PRESS REVIEW Wednesday, June 2, 2021 - Daniel Barenboim Stiftung Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal

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PRESS REVIEW Wednesday, June 2, 2021 - Daniel Barenboim Stiftung Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal
PRESS REVIEW

         Daniel Barenboim Stiftung
Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal

        Wednesday, June 2, 2021
PRESS REVIEW Wednesday, June 2, 2021 - Daniel Barenboim Stiftung Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal
PRESS REVIEW                                                     Wednesday, June 2, 2021

Jazz Thetik, PBS
„Love Longing Loss” At Home with Charles Lloyd During a Year of the Plague

ARD-Mediathek, DIVAN, DB
Thadeusz und die Künstler: Interview mit Michael Barenboim

Die Zeit, BSA
Johannes Brahms, endlich befreit vom Klischee des Klangschwülstlings – der Pianist András Schiff hat
die Klavierkonzerte neu eingespielt

Berliner Zeitung, DB
Dichtes Programm der Elbphilharmonie

Berliner Zeitung
Senat beschließt Lockerungen

Berliner Morgenpost
„Die 12 Cellisten“ der Philharmoniker spielen am Freitag im Gedenkkonzert für Wolfgang Boettcher

Der Tagesspiegel
Staatsoper zeigt Puccini im Autokino

Süddeutsche Zeitung
Sechs Nachfolger von Johann Sebastian Bach antworten mit eigenen Stücken auf die
Brandenburgischen Konzerte

The New York Times
Bach’s Cello Suites, Now on Violin, With a Folksy Feel. Johnny Gandelsman set out to transform a
towering classic
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Berliner Zeitung
Sommerliche Berlinale

Süddeutsche Zeitung
Birgit Minichmayr singt eigenwillig und schön jazzig arrangierte Sonette von Shakespeare

Frankfurter Allgemeine Zeitung
Der Jazzpianistin Irène Schweizer zum Achtzigsten
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6/2/2021                                               Binge-Jazz 04 - JAZZTHETIK

              Binge-Jazz, Folge 4 (Juni 2021)

              Was schauen, was lassen? Jazz- und Serienjunkie Tony Alto fischt Schätze,
              Schmankerl und Sonderbares aus dem großen Stream.

              Ich weiß jetzt übrigens, was ich sein will, wenn ich groß bin: Charles Lloyd. Zu
              diesem Schluss kam ich, als ich mir den Film „Love Longing Loss - At Horne
              with Charles Lloyd During a Year of the Plague" anschaute. Diese
              vollkommene innere R uhe, gepaart mit Wachheit und Ehrlichkeit (,,Ich bin von
              Natur aus faul und grübele viel, bevor etwas herauskommt"), diese kindliche
              Freude in den Augen, wenn er beim Schattenspiel im Schlafzimmer Quatsch
              macht - beneidenswert! Gedreht wurde „Love Longing Loss" von Lloyds Ehefrau
              Dorothy Darr, die auch schon die viel gepriesene Saxofonisten-Vita „Charles Lloyd:
              Arrows lnto lnfinity" (als Stream auf iTunes) verantwortet hat. Im Auftrag des
              Berliner Pierre­Boulez-Saals, in dem der Gatte im Dezember

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            2020 eigentlich hätte auftreten sollen, begleitete sie den Musiker für eine einstündige
            Mischung aus Dokumentation und künstlerischer Meditation während des Lockdowns
            im kalifornischen Eigenheim mit der Kamera. Man sieht und hört Charles Lloyd
            sinnieren und musizieren, gewandet im Morgenmantel oder in praktischer
            Funktionskleidung. Mal sitzt er am Wohnzimmer-Klavier, an der Wand gerahmte
            Fotografien mit Michel Petrucciani oder Billy Higgins als gute Hausgeister, mal steht
            er im Flur mit seinem Tenorsaxofon, mal vor einer Leinwand mit Rasseln oder
            Tarogato. ,,Ich spüre eine leere", beschreibt der Weise aus den Hügeln von Santa
            Barbara den eigentümlichen Seelenzustand während der Corona-Abschottung, ,,aber
            sie ist gleichzeitig immer erfüllt von Sphärenmusik." Er lässt die Zuschauer teilhaben
            an diesen inneren Klängen; dabei ringt und tanzt er beständig mit der Vergangenheit.
            Am eindrücklichsten geschieht das, wenn der inzwischen 83-Jährige mit seinem
            Quartett „Lift Every Voice and Sing" interpretiert und Darr dazu einen historischen
            Bilderreigen von der Sklaverei bis zu George Floyd montiert. Besonders rührt, dass
            Lloyd auf einen Ton der Anklage verzichtet und stattdessen stets mit Sanftmut agiert.
            Wie er spielt, so spricht er auch. So klar, organisch und archaisch wie das Wasser,
            das als visuelles Leitmotiv in „Love Longing Loss" fungiert. ,,Das habe ich mein
            ganzes Leben getan. Ich schwimme davon. Mit meinen Geschichten und meinen
            Vorfahren", erzählt Charles Lloyd. Bis 11. Juni ist der Film auf der Seite des Pierre­
            Boulez-Saals zu sehen
            (httRs://boulezsaal.de/charles-lloY.d-love-longing: loss).

            Nun zu etwas komplett anderem. Schon gewusst, dass Chet Baker 1960 für den
            späteren Zombiefilm-Spezialisten Lucio Fulci gemeinsam mit dem jungen Adriano
            Celentano vor der Kamera stand (beziehungsweise in der Badewanne lag)? Oder
            dass Miles' Trompetenspiel bei der „Birth of the Cool"-Session im französischen
            Erotikdrama„Lolita 90" mit einem Staubsauger verglichen wird, von dessen Geröchele
            man Kopfschmerzen bekommt? Nein? Dann sollte man sich unbedingt die Reihe
            „Jazz im Film" im Online-Auftritt von Arte anschauen. Der französische Filmkenner
            Thierry Jousse, unter anderem ehemaliger Chefredakteur der ehrwürdigen
            „Cahiers du Cinema", zeigt dort in 12-minütigen Kompilationen, welche Spuren
            Größen wie Louis Armstrong, Chet Baker oder Miles Davis auf der Leinwand
            hinterlassen haben.

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             Im Falle von Satchmo spannt Jousse, der die mitunter sehr persönliche Auswahl der
             Filmszenen aus dem Off kommentiert, den Bogen von Armstrongs Auftritt in der
             Komödie „Künstlerball" von 1937 bis hin zu dem effektvollen Einsatz seiner Songs in
             diversen Kinowerken. Vor allem Satchmos „Wonderful World" wurde und wird gerne als
             heftiges Kontrastmittel eingesetzt, so etwa in „Good Morning, Vietnam" als
             Hintergrundmusik für Bombardements und Exekutionen
             (httRs://www.arte.tv/de/videos/100210-017-
             A/blow-uP-:-jazz-im-film-louis-armstrongl). Im Falle von Chet Baker
             (httRs://www.arte.tv/de/videos/100210-019-
             A/blow-uP-:-jazz-im-film-chet-baker/) erinnert Jousse daran, dass der gefallene
             Trompeten-Engel nicht nur für zahlreiche italienische und französische Produktionen
             seelenvoll in sein Horn blies, sondern auch die Musik für eine James-Dean-
             Dokumentation beisteuerte (der
             „James Dean des Jazz" war dafür natürlich keine gänzlich abwegige Wahl). Es brummt
             einem angesichts der Vielzahl der in schnellem Tempo vorgebrachten Film-Zitate zwar
             irgendwann staubsaugermäßig der Schädel, dennoch sollte man Jousse für seine
             Fleißarbeit danken: Sei es, weil man daran erinnert wird, sich endlich mal „Dingo"
             anzuschauen, in dem ein freundlich aus seinen massiven Schulterpolstern
             herauskrächzender Miles Davis seinen letzten Filmauftritt hatte
             (httRs://www.arte.tv/de/videos/100210-026-
             A/blow-uP-:-jazz-im-film-miles-davis/). Oder weil man bei der nächsten Cocktailparty
             zungenschnalzend bescheidwisserisch von der Erotik der Trompetentöne schwärmen
             kann, die Chet Baker zu den Werken Jose Benazerafs, des französischen Antonioni,
             beisteuerte.
             Wo wir schon bei unbedingt überlebenswichtigem, sonst aber völlig überflüssigem Detail-
             Wissen sind: Vor 25 Jahren erschien „High Fidelity" auf Deutsch, jenes Buch, mit dem
             Nick Hornby den Musik­
                                  Nerd zum neuen Helden der Mainstream-Kultur werden ließ. Und
             dann ging es los: Alles musste plötzlich Pop sein, die Literatur, die Kunst, sogar der Jazz.
             Oh, was für herrlich unbeschwerte Zeiten waren das damals; wie ernst, dünnhäutig und
             unverspielt doof ist dagegen doch die Gegenwart! So etwas in der Art könnte man jetzt
             asthmatisch seufzen wie ein alter weißer Mann. Wenn es da nicht eine Serie wie „High
             Fidelity" gäbe, die auf Hornbys Bestseller basiert, und zeigt, dass das heute noch geht:
             Gleichzeitig woke und nostalgisch, dem Zeitgeist verpflichtet und dennoch selbstironisch
             zu sein. Die von Veronica West und Sarah Kucserka für Hulu entwickelte Serien-
             Adaption (im Programm von Starzplay) nimmt sich gewisse Freiheiten gegenüber dem
             Original heraus: So ist der Plattenladen des Protagonisten Rob nicht mehr in London,
             sondern in New York beheimatet; die Kundschaft muss nicht mehr nur wegen ihres
             fragwürdigen Musikgeschmacks

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             zurechtgewiesen werden, sondern auch, weil sie blöde Selfies macht. Und, ach so,
             Rob ist kein Mann mehr, sondern eine Frau. Gespielt wird sie von Zoe Kravitz, was
             auch deshalb eine elegante Verbeugung vor der Vergangenheit ist, weil ihre Mutter Lisa
             Bonet im Jahr 2000 in der Kino-Version von „High Fidelity" mitwirkte. Das alles
             funktioniert erstaunlich gut - die Selbstzerknirschtheit, mit der Kravitz in auf halb acht
             hängenden Slacker-Klamotten über ihr bisexuelles Liebesleben und ihre Top-5-Listen
             referiert (wobei auch plötzlich mal die leibhaftige Debbie Harry durchs Bild tanzen
             kann), der Raum, der ihrem schwulen Ex-Freund und Plattenladen-Mitarbeiter Simon
             eingeräumt wird. Warum das nicht wie eine mühsame Modernisierung wirkt? Weil
             Liebeskummer Liebeskummer bleibt, ob analog oder digital, straight oder allo- , sapio-
             bzw. pansexuell. Außerdem wäre da noch die verbindende Kraft des Vinyls. Ich
             empfehle Folge 5, in der sich Rob - unterlegt von Sonny Rollins' ,,Moving Out" -
             weigert, eine unfasslich erlesene Plattensammlung für einen Witzpreis von 20 Dollar
             aufzukaufen. Der Besitzer, dessen Ex-Gattin sich mit dem Verscherbel-Verkauf an ihm
             rächen will, mag zwar ein frauenverachtendes Arschloch sein. Aber die Musik rettete
             ihm das Leben. Genauso, wie es bei Rob der Fall war. Und sowieso bei allen, die Musik
             lieben. Wir irren Nerds und Nerdinnen müssen zusammenhalten!

              Wo wir gerade bei Nick Hornby sind: In der von Stephen Frears inszenierten Mini-Serie
              „State of the Union" (abrufbar in der ARD-Mediathek unter:
              httP-s://www.ardmediathek.de/sendung/state-of­
              the-union/staffel-
              1 /Y3JP-ZDovL2Rhc2Vy'.c3RILmRIL3N0YXRILW9mLXRoZS11 bmlvbg/1 /), die auf
              Hornbys Stück „Keiner hat gesagt, dass du ausziehen sollst: Eine Ehe in zehn
              Sitzungen" basiert, ist der Jazz eine interessante Chiffre für Versagen und Impotenz.
              Das legt zumindest die Folge 7, ,,Call the Midwife", nahe, in der ein aufschlussreicher
              Grund für die Eheprobleme der beiden Protagonisten (gespielt von Rosamunde Pike
              und Chris O'Dowd) erwähnt wird: Der Gatte bekommt es seit Jahren einfach nicht hin,
              eine Biographie über Horace Silver zu schreiben. Er müsse dafür erst die
              Kapverdischen Inseln besuchen, weil Silvers Vater von dort stammte, ist seine
              Ausflucht. Um dann festzustellen: Die Reise dorthin wäre bei Weitem teurer als das,
              was er an dem Buch verdienen würde. Weil nämlich niemand mehr Musikjournalisten
              brauche, eine Profession, die ungefähr so zukunftsträchtig wie die Arbeit als Bergmann
              sei. Traurig. Aber genug gejammert. Ich muss jetzt wieder unter Tage.

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2.6.2021                                                Thadeusz und die Künstler* | ARD-Mediathek

                                                               

    08:50 /1:29:28

  Thadeusz und die Künstler*
  01.06.2021 ∙ THADEUSZ und die Künstler* ∙ rbb Fernsehen

  Jörg Thadeusz und der rbb geben Kreativen aus Berlin und Brandenburg eine Bühne - in der neuen
  Ausgabe von "Thadeusz und die Künstler".

  Bild: rbb/Räuberleiter

   Sender

   Video verfügbar:                             bis 01.06.2022 ∙ 23:59 Uhr

https://www.ardmediathek.de/video/thadeusz-und-die-kuenstler/thadeusz-und-die-kuenstler/rbb-fernsehen/Y3JpZDovL3JiYi1vbmxpbmUuZGUvd…   1/2
2.6.2021                                              https://epaper.zeit.de/webreader-v3/index.html#/941473/51
        Feuilleton · Christine Lemke-Matwey                                                                        Lesezeit: 6 Min.

        Musik aus der Stille
        Johannes Brahms, endlich befreit vom Klischee des Klangschwülstlings – der Pianist An-
        drás Schiff hat die Klavierkonzerte neu eingespielt VON CHRISTINE LEMKE-MATWEY

        Die beiden Klavierkonzerte von Johannes Brahms ohne Dirigent zu spielen klingt nach
        Revolte. Revolte gegen die Tradition und gegen die Person, die mit einem Taktstock in der
        Hand auf einer Kiste steht und sagt, wo es musikalisch langgeht. Revolte auch gegen alle
        »Lieben Sie Brahms?«-Klischees, die den deutschen Spätromantiker als Klangschwülst-
        ling ausweisen, als Bildungsbürger mit Bart und dickem Bauch, der ebensolche Musik
        schreibt. Und Revolte vor allem gegen die Erwartungen des Publikums und der Veran-
        stalter, die im Kreislauf ewigen Erfülltwerdenwollens gefangen sind. Im Falle der
        Brahms-Konzerte lauten diese: großes Symphonieorchester, großer Konzertflügel (gerne
        aus dem Hause Steinway) und dazu ein sogenannter Star-Pianist oder eine Star-Pianistin
        und ein Dirigent mit fliegenden Frackschößen, im Habitus eines Dompteurs.

        DIE ZEIT: Warum haben Sie die Brahms-Konzerte ohne Dirigent aufgenommen?

        András Schiff: Weil Brahms kein korpulenter Komponist ist.

        Wir sitzen in der Velvet Lounge des Berliner Hotel de Rome und schauen auf den Bebel-
        platz. András Schiff ist in Berlin, weil er an der Barenboim-Said Akademie unterrichtet, er
        spricht leise und bedächtig, feiner ungarischer Akzent, elaborierte Wortwahl. In ihrer
        Einspielung der Konzerte brechen Schiff und das Orchestra of the Age of Enlightenment
        mit vielen Erwartungen. Den Part des Dirigenten übernimmt der Pianist dabei vom Kla-
        vier aus mit: Mal steht er und dirigiert, mal sitzt er und spielt. Das Modell hat er bei Mo-
        zart und Beethoven erprobt, der Rollenwechsel bereite ihm keinerlei Probleme, sagt er.
        Doch ehe man nun ins Philosophieren gerät über das romantische Subjekt und die Auto-
        nomie des Solisten, könnte diese Brahms-Lesart auch etwas anderes, frappierend Zeit-
        geistiges bedeuten: dass nicht nur das olympische »Schneller, höher, stärker« in der Mu-
        sik mit der Corona-Krise endgültig vorbei sein dürfte, sondern auch die Zeit der Titanen.
        Alle Macht dem Dialog, alle Kraft der Basis? Das könnte ungemütlich werden, schließlich
        lebt es sich im Windschatten exzentrischer Persönlichkeiten nicht so schlecht. Wenn sie
        verschwinden, fühlen sich die Zurückbleibenden oft wie im Schluss-Sextett von Mozarts

https://epaper.zeit.de/webreader-v3/index.html#/941473/51                                                                              1/4
2.6.2021                                              https://epaper.zeit.de/webreader-v3/index.html#/941473/51

        Don Giovanni (nach der Höllenfahrt des Titelhelden): reichlich wackelig an der frischen
        Luft.

        ZEIT: Wie haben Sie die Corona-Zeit erlebt?

        Schiff: Ich habe gelitten wie ein Hund.

        ZEIT: Wird sich vieles verändern?

        Schiff: So wie es war, wird es nicht wieder werden. Wir müssen nachdenken. Die Orches-
        ter, fürchte ich, werden aussterben wie die Dinosaurier. Sie brauchen sehr viel Geld, und
        die Politik wird fragen: Wie können wir uns das leisten? Das besorgt mich, besonders für
        die Jungen.

        Sir András Schiff ist, wenn überhaupt, ein stiller Exzentriker und Revolutionär. Lieber
        setzt er auf Hartnäckigkeit als auf den lauten Knall und auf Aplomb. Schiffs Spiel ist et-
        was für feine Ohren, und wer damit Mühe hat, könnte auf die Idee kommen, der gebürti-
        ge Ungar finde aus seinem schürfenden Melancholiker-Modus nicht immer erfolgreich
        zurück an die Weltoberfläche der Musik und des Musikmachens. Bei Bach kann das vor-
        kommen, wenn trotz aller kristallinen Leichtigkeit der Schiffschen Interpretation gele-
        gentlich der Unterleib fehlt; bei Beethoven ist das manchmal so, wenn Schiff noch die
        wildesten kompositorischen Entgrenzungen mit gespitztem Mund serviert. Seltsam, dass
        er zu den französischen Impressionisten bislang so eine Distanz hält.

        Im Gespräch streifen wir den Nahostkonflikt und den Antisemitismus (»In Deutschland
        gibt es eine Mehrheit der Anständigkeit, das freut mich«). Schiff äußert sich nicht nur po-
        litisch, sondern nimmt auch persönliche Konsequenzen in Kauf, das schützt seine Inter-
        ventionen davor, wohlfeil zu wirken: Von seiner ungarischen Heimat hält er sich fern, so-
        lange die Fidesz-Partei regiert (»Viktor Orbán ist böse, er ist kein Vollidiot wie Trump«),
        und die österreichische FPÖ kritisierte er schon zu Haiders Zeiten. Seither hätten die
        Wiener Philharmoniker ihn nie wieder eingeladen, erzählt er, und man weiß nicht, ob er
        das schmunzelnd sagt oder mit einem Anflug von Bitterkeit.

        Mit den Wiener oder den Berliner Philharmonikern jedenfalls hätte er bei Brahms nie-
        mals ohne Dirigent gearbeitet. Das gebietet neben der Besetzungsstärke auch die Wahl
        des Flügels. Zwar kann ein Symphonieorchester selbst einem Steinway D-274 (dem Lu-

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        xusliner unter den Konzertflügeln) noch mühelos das Maul stopfen, bei einem histori-
        schen Blüthner aber, wie Schiff ihn spielt, wäre diese Konstellation obszön – es sei denn,
        man hätte deutlich mehr Zeit, um an der Flexibilität und Transparenz des orchestralen
        Auftritts zu arbeiten. Dabei geht es um Fragen der Haltung, nicht um solche der Profes-
        sionalität. Natürlich können moderne Spitzenorchester auf Zuruf fast alles herstellen;
        doch täten sie es aus Überzeugung? Wären sie bereit, die Brahms-Konzerte »vom Ballast
        der Vergangenheit« zu befreien, wie Schiff im CD-Booklet schreibt, und damit ein Stück
        weit auch von sich selbst? Und wären sie willens und imstande, sich auf den etwas knor-
        rig anmutenden, doch keineswegs unerotischen Blüthner-Ton einzulassen? Das finge
        dann beim Kammerton A an.

        ZEIT: Warum wird die moderne Orchesterstimmung immer höher? In Wien liegt der
        Kammerton mittlerweile bei 445 Hertz, in der Bach-Zeit arbeitete man mit 415 Hertz, Sie
        gehen bei Brahms jetzt auf 435 Hertz zurück.

        Schiff: Es heißt, das komme von Karajan, alles kommt angeblich von Karajan ... Unsere
        Konzertsäle sind kolossal groß, unser Leben wird immer angespannter und nervöser, und
        man glaubt, die höhere Stimmung verspreche mehr Brillanz. Das Gegenteil ist der Fall: Je
        höher die Töne, desto obertonärmer sind sie!

        Nun kann man Schiffs Recherche-Funde loben und die Unbestechlichkeit seines Brahms-
        Spiels preisen, das Nachhorchen zu Beginn des langsamen Satzes im d-Moll-Konzert et-
        wa, diese zart-vollgriffige Selbstbefragung – um, unbeobachtet, doch wieder zum alten
        Rubinstein zu greifen (1973 mit dem Concertgebouw Orchestra unter Bernard Haitink),
        zum jungen Barenboim mit John Barbirolli oder zu Hélène Grimaud und Andris Nelsons
        2012. Das vergleichende Hören mag das Salz in jeder Suppe sein, und nicht selten werden
        die Abweichler von der Konvention bloß als Ohrenputzer für deren Hüter benutzt. Im
        Sinne von: Danke, Sir András, für das dezidierte Maestoso im Kopfsatz des d-Moll-Kon-
        zerts (viele nehmen das Tempo hier elefantöser und hysterischer!), für Ihren dosierten
        Einsatz von Vibrato und Pedal und für die stilistische Unterscheidung zwischen dem jun-
        gen Brahms und dem älteren – jetzt wissen wir, was wir an Nelsons, Barbirolli und Hait-
        ink haben.

        Dass András Schiff und das Orchestra of the Age of Enlightenment sich zum restaurati-
        ven Abgleich nur bedingt eignen, hat damit zu tun, wie sie aus der historisch informier-
        ten Aufführungspraxis heraus Brahms neu denken. Zunächst, klar, vom Blüthner-Flügel
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        her und im Wissen, dass ein vom Komponisten geschätztes Orchester wie die Meininger
        Hofkapelle aus kaum 50 Musikern bestand. Das OAE ist ein Projektorchester, gewohnt, in
        wechselnden Besetzungen und mit unterschiedlichem Instrumentarium zu spielen. Doch
        das »Entschlackte« ist es nicht allein, ein abgespeckter Brahms könnte leicht wie auf
        Zahnstochern musiziert klingen. Das tut er hier nicht. Ein helles, apollinisches Licht
        durchzieht beide Konzerte, allzeit vital ist dieser Brahms, der 26-jährige wie der 48-jähri-
        ge, und, ja, schlank, beredt, eminent klug, nicht ohne die bärbeißigen Facetten seines
        Charakters zu verhehlen, die schumannesken und die à la Chopin, die weitsichtigen, die
        feurigen und die sentimentalen.

        Wer Ohren hat für die raue Klangsinnlichkeit dieser Aufnahme, für den entzündlich-
        hochromantischen Gestus des früheren Konzerts und den Fortschrittsgeist des späteren,
        begreift, was András Schiff meint, wenn er von Ballastabwerfen spricht: die Musik selbst
        und gleichzeitig viel mehr als sie. Ihre Stellung in der Welt, die Verkrustung des Betriebs,
        unseren Zukunftswillen. An vielem stößt sich der Ungar schon lange: am Zwang zur Pro-
        grammankündigung zwei, drei Jahre im Voraus, an der rituellen Konzertpause – und am
        Einstimmen des Orchesters.

        ZEIT: Warum stört Sie das? Dient es nicht auch dazu, das Publikum einzustimmen?

        Schiff: Der Konzertmeister betritt das Podium, die Oboe gibt ein A – und es erhebt sich ei-
        ne Geräuschkulisse wie am Hauptbahnhof! Warum wird nicht hinter der Bühne ge-
        stimmt? Das kann mir niemand erklären. Musik beginnt in der Stille, nicht im Lärm.

        In einer Stille, die Raum lässt. Für Fragen, für Veränderung. Nicht nur das berühmte Cel-
        lo-Solo im Andante des B-Dur-Konzerts weiß davon so unprätentiös und innig zu singen
        wie selten zuvor.

        ***

        András Schiff, Orchestra of the Age of Enlightenment: Johannes Brahms, Piano Concertos
        (ECM)

        Foto: Tristram Kenton / Guardian / eyevine / laif
        András Schiff bei den Aufnahmen in London 2019 mit dem Orchestra of the Age of En-
        lightenment

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               Dichtes Programm der Elbphilharmonie

               Beim „Elbphilharmonie-Sommer“ vom 26. Juli bis 29. August gibt es 44 Kon‐
               zerte mit 24 unterschiedlichen Programmen im Großen Saal, teilte die Elb‐
               philharmonie am Dienstag in Hamburg mit. Berühmte Vertreter der klassi‐
               schen Musik wie Daniel Barenboim, die Labèque-Schwestern oder Matthias
               Goerne gastieren neben Jazz-Größen wie Bill Frisell oder Wolfgang Muth‐
               spiel. Auch Popstars wie Sophie Hunger und Rufus Wainwright sind ange‐
               kündigt. (dpa)

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               Mittwoch, 02. Juni 2021, Berliner Zeitung /

               Senat beschließt Lockerungen
               Von der Außengastronomie bis zum Einkauf fallen
               Beschränkungen

               ANDREAS KOPIETZ

               A
                                b dem 4. und dem 11. Juni treten in Berlin umfangreiche Lockerungen
                                der Corona-Beschränkungen in Kraft. Der Berliner Senat hat am Diens‐
                                tag beschlossen, dass ab diesem Freitag Außenbereiche von gastrono‐
                                mischen Einrichtungen wieder ohne Corona-Test besucht werden
               dürfen.

               Wie Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) sagte, darf die Gastronomie auch
               ihre Innenräume für Gäste öffnen. Dort muss allerdings weiterhin eine Bescheini‐
               gung über einen negativen Corona-Test vorgezeigt werden. Alkohol darf nun bis 24
               Uhr ausgeschenkt und verkauft werden. Bisher musste um 23 Uhr Schluss sein.

               Geöffnet werden auch wieder die Fitness- und Tanzstudios. Voraussetzung sind
               Terminbuchung und ein negativer Test. Auch im Einzelhandel entfällt ab Freitag
               die Testpflicht. Allerdings müssen Kunden wie in der Gastronomie auch dort ihre
               Adresse hinterlassen, damit Infektionswege nachverfolgt werden können. „Das
               sind große Schritte, die wir bei den Öffnungen gehen“, sagte Pop, die weiterhin um
               Vorsicht bat, „damit wir die Freiheiten, die wir zurück gewinnen, nicht wieder aufs
               Spiel setzen“.

               Ab dem übernächsten Freitag sind dann auch touristische Übernachtungen wieder
               möglich – bei Einhaltung der Test- und Hygieneregeln. Einschränkungen bei der
               Belegung in den Hotels soll es nicht geben. Eine ursprünglich angedachte Quote
               von 50 Prozent wurde inzwischen verworfen. Am übernächsten Freitag startet dann
               auch Brandenburg wieder mit den touristischen Übernachtungen. Berlin und
               Brandenburg sprechen sich in Teilen bei den Corona-Maßnahmen ab.

               Auch Kinos, Theater und Konzertsäle öffnen wieder. Kultursenator Klaus Lederer
               (Linke) sieht deshalb dem Sommer „mit Freude entgegen“. Ab diesem Freitag darf
               es Veranstaltungen in Innenräumen mit bis zu 100 Personen geben, unter Einhal‐
               tung der entsprechenden Hygienemaßnahmen wie Abstand und Maske. „Bei ma‐
               schineller Belüftung kann auch auf 500 Personen in Innenräumen hochgegangen
               werden. Ab Freitag sind dann im Freien auch Kulturveranstaltungen mit 500 Men‐
               schen möglich, etwa in Freilichtkinos oder an Konzertorten. In vier Häusern könne
               etwas über die Besucherzahl hinausgegangen werden. Das sind laut Lederer die
               Staatsoper, die Deutsche Oper, das Konzerthaus und die Philharmonie. Die Test‐
               pflicht für den Besuch von Veranstaltungen bleibe aber.

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               Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) kündigte außerdem an,
               dass ab Freitag die Hochschulen in großen und belüfteten Räumen mit Präsenzver‐
               anstaltungen in kleinen Gruppen starten. „Dies ist natürlich kombiniert mit Ab‐
               stands- und Hygieneregeln und Tests vor Ort.“ Die Studenten hätten in den letzten
               anderthalb Jahren so gut wie gar keine Angebote bekommen. Die Hochschulen
               dürfen nun ihre Labors, ihre Bibliotheken und auch die Mensen öffnen.

               Am Montag hatte das Berliner Verwaltungsgericht entschieden, dass die Schulen
               noch vor den Sommerferien wieder vollständigen Regelunterricht anbieten müs‐
               sen. „Diese Gerichtsentscheidung war nicht abzusehen“, sagte Müller. „Wir haben
               gesehen, dass es von Land zu Land die unterschiedlichsten Gerichtsentscheidun‐
               gen zu den unterschiedlichen Maßnahmen gab.“ Man werde jetzt beobachten, wie
               sich die Inzidenzen an den Schulen entwickeln. Würden sie steigen, müsse man ge‐
               gebenenfalls darauf mit mehr Tests reagieren, auch in Hinblick auf eine Forderung
               der Lehrergewerkschaft, GEW, die mehr Tests an den Schulen fordert.

               „Aufgrund der sinkenden Zahlen wollen wir so viel wie möglich zurückgeben an
               Begegnungsmöglichkeiten“, sagte Müller, der zugleich warnte: „Wir haben große
               Fortschritte auch durch das Impfen gemacht. Aber die Inzidenzen machen deut‐
               lich: Wir haben die Pandemie noch nicht besiegt.“

               Neben Berlin haben zahlreiche weitere Bundesländer Lockerungsschritte be‐
               schlossen. So darf in Brandenburg etwa die Innengastronomie mit Testpflicht ab
               Donnerstag öffnen, die Testpflicht in der Außengastronomie entfällt.

               Auch in Sachsen-Anhalt wird künftig auf eine Testpflicht in der Außengastronomie
               verzichtet. Die Regelung gilt für Landkreise mit Inzidenzwerten von unter 35. Dort
               entfällt auch die Sperrstunde für Besucher der Innengastronomie.

               Zudem werden die Regeln für Sportkurse und Vereinstraining gelockert. Kinos,
               Theater oder Literaturhäuser dürfen ebenso öffnen wie Schwimmbäder. In Ham‐
               burg wiederum ist der Besuch der Innenbereiche von Restaurants und Lokalen ab
               Freitag mit Test möglich. (mit dpa)

               Berlin/Brandenburg Seite 12

               ;„Wir wollen so viel wie möglich zurückgeben

               an Begegnungsmöglichkeiten.“

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                  KULTUR                                                                                          SEITE 9 | MITTWOCH 2. JUNI 2021

                  „Dit is zum Üben freijejem“
                  „Die 12 Cellisten“ der Philharmoniker spielen am Freitag im Gedenkkonzert für Wolfgang Boettcher

                  Celloprofessor Konstantin Heidrich (links) und der philharmonische Cellist Knut Weber in der Universität der Künste. Mau-
                  rizio Gambarini FUNKE Foto Services

                  Von Volker Blech

                  Als der Berliner Cellist und Hochschul-
                  professor Wolfgang Boettcher am 24.
                  Februar mit 86 Jahren beim Spaziergang
                  auf der Straße zusammenbrach, ging die
                  Nachricht seines Todes im strengen
                  Lockdown beinahe unbemerkt unter.
                  Aber jetzt hat sich die Corona-Situation
                  verändert, und Kollegen, Schüler und
                  Verehrer können und wollen ihn – wie
                  es sich für Künstler gehört – musika-
                  lisch ehren. „Wolfgang Boettcher lebt
                  nicht nur in seinen Studenten und deren
                  Schülern weiter, sondern vor allem in
                  den Cellogruppen der Orchester“, sagt
                  Knut Weber von den Berliner Philhar-
                  monikern. „Allein in unserer Cello-
                  gruppe sind es zurzeit sechs.“ Also fast
                  die halbe Cellogruppe der Philharmoni-
                  ker sind frühere Boettcher-Schüler. Am
                  Freitag wird es an der Universität der
                  Künste (UdK) ein erstes Gedenkkonzert STARB IM FEBRUAR: der Philharmoni-
                                                           ker Wolfgang Boettcher.Foto: Kogge-
                  für Boettcher im Rahmen des Festivals
                                                           Gateau
                  „crescendo2021“ geben.

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                  Die „12 Cellisten“ der Berliner Philharmoniker werden zum Auftakt des Konzerts
                  den „Hymnus“ von Julius Klengel spielen. „Das war zur Gründung das einzige Ori-
                  ginalwerk, das für zwölf Cellisten geschrieben war“, sagt Weber. Wolfgang Boett-
                  cher hatte 1972 die bis heute international bekannteste Kammermusikformation der
                  Philharmoniker mitbegründet. Überhaupt wird das Gedenkkonzert hochkarätig be-
                  setzt sein. Ein Weltstar wie David Geringas hat zugesagt, für seinen früheren Hoch-
                  schulkollegen an der UdK zu spielen. Mit dabei sind die vier amtierenden Cellopro-
                  fessoren Wolfgang Schmidt, Danjulo Ishizaka, Konstantin Heidrich und Jens Peter
                  Maintz, letzterer hat die Position von Boettcher übernommen.
                  Der Cellist ist Teil der Berliner Kulturgeschichte geworden
                  Genau genommen ist Wolfgang Boettcher, der 1930 in Berlin geboren worden war,
                  selbst ein Teil der Berliner Kulturgeschichte geworden. Er war auch ein klassischer
                  Mitgestalter. Dazu gehörten „Die 12 Cellisten“ ebenso wie das renommierte Bran-
                  dis-Quartett. Er war von 1986 bis 1992 künstlerischer Leiter der Sommerlichen Mu-
                  siktage Hitzacker und Professor an der „Carl Flesch Akademie Baden-Baden“. In
                  Berlin ist sein Name mit zwei der traditionsreichsten Musikinstitutionen verknüpft.
                  Bis 1976 war er zweiter Solo-Cellist der Philharmoniker, dann übernahm er eine
                  Professur an der Hochschule der Künste, der heutigen Universität der Künste.
                  Deren brandenburgisch-preußische Tradition reicht zurück bis ins Jahr 1696. Die
                  Hochschule der Künste entstand durch Fusion 1975, seit 2001 ist sie Universität.
                  Celloprofessor Konstantin Heidrich ist zugleich Festivalleiter des UdK-Musikfesti-
                  vals „crescendo“, das in diesem Jahr vom 21. Mai bis 5. Juni stattfindet. Das Ge-
                  denkkonzert gehört jetzt zur Schlussrunde. Am 4. Juni dürfen sogar 25 Zuhörer aus
                  der Universität live dabei sein. Ansonsten ist das um 18 Uhr beginnende Konzert
                  über www.udk-berlin.de/crescendo als Livestream verfolgbar.
                  Festivalchef Heidrich war selbst kein Boettcher-Schüler, sondern lernte ihn 2009 als
                  jüngerer Kollege schätzen. „Ich finde den Ausdruck Fixstern am Cellohimmel nicht
                  übertrieben. Das trifft es genau“, sagt Konstantin Heidrich: „Selbst jetzt, wo Wolf-
                  gang Boettcher nicht mehr unter uns ist, erinnere ich mich jeden Tag an irgendeine
                  Floskel, die er mal in einer Kommissionssitzung hat fallen lassen. Es waren so
                  schlaue und gut beobachtete Dinge. Und immer wieder brachte er seine Berliner
                  Schnauze mit ein.“ Weggefährten erinnern sich gern an seinen Witz.
                  Das Gespräch kommt auf eine Facebook-Gruppe, in der man eine Sprüche-Liste von
                  Boettcher findet. „An seiner ersten Spontanreaktion konnte man bereits sehen, wie
                  er das gerade Dargebotene fand“, sagt der Professor. Und der Philharmoniker fügt
                  hinzu: „Eine Eins plus war eine stumme Verbeugung. Am Ende der Skala stand der
                  Spruch ,Dit is zum Üben freijejem!‘ Schüler hatten ihm einmal eine Tabelle zusam-
                  mengestellt. Er fand sie ganz lustig und hat sie sich in sein Zimmer gehängt.“

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                  Heidrich will natürlich zuerst Boettchers Wirken als Lehrer würdigen. „Was er für
                  die Cello-Technik gemacht hat, war großartig“, so Heidrich: „Es gibt das vom Gei-
                  ger Carl Flesch entwickelte Skalensystem, das von Studenten gern auch das Skla-
                  ven- oder Qualensystem genannt wird. Es geht darum, wie man die linke Hand fit
                  bekommt. Das System hat Boettcher fürs Cello adaptiert und im Vorwort kleine Hin-
                  weise gegeben, wie man richtig übt.“ Aber auch im Künstlerischen und im Zwi-
                  schenmenschlichen sei Boettcher wichtig gewesen. So habe er aktiv die Paul-Hinde-
                  mith-Gesellschaft in Berlin unterstützt.
                  „Der siebte Cellist“ hat Rudolf Weinsheimer, einer der Gründer der „12 Cellisten“,
                  sein lesenswertes Erinnerungsbuch betitelt. Am Anfang wurde noch durchgezählt.
                  Für das „Hymnus“-Stück am Freitag hat ein anderes Gründungsmitglied zugesagt.
                  „Götz Teutsch hat Cello 12 gespielt“, sagt Weber. „In der traditionellen Instrumenta-
                  tion war es das Bassinstrument. Er sagte, dass er auch ganz gern mehr zu tun hätte.
                  Und beim ersten Auftragswerk von Boris Blacher wurde dann eine große Kadenz für
                  Herrn Teutsch auf Position 12 hineinkomponiert. Das war der Anfang von den Ar-
                  rangements, in denen jeder Cellist solistisch etwas zu spielen hatte.“
                  Der Generationswechsel vollzog sich in den 90er-Jahren
                  Obwohl Boettcher bereits frühzeitig die Philharmoniker in Richtung Hochschule
                  verlassen hatte, spielte er bei den „12 Cellisten“ immer noch als Gast mit. „Das
                  letzte Mal war er 1998 mit auf Asientournee“, sagt Knut Weber. Der Generations-
                  wechsel war im Gange. „Es hat sich in 50 Jahren viel verändert in der Aufführungs-
                  praxis und in der Cello-Technik. Die Globalität spielt heute eine Rolle. Geblieben ist
                  der Wille in der Ausdruckskraft. Wenn man alte Aufnahmen anhört, dann ist der in-
                  dividuelle Ausdruckswille unüberhörbar.“ Die „12 Cellisten“ seien von der Beset-
                  zung her die Maximalgröße, in der man Individuen noch wahrnehmen könne. Das
                  gehöre vielleicht zum Erfolgsgeheimnis, so Weber. Ein anderes war die Repertoire-
                  erweiterung. „Die Philharmoniker spielten die Beatles, das war damals eine
                  Sensation.“
                  Boettchers Schüler, allein in Berlin sollen es um die 150 sein, sind gerade dabei, sich
                  zu vernetzen. „Sein Name war stark mit der Hochschule verknüpft, viele Generatio-
                  nen von Cellisten sind daraus hervorgegangen“, sagt der Celloprofessor: „Sie wur-
                  den von ihm nach einem Leitfaden ausgebildet. Boettcher hat viele geprägt.“ Von
                  einer Schule wollen aber beide nicht sprechen. „Er hat seine Studenten begleitet und
                  geformt, aber nicht umgeformt“, sagt Heidrich. „Wir tragen seine Traditionen fort“,
                  fügt Weber hinzu: „Wenn ich als Boettcher-Schüler irgendwo unterrichte, dann ist
                  derjenige in gewisser Weise sein Enkelschüler. Er lebt in der heutigen Cellowelt
                  weiter.“
                  Gedenkkonzert am 4. Juni um 18 Uhr über www.udk-berlin.de/crescendo

                  Berliner Morgenpost: © Berliner Morgenpost 2021 - Alle Rechte vorbehalten.

https://emag.morgenpost.de/titles/bmberlinermorgenpost/10120/publications/944/articles/1362466/9/3             3/3
2.6.2021                                       https://epaper.tagesspiegel.de//webreader-v3/index.html#/476531/20-21

       Mittwoch, 02.06.2021, Tagesspiegel / Kultur

       Staatsoper zeigt Puccini im Autokino
       Die Premiere der Neuproduktion von Giacomo Puccinis „La Fanciulla del
       West“ wird am 13. Juni nicht nur in der Staatsoper Unter den Linden zu
       erleben sein, sondern auch auf dem Tempelhofer Feld. Die Staatsoper
       überträgt die Aufführung nämlich in Kooperation mit BMW in ein Pop-
       Up-Autokino auf dem ehemaligen Flughafen. Es gibt 100 Stellplätze, Or-
       chester und Gesang werden über das Autoradio empfangen, einen negati-
       ven Coronatest brauchen die Besucherinnen und Besucher nicht (weitere
       Informationen unter ww.staatoper-berlin.de). Tsp

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2.6.2021                                       https://epaper.sueddeutsche.de/webreader-v3/index.html#/808243/11

       Grandioses Experiment

       Sechs Nach fol ger von Jo hann Se bas ti an Bach ant wor ten mit ei ge nen Stü cken auf die Bran -
       den bur gi schen Kon zer te

       In al ler Welt be kannt und par tiell auch ordent lich ab ge nu delt sind die „Bran den bur gi schen Kon zer-
       te“ von Jo hann Se bas ti an Bach, von Num mer eins bis sechs zum Mit pfei fen. Ge ra de ih re Un an tast bar-
       keit fordert heraus, kann Klas sik mu si ker zur Abwehr auf ru fen. Wie kön nen sich Hö rer, die längst da -
       von er mat tet sind, neu da für in spi rie ren las sen? Durch Neuerfin dung. So ent stand „The Bran den burg
       Pro ject“ in Skan di navien.

       Der Di ri gent Tho mas Daus gaard und die Mu si ker sei nes Schwe di schen Kam merorches ters hat ten vor
       zwan zig Jah ren ei ne Idee: Fra gen wir doch mal sechs Kom po nis ten der Ge genwart, ob sie Lust hät ten,
       zu den sechs Kon zer ten Bachs je ein neues Stück zu er fin den. Mit ei ner Wei sung nur: Da Bach sei ne
       1721 dem Mark gra fen Chris ti an Ludwig von Bran den burg gewid me ten Kom po si tio nen mit jeweils un -
       terschied lichen So lo in stru men ten be stückt hat te, soll ten die Neu schöp fun gen ge nau die gleichen In -
       stru men te zum Klin gen brin gen. Die Ori gi nal be set zun gen müss ten er hal ten blei ben, doch ein ein zi-
       ges So lo in stru ment kön ne durch ein an de res ersetzt werden. „Wie würde die ses wil de Ex pe ri ment“,
       frag te sich da mals Tho mas Daus gaard, „sechs Kom po nis tin nen und Kom po nis ten gleich sam an ei nen
       Tisch zu brin gen, aus ge hen? Kann daraus ein sinnvol les Gan zes ent ste hen?“ So ent stand „The Bran -
       den burg Pro ject“, das in Lon dons Royal Fes tival Hall 2018 bei den BBC Proms urauf ge führt wurde
       und jetzt als Drei-CDs-Al bum bei der Fir ma BIS erschie nen ist.

       Bachs Bran den bur gi sche Kon zer te werden hier trenn scharf frisch im Geist der his to ri schen Klang -
       pra xis ge spielt, vir tuos, mit rhyth mi schem Drive. Vie le So lis ten ge hö ren zu den pro mi nen ten Meis -
       tern ih rer Zunft: Ta bea Zim mer mann und Brett De an mit der Brat sche, der Trom pe ter Ha kan Har-
       den ber ger und die Vio li nis tin Ant je Weit haas, die Flö tis tin nen Fio na Kel ly und Clai re Cha se, der Cem -
       ba list Ma han Es faha ni und der Obo ist Mar ten Lars son. Und dann gibt es noch den in Klas sik wie Jazz
       be hei ma te ten Pia nis ten und Kom po nis ten Uri Cai ne. Sowie die Avant garde-Cel lis tin Maya Bei ser, ei-
       ne im Kib buz auf gewach se ne, früh von Isaac Stern ent deck te US-Ame ri ka ne rin, die von der Bos ton
       Glo be als „Na tur gewalt“ ge feiert wird.

       Maya Bei ser spielt die „Ant wort“ auf Bachs ers tes Bran den bur gi sches Kon zert, kom po niert von Marc-
       An tho ny Tur na ge. „Maya“ nann te er sein Stück, bei dem er die So lo-Gei ge Bachs durch das So lo-Cel lo
       ersetz te und die gleiche Holz blä ser grup pe plus Streicher wie bei Bach agie ren lässt. Die Cel lis tin
       muss, an ders als bei Bach, hoch emo tio nal die Füh rung an sich rei ßen, me di tie ren mit und in ei ner
       end los ge streck ten, sich stei gern den Me lo die li nie. Man wä re gern da bei gewe sen, als Maya Bei ser
       2011 die Teil neh mer der In nova tions-Kon fe renz TED zum Stau nen brach te.

       Bachs zwei tes Bran den bur gi sches Kon zert, das ein mal nicht wie üb lich als Tra pez num mer der So lo-
       Trom pe te, son dern als schil lern de Kam mer mu sik funk tio niert, be kommt als Be gleit mu sik „Trice ros“
       von Steven Ma ckey, der dem Trom pe ter Ha kan Harden ber ger, Bach er wei ternd, diverse In stru men te
       als Part ner für die be son de ren Klang far ben und at mo sphä ri schen Stim mun gen an bie tet. Und dem
       drit ten Bran den bur gi schen ant wor tet An ders Hill borg mit sei ner „Bach Ma te ria“ für Streicher und
       dem spek ta ku lä ren So lo-Gei ger Pek ka Ku u sis to. Das Stück verschwei ßt Klang ma te ria lien Bachs mit
       in stru men ta len Frei hei ten, „Es gibt drei Tei le“, so An ders Hill borg, „in de nen der So list/die So lis tin
       Car te blan che er hält zu tun, was im mer er/sie möch te“. Das Er geb nis: Span nung pur.

       So ex trava gant das vier te Bran den bur gi sche Kon zert für zwei Flö ten und Vio li ne hier bewäl tigt wird,
       so unverschämt sicher über trumpft Ol ga Neuwirth das al les mit ih rem wil den „Ael lo“, ei nem „Bal let

https://epaper.sueddeutsche.de/webreader-v3/index.html#/808243/11                                                             1/2
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       mé ca no mor phe“. In drei ti tel lo sen Sät zen schiebt sie rhyth mi sche und me lo di sche Klang fet zen Bachs
       hals bre che risch in- und überein an der, reizt Bewe gungs elan und Klang far benviel falt der So lo in stru-
       men te samt Key board und Syn the si zer aus. Das ist ei ne da da is ti sche Mu sik, de ren Ti tel aus der grie -
       chi schen My tho lo gie stammt, ge meint ist ei ne Har py ie, „ei ne Winds braut, von den Göt tern ge sandt,
       um den Frie den wie der her zu stel len, not falls auch mit Gewalt“. Das ist durch aus auf Neuwirth selbst
       ge münzt.

       Uri Cai nes Stück „Ham sa“, das ara bi sche Wort für „fünf“, be dient sich frei zü gig ein zel ner Frag men te
       des fünf ten Bach-Kon zerts für Flö te, Vio li ne, Cem ba lo und Streicher. Cai ne spielt sein ei ge nes Stück,
       al les ist nach vorn ge rich tet, prä sen tiert mit atem lo ser Trieb kraft in al len sich bie ten den Ver frem -
       dun gen und Ver wand lun gen. Es folgt der ul ti ma tive Brat schen-Hö he punkt mit Ta bea Zim mer mann
       und Brett De an. Des sen „Ap proach“ ist ei ne ris kan te Wan de rung durch die Aben teuer welt tie fer
       Streicherklän ge. In ei nem flie ßen den Über gang führt De an dann zu Bachs verschat te tem sechs ten
       Kon zert.Wolf gang Schrei ber

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                            https://www.nytimes.com/2021/06/01/arts/music/johnny-gandelsman-bach-cello.html

CRITICʼS NOTEBOOK

Bachʼs Cello Suites, Now on Violin, With a Folksy Feel
With an ear for dance and a new five-string violin, Johnny Gandelsman set out to transform a towering classic.

         By Joshua Barone

June 1, 2021

Bargemusic was rocking last Friday evening as rain fell heavily outside, casting the view of Lower Manhattan in gray.

Inside, though, Bargemusic — the tiny concert hall docked in the shadow of the Brooklyn Bridge in Dumbo — was alight with the liveliness of
belowdecks entertainment as a small audience rode out the storm to the fiddling sounds of Johnny Gandelsman’s violin. At times the performance
had the improvisatory feel of folk music, but it was in fact a survey of Bach’s towering six cello suites — transformed, with foot-tapping joy, for a
smaller string instrument.

Gandelsman isn’t the only violinist to have tackled these classic works; Rachel Podger recorded them in 2019, a year before he released his own set.
But his approach is singular: feather-light and rooted in dance and folk music. He treats the suites as six enclosed spaces, tracing long arcs through
each one, the sections blurring as he plays them through without pausing.

Gandelsman’s recording came out in February 2020, and he had a concert planned at the Irish Arts Center in Manhattan that March. Like everything
else, it was canceled. Bargemusic on Friday was his return; because of ongoing safety measures, it was a modest one, with a distanced crowd in an
already small space, and the six suites spread over two evenings instead of his usual one.

He’ll be back on the barge, June 24 and 25, with more Bach: the sonatas and partitas for solo violin. After that, he may return to this endlessly
explorable composer, but his focus will be shifting to a new project: This Is America, a set of 22 new violin works commissioned from the likes of
Angélica Negrón, Tyshawn Sorey and Tomeka Reid, with premieres rolling out starting this summer.

But before that, he joined a video call after the Bargemusic concerts to discuss the cello suites, which he said he had been discouraged from
recording.

https://www.nytimes.com/2021/06/01/arts/music/johnny-gandelsman-bach-cello.html                                                                         1/3
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   Gandelsman said that his interpretation of the suites aimed for the “sense of freedom” found in dance and folk music. Mary Inhea Kang for The New York Times

“It was looked at as a novelty gimmick,” he said. “But there are at least three 19th-century editions of transcriptions, and they feel so good on the
violin.”

The project followed his recording of the sonatas and partitas. While the violin solos are most difficult in their fugues and implied counterpoint, he
said, the cello works more or less keep multiple voices within the same line. The suites did, however, require idiosyncrasies like scordatura
(alternative tuning) in the Fifth Suite and the use of a five-string violin in the Sixth — both common in folk music.

That’s what he worked toward in his interpretation: a folk flavor. He avoided listening to recordings — though he said he had been inspired by Paolo
Pandolfo’s viola da gamba rendering, “maybe the most radical in a way” — and tried to internalize the music to get at its dance-y “sense of freedom.”

In the video call, he focused on three sections to discuss his approach. Here they are, with side-by-side comparisons of his recording and ones by Yo-
Yo Ma, Pablo Casals and Anner Bylsma.

                                                                             Suite No. 1 in G: Gigue
The First Suite, Gandelsman said, “has this just incredible sense of lightness, and also discovery” — a tone set immediately in the Prelude, airy and
full of naïve wonder in his reading.

“I don’t want to suggest that a viola or cello can’t do these things,” he said. “But there’s something about the way the violin resonates that just kind of
propels everything forward.”

He gives the sections the feel of “a real set of dances,” like something an Irish fiddler would play. Seen from that perspective, he said, the suite’s final
movement, the Gigue, is a “party moment” — albeit a brief one. But that fleeting celebration, he added, is “pure joy.”

“I think of the way my friend Martin Hayes” — a renowned fiddler — “might approach a gigue and vary inflections and articulations in a natural
way,” Gandelsman said. “To bring a sense of joy and abandon and a sense of closing to these beautiful 15 minutes of discovery.”

                                                                        Suite No. 4 in E flat: Prelude
Played on a cello, this Prelude tends to take on what Gandelsman called a “majestic quality.” The phrases leap octaves, beginning at the lowest string
and jumping to the highest — which, at an unhurried pace, creates a foundational resonance. “I quickly realized,” he recalled, “that that just does not
work for me on the violin.”

He couldn’t sustain the low-note resonance at a slow tempo and still articulate a long line. So he arrived, he said, at “an overall shift.” The score is in
cut time, so he started by following that, speeding up the eighth notes and taking a wider view of the movement.

“Suddenly everything kind of came together,” he said, “and created this incredible feeling where I felt like I was looking through a kaleidoscope.”

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The music was now perhaps less grand than on a cello, but the architecture had been revealed to Gandelsman in a new way. “The majestic quality
can sound quite heavy,” he said, “and sometimes one can get lost in the beauty of each bar or each note and lose the sense of how the harmonies are
shifting almost imperceptibly from bar to bar. Once I kind of let go of that majestic quality and went for something else, I saw an overall character of
the entire suite that is incredibly light and funny and full of humor.”

                                                      Suite No. 5 in C minor: Sarabande
When Gandelsman started working on the Fifth Suite, he found himself “pulled into the world of the way that it sounds on the cello,” he said. “It’s
very dramatic and in some ways the darkest of the suites.”

The Sarabande, in particular, is despair in miniature — only a few lines in the score, made up of phrases seemingly cut short by low notes, a
Sisyphean climb. Those depths, though, are impossible on the violin. And the character of the piece isn’t exactly a natural fit for the instrument’s
bright high E string.

Gandelsman took steps throughout the project to pre-empt any problems the violin’s upper register might pose: He used a gut E string, for instance,
and recorded to tape to further soften its sound. On the violin, there is still a darkness to the Fifth Suite, Gandelsman said. But as he was working on
it, “it started revealing a quality of loneliness, more so than gravitas.”

“What I feel,” he added, “is the most inward kind of conversation with yourself.”

The Fifth’s Sarabande is unique among the suites for not containing chords. “It is the most bare-naked, lonely line,” he said. Without multiple voices,
and without a low C string, the violin is left with a fundamentally different, less resonant sound than the cello. But it’s no less affecting.

“There’s a single voice, but there’s also incredible dissonance in this movement,” he said. “Not everywhere, but in specific places he chooses these
minor-second inflections, which are so painful. I feel an incredible sense of loss when I’m playing it. I just try to embrace that and not try to compete
with the fact that I don’t have low strings that can ring forever.”

https://www.nytimes.com/2021/06/01/arts/music/johnny-gandelsman-bach-cello.html                                                                         3/3
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               Mittwoch, 02. Juni 2021, Berliner Zeitung /

               Sommerliche Berlinale
               SUSANNE LENZ

               E
                          s geht los! Am 3. Juni um zehn Uhr sollten Filmbegeisterte vor
                          dem Rechner sitzen: Dann beginnt der Berlinale-Vorverkauf.
                          Von der Festival-Webseite wird man zu den 16 Freiluft-Kinos ge‐
                          leitet, die sich an dieser besonderen Berlinale vom 9. bis zum
               20. Juni beteiligen.

               Das sind neben den üblichen Verdächtigen wie den Freiluftkinos Hasen‐
               heide, Rehberge oder Friedrichshain und Kreuzberg auch Orte wie das
               Arte-Sommerkino im Schloss Charlottenburg, wo man mit einem Getränk
               in der Hand Kino in einem Liegestuhl erleben kann. Oder das Atelier Gar‐
               dens-Freiluftkino direkt am Tempelhofer Feld, wo sich der große Garten
               der Berliner Union-Film-Ateliers in ein Kino verwandelt. Und dann das ei‐
               gens für die Berlinale eingerichtete Freiluftkino am glanzvollsten Ort, den
               Berlin zu bieten hat: die Museumsinsel. Hier wird das Sommer-Festival am
               9. Juni mit dem Thriller „The Mauretanian“ von Kevin Macdonald feierlich
               eröffnet. Der Film basiert auf dem Guantanamo-Tagebuch von Mohame‐
               dou Ould Slahi. Hier werden auch die Bären überreicht, vergeben wurden
               sie ja bereits im März am Ende des Branchen-Events. Hier wird am 13. Juni
               Radu Judes Siegerfilm „Bad Luck Banging or Loony Porn“ gezeigt.

               Entspannen sollte man sich auch bei der Filmwahl. Klar wollen alle die
               deutschen Filme sehen: „Fabian oder Der Gang vor die Hunde“ mit Tom
               Schilling oder „Nebenan“ von und mit Daniel Brühl. Aber die kommen nur
               ein paar Wochen später ins Kino. Lieber einen Film wählen, den man viel‐
               leicht sonst gar nicht zu Gesicht bekommt. Den zauberhaften „Vi-Taste“
               aus Vietnam etwa, der einen in eine reale Welt der Armut führt, die doch
               wie eine Traumwelt wirkt. Und unbedingt: „Per Lucio“, der nicht nur eine
               Hommage an einen großen Liedermacher Lucio Dalla ist, sondern eine
               Reise in die Vergangenheit Italiens, die auch mit der Deutschlands verbun‐
               den ist. Es wird bestimmt schön!

https://epaper.berliner-zeitung.de/webreader-v3/index.html#/937856/12-13                                                 1/1
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       Hinreißend heiser

       Bir git Mi nich mayr singt ei gen wil lig und schön jaz zig ar ran gier te So net te von Shake speare

       VON E G B E R T T HOL L

       Das Te norsa xo fon hängt ei ne weit ge spann te Girlan de auf, dann über nimmt die akus ti sche Gi tar re,
       spielt ei ne klei ne Me lo die vol ler Poe sie, der Bass wan dert sanft dar un ter her um, bis die Stim me wie
       mit ei nem Seuf zer ein setzt. Es ist ein herrliches Weh, dass die se Stim me aus brei tet. Sie singt vom
       Win ter, der sich wäh rend der Tren nung vom ge lieb ten Men schen aus brei te te, vom Verstum men der
       Vö gel und davon, wie fahl das Laub wird. Und doch hat „How li ke a win ter“ die Wär me ei ner Lie be, die
       auch die sen Win ter überdauern wird, in die sen Versen, de nen die Stim me ein verson ne nes Lä cheln
       verleiht, in der Mu sik, die sich zwi schen die Verse schiebt. Es ist das Lieb lings lied von Bir git Mi nich -
       mayr.

       Bir git Mi nich mayr, der Burg thea terstar mit pro fun der Volks büh nen- und Re si denz thea ter ver gan -
       gen heit, die Ki no zau be rin et wa in „3 Ta ge in Qui be ron“, hat ei ne Jazz plat te auf ge nom men, darauf
       Ver to nun gen von neun der 154 So net te von Wil liam Shake speare. Und das kam so: Im ver gan ge nen
       Som mer weil te Mi nich mayr als Ar tist in Re si dence beim Fes tival „We ge durch das Land“ in Ost west -
       fa len-Lip pe. Dort las sie Tex te von Do ro thy Par ker, der Jazz pia nist Bernd Lhotz ky mach te mit sei nem
       Duo-Part ner Chris Hop kins Mu sik da zu, so Zwan zi ger jah re-Sa chen, und da es ein Lied von Co le Por-
       ter gibt, in des sen ers ter Zei le Par ker er wähnt wird („Just one of tho se things“), pro bier ten sie das
       auch aus. Lhotz ky war be geis tert, mein te, sie müss ten un be dingt et was zu sam men ma chen, viel leicht
       Ver to nun gen von Shake speare-So net ten. Mi nich mayr dach te sich, ja red’ du nur. Nach mehr als 20
       Jah ren im Schau spiel ge schäft weiß sie, wie vie le Pro jek te nur erdacht, aber nie rea li siert werden.

       Dann tru del ten im Novem ber ver gan ge nen Jah res die No ten der ers ten fünf Stücke ein. Lhotz ky hat te
       selb stän dig die So net te aus gewählt und nicht nur die ers ten Ver to nun gen pa rat, er hat te auch gleich
       ei ne Band da für, das Münch ner Jazz quar tett Qua dro Nue vo . Das gibt es schon sehr lan ge und ist bis -
       lang nicht un be dingt durch her be Avant garde auf ge fal len. Viel mehr klingt sei ne ein gän gi ge Ver mi-
       schung von Pop, Jazz und Volks mu si ken wie Mo tor rol ler fah ren in süd lichen Ge gen den Eu ro pas.

       Gleichwohl: „Ich lie be es, Jazz zu hö ren, aber ha be viel Re spekt davor.“ Über haupt ha be sie vor Auf-
       trit ten, bei de nen sie sin gen muss, „ei ne ganz an de re Versa gen s angst“. Das wirkt ein biss chen über ra -
       schend. Sie sang die Pol ly in Klaus Ma ria Bran dauers In sze nie rung der „Drei gro schen oper“ in Berlin,
       sie sang rup pig und fa bel haft in der „Struw wel pe ter“-In sze nie rung am Burg thea ter und sie sang mit
       Cam pi no von den To ten Ho sen ein be tö ren des Duett ein. Und wenn sie nicht wirk lich singt, tourt sie
       auch mal mit dem En sem ble Re so nanz und trägt Tex te von Wolf gang Herrn dorf vor, zwi schen de nen
       das Orches ter Haydns „Sie ben letz te Wor te un se res Erlö sers am Kreuz“ spielt.

       Schlie ß lich hat ten sie neun Lie der zu sam men, die Auf nah men in Mün chen dauer ten drei Ta ge, Mi-
       nich mayr hat te ih ren Part zuvor mit ei ner Ge sangs leh re rin ein ge übt. Lhotz ky, bei dem Pro jekt Kom -
       po nist, Pia nist und mu si ka li scher Lei ter, ha be ihr gro ße Frei hei ten ge las sen, woll te sie als Di seu se,
       als sin gen de Schau spie le rin hö ren, nicht als Imi ta tion ei ner Jazz sän ge rin. Nur ein mal griff sie selbst
       in die Fak tur ei nes Stückes ein, bei dem, das der nun beim La bel Act erschie ne nen CD den Ti tel gibt:
       „As an un per fect ac tor“. In schö nem al ten Shake speare-Eng lisch – wie in al len So net ten – wird der
       Ver gleich ei nes lie ben den Men schen zu ei nem mie sen Schau spie ler ge zo gen. Bei den feh len die Wor te,
       der ei ne, weil er kei ne fin det, der an de re, weil er sei nen Text ver ges sen hat. Was bleibt, ist das Spiel
       der Au gen. Mi nich mayr woll te da zu ih re Stim me in die Hö he schrau ben, raus aus dem gewohn ten Re -
       gis ter, bis sie ganz brüchig und hei ser wird. Das ist ge lun gen. Das ist plas ti sches Stimm thea ter.

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