sich bringen, sollten spiralcurricular bedacht werden. konzeptualisiert durch Vernetzen von Größen und die So sollte z. B. von Anfang an von Zusammenhängen und Richtung ihrer Abhängigkeit. Abhängigkeiten gesprochen werden. Lisa Verglichen werden klassischer Funktionenplotter, Zug- Dynamische Visualisierungen mittels Zugmodus und Göbel modus und Schieberegler sowie der Zugang ohne Schieberegler ist der Vorzug zu gewähren. (2021) technische Visualisierung am Beispiel der Manipulation Die im Rahmen der Studie entwickelte Lernumgebung von Parametern quadratischer Funktionen. kann für den Unterricht adaptiert werden. Tab. 1: Forschungsarbeiten (Dissertationen) rund um funktionales Denken und deren Bedeutung für den Unterricht mathematik lehren 226 | 2021 9
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