Auswertung der Szene-Umfrage Einleitung - der Wandel in der Schwulen-Community
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Wie tickt die Szene? Befragung der schwulen Community in München 2013 Auswertung der Szene-Umfrage Einleitung – der Wandel in der Schwulen-Community Seit einigen Jahren klagen die Wirte der schwulen Szene Münchens darüber, dass immer weniger Gäste in ihre Lokale kommen und ihr Stammpublikum ausbleibt. Teilweise sind Bars, die vor einigen Jahren nur schwule oder bisexuelle Männer besucht haben, heute beim heterosexuellen Publikum ebenso beliebt. So entwickelt sich das bisher vom schwulen Leben dominierte Glockenbachviertel immer mehr zum allgemeinen In-Viertel, das schon lange nicht mehr das ist, was es für viele schwule Männer einmal war: ein Stück Heimat. Der Wandel in der Szene ist allgegenwärtig. So hat sich zum Ende des Jahres die ehrenamtliche Gruppe der Vertrauensmänner - das waren die Streetworker der Münchner Aids-Hilfe und des Schwulenzentrums Sub - aufgelöst, da inzwischen die meisten alteingesessenen Wohnzimmerkneipen schließen mussten. Ihr letztes Projekt war die Szene- Umfrage, die wir hier vorstellen. Die Befragung Das Projekt Prävention im Sub und die Münchner Aids-Hilfe hatten die Szene-Umfrage initiiert, um den Wandel in der schwulen Szene zu dokumentieren und um in diesem Zusammenhang auch die Rolle des Internets zu erfassen. Als Vergleich sollte eine Befragung aus dem Jahr 2000 dienen, die beide Vereine damals im Rahmen der Aktion „Freundliche Szene“ durchgeführt hatten. Es ging ihnen auch darum, die HIV-Prävention in München an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Die Vertrauensmänner haben also einen Fragebogen entworfen, der den Vergleich zur 2000er-Umfrage möglich machte. Die Teilnehmer konnten die Fragen sowohl online als auch in Papierform1 ausfüllen. Den Internet-Link haben die Verantwortlichen über diverse Mail-Verteiler von Münchner Party-Betreibern und sozialen Einrichtungen der schwulen Szene verbreitet. Zudem berichtete das Szenemagazin Leo über die Aktion. Befragungszeitraum war Juli bis Oktober 2013. Insgesamt 774 Männer haben gültige und auswertbare Fragebögen abgeliefert.2 Da einzelne Teilnehmer die Online-Befragung abgebrochen haben, ergibt sich bei manchen Fragen eine kleinere Grundgesamtheit.3 Die Befragten der Stichprobe Die Männer, die die Umfrage erreicht hat, haben eine gewisse Anbindung an die Szene. Schließlich haben Münchner Aids-Hilfe und Sub die Erhebung auch ausschließlich dort durchgeführt. Männer, die die Szene überhaupt nicht nutzen, sind deshalb nicht vertreten. Das Alter der befragten Männer lag zwischen 17 und 74 Jahren.4 Das Durchschnittsalter betrug 38,31 Jahre.5 Es wurden sechs Altersgruppen gebildet, folgende Tabelle zeigt die Altersverteilung. 1 Der Fragebogen lag im Café des Sub e.V. und in der Münchner Aids-Hilfe an der Anmeldung der Beratungsstelle in Papierform aus, ebenso am Präventions-Infostand während des Christopher Street Day 2013 und des Hans-Sachs-Straßenfestes 2013. 2 Davon wurden 114 Fragebögen in Papierform abgegeben. 3 Dass manche Teilnehmer den Fragebogen nur unvollständig ausgefüllt haben, hängt sehr wahrscheinlich mit seinem Umfang zusammen. So manche (sehr ausführliche) Frageteile haben die Teilnehmer ausgelassen. Beim Fragebogen in Papierform kam das nicht vor. 4 Unterteilt man die Befragten in vier gleich große Teile, ergeben sich folgende Altersspannen der einzelnen Gruppen: 17-29 Jahre, 30-37 Jahre, 38-46 Jahre, 47-74 Jahre. 5 Betrachtet man nur das Alter der Befragten, die den Fragebogen im Café des Sub e.V. oder am Empfang der Münchner Aids-Hilfe e.V. abgegeben haben, ergibt sich ein Durchschnitt von 43,9 Jahren. 1
Wie tickt die Szene? Befragung der schwulen Community in München 2013 Alter 30,6 % n=199 25,4 % 30% n=165 18,9 % 15,8 % n=123 20% n=103 Alter (n=650) 6,3 % 10% n=41 2,9 % n=19 0% Bis 25 26-35 36-45 46-55 56-65 Über 65 Über 80% der Befragten haben ihren Wohnort in München. Wohnort 100% 80,6 % 80% 60% Wohnort (n=671) 40% 14,2 % 20% 5,2 % 0% München Umland Anderswo Wie auch im Jahr 2000 war das Bildungsniveau der Befragten erstaunlich hoch. Rund 70% haben eine Hochschulreife oder einen Hochschulabschluss.6 6Der Umfang des Fragebogens und die Dauer der Befragung könnten ein Grund dafür sein, dass überwiegend Leute mit hohem Bildungsniveau das Formular ausgefüllt haben. 2
Wie tickt die Szene? Befragung der schwulen Community in München 2013 Bildungsabschluss 50% 46,1 % 40% 30% 23,8 % 19,2 % 20% Jahr 2013 (n=577) 10% 6,4 % 4,5 % Jahr 2000 0 0% Mit dem hohen Bildungsabschluss geht ein hohes Einkommen einher. Mehr als 45% der Befragten haben ein Netto-Einkommen von mehr als 2000 Euro.7 Nettoeinkommen 35% 29,7% 30% 27,2% 25% 23,2% 20% 17,9% 17,5% 17,7% 15,6% 13,0% Jahr 2013 (n=576) 15% 12,7% 12,5% Jahr 2000 (n=401) 10% 6,8% 6,2% 5% 0% Über 2000 bis 1500 bis 1000 bis Unter Keine 3000€ 3000 € 2000 € 1500 € 1000 € Antwort Die Frage nach dem Beziehungsstatus zeigt eine bekannte Tendenz. Etwa die Hälfte der Befragten lebt in einer Beziehung, die andere Hälfte bilden Singles.8 Im Vergleich zum Ergebnis aus dem Jahr 2000 wäre es interessant, zu untersuchen, ob schwule Männer aufgrund des rechtlichen und gesellschaftlichen Wandels in unserer Gesellschaft heute treuer sind. 7 Im Vergleich zwischen den Jahren 2000 und 2013 haben wir das Durchschnittseinkommen nicht um die Inflation korrigiert. Das Durchschnittseinkommen der Befragten im Jahr 2000 lag bei 1.563,70 € (Umrechnungsfaktor 1,956 von DM in €). Das Durchschnittseinkommen im Jahr 2013 liegt bei 2.089,85 €. Dies entspricht einer Steigerung von 33,65% (526,15 €). 8 Vgl. Michael Bochow, Axel J. Schmidt, Stefanie Grote: Schwule Männer und HIV/Aids: Lebensstile, Szene, Sex 2007 - eine Befragung im Auftrag der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Köln. AIDS-Forum DAH, Bd. 55, Berlin 2010. 3
Wie tickt die Szene? Befragung der schwulen Community in München 2013 Hast Du eine feste Beziehung zu einem Mann? 60% 52,6% 49,1% 50% 40% 28,5% 30% 24,5% 19,8% Jahr 2013 (n=650) 18,3% 20% Jahr 2000 (n=401) 10% 4,2% 3,2% 0% Nein Ja, ohne Sex Ja, mit Sex Keine Antwort außerhalb der außerhalb der Beziehung Beziehung In der aktuellen Umfrage haben wir weniger Männer erreicht, die angeben, HIV-positiv zu sein. Diese Anzahl ist zu gering, um sie mit den Angaben aus dem Jahr 2000 vergleichen zu können. Jedoch ist auffällig, dass mehr Befragte aussagen, ihren HIV-Status zu kennen und damit weniger Männer ungetestet sind. Das spricht für die positive Wirkung unserer laufenden Testkampagnen. Jeder Mann, der Sex mit Männern hat, sollte sich idealerweise einmal im Jahr auf HIV und andere sexuell übertragbare Infektionen testen lassen, um seine Restrisiken abzuklären. Im Jahr 2000 war die HIV-Infektion erst seit ein paar Jahren behandelbar; seitdem ist ein positives HIV-Testergebnis - überspitzt formuliert - kein Todesurteil mehr. In den vergangenen Jahren haben wir viele Kampagnen lanciert, die zum regelmäßigen HIV-Test motivieren. Das Wissen über den eigenen HIV-Status kann Spätfolgen der Infektion verhindern. HIV-Status 80% 69,7% 70% 60% 52,1% 50% 40% Jahr 2013 (n=572) 27,9% Jahr 2000 (n=401) 30% 15,0% 16,5% 20% 10,5% 10% 4,6% 3,5% 0% ungetestet HIV-negativ HIV-positiv Keine Antwort Außerdem haben wir gefragt, wie die Teilnehmer selbst ihre Sexualität definieren. Demnach haben hauptsächlich schwule und bisexuelle Männer an der Umfrage teilgenommen. Den weitergefassten Begriff „Queer“ haben aber auch ein paar Männer gewählt. 4
Wie tickt die Szene? Befragung der schwulen Community in München 2013 Selbstdefinition: Sexualität 100% 90,7% 80% 60% 40% Selbstdefinition (n=654) 20% 5,0% 2,0% 1,2% 1,1% 0% Ergebnis 1: Offenheit mit der eigenen Sexualität Neben dem Wandel in der Szene hat uns interessiert, wie die Befragten mit ihrer Sexualität umgehen. Dazu haben wir den Kreis der Personen erhoben, die sich geoutet haben. Außerdem haben wir untersucht, wie sich der Freundeskreis der Teilnehmer zusammensetzt und wie zufrieden die Leute mit sich selbst sind. Beim Thema Outing wurde deutlich, dass die befragten schwulen Männer sehr offen mit ihrer Sexualität umgehen. Fast 75% geben an, dass sie bei allen oder den meisten Familienmitgliedern geoutet sind. Im Freundskreis ist dieser Prozentsatz noch höher – was nicht verwunderlich ist, da sich die meisten Menschen für gewöhnlich einen homogenen Freundeskreis suchen. Im Bekanntenkreis und im beruflichen Umfeld zeigt sich außerdem eine hohe Anzahl geouteter Männer. Wer weiß, dass Du schwul/bisexuell/trans* bist? (n=657) 100% 1,4% 4,0% 4,6% 90% 7,6% 12,6% 5,5% 5,8% 6,5% 80% 7,5% 16,1% 16,3% 11,6% 70% Keine Antwort 19,9% 17,0% Keiner 60% 50% 31,0% Die wenigsten 40% 25,1% Einige 68,0% 30% 54,6% Die meisten 20% 36,2% Alle 28,3% 10% 0% Familie Freunde Bekannte Berufl. Umfeld 5
Wie tickt die Szene? Befragung der schwulen Community in München 2013 Weil an der Aktion zu wenige Ältere teilgenommen haben, beschränken wir den Vergleich der Altersgruppen in Bezug auf das Outing auf die Altersgruppen bis 55 Jahre. Bei "allen" bzw. "den meisten" geoutet nach Altersgruppen 100% 94,20% 85,3% 87,90% 83,9% 88,00% 80% 79,4% 79,3% 63,5% 60% ...geoutet in Familie …im Freundeskreis 40% …bei Bekannten …im beruflichen Umfeld 20% 0% Bis 25 26-35 36-45 46-55 Es zeigt sich, dass die bis 25-Jährigen in allen Bereichen - bis auf den eigenen Freundeskreis - weniger geoutet sind als alle anderen Gruppen. Es scheint also immer noch eine gewisse Zeit zu dauern, bis die Jüngeren ganz zu ihrer Sexualität stehen. Die Abfrage zur Konstellation des Freundeskreises zeigt folgende Graphik:9 Wie setzt sich Dein engerer Freundeskreis zusammen? 50% 47,5% 41,9% 37,9% 40% 29,0% 30% 20% 12,7% 12,5% 10% 6,0% 7,0% 4,8% Jahr 2013 0,7% 0% (n=669) Jahr 2000 (n=401) Im Vergleich mit den Prozentwerten aus dem Jahr 2000 wird deutlich, dass die Freundeskreise durchlässiger werden und offener sind als damals. Weniger Befragte haben hauptsächlich schwule Freunde; mehr haben einen gleichermaßen schwulen/heterosexuellen Freundeskreis. 9Die Kategorien waren „Überwiegend schwule Männer“, „Schwul & hetero gleichermaßen“, „Frauen & nichtschwule Männer“, „Keinen engeren Freundeskreis“ und „Keine Antwort“ – Für die graphische Darstellung haben wir Abkürzungen verwendet. 6
Wie tickt die Szene? Befragung der schwulen Community in München 2013 Die Befragten sind zudem meist glücklich und zufrieden mit ihrem Leben. Wir haben auch untersucht, wie frustriert die Leute sind und nach dem Wunsch gefragt, „hetero“ sein zu wollen, um die positiven Aussagen im Umkehrschluss bestätigen zu können. Nachstehende Graphik macht das deutlich: Wie geht's Dir als schwuler/bisexueller oder trans*Mann? (n=579) 100% 2,30% 2,40% 13,8% 10,0% 80% 44,7% 34,90% Keine Antwort 60% 37,30% 72,90% Stimme gar nicht zu 40% Stimme eher nicht zu 29,9% Stimme eher zu 47,00% 20% 40,20% Stimme voll zu 13,30% 10,5% 4,80% 0% 4,70% 4,00% Bin glücklich Bin zufrieden Bin frustriert Wäre lieber hetero Ergebnis 2: Szene wirkt sozialer Betrachtet man das Ausgehverhalten der befragten Männer im Vergleich zum Jahr 2000 wird sichtbar, dass die Leute in der Szene seltener unterwegs sind als vor 13 Jahren. Das gilt zumindest dann, wenn man ausschließlich die Kategorie „Häufige Besuche“ heranzieht: Besuch von Szene-Orten in den vergangenen 12 Monaten (Vergleich der Zustimmung zu "Häufige Besuche") 80% 72,0% 60% 49,9% 39,0% 37,0% 40% 27,0% 22,9% 22,3% 21,2% 20% 4,2% 5,1% 11,2% 2,1% Jahr 2013 (n=633) 0% Jahr 2000 (n=401) 7
Wie tickt die Szene? Befragung der schwulen Community in München 2013 Sowohl die Erhebung aus dem Jahr 2000 als auch die aktuelle haben die gleichen Besuchsfrequenzen abgefragt.10 In der Kategorie „Häufige Besuche“ gibt es wie gesagt deutliche Unterschiede zu früher, allen voran bei den Saunas. Nimmt man indes die Kategorie „Gelegentlichen Besuche“ hinzu, zeigt sich, dass immer noch sehr viele Männer ausgehen, jedoch nicht mehr ganz so häufig wie noch im Jahr 2000. Das könnte ein Grund dafür sein, dass einige Lokale schließen mussten. Fakt ist jedoch, dass der Hauptteil der schwulen Männer ausgeht und auch vor Ort für die HIV-Prävention erreicht werden kann. Häufigkeit Besuch von Häufige Häufige Lokalen in den vergangenen Nutzung Nutzung 12 Monaten n=633 täglich oder Nur am Mehr- Jahr Jahr Ge- Über- Keine mehrmals Wochen- mals im 2013 2000 legen- haupt Ant- wöchentlich ende Monat tlich nicht wort Gayfriendly 9,16% 7,27% 22,59% 39,02% - 41,07% 13,11% 6,79% Schwule Lokale 13,43% 11,69% 24,80% 49,92% 72,% 36,97% 7,90% 5,21% Schwule Disko/ 3,48% 10,11% 8,69% 22,27% 27,% 40,13% 30,81% 6,79% Club/ Party Schwule 7,42% 1,90% 11,85% 21,17% 37,% 24,64% 47,87% 6,32% Gruppen- *11 % angebote/ Vereine Schwule Sauna 0,63% 0,79% 3,00% 4,42% *22,9% 24,96% 64,30% 6,32% Pornokino 0,63% 0,79% 1,58% 3,00% 11,53% 78,67% 6,79% Klappen/Parks 1,90% 0,00% 3,16% 5,06% 11,2% 13,74% 74,88% 6,32% (Cruising) Sexparty 0,16% 0,47% 1,58% 2,21% - 8,21% 82,94% 6,64% (kommerziell) Sexparty (privat) 0,63% 0,63% 0,79% 2,05% - 8,37% 82,78% 6,79% *Der Besuch schwuler Gruppen wurde im Jahr 2000 separat abgefragt. Dass damals sehr viel mehr Männer in die Sauna gegangen sind, liegt sehr wahrscheinlich daran, dass die Befragung (in Papierform) im Jahr 2000 auch in den Münchner Männer-Saunen auslag. Bleibt die Frage, wie schwule Männer in der Münchner Szene ausgehen. Die Teilnehmer der aktuellen Umfrage geben an, sich eher mit Freunden und Bekannten zu treffen als alleine aufzubrechen. Das liegt zum einen daran, dass es heutzutage viel weniger Stammkneipen und Bars mit Wohnzimmercharakter gibt. In der Vergangenheit konnte man(n) beruhigt alleine ausgehen; in den Stammkneipen fanden sich Freunde und Bekannte von selbst ein. Alleine ausgehen – das hieß früher auch, auf der Suche nach Sex zu sein. Heute spielt hier das Internet die Hauptrolle. 10Die Vergleichszahlen setzen sich aus den Kategorien rechts davon („Täglich“/„Mehrmals wöchentlich“, „Nur am Wochenende“, „Mehrmals im Monat“) zusammen. 8
Wie tickt die Szene? Befragung der schwulen Community in München 2013 Gehst Du eher alleine oder mit anderen aus? 60% 53,6% 50% 42,6% 40% 31,1% 29,2% 30% 26,7% Jahr 2013 (n=618) 20% 11,8% Jahr 2000 (n=401) 10% 3,6% 1,5% 0% Eher alleine Eher Sowohl aus Keine Antwort zusammen mit auch anderen Ausgehen wird also sozialer. Das zeigen die Antworten der Leute, wenn wir sie nach ihren Ausgeh-Intentionen fragen. Wir haben gleichzeitig erhoben, welche Absicht schwule Männer in München anderen schwulen Männern unterstellen, die in die Szene gehen. Denn die Ansichten über die anderen spiegeln natürlich ebenso die eigene Motivation.11 Sehr klar wird der Unterschied zwischen unterstellter und eigener Absicht bei der Antwortmöglichkeit „Einen Sexpartner finden“. Sex suchen demnach hauptsächlich die anderen, selten man(n) selbst. Vergleich der Absichten beim Szenebesuch – Direkte & indirekte Abfrage (n=625) 100% 91,0% 87,7% 78,7% 82,6% 77,4% 80% 77,6% 69,8% 61,6% 60% 68,2% 38,6% 36,6% 35,5% 40% 20% Mehrzahl der Schwulen 0% Du selbst Die folgende Tabelle zeigt im Detail: Im Vergleich zum Jahr 2000 wird die schwule Szene heute deutlich sozialer wahrgenommen; Sex spielt eine geringere Rolle. Die Absicht, einen Lebens- oder Sexpartner zu finden, hat im 11 Die abgefragte Absicht der anderen ist die projizierte eigene Absicht und als ehrlichere Antwort zu verstehen. 9
Wie tickt die Szene? Befragung der schwulen Community in München 2013 Vergleich zu früher abgenommen. Mehr Zustimmung fanden in unserer aktuellen Befragung die rein sozialen Absichten.12 Übersicht der Was erwartet die Mehrzahl der Was erwartest Du vom Ausgehen? Zustimmungen in % Schwulen vom Ausgehen? 2013 2000 2013 2000 Festen 38,6 % 58,0 % 36,6 % 40,9 % Freund/Lebenspartner finden Einen Sexpartner finden 78,7 % 88,7 % 35,5 % 48,1 % Leute kennenlernen 82,6 % 65,1 % 77,6 % 62,6 % Sich mit 91,0 % 63,6 % 87,7 % 65,3 % Freunden/Bekannten treffen Abschalten 69,8 % 27,9 % 68,2 % 33,4 % Das Gefühl, unter sich 77,4 % 55,0 % 61,6 % 45,9 % zu sein Auch bei nachstehenden Aussagen zeigt sich teilweise, dass die Leute mit der Szene zufriedener sind als früher. Die negativ assoziierten Aussagen kommen allesamt weniger gut an als noch 2000. Die schwulen Männer nehmen die Münchner Szene positiver wahr.13 Positive Aussage Zustimmung Jahr 2013 Zustimmung Jahr 2000 Ich passe in die Szene 51,6% 53,4% Ich fühle mich begehrt 48,3% 54,1% Der Kontakt zum 35,6% 49,2% Barmann/Bedienung ist mir wichtig Ich fühle mich beim Ausgehen 72,2% 58,0% entspannt Bedienungen in der Regel 82,7% 84,3% freundlich Mir ist egal, was andere von mir 51,3% -- denken Die Menschen sind freundlich 70,6% 61,8% 12 Nachstehend haben wir die Antworten „Stimme voll zu“ und „Stimme eher zu“ zusammengefasst. Bei den Altersgruppen gibt es keine großen Unterschiede. 13 Die erste Tabelle enthält die positiven Aussagen, die zweite Tabelle die negativen. 10
Wie tickt die Szene? Befragung der schwulen Community in München 2013 Ich kann mich so geben wie ich 76,0% 73,2% bin Ich genieße die lockere 65,5% 62,6% Stimmung in der Szene Szene ist ein Stück Heimat 43,1% 50,1% Ich spüre dort Solidarität 46,7% 45,5% Ich finde in der Regel, was ich 35,7% 39,0% suche Szene ist mir wichtig 52,4% 72,5% Negative Aussage Zustimmung Jahr 2013 Zustimmung Jahr 2000 Ohne (Party-)Drogen läuft nichts 9,5% -- Ohne Alkohol läuft nichts 36,9% 33,5% Umgang der Leute miteinander ist 34,0% 46,8% schlecht Habe Angst vor Zurückweisung 43,1% 54,2% Versuche, meine 34,7% 45,0% Gefühle/Bedürfnisse nicht zu zeigen Habe Angst vor Zurückweisung 43,1% 54,2% Jemanden anzusprechen ist 57,4% 60,2% schwierig Niemand beachtet mich 20,9% 22,8% Die anderen wirken meist 50,8% 62,8% arrogant und oberflächlich Jeder beobachtet einen 42,9% 51,4% Wichtig ist, dass mich andere 41,0% 51,4% männlich finden Aussehen ist das Wichtigste in 61,7% 74,3% der Szene Mit über 40 hat man nichts mehr 19,9% 28,1% in der Szene zu suchen Nach dem Sex kennt einen keiner 36,9% 51,8% mehr Anonymität ist mir wichtig 19,9% -- Gehe öfter frustriert nach Hause 27,3% -- Ergebnis 3: Sex- und Partnersuche finden im Netz statt Zur Abfrage der Internetnutzung unserer Teilnehmer haben wir eigene Aussagen zur Wahl gestellt. Größtenteil haben wir uns aber auf die Aussagen-Optionen der Studie „Sexualität und Dating 2.0“ von Martin Dannecker und Richard Lemke aus dem Jahr 2011 gestützt, die wir hier im Folgenden sehen: 11
Wie tickt die Szene? Befragung der schwulen Community in München 2013 Ich nutze Online -Plattformen… Zustimmung Keine Zustimmung …zum Zeitvertreib. 67,8% 16,1% …um ein Date zu verabreden mit 44,2% 38,8% jemandem, den ich kenne. …um jemanden für reale 48,9% 34,9% Verabredungen zu suchen. …einfach nur so. 50,7% 30,1% …um Kontakt mit Freunden zu 64,2% 18,4% halten. …um neue Leute im Chat 50,2% 34,9% kennenzulernen. …um mich über andere Dinge als 48,9% 32,9% Sex zu unterhalten. …um zu entspannen. 41,9% 39,1% …um in Profilen zu stöbern. 56,7% 25,3% …um Freunde zu finden. 40,5% 39,5% …um mich sexuell zu erregen. 41,6% 41,8% …um zu masturbieren. 34,1% 48,52% …um pornographische Bilder 41,5% 41,7% anzusehen. …um im Chat mit sexuellen 23,0% 59,2% Phantasien zu spielen. …um schnell jemanden für Sex zu 25,0% 56,7% finden. …zur sexuellen Befriedigung. 28,8% 52,8% …um eine/n Beziehung/Partner zu 32,4% 50,2% finden. …um Sexdates zu 34,2% 48,3% planen/verabreden. Tatsächlich decken sich Danneckers Erkenntnisse mit den unsrigen. Das Internet schafft neben der Alltags- eine Parallelwelt, die viele schwule Männer aus den unterschiedlichsten Gründen nutzen. Beide Welten existieren - wie in der Gesamtgesellschaft auch - gleichberechtigt nebeneinander. Bei schwulen Männern geht es um soziale Kontakte, insbesondere aber auch um Sex und Partnersuche. Die Szene selbst wird - wie berichtet - davon entlastet und deshalb als sozialer wahrgenommen. Auf die Infrastruktur der Szene hat das Internet freilich auch seine Auswirkungen. 24,4% der Befragten gaben in unserer Umfrage an, dass sie weniger ausgehen als noch zu der Zeit, als es das Internet nicht gab oder sie es nicht nutzten. Auch zeigte sich, dass die Umgangsformen im Netz eher schlecht wegkommen (55,7%). Szene und Internet nach persönlichem Gefühl Zustimmung 2013 Zuhause suche ich im Internet weiter. 21,8% Seit ich online bin, gehe ich weniger aus. 24,4% 12
Wie tickt die Szene? Befragung der schwulen Community in München 2013 Ich finde im Netz schneller Sex-Partner. 36,4% Ich komme bei der Sexsuche nicht über Cybersex hinaus. 13,6% Die Umgangsformen im Netz sind schlecht. 55,7% Ich bin auch online, wenn ich in der Szene unterwegs bin. 22,2% Im Netz passiert doch nie etwas. 27,8% Meine Kontakte im Netz sind frustrierend. 27,7% Internet ist gut, da finde ich, was ich suche. 35,9% Wenn ich im Netz nichts finde, gehe ich aus. 11,2% Zusammenfassung Die Szenebefragung 2013 bestätigt einen starken Wandel in der schwulen Szene Münchens. Das macht zunächst das Ausgehverhalten der Befragten klar. Es zeigt sich, dass die Männer aus anderen Gründen in die Szene gehen als früher. Vor 13 Jahren war das Thema Sexualität beim Ausgehen noch allgegenwärtig. Schwule Männer suchten Bars und Lokale auf, um Sex zu haben und/oder einen Partner für eine Beziehung zu finden, wenn sie dort nicht einfach ihre Freunde getroffen haben. Heute ist das Internet die Plattform für die Suche nach Sex und Partnerschaft. Das entlastet die Szene, der sexuelle Druck sinkt und die Leute messen rein sozialen Bedürfnissen viel mehr Bedeutung bei: Freunde und Bekannte treffen, abschalten, das Gefühl, unter sich zu sein – das ist 2013 angesagt. Die Münchner Community ist den schwulen Männern nach wie vor wichtig. Auch wenn Ausgehen flexibler gehandhabt wird: Schwule binden sich seltener an eine Stammkneipe und besuchen an einem Abend verschiedene Orte. Das so genannte Szenesterben ist also abhängig von der Perspektive. Das beweisen die Kommentare zu den offenen Fragen, die wir am Ende der Erhebung gestellt haben. Die jüngere Generation schätzt die Loyalität und die familiäre Atmosphäre in der Community. Es ist genau das, was die ältere Generation vermisst. Dies liegt wohl daran, dass die Jüngeren die alteingesessene Kneipenszene weniger nutzen und sie selbst in einer anderen Community leben. Das Internet spielt dabei keine Nebenrolle. Obwohl schwule Internet-Plattformen häufig nur als wichtige Vernetzungsform beschrieben werden, um mit Freunden in Kontakt zu bleiben oder weil man(n) gerne „einfach nur so“ online ist, spielt es die Hauptrolle beim Ausleben der Sexualität und der Partnersuche. Das Internet gehört heute einfach dazu. Kontakt und Information: Sub e.V., Projekt Prävention Kai Kundrath, Diplom-Soziologe Müllerstr. 14, 80469 München Tel: 089/856 34 64-13 E-Mail: kai.kundrath@subonline.org © Sub e.V., 2013 13
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