Autonomes Fahren - steuern oder überrollt werden? - Stadt- und Verkehrsplanung
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Fachbeiträge | Verkehrsplanung | Autonomes Fahren – steuern oder überrollt werden? Autonomes Fahren – steuern oder überrollt werden? Die Aufregung rund ums autonome Fahren scheint in 2018 einen vorläufigen Höhepunkt erreicht zu haben. Teils hochfliegende Erwartungen der vergangenen Jahre machen einer gewissen Ernüchterung Platz. Nichtsdestotrotz sind die Potenziale dieser technologischen Entwicklung derart weitreichend, dass sich Stadt- und Verkehrsplaner und -politiker mit dem Thema auseinandersetzen müssen. Zur Unterstützung fasst der Beitrag jüngere Studien und Prognosen sowie aktuelle Entwicklungen zusammen. Dabei werden laufende Entwicklungen, die Ausbreitung autonomer Fahrzeuge, die Strategien verschiedener Akteure und die Konsequenzen für die kommunale Verkehrs- planung behandelt. Wesentlich sind die Berücksichtigung der Thematik in den Prognosen und die frühzeitige Regelung der Einsatzbereiche autonomer Fahrzeuge. Excitement about autonomous driving seems to have hit an intermediate peak in 2018. Some high-flying expectations of recent years have given way to a somewhat sober outlook. Nevertheless the potential of this technological development is such that town and transport planners and politicians must keep an eye on it. To support this, the article compiles recent studies and forecasts with current developments, addressing current developments, the spread of autonomous vehicles, strategies of various stakeholders and consequences for municipal transport planning. Essential conclusions are the need to deal with autonomous vehicles in transport related forecasts and to timely define operating conditions. 1 Veranlassung und Zielsetzung allgemein zugängliche Studien und die lau- 2 Laufende Entwicklungen fende Berichterstattung hinsichtlich konkreter Bei der Abstimmung mittel- und langfristiger Hinweise zu absehbaren Entwicklungen und Die Entwicklung zum autonomen Fahren Planungsszenarien gewinnen die Themen zu konkreten Handlungsempfehlungen zu wurde vom Verband der Automobilingenieu- „Sharing Economy“ und „Autonome Fahr- durchforsten. re1 in 5 Stufen eingeteilt, von denen die 3. zeuge“ zunehmend an Raum, und diese In einem Positionspapier des VDV wird be- Stufe, das so genannte „bedingt autonome“ Tendenz ist bei Verkehrsprognosen, städte- reits 2015 nachdrücklich darauf hingewiesen, Fahren bereits 2017 in der Erprobung war [2] baulichen Planungen und konkreten Infra- dass im Zusammenhang mit dem autonomen und kurzfristig bei Oberklassefahrzeugen wie strukturmaßnahmen gleichermaßen zu beob- Fahren „derart große Chancen und Risiken dem Audi A8 verfügbar sein soll [5, 6]. Viele achten. Auch wenn man in den Niederungen [bestehen], dass eine grundsätzliche Beschäf- OEMs (Original Equipment Manufacturers) der Praxis mitunter dazu neigen mag, die tigung und frühzeitige strategische Berück- sehen allerdings keinen hinreichenden Mehr- einschlägigen Visionen in der Fach- und sichtigung für alle Marktteilnehmer auf jeden wert darin, autonome Fahrzeuge für Stufe 3 Tagespresse unter BaaS („Bullshit as a Ser- Fall geboten“ scheint [1]. H e n z e l m a n n et zu entwickeln, da der Nutzen und die spezi- vice“) einzuordnen, verdienen die vor- und fischen Probleme solcher Systeme, nament- al. sehen in Sharing Konzepten und den nachteiligen Potenziale dieser beiden Themen lich das „handoff problem“, die Übergabe der autonomen Fahrzeugen zwei der drei gegen- die aufmerksamen Beobachtungen von Pla- Steuerung an einen Fahrer in kritischen Si- wärtig dominierenden Trends – neben der nungspraktikern und politischen Akteuren tuationen, in keinem attraktiven Verhältnis Elektromobilität – der urbanen Mobilität [2]. gleichermaßen, und lassen sich unter Berück- stehen [7, 5]. Auch sind die planerischen Diese und zahlreiche weitere Autoren weisen sichtigung von Prognosehorizonten über 15 Implikationen der Autonomie auf Stufe 3 darauf hin, dass bereits heute die Weichen zu nicht mit der des hochautomatisierten Fah- Jahren kaum noch ignorieren. Wir haben stellen sind, um eine chaotische und nachtei- rens auf Stufe 4 (ohne regelmäßige Überwa- diesen Umstand zum Anlass genommen, lige Entwicklung urbaner Mobilität zu ver- chung durch Fahrer, „Eyes off“) bzw. 5 (ohne hindern. Im Rahmen dieses Beitrags wollen Fahrer, „Mind off“) zu vergleichen. wir einen Überblick über den gegenwärtigen ■ Verfasser R o t h f u c h s et al. konstatieren, dass es nur Stand der Entwicklungen im Bereich Sharing wenige belastbare Einschätzungen zur Zeit- Dipl.-Ing. Timotheus Andreas Klein Economy und Autonomes Fahren geben [2] t.klein@argus-hh.de schiene der Entwicklung autonomen Fahrens sowie über die Erwartungen hinsichtlich der gibt [8]. In den zahlreichen Publikationen ARGUS Stadt und Verkehr Zusammensetzung des motorisierten Ver- zum Thema zeichnet sich jedoch sowohl ein Admiralitätstraße 59 kehrs [3], einen Blick auf die Strategien der 20459 Hamburg zeitlicher Korridor der technischen Entwick- industriellen Treiber der Entwicklung werfen lung, d. h. der Angebotsseite ab, als auch die Sven Altenburg [4] und die Konsequenzen für die kommuna- Entwicklung der Nachfrageseite, d. h. der sven.altenburg@prognos.com le und regionale Verkehrsplanung umreißen Erwartungen an die und die Bewertung der Prognos AG [5]. Bewusst ausgeklammert haben wir in neuen Technologie. Bei Einführungsszenari- Schwanenmarkt 21 diesem Beitrag die Auswirkungen auf den 40213 Düsseldorf Arbeitsmarkt, die ebenfalls Gegenstand um- 1 Society of Automotive Engineers SAE, https://www. fangreicher Studien sind (z. B. [3, 4]). sae.org/ 166 Straßenverkehrstechnik 3.2019
Autonomes Fahren – steuern oder überrollt werden? | Verkehrsplanung | Fachbeiträge en der Technologien ist zudem zu beachten, dabei an den Tag legen, wird dabei – für den Drive Corporation (SoftBank, Japan) plant die dass die Steigerung des Automatisierungs- deutschen Beobachter vielleicht überraschend Einführung selbstfahrender Busse bis 2020, grades nicht in allen Teilen des Straßennetzes – mit den potenziellen Gewinnen für die die derzeit in Pilotprojekten erprobt werden gleich schnell verlaufen wird: Wenig kom- Verkehrssicherheit durch autonomes Fahren [21]. H e n z e l m a n n et al. erwarten, dass plexe Umfelder wie Autobahnen werden begründet. Beispielhaft argumentieren K a l - Autonomie der Stufen 4 und 5 bis 2030 se- deutlich früher hohe Automatisierungsgrade r a et al., dass es nur dann Sinn ergibt, vor rienmäßig eingeführt ist [2]. Hinsichtlich der ermöglichen als innerstädtische Bereiche oder praktischen Tests ein sehr hohes Sicherheits- Einsatzbereiche bleiben viele Studien jedoch Landstraßen. Somit ist nicht allein die Frage niveau autonomer Fahrzeuge abzuwarten, vage. Bisher operieren die Pilotprojekte im „Welchen Automatisierungsgrad erreicht die wenn man davon ausgeht, dass ebenjene öffentlichen Raum nur in sehr beschränkten Technologie des Fahrzeugs?“ relevant, für die Praxistests nicht wesentlich zur Sicherheit Bereichen [22], teilweise nur auf vorgegebe- Nachfrage und die Auswirkungen des auto- autonomer Fahrzeuge beitragen [12]; außer- nen Strecken [23]. matisierten Fahrens auf Sicherheit, Fahrkom- dem könne das tatsächliche Sicherheitsniveau In Bild 1 sind die vom Verband der Automo- fort und Verkehrsfluss ist viel entscheidender, autonomer Fahrzeuge nur im Straßenverkehr bilingenieure4 definierten Stufen bedingt (III) wann auf welchen Streckentypen welcher gemessen und mit dem manuell gesteuerter und hochautomatisierten (IV, V) Fahrens über Automatisierungsgrad erreicht werden kann. Fahrzeuge verglichen werden (Kalra lt. [13]). einem Zeitstrahl bis 2050 aufgetragen. Die Angesichts solch grundsätzlicher Meinungs- Punkte der Abbildung repräsentieren den 2.1 Angebot verschiedenheiten finden sich erstaunlich Zeitpunkt, ab dem die genannten Autoren viele konkrete Aussagen zur Terminierung von der Marktreife bzw. Verfügbarkeit der Nach wie vor gibt es skeptische Stimmen zur technologischer Durchbrüche, die nicht aus- Entwicklung des autonomen Fahrens, die jeweiligen Stufe ausgehen. Keine Publikation schließlich unternehmenspolitischen Erwä- erwartet die Realisierung autonomer Fahr- selbst langfristig keinen Einsatz von hochau- gungen zuzuschreiben sind. In der Mehrzahl tonomen, fahrerlosen Fahrzeugen im urba- zeuge der Stufe 3 später als 2020. Grundsätz- dieser Statements wird jedoch lediglich die lich scheinen die Voraussetzungen für die nen Verkehr erwarten. Als schwer oder gar generelle Reife und Verfügbarkeit hochauto- nicht zu überwindende Hürden wird die In- mittelfristige Einführung autonomer Fahr- matisierter Fahrfunktionen thematisiert; dif- zeuge gegeben. Einige Beobachter erwarten teraktion mit anderen Verkehrsteilnehmern ferenziertere Aussagen dazu, auf welchen im Mischverkehr angesehen, die aus Sicher- allerdings, dass sich die Realisierung hoch- Straßentypen und in welchen Situationen autonomer Fahrzeuge weiter verzögern und heitsgründen eine betont und mitunter un- dieser Automatisierungsgrad realisiert wer- angenehm defensive Fahrweise autonomer dass sich der Hype in 2019 erledigen wird den kann, sind deutlich seltener. Isaac berich- (z. B. [24]), und auch Waymo-CEO John Fahrzeuge bedingt [9]. Auch die Erfordernis tet 2016, dass Autohersteller und Entwickler umfassender und redundanter Information Krafcik rechnet nicht damit, dass sich voll- die Technologie für autonome Fahrzeuge im autonome Fahrzeuge kurzfristig und umfas- über die Umgebung und die dafür erforder- Zeitraum 2018–2020 für allgemein verfügbar lichen Mobilfunknetze sowie die generelle send durchsetzen [25]. halten, und dass autonome Fahrzeuge ab Komplexität der Problematik wird als Hin- 2030 marktreif sind [14]. Passend dazu gibt Die Relevanz des autonomen Fahrens für die dernis angeführt, deren finale Bewältigung die Intel-Tochter Mobileye an, ab 2020 die kommunale Verkehrsplanung und -politik sich im Sinne des Pareto-Prinzips unverhält- erforderliche Hardware (EyeQ5) für Autono- ergibt sich offensichtlich nicht allein aus ei- nismäßig aufwendig gestalten werde. In mie der Stufen 4 und 5 zu liefern [15]. nem neuen Fahrassistenzsystem, sondern aus Kenntnis einer Reihe dieser Hürden hält z. B. WAYMO berichtet bereits heute 5 Mio. im dem Auftritt einer neuartigen Transport- Kühn es für wahrscheinlich, dass der Betrieb öffentlichen Straßennetz autonom, wenn dienstleistung mit kaum absehbaren Netz- von Roboterfahrzeugen im Mischverkehr auch unter menschlicher Überwachung ge- werk- und Skaleneffekten. H e n z e l m a n n Vision bleibt [10]. Die Beurteilung der weite- fahrene Meilen [7] und startete im Herbst et al. beziffern beispielsweise den Preisvor- ren Entwicklung hängt dabei offensichtlich 2018 Tests mit 36 vollautonomen (Stufe 4 bis teil autonomer zu konventionellen Taxen vom Standpunkt des Betrachters ab: Während 5) Fahrzeugen in Santa Klara County, Kali- auf 60 % [2], sodass die autonomen Taxen eine Redundanz in der Datenversorgung fornien, die bis zu 105 km/h schnell fahren preislich mit gegenwärtigen Carsharing- durch Sensorik im Straßenraum bei den dürfen, sowie in Phoenix [16], wo noch 2018 und Mietwagen-Anbietern konkurrieren und Entwicklern von BMW nicht als sinnvoll ein Ride-Hailing Service mit fahrerlosen diese ersetzen könnten. Als moderne Form erachtet wird – die Fahrzeuge sollen auch Fahrzeugen gestartet werden sollte [17]. Einer des Anrufsammeltaxis können Ride-Hailing, „allein klarkommen, wenn die Verbindung Studie des DLR zufolge ist das vollautomati- -Pooling oder -Sharing-Services möglicher- gestört ist“, hält man bei Siemens die Inter- sierte Fahrzeug, das die Bedienung in allen weise noch günstiger und attraktiver ope- aktion von Fahrzeug und Umfeld im Sinne Fahrsituationen von Tür zu Tür ermöglicht rieren. Kurzfristig ist daher mit dem ver- von C2X für erforderlich, weil „das Auto und auch in der Lage ist, ohne Fahrer Wege mehrten Auftritt von Car- und Ridesharing- nicht um die Ecke sehen kann“ [11]. Techno- zurückzulegen, nicht vor 2028 zu erwarten Diensten zu rechnen. Allein in Hamburg logieführer wie die Alphabet-Tochter WAY- [18]. Dies deckt sich mit der Einschätzung des bietet IOKI5 einen On-Demand ÖPNV in den MO nutzen neben kartografischen Daten ERTRAC3, nach der Stufe 4 in Pkw ab ca. Stadtteilen Osdorf und Lurup an, Clevershut- unterschiedliche Detektionssysteme – 2026, Stufe 5 nach 2030 zu erwarten sei [19]. 360°-Kameras, Radar und LiDaR2, sowie Die EU-Kommission erwartet, dass unter der 2 Light Detection and Ranging, ein 360°-Laser-„Sonar“ zusätzliche Sensoren wie z. B. Mikrofone für Voraussetzung regulatorischer und sonstiger 3 European Road Transport Research Advisory Council Polizeisirenen etc., und schaffen damit eine Rahmenbedingungen ab 2020 die ersten 4 Society of Automotive Engineers SAE, https://www. gewisse Redundanz [7]. Die Risikobereit- selbstfahrenden Fahrzeuge auf gewerblicher sae.org/ schaft, die die amerikanischen Behörden Basis verfügbar sein können [20]. Die SB 5 https://vhhbus.de/ioki-hamburg/ Straßenverkehrstechnik 3.2019 167
Fachbeiträge | Verkehrsplanung | Autonomes Fahren – steuern oder überrollt werden? tle6 einen „individuellen Chauffeurservice mit einem neuartigen RidePooling-Prinzip“ und MOIA7 bereitet den Start eines aus Kunden- sicht vergleichbaren Ride-Sharing-Angebots vor. Mittelfristig ist mit verstärktem Auftreten von Mitfahrdiensten wie Uber und Lyft zu rechnen, nachdem das BMVI die rechtlichen Voraussetzungen dafür bis 2021 schaffen will [36]. Diese stehen in unmittelbarer Konkur- renz zum Taxi und haben dieses vielerorts ersetzt. Uber bietet in Deutschland unter anderem Fahrdienste von und zum Flughafen Berlin-Tegel an, wobei aus einer Reihe unter- schiedlicher Fahrzeugtypen gewählt werden kann8. Das Angebot von Uber wird dort zum Teil von Autovermietern organisiert [37]. Eine besondere Form des Carsharings stellt das Peer to Peer (P2P) – Carsharing dar, bei dem 1 VDA 2018 – Fahren in der Stadt (VDA 2018) Privatpersonen ihre Fahrzeuge verleihen. 2 VDA 2018 – Fahren auf der Autobahn (VDA 2018) 2.2 Nachfrage 3 WAYMO 2018 (Shepardson & Sage 2018) 4 Zmud et al./NCHRP 2017 (Zmud, Goodin, Moran, Kalra & Thorn 2017) Die Nachfrage nach autonomen Fahrzeugen Zmud et al./NCHRP 2017 ergibt sich mittelbar aus dem Interesse von 5 (Zmud, Goodin, Moran, Kalra & Thorn 2017) einzelnen Verkehrsteilnehmern, ihre Mobili- 6 Toyota/SoftBank 2018 (Toyota 2018) tätsbedürfnisse preiswert und komfortabel zu 7 VW/MobilEye/Champion 2018 (BusinessWire 2018) decken, und aus dem gesellschaftlichen Inte- (kommerzieller RideHailing Service in Israel) resse, nachteilige Effekte der Verkehrsabwick- 8 Roland Berger 2017 (Henzelmann, Frei, Schönberg, lung zu reduzieren. Wunder & Neuenhahn 2017) Zwar sieht z. B. das ERTRAC noch 2017 eine 9 Europäische Kommission (European Commission 2018) besondere Herausforderung in der Akzeptanz 10 PB/Isaac 2016: Technologie verfügbar (Isaac 2016) autonomer Fahrzeuge [19], und einer Studie 11 ERTRAC 2017 – Pkw Stufe 4 (ERTRAC 2017) des ADAC zufolge [11] glauben 45 % der 12 ERTRAC 2017 – Lkw Stufe 4 (ERTRAC 2017) deutschen Autofahrer nicht an die Verläss- lichkeit der Fahrzeugtechnologie oder haben 13 Milakis et al. 2017 – Szenarien schnelle (Milakis, Snelder, van Arem, technolog. Entwicklung van Wee & Correia 2017) Angst vor Hackern. Dieser Anteil lag 2017 allerdings noch bei 72 % [38], und schon 14 Milakis et al. 2017 – Szenarien langsame (Milakis, Snelder, van Arem, damals (2017) gaben 53 % der befragten technolog. Entwicklung van Wee & Correia 2017) Europäer an, die Anschaffung eines autono- 15 DCI 2017 – Erwartungen ÖPNV-Unternehmen (Barthelmes, Czeh, Guo, Landfester, men Fahrzeugs zu erwägen [4]. Dementspre- Lönne & Schumann 2017) chend halten es 38 % der Befragten einer 16 DCI 2017 – Erwartungen OEM (Barthelmes, Czeh, Guo, Landfester, Studie der DHBW Ravensburg für wichtig, Lönne & Schumann 2017) dass sich Autohersteller mit autonomem 17 DCI 2017 – Erwartungen Städte (Barthelmes, Czeh, Guo, Landfester, Fahren beschäftigen; 41 % geben dies für Lönne & Schumann 2017) Mobilitätsdienstleistungen an [39]. Weitere 18 DCI 2017 – Erwartungen Mobilitätsdienstleister (Barthelmes, Czeh, Guo, Landfester, stated preference Befragungen versprechen Lönne & Schumann 2017) vor diesem Hintergrund keine bahnbrechen- 19 FORD 2018 (Holland 2018) den Erkenntnisse mehr: An grundsätzlichen 20 Toyota/Uber 2018 (Wilkens 2018) Vorbehalten gegenüber der Technologie wird 21 Baidu (Baidu, Inc. 2018) die Verbreitung autonomer Fahrzeuge wohl 22 Kindig, Beth (Kindig 2018) nicht scheitern. Es ist allerdings zu bezwei- feln, dass der motorisierte Verkehr im öffent- 23 Kindig, Beth (Kindig 2018) lichen Straßenraum in absehbarer Zukunft 24 Viereckl et al./pwc (Viereckl, Krings, Weber, Seyfferth, vollständig autonom wird. Deppner & Bühnen 2018) Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen auf 25 Viereckl et al. / pwc (Viereckl, Krings, Weber, Seyfferth, Deppner, & Bühnen, 2018) 6 https://www.clevershuttle.de/ Bild 1: Technologischer Fortschritt autonomer Fahrzeuge - aktueller Stand und Erwartungen 7 https://www.moia.io/de/blog/2018/endlich-zuhaus/ (*Level IV: „Eyes Off“; V „Mind Off“) 8 https://www.uber.com/de/airports/txl/ 168 Straßenverkehrstechnik 3.2019
Autonomes Fahren – steuern oder überrollt werden? | Verkehrsplanung | Fachbeiträge die Verkehrssicherheit, auf die z. B. [8] noch diese grundsätzlich eine Berechtigung zu lich beschleunigen. Dabei ist aufgrund der hinweisen, treten zunehmend hinter die Er- derartigen Mobilitätsformen geltend machen neuartigen Einsatzmöglichkeiten autonomer wartung bzw. Forderung zurück, den Stra- [43]. In Japan, wo sich die Problematik einer Fahrzeuge nicht davon auszugehen, dass sich ßenverkehr durch autonome Fahrzeuge si- überalternden Gesellschaft und schwer er- die Ausbreitung so vollzieht wie die anderer cherer zu machen [18] [29]. Die herrschende schließbarer Regionen noch drängender stellt, Fahrzeugtechnologien: während z. B. die Meinung in den USA ist bereits heute, dass kooperieren bereits heute NGOs mit Einzel- Elektrifizierung der Pkw-Flotten ohne erheb- die Verzögerung oder Behinderung von Tests händlern und Krankenhäusern, um lokale liche regulatorische und steuerliche Unter- mit autonomen Fahrzeugen die Verminde- Bussysteme bereit zu stellen [21]. Shinzo Abe stützung kaum vorankommt, verheißen au- rung von Sicherheitsrisiken im Straßenver- wird zitiert, zur Abhilfe bei den Problemen tonome Fahrzeuge unabhängig von der lo- kehr weltweit verzögert [3]. Diese Auffassung Arbeitskräftemangel und Mobilitätsein- kalen Förderkulisse erhebliche und offen- stützt sich unter anderem auf Modelle zur schränkungen bis zum Jahr 2020 autonomes sichtliche Vorzüge in den Punkten Verkehrs- Prognose der im Straßenverkehr getöteten Fahren einführen zu wollen [21]. Aber nicht sicherheit, Komfort und ökonomische Effizi- Personen. K a l r a et al. verwenden ein Mo- nur für die Alltagsmobilität können autono- enz. Erhöhte Anschaffungskosten können dell („MAVS“ = RAND Model of Automated me Fahrdienste ein konkurrenzfähiges Ange- durch geteilte Nutzung in Ridesharing-Flot- Vehicle Safety) zur Entwicklung von 500 bot darstellen: auch für lange Strecken ist der ten aufgefangen werden. Damit würde sich unterschiedlichen Szenarien zur Einführung Einsatz denkbar [31] und attraktiv: Tür zu die Einführung entsprechender Dienste zu- des autonomen Fahrens, die sich hinsichtlich Tür, mit Gepäck, ohne Umsteigen, über Nacht. nächst in großen Metropolen entwickeln, in technologischem Fortschritt, Entwicklung der denen sich die dazu passenden Märkte finden Je nachdem, wie sich die Handhabe autono- Flottenzusammensetzung und der Fahrleis- [42]. McKinsey mutmaßt 2016, dass 2030 1 mer Mobilität auf Anbieter- und Kundensei- tung u. a. Variablen unterscheiden. In der von 10 verkauften Fahrzeugen ein geteiltes te entwickelt, sind zahlreiche weitere Begleit- weitaus überwiegenden Zahl der Szenarien sein könnte [47]. erscheinungen im Verkehrsfluss und bei den sinkt die über die Jahre kumulierte Zahl der Viele der publizierten Erwartungen zur Aus- Verkehrsemissionen denkbar. Zwar können Getöteten bei einer früheren Einführung des breitung autonomer Fahrzeuge platzieren den autonomen Fahrens erheblich, trotz des bei autonome und vernetzte Fahrzeuge Unfälle, Stau und Luftverschmutzung durch koordi- technologischen Durchbruch mittelfristig (5 einer früheren Einführung niedrigeren Si- bis 15 Jahre) und die darauffolgende Aus- cherheitsvorsprungs der autonomen Fahrzeu- nierte und effiziente Fahrweise reduzieren, jedoch kann preiswertere und komfortablere breitung autonomer Fahrzeuge bis zu einem ge [12]. relevanten Anteil an den Fahrzeugflotten und Mobilität auch zu zunehmender Zersiedelung, Ein attraktives und preiswertes Angebot zur der Verkehrsleistung langfristig (über 15 wachsender Verkehrsleistung und am Ende Bedienung von Mobilitätsbedürfnissen wird Jahre). Dabei liegen die konkreten Erwartun- wieder zu mehr Staus und Emissionen führen in Netzwerken zum Car- und Ridesharing gen noch sehr weit auseinander. Die von [5]: wenn der Preis als limitierender Faktor gesehen. Autonome Carsharing – Fahrzeuge Nieuwenhuijsen befragten Experten erwarte- der Reisedistanzen wegfällt, wird er durch könnten automatisch zu den richtigen Zeiten ten die Markteinführung autonomer Fahrzeu- Fahrzeit bzw. Stau ersetzt [44]. in Gebieten mit bekanntermaßen hoher ge im Mittel um das Jahr 2033, und einen Nachfrage bereit gestellt werden [31]. Die Die EU-Kommission postuliert aktuell vor Marktanteil von 10 % um 2048 [48]. Isaac Zugangszeiten könnten sich verbessern, allem die Potenziale des autonomen Fahrens, hingegen ging 2016 von einer wachsenden wenn das benötigte Fahrzeug – des ge- Mobilität sicherer, sauberer, effizienter und Zahl autonomer Fahrzeuge ab 2025 – 2030 wünschten Fahrzeugtyps – zur gewünschten allgemein verfügbarer zu machen [29]. Auch aus [14], und McKinsey&Company hielt es Zeit zum Einsatzort beordert werden kann für den Güterverkehr werden überwiegend 2016 für möglich, dass 2030 bis zu 15 % der [18]. Nutzer von P2P-Carsharing – Netzwer- positive Effekte, z. B. hinsichtlich Energiever- verkauften Fahrzeuge autonom sein könnten. ken benennen unter anderem den Vorteil der brauch, Sicherheit etc. erwartet [4], die Daim- Die Bandbreite der diesbezüglichen Erwar- Verfügbarkeit eines Fahrzeugs in der unmit- ler jüngst relativiert hat [45]. Aktuelle Mo- tungen und Pläne zeigt Bild 2. telbaren Nachbarschaft [40], die unter Um- dellierungen wie etwa von B u s c h et al. Allgemeine Aussagen zum Anteil autonomer ständen nicht zu den Geschäftsgebieten des legen allerdings nahe, dass die erhofften Fahrzeuge am Modal Split oder an der Ver- Free-Floating Carsharing Anbieter gehört positiven Effekte erst ab einem sehr hohen kehrsleistung gibt es nur wenige, da hierbei und auch keinen wirtschaftlichen Einsatz Anteil automatisierter Fahrzeuge eintreten zahlreiche örtliche Faktoren zu berücksichti- stationsgebundenen Carsharings erlaubt. werden. Im Mischverkehr mit hohen Anteilen gen sind. R a p o s o et al. arbeiten mit 3 In mittleren und kleinen Städten sowie im nicht-kommunizierender Fahrzeuge sind „im Szenarien – langsame, mittlere und schnelle ländlichen Raum könnte die Erschließung auf Mittel leichte Kapazitätsverluste zu erwarten“ Einführung autonomer Fahrzeuge – und den ersten bzw. letzten Metern bis zum ÖP- [46]. geben für 2025 den Anteil hochautonomer NV-Knotenpunkt sichergestellt und verbes- Fahrzeuge in Bezug auf die Pkw-Fahrleistung sert werden [41] – nicht zuletzt aufgrund der mit 0 %, 15 % und 58 %, für 2050 4 %, infolge Personaleinsparung verminderten 3 Ausbreitung 88 % und 99 % an [4]. Die EU-Kommission Betriebskosten [11]. Vor allem Personen ohne strebt bis 2030 einen Anteil autonomer Fahr- Führerschein, Kinder und Jugendliche, Seni- Ein Meilenstein in der Entwicklung hochau- zeuge am Modal Split in Städten von 25 % oren und Mobilitätseingeschränkte würden tonomer Fahrzeuge besteht darin, dass der an [29]. Für Prognosehorizonte jenseits des von entsprechenden Mobilitätsangeboten Betrieb hochautonomer Fahrzeuge durch Jahres 2030 ist daraus zu schlussfolgern, dass profitieren [1, 42, 21]. Insoweit autonomes Privatpersonen und kleine Unternehmen die möglichen Auswirkungen autonomen Fahren die Freizügigkeit mobilitätseinge- möglich ist. Ab diesem Zeitpunkt dürfte sich Fahrens zumindest verbal thematisiert wer- schränkter Personen unterstützt, könnten die Ausbreitung autonomer Fahrzeuge erheb- den sollten. Straßenverkehrstechnik 3.2019 169
Fachbeiträge | Verkehrsplanung | Autonomes Fahren – steuern oder überrollt werden? 4 Strategien verschiedener Akteure aus: Langfristig soll die Alltagsmobilität über – Volkswagen entwickelt Technologie zum einen „One-Stop-Mobilitätsshop“ organisiert autonomen Fahren relativ eigenständig 4.1 ÖPNV und Verkehrsunternehmen werden [35, 52]. Der Gewinn liegt dabei in und bietet mit dem Staupilot kurzfristig der Vermittlung von Mobilitätsdienstleistun- bedingt automatisiertes Fahren (Stufe 3) Die Auswirkungen autonomen Fahrens auf gen sowie der Sammlung und Verwertung in Stausituationen auf Autobahnen bis den ÖPNV und die Verkehrsunternehmen von Nutzerdaten. In den USA gehört mit 60 km/h an, beim dem der Fahrer das hängen davon ab, ob die geteilte Mobilität in WAYMO einer dieser neuartigen Dienstleister System nicht dauerhaft überwachen muss. Zukunft als private Dienstleistung oder wie Das VW-eigene Mobilitätsunternehmen zu den Technologieführern. Ähnlich wie bisher als Grundversorgung und Gemein- MOIA startet 2018 in Kooperation mit Alphabet bzw. WAYMO in den USA ist in schaftsaufgabe durch regional organisierte Hamburger Hochbahn HHA einen „Shut- China der Internetkonzern Baidu im Bereich Verkehrsverbünde und -unternehmen ver- tle-on-Demand-Service mit umweltfreund- des autonomen Fahrens aktiv. In Zusammen- standen und organisiert wird. Zunächst ein- lichen Elektrofahrzeugen“ [56]. Für Israel arbeit mit der SoftBank-Tochter SB Drive und mal sollte die erwartete Aufwandssenkung haben Volkswagen, Mobileye und Cham- dem Fahrzeugbauer King Long plant Baidu um bis zu 60 % bei Bussen im ÖPNV durch pion Motors einen ersten Ride-Hailing ab 2019 hochautonome Minibusse vom Typ Einsparung von Fahrpersonal [2] eine Ver- Service „New Mobility“ mit autonomen Apolong in Tokyo einzusetzen [34]. besserung des Angebots bei gleichbleibenden Fahrzeugen für 2019 angekündigt, ab 2022 Kosten ermöglichen. Diese Angebotsverbes- Die Fahrzeuge können langfristig von lokalen soll eine kommerzielle Anwendung starten serungen könnten in Shuttleverkehren, kür- privaten und gewerblichen Akteuren bereit- [28]. zeren und flexibleren Taktzeiten durch den gestellt werden, wie dies bei den genannten Shared Mobility Anbietern teilweise schon – Ford hat 2016 seine Aktivitäten im Bereich Einsatz kleinerer Fahrzeuge und einer besse- heute der Fall ist. Das können Taxi-, Mietwa- vernetzter und autonomer Fahrzeuge und ren spontanen Anpassung des Angebots an gen und Carsharing-Unternehmen sein, aber neuer Mobilitätsdienstleistungen in einer die Nachfrage bestehen, was durchaus die auch private Personen: „Die Verschwendung, eigenen Tochterfirma gebündelt und eine Ansprache neuer Kundengruppen ermögli- die das Auto darstellt, wenn es 95 % der Zeit Reihe von Firmen für Sensortechnik, Kar- chen könnte [31]. Bei ungebremster privat- nur rumsteht, ist lächerlich. Also will man tendienste und künstliche Intelligenz auf- wirtschaftlicher Konkurrenz könnten die die Möglichkeit haben, es zu versilbern“ er- gekauft [54]. Bisher testet Ford Technologie angestammten Unternehmen des ÖPNV je- klärte die damalige Chefin von Maven im autonomer Fahrzeuge in Miami, Pitts- doch auch in einen Teufelskreis aus rückläu- burgh, Detroit und Washington D. C. [32], figen Fahrgastzahlen zugunsten autonomer vergangenen November [53]. P2P – Carsha- in Kooperation mit Baidu soll Ende 2018 Taxiflotten und steigenden Fahrpreisen gera- ring Teilnehmer in Deutschland äußern ähn- ein Projekt zum Test von autonomen Fahr- ten [2]. Der VDV hat sich bereits 2015 in ei- liche Motive [40]. zeugen in Peking und evtl. weiteren chine- nem Positionspapier [1] mit dem Thema sischen Großstädten starten. Am Ende der auseinandergesetzt, in dem diese möglichen 4.3 Original Equipment Manufacturers Testphase soll Level-4-Autonomie stehen Entwicklungspfade beschrieben werden. Ak- Für Massenhersteller stellt sich die Frage, wie [57]. tuell gehören die Verkehrsunternehmen in Deutschland zu den Vorreitern der autono- ein Markt für autonome Flottenfahrzeuge – Toyota plant Machbarkeitsstudien und men Mobilität (Olli, HEAT, etc.), wobei paral- erfolgreich bedient oder kontrolliert werden praktische Tests mit dem e-Palette Concept lel mit Car- und RideSharing-Konzepten kann. Zahlreiche regionale Kooperationen u. a. in den USA in den frühen 2020er- experimentiert wird (switchh, Ioki, Berlkönig und wechselseitige Unternehmensbeteiligun- Jahren. Partner sind u. a. Amazon, Didi, …). gen erwecken den Anschein, dass sich nach- Mazda, Pizza Hut und Uber [27]. Bis 2021 haltige Strategien erst noch herauskristalli- will Toyota zusammen mit Uber eine au- 4.2 Neue Dienstleister sieren müssen. Einige Beispiele ohne An- tonome Ridesharing-Flotte auf die Straße spruch auf Vollständigkeit oder Repräsenta- bringen [33]. Als neuartige Dienstleister seien hier die tivität: Eine interessante Zusammenstellung über die Shared Mobility Anbieter und Transportation Aktivitäten bekannter Unternehmen im Be- – General Motors arbeitet mit GM Cruise an Network Companies (TNC) zusammengefasst, reich des autonomen Fahrens hat CB IN- autonomen Fahrzeugflotten. Mit Maven die sich in Reinform dadurch auszeichnen, SIGHTS online gestellt [54]. gehört GM auch ein Carsharing-Unterneh- Fahrdienstleistungen auf Abruf zu vermitteln, men, eine Ausweitung des Geschäftsfeldes ohne sich selber mit Fahrzeugen oder Fahrern auf Fahrdienste wie Uber ist bisher jedoch zu belasten – was aus der Perspektive von 5 Konsequenzen für die kommunale nicht vorgesehen [53], eine aktive Koope- Investoren besonders vorteilhaft zu bewerten Verkehrsplanung ist [51]. Fahrgäste suchen ad hoc eine Fahr- ration mit Lyft besteht zur Zeit nicht [54]. dienstleistung per Smartphone-App und – Daimler und die BMW-Gruppe sind bereits 5.1 Politische Rahmensetzungen bekommen darauf verschiedene Angebote, seit mehreren Jahren als Carsharing-An- allein oder gemeinsam mit anderen Fahrgäs- bieter aktiv und planen gemeinsamen den Derzeit untersagt die deutsche Rechtslage ten zum Ziel gefahren zu werden. Da die strategischen Ausbau ihrer „bestehenden (StVO) hohe Automatisierungsstufen [49]. Die Recherche- und Buchungsvorgänge eines Angebote für On-Demand-Mobilität in den von B a r t h e l m e s et al. Befragten sehen Nutzers über eine überschaubare Anzahl von Bereichen Carsharing, Ride-Hailing, Par- dem entsprechend rechtliche Hindernisse als Smartphone-Apps vollzogen werden, gehen king, Charging und Multimodalität” [55]. größte Hürde des autonomen Fahrens an [31]. die neuen Dienstleister wie Uber, Lyft, Maven, Beide halten gemeinsam mit Volkswagen Regulatorische und politische Aspekte zählen Didi etc. von erheblichen Netzwerkeffekten Anteile am Kartendienst HERE. auch nach Einschätzung von M i l a k i s et 170 Straßenverkehrstechnik 3.2019
Autonomes Fahren – steuern oder überrollt werden? | Verkehrsplanung | Fachbeiträge al. zu den einflussreichsten Treibern der Ent- wicklung autonomer Fahrzeuge [30]. Zu den zahlreichen offenen Fragen zählen so grund- sätzliche Themen wie die Notwendigkeit spezieller Fahrerlaubnisse zur Nutzung oder Überwachung von autonomen Fahrzeugen [18], die rechtliche, technische und personel- le Befähigung der Polizei, autonome Fahr- zeuge zu kontrollieren [43] bis hin zu ethi- schen Fragestellungen, die zuletzt sehr öf- fentlichkeitswirksam mit einer ‚moral machi- ne‘ untersucht wurden [58]. Das Verkehrsmi- nisterium der USA fokussiert sich vor allem auf eine zügige Modernisierung bestehender bzw. Eliminierung veralteter Regularien, die die Entwicklung autonomer Fahrzeuge be- hindern oder keine elementaren Sicherheits- bedürfnisse adressieren. So weit wie möglich wird die Entwicklung freiwilliger und anpas- 1 McKinsey & Company 2016, Neuzulassungen (McKinsey & Company 2016) sungsfähiger technischer Standards unter- stützt [3]. Auch dort ist man jedoch von ei- 2 DLR 2017 – Neuzulassungen (DLR 2017) nem hinreichenden rechtlichen Rahmen für 3 DLR 2017 – Neuzulassungen (DLR 2017) den Regelbetrieb weit entfernt [6]. 4 DLR 2017 – Neuzulassungen (DLR 2017) Das US-Verkehrsministerium hat bereits im 5 DLR 2017 – Neuzulassungen (DLR 2017) September 2016 eine Richtlinie zum automa- 6 DLR 2017 – Bestandsflotte (DLR 2017) tisierten Fahren der Stufen 3 bis 5 veröffent- licht, die u. a. eine 15-stufige Sicherheitsbe- 7 DLR 2017 – Bestandsflotte (DLR 2017) wertung beinhaltet, sowie Empfehlungen für 8 DLR 2017 – Bestandsflotte (DLR 2017) die Handhabung der Thematik auf adminis- 9 DLR 2017 – Bestandsflotte (DLR 2017) trativer Seite – z. B. durch Regularien und 10 Altenburg et al. 2018 – City-Pilot, optimistisch (Altenburg, Kienzler & Auf der Maur 2018) Gesetzgebung zu Testfeldern und zur Geneh- migung autonomer Fahrzeuge [59]. Ein we- 11 Altenburg et al. 2018 – City-Pilot, optimistisch (Altenburg, Kienzler & Auf der Maur 2018) sentlicher Baustein der Richtlinie mit ver- 12 Altenburg et al. 2018 – City-Pilot, optimistisch (Altenburg, Kienzler & Auf der Maur 2018) kehrsplanerischem Bezug sind die Operatio- 13 Altenburg et al. 2018 – City-Pilot, pessimistisch (Altenburg, Kienzler & Auf der Maur 2018) nal Design Domains, d. h. abgegrenzte (geofenced) Regionen, in denen das Fahrzeug 14 Altenburg et al. 2018 – City-Pilot, pessimistisch (Altenburg, Kienzler & Auf der Maur 2018) autonom operieren kann. Ziele außerhalb 15 Altenburg et al. 2018 – City-Pilot, pessimistisch (Altenburg, Kienzler & Auf der Maur 2018) dieser Regionen werden nicht angefahren. 16 European Commission, 2018 (Europäische Kommission 2018) Eine Operational Design Domain kann auch nach Umweltfaktoren (Wetter, Tageszeit etc.) 17 Nieuwenhuijsen 2015: Expertenbefragung, Stufe 5 (Nieuwenhuijsen 2015) begrenzt werden – bisher kommt keins der 18 Nieuwenhuijsen, 2015: AV in bloom, konservativ (Nieuwenhuijsen 2015) autonomen Systeme mit schlechtem Wetter 19 Arbib et al. 2017: Fahrleistung USA (Arbib & Seba 2017) klar [60]. ODDs zählen in den Richtlinien der US-Bundesbehörde für Straßen- und Fahr- 20 Arbib et al. 2017: Anteil Flotte USA (Arbib & Seba 2017) zeugsicherheit (NHTSA) zu einem der wesent- 21 Viereckl et al./pwc – EU Stufe 4/5 (Viereckl, Krings, Weber, Seyfferth, lichen 12 Sicherheitselemente und werden Deppner & Bühnen 2018) dort durch die Straßenklassifikation, die 22 Viereckl et al./pwc – USA Stufe 4/5 (Viereckl, Krings, Weber, Seyfferth, geographische Ausdehnung, die Bandbreiten Deppner & Bühnen 2018) der Geschwindigkeit, die Umwelteinflüsse 23 Viereckl et al. / pwc – China Stufe 4/5 (Viereckl, Krings, Weber, Seyfferth, und andere Faktoren definiert [61]. Deppner & Bühnen 2018) Es liegt allerdings für die meisten Autorinnen Bild 2: Anteile hochautonomer Fahrzeuge an Neuzulassungen, Flotten und Modal Split bzw. Fahrleistung und Autoren auf der Hand, dass es die Politik nicht bei der Reglementierung von Pilotpro- jekten belassen kann. Isaac fordert bereits empfehlen konkret Straßennutzungsgebüh- H e n z e l m a n n et al. halten die Stärkung 2016, dass die Politik die Rahmensetzungen ren (Road Pricing), um eine Zunahme der des ÖPNV mit Letzte-Meile Angeboten in für die Steuerung möglicher Auswirkungen Fahrleistung zu vermeiden und den Einsatz Verbindung mit Lenkungsabgaben (City auf die Fahrleistung schaffen müsse – ein- geteilter autonomer Fahrzeuge zur Verbesse- Maut) für geeignet, um ein unkontrolliertes schließlich der Anpassung von Steuern, rung des Mobilitätsangebots ausgewählter Wachstum des motorisierten Individualver- Abgaben und Gebühren [14]. Z m u d et al. Bevölkerungsgruppen zu fördern [5]. Auch kehrs entsprechend seines „Anarchie“-Sze- Straßenverkehrstechnik 3.2019 171
Fachbeiträge | Verkehrsplanung | Autonomes Fahren – steuern oder überrollt werden? narios zu vermeiden [2]. Nicht zuletzt der der Ridesharing-Wege ersetzen in den Stoß- Albtraum- und einem Utopia-Szenario ab: wissenschaftliche Beirat beim BMVI fordert, zeiten verträglichere Verkehrsmittel [63]. Die Während sich ersteres durch einen unge- „den Kommunen die Möglichkeit [zu] geben, Hoffnungen auf Verkehrsreduktion und Ver- bremsten Anstieg an Leerfahrten privater die Nutzung öffentlicher Straßen abhängig kehrsflussverbesserung durch derartige autonomer Fahrzeuge auszeichnet, vollzieht vom Besetzungsgrad zu bepreisen.“ [62]. Dienste wurden überwiegend enttäuscht [67]. sich in letzterem eine deutliche Reduktion der Privatfahrzeuge infolge allgemeinen Ride- 5.2 Regularien für den Betrieb 5.3 Verwaltung und Carsharings [14]. Ähnliche Szenarien finden sich in zahlrei- Offensichtlich geht autonomes Fahren mit Auf Seite der Verwaltung sind Zuständig- chen (vor allem frühen) Publikationen (z. B. einer Menge elektronischer Datenverwaltung keiten zu klären, bzw. zu schaffen und mit [1, 68, 18, 2]). Bei einer quantitativen Be- und -verarbeitung einher. Das wirft nicht nur qualifiziertem Personal zu besetzen [14]. trachtung sind zahlreiche Faktoren zu bewer- kuriose Datenschutzrechtliche Fragen z. B. Zmud et al. stellen mögliche Auswirkungen ten und zu quantifizieren. Benannt werden hinsichtlich der Einwilligung minderjähriger des autonomen Fahrens auf unterschiedli- folgende Aspekte, die in makroskopischen Nutzer zur Erfassung personenbezogener chen Ebenen der Straßenbau- und Verkehrs- aggregierten 4-Stufen-Modellen abgebildet Daten auf [43]. Die Datenerfassung ist auch verwaltung dar und benennen z. B. verstärk- werden könnten: Flottenzusammensetzung, Teil der Geschäftsmodelle neuer Mobilitäts- ten Einkauf entsprechender IT-Services Fahrzeugbesitz, das Angebot an Carsharing- dienstleister (s. o.) und wäre gleichzeitig aufgrund mangelndem Fachpersonal in der bzw. autonomen Flottenfahrzeugen und de- Grundlage für die Steuerung der Entwicklung Verwaltung, veränderte Anforderungen an ren Geschäftsgebiete; die damit in Zusam- des autonomen Fahrens. Bereits heute wird den Straßenentwurf, verminderte Nachfrage menhang stehende Veränderung der Anteile gefordert, Ridesharing-Anbieter als Voraus- nach klassischem ÖPNV, unterschiedliche unterschiedlich mobiler bzw. verhaltensho- setzung zur Kooperation zum Teilen ihrer Auswirkungen hinsichtlich der Auslastung mogener Personengruppen; Anpassung der Daten zu zwingen [41]. G e h r k e et al. be- der Straßeninfrastruktur, verminderte Ein- Verkehrsmittelwahlmodelle durch Berück- dauern, dass die gegenwärtige Gesetzgebung nahmen durch sinkende Fahrzeugzahlen sichtigung neuer Modi; wachsende Kapazi- die privaten Ridesharing-Anbieter nicht dazu und Mineralölsteuereinnahmen und kürzere täten im Netz und sinkende Zeitwerte [14, 18, verpflichtet, ihre Daten mit den öffentlichen Halbwertszeiten von ITS-Investitionen [5]. 69, 70]. Für einige dieser Faktoren finden sich Einrichtungen zu teilen, die für die Instand- Dabei sollten es die Gebietskörperschaften Tendenzaussagen, die bei der Entwicklung haltung und Entwicklung der Infrastruktur im Interesse der Verkehrsteilnehmer und plausibler Szenarien hilfreich sein können. verantwortlich sind. Darüber hinaus ist die Steuerzahler vermeiden, sich mit einer flä- Datenbereitstellung Voraussetzung für die chendeckenden ITS-Infrastruktur in eine Hinsichtlich der Motorisierung erwarten Verfolgung gesellschaftlicher und umweltpo- Abhängigkeit von entsprechenden Dienst- viele Autoren eine Reduktion infolge der litischer Ziele in der Planung [63]. Umso mehr leistern zu begeben. Ausbreitung von Ridesharing-Angeboten [31, ist mit Hinblick auf autonome Fahrzeuge auf 4]. Die verminderte Motorisierung hätte ver- Gleichzeitig sind autonome Fahrzeuge in der nationaler Ebene auf die Freigabe der Daten änderte Anteile verhaltenshomogener Perso- strategischen Stadtplanung zu berücksichti- hinzuwirken, um diese in der Planung be- nengruppen zur Folge. F e i g o n et al. beob- gen – z. B. indem ihre Wirkung auf bestehen- rücksichtigen zu können [14], unabhängig achten in den USA, dass eine häufigere de stadt- und regional-planerische Ziele be- davon, dass dies aus haftungsrechtlichen Nutzung von geteilten Verkehrsmitteln mit wertet wird. Dabei kann der Kontakt zu Inte- Gründen notwendig sein könnte [64]. geringerem Autobesitz und stärkerer Nutzung ressenvertretern und Akteuren des autono- des ÖPNV bei insgesamt geringeren Ausga- Die Bedeutung einer daten- und auslastungs- men Fahrens helfen, um angemessene poli- ben für Verkehr einhergehen [71]. Angesichts basierten Steuerung autonomer Fahrzeuge tische und planerische Rahmensetzungen jüngerer Beobachtungen ist jedoch nicht wird nicht mehr nur durch Prognoseszenari- einzuleiten. Testanwendungen im halböffent- davon auszugehen, dass geteilte Verkehrsmit- en begründet wie z. B. die des DLR, dass lichen Bereich stellen einen sinnvollen Auf- tel in jedem Fall den Umweltverbund stärken Parkgebühren unter Umständen durch leeres hänger für derartige Kooperationen dar. [72]. Was die Zusammensetzung der motori- Herumfahren vermieden werden [18] oder die Aufseiten der Verkehrsplanung können auf sierten Fahrzeuge selber angeht, geben M i - Prognosen von R o d i e r et al., die alle mehr Grundlage geeigneter Verkehrsnachfragemo- l a k i s et al. Anteile autonomer Fahrzeuge oder weniger starke Verluste für den Umwelt- delle die Anforderungen an die Straßenin- am Kfz-Bestand für 2030 mit 1 bis 11 % und verbund und wachsende Fahrleistung zeigen frastruktur untersucht und ggf. gesteuert für 2050 mit 7 bis 61 % an. – mit Ausnahme des Szenarios mit Straßen- werden. Eine zentrale Aufgabe besteht dabei nutzungsgebühren [65]. Einen kurzfristigen in der offensiven Integration der Last-Mile- Bei der Fahrtzielwahl gehen die meisten Ausblick erlauben die Erfahrungen mit Ri- Lösungen in das öffentliche Verkehrsangebot Autoren davon aus, dass längere Distanzen desharing-Diensten in den USA: Diese haben [14]. günstiger, schneller und bequemer zurückge- in San Francisco durch die Substitution von legt werden können und dass die Summe der Fahrten im Umweltverbund, Leerfahrten und 5.4 Zukünftige Verkehrsprognosen gefahrenen Strecken zunimmt [18, 50, 73, Haltevorgänge am Straßenrand zu etwa der 74]. Milakis et al. erwarten für den Zeitwert Hälfte der wachsenden Verkehrsleistung, In Anbetracht der vielfältigen Auswirkungen, (Value of Time, VOT) einen Rückgang zwi- Verlustzeiten und Geschwindigkeitsreduktion die von der Ausbreitung autonomer Fahrzeu- schen 1 und 18 % bis 2030, und zwischen 2 zwischen 2010 und 2016 beigetragen [66]. Im ge erwartet werden, verwundert die Band- und 31 % bis 2050, sowie eine Zunahme der Raum Boston nährt sich der Anteil der Ri- breite nicht, die die gängigen Szenarien zur Fahrleistung um bis zu 3 % bzw. 27 % [30]. desharing-Dienste zu über der Hälfte aus dem Verkehrsentwicklung abdecken: Isaac z. B. Rodier et al. gehen bei ihrer Mikrosimulation Umweltverbund (Fuß, Rad, ÖPNV); ca. 15 % steckt bereits 2016 das Spektrum mit einem der Verkehrsnachfrage in der San Francisco 172 Straßenverkehrstechnik 3.2019
Autonomes Fahren – steuern oder überrollt werden? | Verkehrsplanung | Fachbeiträge Bay Area davon aus, dass die Bewertung der andererseits die vorrangigen Wegezwecke Hamburger Anbieter IOKI nutzt vordefinier- Fahrzeit im Sinne generalisierter Kosten um bzw. -ziele, bei denen Sharing-Systeme ge- te Haltepunkte in einem maximalen Abstand 25 % und die Betriebskosten um 20 % zu- nutzt werden: Stadtzentren, Flughäfen, Be- von 200 m voneinander zum Aufnehmen rückgehen [65]. Kapazitätsgewinne werden reiche mit kundenorientierten Dienstleistun- und Absetzen der Fahrgäste [79], Aptiv und in Abhängigkeit von Örtlichkeit und Durch- gen (Freizeit, Gastronomie) [41]. Lyft hatten in Las Vegas Ende 2018 insge- dringungsrate autonomer Fahrzeuge bei 20 samt 1.600 Ein- und Ausstiegspunkte [80]. Die Bewertung und der Anteil dieser Ver- bis 25 % gesehen [73, 30]. Allerdings gehen Barthelmes et al. halten eine gut lesbare kehrssysteme bei Betrachtung der Verkehrs- nicht alle Studien davon aus, dass autonome physische Infrastruktur für notwendig, je- mittelwahl auf einzelnen Wegen einerseits Fahrzeuge die Kapazität der Straßeninfra- doch keine zusätzliche intelligente Infra- und in Wegeketten andererseits lassen sich struktur erhöhen: Eine Fallstudie für die struktur [31]. B e r n h a r t et al. sehen vor mit konventionellen Prognosemethoden ab- Ringstraße von Antwerpen zeigte sinkende allem im ländlichen Raum Bedarf, den schätzen. Dabei kann die Betrachtung der Durchschnittsgeschwindigkeiten infolge zu- Straßenzustand den Anforderungen des Konkurrenzsituation konventioneller und nehmender Anteile autonomer Fahrzeuge, da autonomen Fahrens anzupassen [21]. Darü- autonomer Verkehrssysteme unter Berück- autonome Fahrzeuge im verwendeten Modell ber hinaus gibt es unter Berücksichtigung sichtigung der jeweiligen Nutzer und Wege- weniger stark beschleunigen und bremsen von gemischtem Verkehr autonomer und zwecke helfen, eine plausible Entwicklung und unter keinen Umständen Risiken einge- konventioneller Fahrzeuge wenige konkrete einzukreisen. Bei der Verkehrsmittelwahl hen dürfen. Die Wirkung vernetzter Fahrzeu- Forderungen zur Anpassung des Straßen- schlagen sie explizit Entscheidungsbäume ge war hingegen positiv, insbesondere bei raums – auf Quartiersebene könnten aller- vor [77], deren Implementierung z. B. über höheren Anteilen in der Flottenzusammen- dings die schwächeren, nichtmotorisierten Nested-Logit-Modelle in der deutschen Pla- setzung [75]. Langfristig wird mit zunehmen- Verkehrsteilnehmer eine dominierende Rol- nungspraxis noch nicht weit verbreitet ist. den Fahrtdistanzen auch Zersiedelung be- le erlangen [81]. F r i e d r i c h et al. stellen makroskopische fürchtet [5]. Werkzeuge für die Berücksichtigung autono- Im Modal Split sind mit dem Markteintritt mer Fahrzeuge in Visum und Vissim vor [78]; 6 Fazit von Ridesharing-Diensten, autonomen Flot- die Verkehrsmittelwahl ist hier allerdings ten- und Privatfahrzeugen mehrere neue manuell vorzugeben, sodass an dieser Stelle Verkehrssysteme zu berücksichtigen, die sich mit Plausibilitätsüberlegungen und Szenarien Grundsätzlich sollte der Vorgeschmack, den in einem fließenden Übergang zwischen IV gearbeitet werden muss. Ein interessantes Ridesharing-Dienste vom Potenzial autono- und ÖV bewegen. Für die Verkehrsmittelwahl Detail dieses Werkzeugkastens ist die Kenn- men Fahrens vermitteln, Anlass genug sein, werden widerstrebende Effekte diskutiert, die zeichnung von für autonome Fahrzeuge das Thema im Auge zu behalten: Der Modal in Unkenntnis der rechtlichen Rahmenbedin- zulässigen Strecken, mit denen sich die Aus- Split-Anteil von Ridesharing-Diensten liegt gungen und Kosten autonomer Verkehrssys- wirkungen von Pilotprojekten oder unter- z. B. im Großraum Boston je nach Herkunfts- teme nur schwer gegeneinander abgewogen schiedlichen Operational Design Domains und Zielgebiet bereits heute zwischen 0,4 und werden können. Z. B. erwartet der VDV ei- untersuchen lassen. Eine völlig neue Heraus- 3,9 % [72]. Eine Reduktion der Betriebskosten nerseits, dass autonome Fahrzeuge Pkw zu forderung besteht jedoch in der Prognose und Fahrpreise dieser Dienste durch die Au- Lasten des ÖV attraktiver machen [1], ande- autonomer Fahrzeugbewegungen – um z. B. tomatisierung verheißt wenig Gutes. Bei- rerseits können sie als Teil des ÖPNV und zu den Besitzer an Ort A abzusetzen und an Ort spielsweise könnten Bürostandorte, die ge- dessen Ausbau eingesetzt werden. Die B wieder aufzunehmen. genwärtig mangels Parkplätzen nur im Um- Schweizerischen Bundesbahnen haben 2016 weltverbund erreichbar sind, zukünftig mit ein entsprechendes Konzept präsentiert, bei 5.5 Straßenraum Privat-Pkw erreicht werden. Ein besonderes denen die Schließung von schwach ausgelas- Problem stellen bei solchen Szenarien Leer- teten Bahnhöfen zur Beschleunigung des Über die Auswirkungen autonomen Fahrens fahrten autonomer Fahrzeuge dar: im Ext- SPNV in der Flächenerschließung durch au- auf den Straßenraum und dessen Aufteilung remfall könnte nach der morgendlichen tonom angediente Mobilitätshubs überkom- und Ausstattung wurde schon frühzeitig Zielverkehrsspitze in Innenstadtlagen und pensiert wird [76]. B e r n h a r t et al. sehen spekuliert, Isaac z. B. zählt hinsichtlich der Gewerbegebieten eine Quellverkehrsspitze Potenzial, durch die Einführung autonomer Anpassung der Infrastruktur 8 Beispiele auf, entstehen durch autonome Privatfahrzeuge, Fahrzeuge im ÖV den Teufelskreis ländlicher zu denen reduzierte Fahrstreifenbreiten, die einen günstigen Parkplatz suchen. Der Verödung und schlechterer Erschließung elektronische Fahrbahnmarkierungen, ver- Effekt, dass Fahrzeiten als weniger belastend auszuhebeln [21]. Allerdings könnten auto- änderte Geschwindigkeitsbeschränkungen wahrgenommen werden, könnte für die nome Shuttlefahrzeuge den bestehenden und eine Reduktion von Parkplätzen zu- Siedlungsentwicklung schwerwiegende Kon- SPNV kannibalisieren [31], mit fragwürdigen gunsten von Ein- und Ausstiegshaltestellen sequenzen haben: Steht uns eine neue Sub- langfristigen Auswirkungen auf Erschlie- zählen [14]. Ein- und Ausstiegsstellen bzw. urbanisierungswelle bislang nie gekannter ßungsqualität und Verkehrsleistung. Verwen- entsprechende Haltebuchten wären in Ge- geographischer Ausmaße bevor, wenn die als det man bestehende Car- und Ridesharing- bieten mit Ridesharing-Angeboten bereits akzeptabel empfundenen Pendelzeit drama- Angebote als Indikator für die zukünftige heute sinnvoll [41] und sollten grundsätzlich tisch ansteigt? Dieser Effekt könnte zwar Nutzung autonomer Systeme, so sind einer- in der Planung des Straßenraums in Berei- Druck von den Wohnungsmärkten der Kern- seits die Hauptbeweggründe für die Nutzung chen mit viel Hol- und Bringverkehr berück- städte nehmen, die verkehrlichen Konsequen- anstelle des ÖPNV zu beachten – Fahrt- und sichtigt werden – z. B. bei Verkehrsknoten zen wären aber kaum absehbar. Wartezeiten [41], ferner Zuverlässigkeit und wie Bahnhöfen und Flughäfen, aber auch Das Potenzial, das autonomes Fahren, und Verfügbarkeit (regional, tageszeitlich) – und Bildungs- und Freizeiteinrichtungen. Der dessen Regulierung, in positiver wie negati- Straßenverkehrstechnik 3.2019 173
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